Das Europäische Parlament in den neuen Entscheidungsverfahren

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Transcript Das Europäische Parlament in den neuen Entscheidungsverfahren

Aktuelle Entwicklungen in der EU
Veranstaltungsreihe der Stiftung Wissenschaft und Politik,
der Europäischen Akademie Berlin sowie dem
Informationsbüro des Europäischen Parlaments
Die EU nach dem Lissabonner Vertrag – die parlamentarische Dimension
9. Juli 2010, 9.30 – 13 Uhr
Panel 1:
Das Europäische Parlament in den neuen Entscheidungsverfahren
SWP
Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Gliederung
 Interinstitutionelle Vereinbarungen (IIV) in der EU
 Das neue Rahmenabkommen zwischen EP und KOM
 Das Parlament in der Gesetzgebung, Haushaltpolitik und Vertragsrevisionen
 Beziehungen zwischen Kommission und EP
 Kontrolle delegierter Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte
 Das Parlament in den Außenbeziehungen
 Handelspolitik und internationale Abkommen
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
IIV: Instrumente zur Politikkoordinierung
 IIV regeln die Zusammenarbeit zwischen EU-Institutionen, konkretisieren Verfahren und
interinstiutionelle Abläufe in allen Phasen des Politikprozesses
 Art. 295 AEUV (neu):
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission beraten sich und regeln einvernehmlich die
Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit. Dazu können sie unter Wahrung der Verträge interinstitutionelle
Vereinbarungen schließen, die auch bindenden Charakter haben können.
→ IIV sollen vage, sparsame Formulierungen und Grauzonen der Verträge mit Leben füllen
 Seit 50er Jahren ca. 130 IIV zwischen EU-Institutionen
 Variierende Form, Bezeichnung, Anwendungsbereiche
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Verfassungsenwicklung zwischen den formalen Vertragsreformen !
Verteilung IIV über die Zeit
 1952–1959
2
 1960–1969
14
 1970–1979
10
 1980–1989
18
 1990–1999
51
 2000–2010
35
 Total
130
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Formen von IIV
Bilateral
63
davon
 EP und Rat
14
 EP und KOM
25
 Rat und COM
22
Trilateral
57
davon Rat, EP, KOM
53
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
IIV: Instrumente zum Machtausbau des EP
 IIV sehr eng mit der Entwicklung des EP verbunden
 Trotz Vielfalt an IIV, EIN großer gemeinsamer Nenner:
– IIV weiten die Informations- und Kontrollrechte und Mitwirkungsmöglichkeiten des
EP im Politikprozess aus
– Kompetenzausweitung des EP über die ihm vertraglich zugeschriebenen Rechte
hinaus ?!
 Aus Sicht des Europarechts ist die Änderung der Kompetenzverteilung zwischen den
EU-Institutionen nur über formale Vertragsreformen zulässig !
 IIV als Vehikel des informellen institutionellen Wandels in der EU unterhalb der Ebene
der Vertragsreformen
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Kernpunkte des Rahmenabkommen zwischen EP und KOM 2010
 Prinzip der Gleichbehandlung mit dem Rat hinsichtlich des Zugangs zu Informationen in
allen Verfahren
 Stärkung des legislativen Aufforderungsrechts des EP gegenüber der KOM (Art. 225
AEUV, „Quasi-Initiativrecht“)
 Volle und mit dem Rat gleichberechtigte Einbindung des EP in Verhandlung
internationaler Abkommen auf allen Stufen des Verhandlungsprozesses
 Stärkere Verantwortlichkeit der KOM gegenüber dem EP, z.B.
– Individualmisstrauensvotum gegenüber Kommissaren
– Fragestunden mit Hoher Vertreterin
– Zustimmung zu Besetzung der Direktorenposten in EU-Agenturen
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am 9. Juli 2010
Mehr Mitsprache in der Gesetzgebung
 Massive Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens (“ordentliches
Rechtsetzungsverfahren”)
– Polizeiliche und strafjustitielle Zusammenarbeit
– Legale Einwanderung
– Handels-, Agrar- und Fischereipolitk
– Katastrophenschutz
– ….
– Von 45 auf 84 Einzelermächtigungen in den Verträgen
 Gestärktes Quasi-Initiativrecht (Art. 225 AEUV) über EP-KOM
Rahmenabkommen
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Mehr Mitsprache bei Vertragsrevisionen
 Europäischer Rat hat Wahlmöglichkeit zwischen Einberufung “klassischer” RK oder eines
Konvents
 Aber: Entscheidung gegen einen Konvent nur mit Zustimmung des EP !
 Zustimmung des EP zur Aktivierung verschiedener Formen der vereinfachten Vertragsänderung
– Kompetenzerweiterungsklauseln, z.B. nach Art. 83.1AEUV)
– allgemeine Passerelleklausel nach Art. 48.7 EUV
– Kompetenzabrundungsklausel nach Art. 352 AEUV)
→ EP zukünftig veritabler Akteur bei Vertragsänderungen
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Mehr Mitsprache in der Haushaltspolitik
 Zustimmung zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU (“Finanzielle
Vorausschau”)
 Gleichberechtigung mit Rat bei Festlegung der Jahreshaushalte:
– Anpassung des Haushaltsverfahren an Mitentscheidungsverfahren
– Abschaffung der Unterscheidung in obligatorische und nichtobligatorische
Ausgaben
 Aber: Bei Festlegung der Zusammensetzung der Eigenmittel der EU weiterhin
nur Konsultation des EP (“Eigenmittelbeschluss”)
→ Wie groß ist der Einfluß des EP auf die längerfristige Ausgabenpolitik der EU?
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Beziehungen zwischen Kommission und EP
 Nutzung des Investiturverfahrens für politische Zusagen
 Wahl des Kommissionspräsidenten und Individualmisstrauensvotum
 Unterrichtung nach dem Prinzip der Gleichbehandlung mit dem Rat
 Erklärungspflicht der Kommission bei nicht Beachtung von EP-Standpunkten
 Parlamentarische Kontrolle von hochrangigen EU-Beamten
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Kontrolle delegierter Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte
 EP-Forderung: Anwendung des Prinzips der Gleichbehandlung in die Kontrolle
von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten
Delegierte Akte/Art. 290 AUEV:
Durchführungsrechtsakte/Art. 291 AEUV:

Übertragung von Entscheidungskompetenzen an die
Kommission durch Parlament und Rat

Übertragung von Durchführungsbefugnissen an die
Kommission durch Parlament und Rat

Ausgestaltung der Kontroll- und Widerrufsbefugnis muss
noch festgelegt werden

Kontrollbefugnis liegt vertraglich bei den Mitgliedstaaten
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Das Europäische Parlament in den Außenbeziehungen
 Entscheidungen in der GASP/GSVP weiterhin rein intergouvernemental
 Neue Konsultationsrechte in der GASP/GSVP
 Volle Anwendung des Rahmenabkommen auf das Verhältnis EP – Hohe Vertreterin
in Bereichen, in denen die Zustimmung des EP erforderlich ist (z.B. internationale
Abkommen)
 Haushaltspolitischen Zugriff auf den EAD und zivile GSVP-Operationen
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Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza
am 9. Juli 2010
Handelspolitik und internationale Abkommen
 Handelspolitik fällt unter das ordentliche Gesetzgebungsverfahren
 Zustimmungspflicht bei internationalen Abkommen in allen Bereichen, in denen
das EP Mitentscheidung ausübt
 Unverzügliche und umfassende Unterrichtungspflicht in allen Phasen der
Verhandlungen
 EP interpretiert seine Rolle pro-aktiv und fordert direkte Einbindung in
internationale Verhandlungen
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