Schule als Reproduktionsstätte sozialer

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Transcript Schule als Reproduktionsstätte sozialer

Differenz im schulischen Kontext
Differenz - Diversität
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Profession
Professions(selbst)bewusstsein
Professions(selbst)verständnis
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Embrazing diversity
Verstehen
Celebrating diversity
Wir nehmen alle mit
Wir lassen keinen
zurück
Brigitte Leimstättner
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Systematisches
Verstehen
Differenz im schulischen Kontext
Jede/r ist anders anders.
Paul Mecheril
Das Verhältnis von Gleichheit und
Differenz ist ein komplexes,
interdependentes.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Biografien
Biografien sind Ausgangsbasis dafür, die Strategien und den Sinn
ihrer/seiner Lebensformen und Handlungen zu verstehen, warum die
strukturellen Bedingungen sie/ihn auf gerade diese Weise handeln
und denken lassen und nicht anders.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die Biografie jeder Einzelnen, jedes Einzelnen ist durch seine
Einmaligkeit gekennzeichnet, und es geht darum „die Einzigartigkeit
seines Seins in den historischen und sozialen Verhältnissen, seinem
Alltag, dem gelebten Leben, der Biografie […] sowie den Tiefen und
Weiten der damit verbundenen Erfahrungen, Gefühle, Gedanken,
Träume, Traumata, Verdrängungen, Illusionen, Überzeugungen und
Visionen“ zu begreifen; auch wenn das nie ganz gelingen wird, weil
wir „Menschen sind, die ebenso in diese historischen, sozialen,
kulturellen, altersbedingten, geschlechtsbezogenen und immer
zugleich individuellen Existenzbedingungen eingewoben sind.“
Barbara Friebertshäuser
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Erzähltes, erinnertes, dokumentiertes Leben
•macht biografisch Erlebtes reflektierbar
•ermöglicht es mit Anderen zu teilen
•eröffnet eine Chance
-es zu verarbeiten,
-neu zu bewerten,
-neue Deutungsfolien aufzulegen.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Tauschen Sie sich bitte zu folgenden Fragen am Tisch
aus und diskutieren Sie diese :
Haben Sie sich schon mit Biografien beschäftigt – in
welchem Zusammenhang, mit welcher Intention?
Welche (Fremd-)Biografien sind/waren für Sie interessant,
was hat Sie daran interessiert, fasziniert?
War eine Biografie für Sie prägend, bedeutend?
Was glauben Sie, warum es wichtig ist, sich als Lehrer/in mit
der eigenen Biografie zu beschäftigen?
Tischergebnisse: Wie beeinflusst die Biografie die eigene Arbeit?
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Niemand kann aus seiner Haut, weder Lehrer/innen noch Schüler/innen. Es ist
für die Bildungsbiografie nicht egal, in welches Milieu ein Kind hineingeboren wird…
Denken Sie an ihre eigene Biografie, an Ihre Herkunftsfamilie und deren
Positionierung im sozialen Raum (Gesellschaft):
Welchen Stellenwert hatte die Bildung in Ihrem Elternhaus?
Wie wurde bei Ihnen zu Hause kommuniziert?
Worüber wurde wie gesprochen?
Welche Radiosendungen wurden gehört?
Welche Zeitung lag am Tisch?
Wie würden Sie den Lebensstil ihrer Familie beschreiben?
Welche sozialen Netzwerke standen Ihnen zur Verfügung?
Wer oder was war für Sie auf Ihrem Bildungsweg eine Ressource?
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Intersektionalität/Überkreuzungen
Dabei geht es darum anzuerkennen, dass die Lebenssituation von Menschen durch
unterschiedliche soziale Machtstrukturen beeinflusst wird.
So ist ein Mensch nie nur „Frau“ oder „Mann“ „Inländer/in“ oder „Ausländer/in“,
Erwachsener oder Kind, wohlhabend oder arm etc.
Diese und andere soziale Unterscheidungen schaffen Hierarchien, die Menschen
privilegieren bzw. benachteiligen.
Ein intersektionaler Zugang versucht, die „Überkreuzungen“ (Intersektionen) der
unterschiedlichen Machtstrukturen in den Blick zu bekommen, um zu verstehen,
welche Effekte diese haben und wo Strategien zur Veränderung von
Machtstrukturen ansetzen können.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Systematisches Verstehen
Sozialer Raum
Feld
Habitus
Kapitalien
Pierre Bourdieu
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die Lebensweisen der Menschen und die zugrunde liegenden
Überzeugungen sind wesentlicher Ausgangspunkt für den
Habitus als „allgemeine Grundhaltung, (…) gegenüber der Welt“:
„Wie einer spricht, tanzt, lacht, liest, was er liest, was er mag, welche
Bekannten und Freunde er hat, all das ist eng mit einander verknüpft.“
Pierre Bourdieu
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Der Habitus ist nicht angeboren, sondern entwickelt sich
gesellschaftsspezifisch und ist für die Reproduktion
sozialer Strukturen verantwortlich. Er ist träge, tendiert
zur Reproduktion früheren Verhaltens und sucht nach
Bedingungen, die denen seiner Genese gleichen, weil er
für diese gerüstet scheint. Der Habitus wird durch
Geschlecht, soziale Position, Herkunft und ethnische
Zugehörigkeit bestimmt.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Der Habitus beruht auf Erfahrungen,
die sich in der Wahrnehmung, in den
Denk-, Deutungs-, Bewertungs- und
Handlungsschemata eines Akteurs,
einer Akteurin niederschlagen.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die Ausbildung des Habitus‘ ist eng verbunden mit der Position, die
die Individuen aufgrund ihrer Kapitalausstattung und ihren
Beziehungen zu anderen Individuen im sozialen Raum, in den
verschiedenen Feldern einnehmen und von der aus sie die soziale
Welt wahrnehmen und bewerten.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Kapitalien
Ökonomisches Kapital
Soziales Kapital
(Geld, Besitz)
(soziale Beziehungen, Netzwerke)
Kulturelles Kapital
Inkorporiertes
(verinnerlichtes)
kulturelles Kapital
(kulturelle Kompetenz)
Institutionalisiertes
kulturelles Kapital
(formale
Bildungsabschlüsse)
Brigitte Leimstättner
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Objektiviertes
kulturelles Kapital
(Gemälde, Schriften,
Musik, ect.)
Differenz im schulischen Kontext
Habitusformen und (Re-)Produktionslogiken
sind ressourcenbedingt und milieuspezifisch.
Schule ist ein sozialer Ort, an dem über
Interaktionsprozesse gemeinsam Wirklichkeit
konstruiert, konstituiert und erfahren wird.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Eine Art „kulturelles Unbewusstes“ der
Schule lässt alltägliche Handlungen als
„natürlich“ erscheinen und tatsächlich
sind sie in vielen Fällen kulturell
konstruiert.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Privilegierte & Nicht-privilegierte Schüler/innen
Schule aus der Sicht von Kindern. Zur Bedeutung der
schulischen Logiken von Kindern mit privilegierter und
nicht-privilegierter Herkunft.
Literatur:
Rahel Jünger (2010): Schule aus der Sicht von Kindern. in: Brake/ Bremer (Hrsg.): Alltagswelt Schule.
(Juventa), S. 159-183.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der nicht-privilegierten Schüler/innen
•Schule ist notwendig für die Sicherung ihrer künftigen Existenz.
•Die Eltern teilen diese existenzielle Rolle der Schule und vermitteln sie ihren
Kindern.
•Die Kinder erklären, dass schlechte Noten dazu führen, dass man hungern
muss.
•Die Verwirklichung großartiger Träume schließen die Kinder von vornherein
aus.
•Die Kinder stehen unter enormem Druck:
Sie gehen davon aus, dass sie selbst Verantwortung für ihre Zukunft tragen.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der nicht-privilegierten Schüler/innen
• Hohe oder prestigereichere Berufe trauen sie sich nicht zusie orientieren sich am Machbaren (Risiko höherer Berufe).
• Zu vermeiden gilt es, einmal einen „schlechten Beruf“ ausüben zu
müssen.
• Die Schule ist für die Kinder nicht nur wichtig, sondern ein Privileg
im Vergleich zu anderen Ländern.
• „Die Schule ist im Leben einfach der wichtigste Teil“.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der nicht-privilegierten Schüler/innen
•Der schulische Lerninhalt ist ihnen fremd und bereitet wenig Freude. Es
fehlen ihnen Vorstellungen von Lernprozessen und davon, wie man konkret
lernen kann.
•Es fehlt ihnen grundlegendes schulisches Wissen
(z.B. Fächerstruktur).
•Bei Schwierigkeiten erfahren sie von keiner Seite Hilfe. Die Eltern können
meist nicht helfen und erhöhen eher den Druck. Sie sind auch nicht in der Lage
ihre Kinder allgemein zu unterstützen.
•Diese fehlt den Kindern vor allem in der Freizeit und den Ferien, die als
langweilig empfunden werden.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der nicht-privilegierten Schüler/innen
•Die Themen „Selektion“ und „Noten“ sind mit viel Unbehagen verbunden.
•Die Noten sind oft schlecht und dies belastet die Kinder. Das
Zustandekommen der Noten wird mit der eigenen Anstrengung und dem
„Anstand“ erklärt.
•Die Kinder beklagen, beanstanden oder kritisieren ihre Situation nicht. Sie
nehmen eine Haltung der Unterwerfung, Kritiklosigkeit und Idealisierung ein.
Schulische Einrichtungen werden idealisiert.
•Wenn sie von Gewalt durch die Eltern erzählen, rechtfertigen sie diese mit
zahlreichen Gründen.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der privilegierten Schüler/innen
•Sie fühlen sich in einer sicheren Lage, am wichtigsten an der Schule ist, dass sie
Spaß haben.
•Sie sind mit schulischen Lerninhalten äußerst vertraut und haben klare
Vorstellungen von Lerntechniken und –prozessen.
•Sie fokussieren die Form des Lernens und verfügen daher über einen – von
konkreten Verwendungszwecken freien – Begriff des Allgemeinwissens.
•Lerninhalte werden als nicht allzu schwierig gesehen.
Sie haben ein umfassendes Allgemeinwissen über die Welt (Wortschatz, Haltung,
Kompetenz des Erläuterns, eigene Meinungen, in der Diskussion aktueller
politischer Themen, Kenntnis über fremde Länder, Auslandserfahrungen)
und das Bildungssystem (Strukturen, Zugänge, Fächer- und Benotungssystem).
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die schulische Logik der privilegierten Schüler/innen
•Sie haben außerhalb der Schule vielfältige Gelegenheiten Wissen zu erwerben.
(Familiäre Diskussionen, Freizeitaktivitäten,…)
•Schließlich haben sie auch gute Noten.
•Haben die Kinder Schwierigkeiten, fangen die Eltern diese auf (von Nachhilfe bis
hin zu Lehrer- und Schulwechsel).
•Die Zukunft erscheint so sicher, dass die Schule nicht so wichtig erscheint. Ganz
sicher sind sie, dass sie nach der Sekundarschule in das Gymnasium kommen.
•Sie treten selbstbewusst auf, äußern ihre Ansprüche an die Schule und
kritisieren, was ihnen nicht passt.
•Ihre Schulen sind sehr gut ausgerüstet und bieten zahlreiche Sonderaktivitäten.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Effekte der ressourcenspezifischen schulischen Logiken
Nicht-privilegierte Schüler/innen
Privilegierte Schüler/innen
Kritiklosigkeit
Kritik und Einmischung
Fehlende Kenntnis der Regeln
und unkritische Akzeptanz
Souveränität und Kritik bezüglich
der Regeln
Funktionales Lernen
Lernen hat einen Sinn für sich
Fehlende außerschulische
Lernmöglichkeiten
Außerschulische Lernmöglichkeiten
und
Angewiesenheit auf schulische
Unterrichtsqualität
weitgehende Unabhängigkeit von
der schulischen Unterrichtsqualität
Noten nicht erwähnen
Noten erklären und debattieren
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
1.Austauschrunde:
Wie hast du die Ergebnisse dieser Studie aufgenommen?
Wenn du in dich hineinhorchen:
Was ist dir durch den Kopf, den Bauch gegangen?
Hast du es körperlich gespürt?
Als wer nimmst du diese Studie wahr – eher als Lehrer/in, eher als Schüler/in, als beides?
Welche Bilder sind aufgetaucht?
Beobachtungen aus der eigenen Praxis, Beispiele, Meinungen…
2. Austauschrunde:
Was bedeutet das für mich als Lehrer/in?
Was kommt bei mir in Bewegung – oder lässt mich erstarren?
Wo sehe ich meinen Handlungsspielraum als Lerndesignerin?
3. Austauschrunde:
Aushandlungs- und Vereinbarungsprozess
Welche Handlungsoptionen sehe ich als ......, sehen wir als .......?
Welche „Konsequenzen“ sehe ich, sehen wir für die Schule als pädagogische Einheit?
Welche Hebel, Ressourcen sehen wir?
Was kann mich/uns unterstützen im Hinblick auf Anerkennung von Unterschieden?
Mögliche nächste Schritte können sein: ….bitte auf Flip!
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Kinder nehmen von ihrer sozialen Herkunft unterschiedliche Ressourcen
mit (z.B. Ethos, Bildungsaspiration, Ausstattung, kulturelle Praxis, Sprache)
 „Kapital“
Die Schule beurteilt unter einem bestimmten kulturellen Blickwinkel (z.B.
Hochkultur, Sprache, Mittelschichtsperspektive)
Sie stellt Erfolgshypothesen auf: Der Tochter eines türkischen
Bauarbeiters wird weniger zugetraut, Chirurgin zu werden, als dem Wiener
Medizinersohn
Kinder, die von früh auf die bürgerliche Kultur internalisiert/inkorporiert
haben (kulturelles Kapital --> Habitus), haben einen Vorsprung.
Das Bildungssystem reproduziert Ungleichheit, indem es alle gleich
behandelt
Erfolg und Misserfolg werden auf individuelles (Un-)Vermögen, angeborene
Begabung etc. zurückgeführt und nicht auf den schulischen
Selektionsmechanismus bzw. auf kulturelle Konstruktion
Prinzipien der Selektion (vgl. Schulprestige), Defizitorientierung,
Konkurrenz, frühe Aufteilung nach Schultypen, Abwertung beruflicher
Bildung, Halbtagsschulen
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
10 % der Jugendlichen fallen aus dem
(Schul-) System, haben keine
Teilhabe an der Gesellschaft
Die gesellschaftliche Teilhabe ist
nicht für alle gleich.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
„Die Begabungsideologie (…) bringt sie dazu, das als
naturbedingte Unfähigkeit wahrzunehmen, was nur die Folge
einer inferioren Lage ist, und redet ihnen ein, dass ihr
soziales Los (das mit fortschreitender Rationalisierung der
Gesellschaft immer enger mit ihrem schulischen Schicksal
verknüpft ist) ihrer individuellen Natur, ihrem Mangel an
Begabung geschuldet ist.“
Pierre Bourdieu
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
"Von unten bis ganz nach oben funktioniert das Schulsystem, als bestünde
seine Funktion nicht darin auszubilden, sondern zu eliminieren. Besser: in
dem Maß, wie es eliminiert, gelingt es ihm, die Verlierer davon zu überzeugen,
dass sie selbst für ihre Eliminierung verantwortlich sind.“
Pierre Bourdieu
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
„Indem das Schulsystem alle Schüler, wie ungleich sie auch in
Wirklichkeit sein mögen, in ihren Rechten und Pflichten gleich
behandelt, sanktioniert es die […] Ungleichheit. Die formale
Gleichheit, die die pädagogische Praxis bestimmt, dient in
Wirklichkeit als Verschleierung und Rechtfertigung der
Gleichgültigkeit gegenüber der wirklichen Ungleichheit in
Bezug auf den Unterricht und der im Unterricht vermittelten
oder, genauer gesagt, verlangten Kultur.“
Pierre Bourdieu
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Es ist notwendig, die Realität der sozialen Milieus
und die damit verbundene kulturelle Differenz in
den Blick zu bekommen. Es muss die
„Notwendigkeit zur Akkulturation“ erkannt
werden. Für die mittleren und unteren Milieus ist
das ungleich schwieriger, als für jene aus
privilegierten Milieus, da sie mit ihrem kulturellen
Erbe die pädagogischen Codes wesentlich
leichter entziffern können.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Lehrer/innen sind diejenigen, die maßgeblich für die
Qualifizierung und Bildung der nächsten Generationen zu sorgen
haben und an entscheidender Stelle mitbestimmen, welche
Teilhabe den Schüler/innen an der gesellschaftlichen Reziprozität
ermöglicht wird. Das Wirken der Lehrer/innen ist die eigentliche
inhaltliche Leistungsebene des Schulsystems, die von keinem
anderen Akteur erbracht werden kann.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Lehrer/innen und Schulleiter/innen als Akteur/innen
Ausgehend von ihrem Alltagshandeln, ihren Alltagspraktiken und
Bewältigungsstrategien, den Positionen, von denen aus ihr Handeln in den
Wechselwirkungen zwischen Habitus und Feld gesehen werden muss, ist es
möglich zu erkennen und zu verstehen, in welcher Weise die Akteur/innen die
Gesellschaft konstruieren und die Gesellschaft die Akteur/innen konstruiert und
wie diese Wechselwirkungen als zirkuläre Beziehungen zu begreifen sind.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Aus Schüler/innen werden Lehrer/innen
Lehrer/innen benötigen einen flexiblen und biegsamen Habitus, der
genug Kompatibilität aufweisen soll, um sich dem kollektiven Habitus,
der dem Feld Schule eigen ist, einzuordnen.
Das Akzeptieren der Regeln des Feldes und das Sich-Eingliedern
in das Feld sind notwendig, um Lehrer/in zu werden:
•Sicherung von Hierarchien und sozialen Ordnungen
•Aufteilung der Schüler/innen über Selektion und
Zugangsberechtigungen
•Äußere Differenzierungs- und Selektionsstrategien
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
„In meiner Volksschule
gab es drei Klassen: A, B
und C. Da haben sie die
Kinder dementsprechend,
hineingesetzt, sozusagen
sortiert. In der A-Klasse
waren immer die
Besseren.“
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Spezifische Reflexivität und
„Wahrnehmungsbreite“
Veränderung des kollektiven
Habitus
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Der Umgang mit dem Fremden/Anderen
bedarf der Veränderung des
„kollektiven“ Habitus, sowohl im Feld
Schule - durch die Akteur/innen und der am
Schulsystem Beteiligten - als auch aus
gesamtgesellschaftlicher Perspektive.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Die Schwierigkeit, den institutionellen und personellen
Habitus zu verändern, kann Bourdieu folgend aus zwei
Sichtweisen erklärt werden: Einerseits ist der Habitus
durch eine außerordentliche Trägheit bestimmt, die „aus
der Einschreibung der sozialen Strukturen in die Körper
resultiert“, und eine dauerhafte Transformation desselben
kann nur durch eine „wahre Arbeit der Gegendressur, die
ähnlich dem athletischen Training wiederholte Übungen
einschließt“ erzielt werden.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Lösungsvorschläge
Lehrer/innen und Schulleiter/innen verstehen sich als Akteur/innen – als Teil des
„sozialen Spiels“.
Die Positionierung (der Standpunkt) der Lehrer/innen, Schulleiter/innen im sozialen
Raum ist entscheidend für ihren Blick auf Schüler/innen und es bedarf der
professionellen Reflexion der (eigenen) Wahrnehmungs-, Denk-, Handlungs- und
Bewertungsschemata.
Die Wahrnehmungskompetenz und Wahrnehmungsbreite im Hinblick auf
„Anerkennung von Differenz“ ist an der Schule ein gemeinsames
Entwicklungsthema.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Lösungsvorschläge
Mit dem Wissen um die Zusammenhänge, Mechanismen und relationalen
Beziehungen, dem Erkennen und Bewusstmachen auch der damit
verbundenen Grenzen werden die Möglichkeiten eines reflexiven und
relationalen Umganges im schulischen und pädagogischen Handeln
zwingend und finden in den pädagogischen Konzepten Eingang.
Professionelle Reflexion des pädagogischen Handelns ist ein
selbstverständlicher und impliziter Anteil des Lehrberufes und darf nicht
allein dem individuellen Engagement und dem Zufall, der Freiwilligkeit
und Eigenverantwortlichkeit der Lehrer/innen überantwortet werden.
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Denke an eine Schülerin/einen Schüler, die/der dir sympathisch ist,
die/den du magst, die/der es dir leicht macht zu unterrichten,
empathisch zu sein, zu verstehen,...
Was (vermutest du) könnten die Gründe dafür sein?
Denke an eine Schülerin/einen Schüler, der es dir sehr schwer
macht, sie/ihn zu unterrichten, empathisch zu sein, zu verstehen, …
Was (vermutest du) könnten die Gründe dafür sein?
Brigitte Leimstättner
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Differenz im schulischen Kontext
Literatur
BOURDIEU, Pierre/Passeron, Jean-Claude (1971): Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens
am Beispiel Frankreichs. Stuttgart.
BOURDIEU, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede. Die Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main.
BOURDIEU, Pierre (1994): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main.
BOURDIEU, Pierre (1995): Sozialer Raum und Klassen. Frankfurt/Main.
BOURDIEU, Pierre (2001a): Wie die Kultur zum Bauern kommt. Hamburg.
BRAKE, Anna/Bremer, Helmut (Hg.) (2010): Alltagswelt Schule. Die soziale Herstellung schulischer Wirklichkeiten. Weinheim-München.
ERLER, Ingolf./Laimbauer, V./Sertl, M. (2011): Wie Bourdieu in die Schule kommt (=Schulheft 142). Studienverlag,
Innsbruck/Wien/Bozen, S. 88-102.
ERLER, Ingolf (2012): „Soziale Unterschiede im Gebrauch von Schule“. Vortrag im Rahmen einer Forschungswerkstätte der PH BGLD.
FRIEBERTSHÄUSER, Barbara/Rieger-Ladich, Markus/Wigger, Lothar (2006) (Hg.): Reflexive Erziehungswissenschaft.
Forschungsperspektiven im Anschluss an Pierre Bourdieu. Wiesbaden.
JÜNGER, Rahel (2010): Schule aus der Sicht von Kindern. In: Brake/ Bremer (Hrsg.): Alltagswelt Schule. S. 159-183.
LEIMSTÄTTNER, Brigitte (2010): Vom inneren Tragen äußerer Veränderungen. Lehrer/innen und Schulleiter/innen in der Spirale der
Schulentwicklung. Dissertation. Graz
LEIMSTÄTTNER, Brigitte (2011).: Das Feld Schule und seine Akteur/innen. In: Erler, I./Laimbauer, V./Sertl, M.: Wie Bourdieu in die
Schule kommt (=Schulheft 142). Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen, S. 78-87.
Brigitte Leimstättner
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