Vorlesung III - Universität Innsbruck

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Vorlesung
Erkenntnistheorie
PD Dr. Christoph Jäger
Universität Innsbruck
Institut für Christliche Philosophie
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Vorlesung III
1. Das Gettier-Problem
2. Epistemische Rechtfertigung
3. Internalismus und Externalismus
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1. Das Gettier-Problem
Smith glaubt: (J) Der Mann, der den Job bekommt, hat 10
Münzen in der Tasche.
Angenommen, (J) ist wahr, weil Smith selbst den Job bekommt
und Smith (ohne es zu wissen) 10 Münzen in der Tasche hat.
Smith hat dann einen wahren Glauben.
Angenommen, Smith ist darin gerechtfertigt, (J) zu glauben, weil
er darin gerechtfertigt ist zu glauben, dass Jones den Job bekommt
und Jones 10 Münzen in der Tasche hat. Dann hat Smith einen
gerechtfertigten, wahren Glauben (J). Weiß Smith, dass (J) wahr
ist? Nein!
Folglich ist die klassische dreigliedrige Wissensdefinition falsch.
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Zwei weitere Beispiele
Franz glaubt, in der Wiese seien Schafe. Er glaubt
dies, weil er von weitem ein Tier sieht, das er für
ein Schaf hält, das jedoch in Wahrheit ein großer
Hund ist. Franz hat keinen Grund, seiner
Wahrnehmung nicht zu trauen. Tatsächlich sind
außer dem Hund auch Schafe in der Wiese. Franz
hat eine wahre gerechtfertigte Überzeugung, die
jedoch kein Wissen ist.
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Maria glaubt, ein Student aus ihrem Kurs besitze
einen Ferrari. Denn sie hat den Kursteilnehmer
Thomas schon oft mit einem Ferrari durch die
Stadt fahren sehen; Thomas spricht oft von
„seinem Ferrari“ usw. Tatsächlich besitzt Thomas
jedoch keinen Ferrari, sondern hat dies nur
vorgegeben. Ein anderer Kursteilnehmer jedoch ist,
ohne dass Maria dies weiß, Besitzer eines Ferrari.
Maria hat eine gerechtfertigte wahre Überzeugung,
dass jemand in ihrem Kurs einen Ferrari besitzt.
Doch diese Überzeugung ist kein Wissen.
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2. Epistemische Rechtfertigung
Ein Glaube ist gerechtfertigt genau dann,
wenn er auf adäquaten Gründen beruht.
Was heißt „gerechtfertigt“? Was heißt
„adäquat“? Was heißt „beruhen“?
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3. Internalismus & Externalismus
Internalismus ist die These, dass die
Bedingungen epistemischer Rechtfertigung
dem Subjekt rein reflexiv oder introspektiv
zugänglich sind.
Externalismus ist die Negation des
Internalismus.
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“Internalistische”
Rechtfertigungsgründe
Mentale Zustände wie:
A. Meinungen (Überzeugungen)
 doxastischer Internalismus
B. Erfahrungen (im Sinne “phänomenaler
Zustände”)
 nichtdoxastischer Internalismus
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Rechtfertigen vs. gerechtfertigt sein
Eine Meinung zu rechtfertigen, erfordert stets weitere
Meinungen (die als Rechtfertigungsgründe angeführt
werden können). “Reine” Erfahrungen im Sinne mentaler
Zustände, die keine doxastischen Zustände involvieren,
können daher nicht direkt dazu dienen, eine Meinung zu
rechtfertigen. Erfahrungen sind keine Prämissen in
Argumenten.
Aber: Dies schließt nicht aus, dass man dennoch durch
(phänomenale) Erfahrungen in einer Meinung
gerechtfertigt sein kann.
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Zwei Formen von Internalismus
• “Bewusstseinsinternalismus” (consciousness
internalism): das Subjekt ist sich der
Rechtfertigungsgründe aktual bewusst.
• “Zugangsinternalismus” (access
internalism): das Subjekt hat (eine
schwächere Form von kognitivem Zugang zu
den Rechtfertigungsgründen.
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Zwei Gedankenexperimente, die
den Internalismus zu stützen
scheinen
1. Das “Neue Dämon-Argument”
2. Der Hellseher
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1. Das Neue Dämon-Argument
René 1 lebt in einer Welt W1 wie der unsrigen;
René 2 lebt in einer Welt, die sich für ihn genauso
darstellt wie W1 sich für René 1 darstellt.
Angenommen jedoch, W2 wird von einem
Cartesischen genius malignus beherrscht, der
René 2 in allen seinen Erfahrungen und
Überzeugungen über die aktuale Welt täuscht.
Wäre nicht René 2 dennoch ebenso gerechtfertigt
in seinen Annahmen wie René 1, auch wenn seine
Überzeugungen (die von René 2) nicht reliabel
wären?
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2. Der Hellseher (nach L.
BonJour)
Norman hat, ohne es zu wissen, hellseherische
Fähigkeiten und weiß zu jeder Zeit, wo sich der
Präsident der USA gerade befindet. Norman
glaubt, dass sich der Präsident derzeit in New
York aufhält, doch hat er keine Anhaltspunkte
dafür, dass er dies in verlässlicher Weise
aufgrund hellseherischer Fähigkeiten glaubt. Ist
Norman in seiner Überzeugung gerechtfertigt?
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Variiere das Beispiel:
• Fall 1: Norman hat keine positiven Gründe
dafür zu glauben, dass er hellseherische
Fähigkeiten hat oder es solche Fähigkeiten
überhaupt gibt
• Fall 2: Norman hat sogar positive Gründe
dafür zu glaben, dass es solche Fähigkeiten
nicht gibt
Frage: Hat Norman in beiden Fällen kein
Wissen?
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Grundintuition des Internalismus
Rechtfertigungsgründe müssen Gründe für
das epistemische Subjekt sein.
Hintergrund ist das Projekt einer regulativen
Erkenntnistheorie: Aufweis von Formen
epistemischer Rechtfertigung (von Typen
epistemischer Gründe), die Subjekten Leitfäden
dafür liefern, wie sie sich epistemisch
„verhalten“ sollen, um ihre wahren
Überzeugungen zu vermehren und falsche zu
vermeiden.
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Eine traditionelle Form von
Internalismus:
deontologische Rechtfertigung
 Adäquate Überzeugungen zu bilden und zu
unterhalten ist eine Sache epistemischer Pflichten bzw.
von epistemischen Geboten und Verboten
Klassisches Beispiel: Descartes
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“We may assume that every person is subject to a purely
intellectual requirement: that of trying his best to bring
it about that for any proposition p he considers, he
accepts p if and only p is true.[...] One might say that
this is the person’s responsibility or duty qua
intellectual being.”
(Roderick Chisholm, Theory of Knowledge, Englewood
Cliffs, New Jersey, 1977)
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“A justified belief is one that it is
‘epistemically permissable’ to hold.
Epistemic justification is a normative notion.
It pertains to what you should or should not
believe”
(John Pollock und Joseph Cruz, Contemporary
Theories of Knowledge, Lanham 1999, S. 11)
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Probleme für deontologische
Ansätze
1. Gettier
2. Werden Meinungen willentlich gebildet?
 Falsche (?) Voraussetzung des
doxastischen Voluntarismus
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Schwierigkeiten für nicht-deontologische
Formen von Internalismus
• Wissensinternalismus: Kleinkinder und
Tiere haben keine Rechtfertigungsgründe
im Sinne des Internalismus. Können sie
nichts wissen?
• Gettier
• Inwiefern sind internalistische Gründe
„wahrheitsfördernd“?
• Ein Regressproblem
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Wichtigste Alternative:
reliabilistische Theorien
• Prozessreliabilismus
• Vermögensreliabilismus
• Akteursreliabilismus
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