Die 2. Meinung - Leben mit Krebs Bremerhaven e.V.

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Die 2. Meinung - mehr Klarheit oder zusätzliche Verunsicherung?

Dr. Ulrike Heckl Klinik für Tumorbiologie Freiburg

9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Gliederung

 Was bekommen Patientinnen, wenn sie sich eine 2. Meinung einholen?

  Informationsbedürfnis und Beweggründe für das Einholen einer 2. Meinung  Zusammenhang zwischen individuellen Vorerfahrungen mit dem medizinischen System und den Erwartungen an die 2. Meinung  Was Patientinnen berücksichtigen sollten, wenn sie ein 2. Meinung einholen möchten 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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„Mein Hauptberuf war jetzt Patientin. Und diesen Beruf musste ich erst lernen. Aber ich fühlte mich als Azubi ohne Ausbildner.

Patientin mit Mammakarzinom, neoadj. Chemo, Op, Bestrahlung aus : http://www.ulmmed.de/images/download/thema_des_monats/Krebs_mitentscheiden.pdf

9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Was bekommen Patientinnen und Patienten, wenn sie sich eine 2. Meinung einholen?

 In Deutschland versteht man unter „Zweitmeinung“ oder „Second opinion“ das Einholen einer fachlichen Einschätzung durch einen zweiten unabhängigen Arzt  Es gibt keine verbindliche Definition dieses Begriffes auf der Basis einer gesetzlichen Grundlage  I. d.R. handelt es sich bei der Zweitmeinung um eine isolierte Begutachtung eines krankheitsbezogenen Phänomens  Die Förderung der Selbsthilfe- und Handlungskompetenz der Patientinnen steht dabei nicht im Blickpunkt 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Informationsbedürfnis von Patientinnen mit Brustkrebs

Patientinnen brauchen Informationen und viele Patientinnen wünschen sich möglichst viele Informationen über ihre Erkrankung und ihre Perspektiven Dies trifft nicht nur auf günstige oder neutrale Informationen zu, sondern auch auf schlechte Nachrichten Leslie Fallowfield: „Keine Information bedeutet nichts Gutes“ („No news ist not good news“) 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Situationen, in denen sich PatientInnen eine 2. Meinung einholen :

 Sie haben unterschiedliche Therapien empfohlen bekommen  Sie können noch nicht mit voller Überzeugung den Therapievorschlag annehmen, der ihnen gemacht wurde  Sie möchten vor einer Entscheidung mehr zu alternativen Therapieoptionen erfahren  Es besteht eine Zweit- oder Dritterkrankung (Therapie mit Risiken verbunden)  Sie suchen ein Selbsthilfeprogramm, das auf die individuelle Situation zugeschnitten ist  Besondere persönliche Umstände sollten noch besser bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden Weis et al. 2004 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Was veranlasst Patientinnen eine 2. Meinung einzuholen?

„ Ich bin meinem Arzt gegenüber nicht misstrauisch, aber ich möchte seinen Behandlungsvorschlag noch einmal überprüfen lassen. Außerdem kann das doch nicht alles sein. Was kann ich denn selbst für mich tun? Schließlich geht es um mich !“ Zitat einer Patientin 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Beweggründe für das Aufsuchen der „Second opinion“

Weis et al. 2004 N= 237

Infos zu komplementärmedizinischen Verfahren Therapiekonzept überprüfen 2,87 2,74

3= trifft voll u. ganz zu

Behandlungsplan mitgestalten 2,74 Anregungen zu einem Selbsthilfekonzept Psychosoziale Beratung Andere Gründe 2,57 2,12 1,97

1= trifft überhaupt nicht zu 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Krebspatientinnen, die sich ungenügend informiert fühlen

 verbinden damit das Gefühl von mangelhafter Unterstützung  sind unzufriedener mit ihrer Versorgung und ihrer gesundheitlichen und psychosozialen Situation  fühlen sich unsicherer und körperlich wie auch psychisch schlechter  sind eher depressiv und ängstlich  tun sich schwer mit Entscheidungen (AOK Rheinland 2000; Kerr et al. 2003; Deutsche Krebshilfe 2003; Gaisser 2006) 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Ausreichende und bedarfsgerechte Information führt zu:

insbesondere wenn die Information selbst gesucht wird !        höherer Zufriedenheit mit der Versorgung besserer Lebensqualität besserer Krankheitsverarbeitung besserer Compliance mehr Sicherheit und weniger Ängstlichkeit realistischen Erwartungen und aktiver Teilnahme / Beteiligung an Entscheidungen (Kerr et al. 2003; Gaisser 2006) 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Informationssuche und Informationsgewinnung sind wichtige Krankheitsverarbeitungsstrategien

 Sie ermöglichen Autonomie zu wahren oder wieder zu gewinnen  Sie machen es leichter Entscheidungen zu fällen  Sie machen es leichter belastende Therapien auszuhalten Patientinnen gewinnen so ein Gefühl der Kontrolle über ihre eigene Situation 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Untersuchungen zur Zufriedenheit von PatientInnen mit der Informationsvermittlung seitens ihrer Ärzte

 PASQUA – Studie (2002): Befragung von 3446 PatientInnen in 25 onkolog. Praxen: 62%: 55%: 12%: ungenügende Erklärung bei Ablehnung von Therapien, die sie selbst ins Gespräch brachten keine Einbindung in die Erstellung des Therapieplans 44%: unzureichende Informationen über Nebenwirkungen der Therapie 25% : unzureichende Informationen über die Erkrankung und ihre Optionen unzureichende Besprechung von Fragen 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Untersuchungen zur Zufriedenheit von PatientInnen mit der Informationsvermittlung seitens ihrer Ärzte

 Münchener Feldstudie (Kerr 2003): 1000 Brustkrebspatientinnen über einen Zeitraum von 5 Jahren nach Primärtherapie 4x befragt: 50%: Defizite in der Information bei über 50-Jährige Einhergehen mit Auswirkungen auf ihre Lebensqualität  Befragung des Krebsinformationsdienstes Heidelberg (2003): Befragung von Brustkrebspatientinnen zur ihrer subjektiv empfundenen Versorgungssituation: Korrelation zwischen Informationszufriedenheit und dem Gefühl, Unterstützung zu erfahren 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Zufriedenheit Brustkrebspatientinnen mit dem ärztlichem Informationsangebot

AOK Rheinland – EMNID Studie zur Versorgungssituation von Brustkrebs-Patientinnen der AOK Rheinland, Manuskript, 2001 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Vorerfahrungen der PatientInnen mit Behandlung und Behandlern II

zu wenig und zudem unklare Information zu wenig Information zu komplementärmedizinischen Verfahren 

Defizite in der Kommunikation mit den Ärzten: Unzufriedenheit mit der Art und Weise der Informationsvermittlung

zu wenig Zeit für Gespräche zu wenig Zuhören zu wenig Einfühlungsvermögen zu wenig Berücksichtigung der individuellen Situation zu wenig ernst genommen (Weis et al. 2004; Runge (f. PASQOC) 2004; Gaisser 2004) 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Ein Mehr an Informationen bedeutet aber nicht unbedingt ein Mehr an Wissen!

Und damit auch nicht unbedingt ein Mehr an Klarheit

9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Was sich PatientInnen wünschen, wenn sie sich eine 2. Meinung einholen

 Sie möchten nicht nur eine fachkundige Meinung zu ihrer Erkrankungssituation, sondern umfassend informiert werden  Sie möchten die Information in einer verständlichen Sprache  Sie möchten in ihren persönlichen Ansichten und Überzeugungen ernst genommen werden  Sie wünschen sich ausreichend Zeit für ihre individuelle Fragen 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Grundsätzlich ist personalisierte Information wirksamer als allgemeine Informationen

Durch die Beschränkung auf individuell relevante Information ist der Bedarf insgesamt geringer und die Zufriedenheit höher.

McPherson et al. 2001 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Mehr Klarheit oder zusätzliche Verunsicherung?

Patientinnen, die eine Zweitmeinung aufsuchen, haben eine große Chance von einer solchen gezielten Beratung zu profitieren

Verunsicherung entsteht allerdings dann, wenn:

 Patientin mit verschiedenen Therapieempfehlungen kommt und eine Dritte empfohlen bekommt  nicht genügend Zeit und Interesse entgegen gebracht wird, herauszufinden, welches Anliegen die Patientin tatsächlich hat  „Patientin ein Barockorchester erwartet und atonale Musik geboten bekommt“ 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Was Patientinnen berücksichtigen sollten, wenn sie ein 2. Meinung einholen möchten

 Zu welchen Aspekten meines Krankheitsgeschehens habe ich Informationsbedarf ?  Wo glaube ich adäquate Antworten bekommen zu können (Unabhängigkeit des Beraters) ?

 Wie viel Interesse wird meinem Anliegen schon im Vorfeld entgegen gebracht? 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Vorbereitung

 Schreiben Sie sich alle Fragen auf, die Sie stellen möchten. Es gibt keine dummen Fragen und nehmen Sie den Zettel mit  Nehmen Sie zu dem Gespräch eine Begleitperson mit; denn 4 Ohren hören mehr als 2  Fragen Sie schon bei der Anmeldung, ob Sie die Ausführungen schriftlich bekommen werden oder einen Bandmitschnitt  Lassen Sie sich alle Fachausdrücke erklären  Wiederholen Sie die wichtigen Informationen Ihres beratenden Arztes mit Ihren eigenen Worten um sicher zu gehen, dass Sie ihn richtig verstanden haben 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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Vorerfahrungen der PatientInnen mit Behandlung und Behandlern I

 Unzufriedenheit mit dem bisherigen Therapiekonzept  unterschiedliche Informationen von unterschiedlichen Ärzten  geringer oder fehlender Informationsaustausch zwischen den behandelnden Einrichtungen  Unzufriedenheit mit der Art und Weise der Informationsvermittlung (Weis et al. 2004; Runge (f. PASQOC) 2004; Gaisser 2004) 9. Brustkrebstag in Bremerhaven 16.10.2010

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