Transcript Besteuerung
Vermögenssteuer Aufkommen, Verteilung, ökonomische Effekte Prof. Dr. Christian Keuschnigg 19. Februar 2013 Ziele der Besteuerung Das Steuersystem: soll – – – – Staatsausgaben nachhaltig finanzieren einfach, effizient und fair sein einfach: niedrige Erhebungs- und Entrichtungskosten effizient: erziele Einnahmen mit wenig Mehrbelastung • Verzerrungen: weniger Arbeit, Investition, Wachstum, Kapitalflucht, und mehr Schwarzarbeit… • daher mehr Steuerneutralität für weniger Steuerausweichung • bevorzuge neutrale Steuern, vermeide verzerrende Steuern – fair: vertikale und horizontale Gerechtigkeit • vertikal: Umverteilung mit Steuern und Transfers • horizontal: gleiches Einkommen, daher gleich viel Steuern – Effizienz & Gerechtigkeit, Kompromiss unvermeidlich Christian Keuschnigg 2 Kosten der Besteuerung Tatsächliche Kosten der Besteuerung: – sind nicht auf Steuereinnahmen beschränkt! + 1€ Steuerzahlung und Staatsausgaben + 0.3-1€ Einkommensverlust durch Steuerausweichung = 1.3-2€ geschätzte Gesamtkosten der Besteuerung – Gesamtkosten steigen progressiv mit Steuersätzen! – Österreich: überdurchschnittlich hohe Steuerquote – Rechtfertigung Steuerkosten nur mit sehr hohem Nutzen Weitere Kosten der Besteuerung: – Erhebungs- und Entrichtungskosten – Einfachheit senkt administrative Kosten Christian Keuschnigg 3 Steuern international (in % des BIP) Quelle: OECD (2012) Prof. Christian Keuschnigg 4 Sozialstaat & Vermögensverteilung Sparen: Quellen der Vermögensbildung – Vorsichtssparen, Lebenszyklussparen, Erbschaftssparen Sozialstaat: ersetzt privates Sparen – – – – Vermögensverteilung: – – – – ALV, KV, UV ersetzen privates Vorsichtssparen Pensionsversicherung ersetzt privates Sparen für Alter Sparen: Beitragszahlungen begründen Leistungsansprüche Beitragsvermögen: Barwert der Leistungsansprüche untere Einkommensgruppen haben kaum Ersparnisse Sozialstaat: Beitragsvermögen ersetzt Finanzvermögen aber: Gesamtvermögen wesentlich gleicher verteilt Vermögensteuer weniger dringlich Österreich: – starke Umverteilung der verfügbaren Einkommen, aus denen neues Finanzvermögen gespart werden kann Prof. Christian Keuschnigg 5 Umverteilung Einkommen im internationalen Vergleich Absolute Differenz der Gini-Koeffizienten des Einkommens vor und nach Steuern/Transfers Quelle: OECD Prof. Christian Keuschnigg 6 Umverteilung Einkommen mit Transferzahlungen 60 50 40 Durchschnittlicher Anteil der Transferleistungen am verfügbaren Einkommen in % 30 20 10 0 Anteil der Transferleistungen am verfügbaren Einkommen Quelle: IHS (2010) Prof. Christian Keuschnigg 7 Nettopensionsvermögen als Vielfaches des Bruttojahreseinkommens 12 • Das Nettopensionsvermögen ist gleicher verteilt als das Einkommen 10 8 • Das österreichische Pensionssystem wirkt progressiv 6 4 2 0 50% 100% 150% Jährliches durchschnittliches Bruttoeinkommen • Das Gesamtvermögen inkl. Pensionsansprüche ist daher ebenfalls gleicher verteilt als das reine Sach- und Finanzvermögen Quelle: OECD, Pensions at a Glance (2011) Prof. Christian Keuschnigg 8 Verteilung des Gesamtvermögens Nettopensions-, Netto- und Nettogesamtvermögen Quelle: OeNB, OECD, STATAT, IHS Prof. Christian Keuschnigg 9 Verteilung des Gesamtvermögens Lorenzkurven Quelle: OeNB, OECD, STATAT, IHS Prof. Christian Keuschnigg 10 Besteuerung von Vermögen in Österreich Wertpapiersteuer & Börsenumsatzsteuer seit 1995 und 2000 abgeschafft Grund- & Grunderwerbssteuer: Neubewertung für A (2014) Neubewertung für B ausstehend (2016?) Kapitalverkehrssteuer Vermögenszuwachssteuern: • KESt NEU: seit 1. April 2012 • Abschaffung der Spekulationsfrist bei Gewinnen aus Grundstücksverkauf (Stabilitätsgesetz 2012) Besteuerung von Vermögen in ÖSTERREICH Stiftungseingangssteuer: seit 2008 Stabilitätsabgabe der Banken: seit 2011 Vermögenssubstanzsteuern: 1993 abgeschafft Finanztransaktionssteuern (Tobin Tax) EU 11 Einigung 2012 (ab 2014) Reichensteuern: • Solidarabgabe (sonstige Bezüge) • Gewinnfreibetrag reduziert (Stabilitätsgesetz 2012) Erbschafts- und Schenkungssteuern: 2008 abgeschafft Prof. Christian Keuschnigg 11 Vermögenssteuern Anteile in % Erbschafts- und Schenkungssteuer Stiftungseingangssteuer Bodenwertabgabe Kapitalverkehrsteuern Grunderwerbsteuer Abgabe land- u. forstw. Betriebe Stabilitätsabgabe Grundsteuer Quelle: Statistik Austria (2012) Prof. Christian Keuschnigg 12 Administrative Kosten verschiedene Steuern im Vergleich Steuerart Erhebung Entrichtung Vollzug Lohnsteuer 1,9 4,3 6,2 Einkommenssteuer 5,2 3,8 9,0 Körperschaftssteuer 1,4 2,8 4,2 Umsatzsteuer 1,5 2,4 3,9 Gewerbesteuer 3,1 5,4 8,5 Vermögenssteuer 20,0 12,3 32,3 Kfz-Steuer 7,5 0,7 8,2 Grundsteuer 5,5 0,7 6,2 Grunderwerbssteuer 6,8 4,7 11,5 Sonstige 0,2 1,9 2,1 insgesamt 2,3 3,3 5,6 Quellen: Homburg 1997, WISO 2011. In % des Steueraufkommens. Prof. Christian Keuschnigg 13 Vermögenssteuer als Anteil am Kapitalertrag Äquivalenz: Vermögenssteuer/Kapitalertragssteuer – – – – VSt muss aus Kapitalertrag erwirtschaftet werden VSt 0.5% ist ein Zehntel einer Rendite von 5% VSt von 0.5% entspricht KESt von 10% entspricht einer Erhöhung der KESt von 25% auf 35% Vermögenssteuer: ist sie fair? – Unterbesteuerung, wenn Kapitalertrag/Rendite hoch – Überbesteuerung, wenn Kapitalertrag/Rendite niedrig VST 0.1% 0.5% 1% 1% Rendite 10% 50% 100% 3% 3.3% 16.7% 33.3% Quelle: IHS 5% 2% 10% 20% 10% 1% 5% 10% Prof. Christian Keuschnigg 14 Scheingewinnbesteuerung Besteuerung: des inflationären Kapitalertrags – – – – – Nominalzins 4%: 25% KESt = 1% Steuer Inflation 2%: «scheinbarer» Kapitalertrag Realzins 2%: tatsächlicher Kapitalertrag, Kaufkraftgewinn KESt effektiv 50%: Steuer 1% von Realzins 2% Scheingewinnbesteuerung: daher niedriger Abgeltungssatz Realzins 2% 1% Inflation 2% 3% 4% Nominalzins 3% 4% 5% 6% 25% KEST 0.75% 1% 1.25% 1.5% KEST effektiv % 37.5% 50% 62,5% 75% Realzins 1% 1% Inflation 2% 3% 4% Nominalzins 2% 3% 4% 5% 25% KEST 0.5% 0.75% 1% 1.25% KEST effektiv % 50% 75% 100% 125% Quelle: IHS Prof. Christian Keuschnigg 15 Finanzielle Repression Quelle: WIFO Datenbank, OeNB, IHS Prof. Christian Keuschnigg 16 Folgen der Doppelbesteuerung Anlage 30 J: Ersparnis 100€, Realzins 2%, Inflation 2% – – – – 25% KESt + VSt 0.5% (ca. +10% KESt) + Scheingewinnsteuer Endvermögen, real ohne Steuer 181€ Endvermögen, real mit KESt 135€, Vermögensverlust 25% Endvermögen, real mit KESt+VSt 120€, Vermögensverlust 34% 0 Jahre 10 Jahre EUR Konsum-verlust in % (10 J.) 30 Jahre EUR Konsum-verlust in % (30 J.) Inflation 0% 100 122 0,00 181 0,00 KEST 100 116 - 4,9% 156 - 13,8% KEST + VST 100 114 - 6,6% 147 - 18,8% Inflation 2% 100 122 0,00 181 0,00 KEST 100 111 - 9,0% 135 - 25,4% KEST + VST 100 106 - 13,1% 120 - 33,7% Ersparnis 100 EUR Quelle: IHS Prof. Christian Keuschnigg 17 Erbschafts- und Schenkungssteuer Aufkommen 1954-2011 Quelle: Statistik Austria Prof. Christian Keuschnigg 18 Erbschafts- und Schenkungssteuer ErbSt: besteuert ebenfalls Ersparnisbildung 2 Alternativen der Besteuerung: 1. Besteuerung Kapitaleinkommen zu Lebzeiten, oder 2. Besteuerung am Lebensende bei Weitervererbung Wichtige Steuerkonzepte: (Mirrlees Report) – «normale» Kapitalerträge/Gewinne steuerfrei (wie 0% KESt und 0% KÖSt auf normale Erträge/Gewinne) – daher: umfassende ErbSt bei Weitergabe des Vermögens Österreich: umgekehrte Praxis – Kapitalerträge zu Lebzeiten besteuert (umfassende, hohe Besteuerung, 25% KESt + 25% KÖSt) – daher keine ErbSt bei Vermögensübertragung! Christian Keuschnigg 19 Grundsteuer Aufkommen 1995-2011 Quelle: Statistik Austria Prof. Christian Keuschnigg 20 Grunderwerbssteuer Aufkommen 1995-2011 Quelle: WIFO Datensatz Prof. Christian Keuschnigg 21 Fazit: Vermögensbezogene Steuern Steuersystem: soll einfach, effizient und fair sein Einfachheit: vermögensbezogene Steuern – verursachen hohe administrative Kosten Effizienz: – – – – – – 0.5% VSt entspricht mindestens +10%-Punkte KESt geringere Nettorendite, höhere Finanzierungskosten reduzieren Ersparnis und Investition, bremsen Wachstum mindern Löhne, schleichende Überwälzung auf Arbeit Rückgang BIP -0.65%, fallende Ersparnisse/Vermögen daher Zunahme Steueraufkommen um 30% geringer Christian Keuschnigg 22 Fazit: Vermögensbezogene Steuern Fairness: vertikale Umverteilung – – – – – bereits sehr starke Umverteilung im OECD Vergleich Sozialstaat ersetzt privates Sparen => ungleiche Vermögen aber: Finanzvermögen und Sozialvermögen betrachten! Gesamtvermögen ähnlich wie Einkommen verteilt Ungleichheit Finanz- und Sachvermögen rechtfertigt alleine noch keine VSt und ErbSt Fairness: Gleichmässigkeit der Besteuerung – – – – – Altersvorsorge über Pensionssystem: Sparen 1x besteuert Altersvorsorge durch privates Sparen: 2x besteuert sind Kapitaleinkommen unterbesteuert? Scheingewinnbesteuerung: KESt 25% effektiv bis zu 50% KMU: 25% KÖSt + 25% KESt auf Dividenden + Scheingewinnbesteuerung + VSt & ErbSt? Christian Keuschnigg 23