Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1

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Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
Vorlesung
Bauordnungs- und Bauplanungsrecht
ÖR B1
Wintersemester 2011/2012
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
1
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
Einführung
1.
1.1
1.2
Grundbegriffe
Öffentliches Baurecht
Entwicklung des öffentlichen Baurechts
2.
2.1
2.2
2.3
Rechtsquellen
Bundesrecht
Landesrecht
Kommunalrecht
3.
3.1
3.2
3.3
3.4
Bauleitplanung
Funktionen
Verfahren
Materielle Planungsanforderungen
Plansicherung - Veränderungssperre
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
2
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Einführung
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
Baugenehmigung
Genehmigungsbedürftige Anlagen
Genehmigungsfreie Anlagen
Genehmigungsverfahren
Materielle Genehmigungsanforderungen
Bauaufsicht
Baulasten
Gebühren
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Städtebauliche Verträge
Allgemeine Anforderungen
Erschließungsverträge
Bauleitplanungsverträge
Folgekostenverträge
Sonstige Vertragstypen
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
3
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Einführung
6.
6.1
6.2
Rechtsschutz
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
7.
7.1
7.2
Staatshaftung
Fehler bei der Bebauungsplanung
Fehler im Baugenehmigungsverfahren
8.
Nachbarrecht
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
4
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 Ziel der Veranstaltung: Vermittlung der Grundstrukturen und
zentralen Regelungen des Öffentlichen Baurechts
 Benötigte Arbeitsmaterialien:
• dtv-Taschenbuch Baugesetzbuch,
43. Auflage 2011
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 Benötigte Arbeitsmaterialien:
• dtv-Taschenbuch Umweltrecht,
22. Auflage 2011
• Text der Brandenburgischen Bauordnung (kostenlos erhältlich im
Internet unter www.bravors.brandenburg.de)
• Brandenburgisches Denkmalschutzgesetz (kostenlos erhältlich im
Internet unter www.bravors.brandenburg.de)
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7
 Weitere Arbeitsmaterialien zur Übung ÖR B1, insbesondere
• Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg 2009, verfügbar über
gl.berlin-brandenburg.de
• Flächennutzungsplan Stadt Cottbus, verfügbar über www.cottbus.de
• Bebauungsplan Stadt Cottbus, verfügbar über www.cottbus.de
• Sanierungssatzung Stadt Cottbus, verfügbar über www.cottbus.de
• Formulare Bauantrag, verfügbar über www.service.brandenburg.de
• Baugenehmigung Praxisbeispiel
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8
 Weitere Arbeitsmaterialien zur Übung für ÖR B1, insbesondere
• Vorbescheid Praxisbeispiel
• Städtebaulicher Vertrag Praxisbeispiel
• Gestaltungssatzung Stadt Hattingen, verfügbar über www.hattingen.de
• Stellplatzsatzung Stadt Cottbus, verfügbar über www.cottbus.de
• Trinkwassersatzung Märkischer Wasser- und Abwasserverband,
verfügbar über www.mawv.de
• Baumschutzsatzung Stadt Siegburg, verfügbar über www.siegburg.de
• Naturschutzgebietsverordnung Schaalsee, verfügbar über
www.schaalsee.de
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9
 Literaturempfehlung
Bönker/Lailach, Praxisleitfaden Immobilienrecht,
2. Auflage 2009, dort §§ 1, 2, 9 und 10
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 Weitere Literatur zur Vertiefung:
• Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 4. Auflage 2009
(Lehrbuch)
• Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 11. Auflage 2010
(Kommentar)
• Otto, Christian-Wolfgang, Brandenburgische Bauordnung –
Kommentar für die Praxis, 2. Auflage 2008 (Kommentar)
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 Hausaufgabe:
Der Architekt A wird bei einer Familienfeier von dem Bekannten B
angesprochen. B berichtet, er werde eventuell ein ca. 3.000 m²
großes Grundstück am Rande der Innenstadt der Kommune K in
Brandenburg ankaufen und mit einem kombinierten Einzelhandels-,
Büro- und Wohnkomplex bebauen. In diesem Zusammenhang
benötige er die Unterstützung des A.
Konkret wolle er wissen, ob das avisierte Grundstück bebaubar sei
und, wenn ja, in welchem Umfange. Er wisse nicht, wie er dies in
Erfahrung bringen könne, wolle aber bereits die Ankaufentscheidung
von der Bebaubarkeit abhängig machen.
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
11
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 Hausaufgabe:
Dritte hätten berichtet, bereits der Baumbewuchs auf dem
Grundstück stehe einer Bebauung entgegen. Zudem seien vor
längerer Zeit eine Knoblauchkröte und ein Brachvogel auf dem
Grundstück gesehen worden. Die Kommune K und die sonstigen
Behörden täten alles, um durch verschiedenste Vorschriften eine
Bebauung zu verhindern; er, B, sei aber der Auffassung, nach dem
Grundgesetz sei eine Bebauung das legitime Recht jedes
Eigentümers.
B deutet A gegenüber an, er könne und wolle für dessen Leistungen
zwar nicht viel bezahlen, müsse sich darauf aber unbedingt
verlassen können. Am nächsten Tag überlegt A, wie die von B
aufgeworfenen Fragen zu beantworten sind und unter welchen
Voraussetzungen es sinnvoll sein könnte, B die erbetene
Unterstützung zuzusagen.
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
12
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1.
Grundbegriffe
1.1
Öffentliches Baurecht
13
Beispiel 1 Genehmigungsfähige Planung:
Der Architekt muss eine nach dem maßgeblichen öffentlichen Baurecht
genehmigungsfähige Planung erstellen. Ist die Planung nicht
genehmigungsfähig, weil der Architekt im Außenbereich ein nach § 35
des Baugesetzbuches (BauGB) unzulässiges Bauvorhaben errichten
will, muss der Bauherr dem Architekten nach Maßgabe des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) keinen Werklohn für die Planung zahlen und kann
zudem Schadensersatz verlangen.
 Abgrenzung zum privaten Baurecht!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
14
Beispiel 2 Grüngürtel:
Das BauGB erlaubt unter gewissen Voraussetzungen die Ausweisung
von Privatgrundstücken als Grüngürtel durch Bebauungsplan. Dabei
müssen indessen die Rechte betroffener Eigentümer und die
Verhältnismäßigkeit des Eingriffes besonders sorgfältig geprüft werden.
Eine Enteignung durch Bebauungsplan ist nach Art. 14 Abs. 3 BauGB
und den §§ 85 ff. BauGB nur ausnahmsweise im Interesse des
Gemeinwohls und gegen angemessene Entschädigung möglich. Auch
bei der Ausweisung von Privatgrundstücken als Gemeinbedarfsflächen
ist primär zu prüfen, ob gleich geeignete Grundstücke der öffentlichen
Hand zur Verfügung stehen; ist dies der Fall, kann die Inanspruchnahme
von Privateigentum rechtswidrig sein.
 Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG im Rahmen der Gesetze!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
15
Beispiel 3 Landesmesse:
In einem regionalen Raumordnungsplan wird festgelegt, dass auf einem
Teil des Gemeindegebietes ein überörtlich bedeutsames Messegelände
angesiedelt wird. Solche Beschränkungen müssen auf einer
ordnungsgemäßen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen und
sachlich gerechtfertigt sein, da sie die Planungshoheit der Gemeinde
beeinträchtigen; der Gemeinde wird die Möglichkeit genommen, in dem
fraglichen Bereich eine eigene Bauleitplanung zu verwirklichen.
 Schutz der kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 GG!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
Beispiel 4 Alt-Bebauungsplan:
Ist ein Bebauungsplan 1969 aufgestellt und 1978 geändert worden,
unterliegt er hinsichtlich der Aufstellung der BauNVO 1968 und
hinsichtlich der Änderung der BauNVO 1977. Es können danach
Vorschriften gelten, die in der BauNVO 1990 nicht (mehr) oder mit
modifiziertem Wortlaut enthalten sind.
 differenzierte Beurteilung von „Schichten-Bebauungsplänen“!
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16
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
17
Beispiel 5 Ambulante Drogenhilfe im Kerngebiet:
Ein Bebauungsplan setzt ein Kerngebiet, die Höhe, die Geschossfläche
der zulässigen baulichen Anlagen und sog. Baulinien fest. Es handelt
sich um eine typische Kombination von Festsetzungen nach den §§ 7,
18, 20 und 23 BauNVO. Höhe, Geschossfläche und Baulinien definieren
das maximale Mass der baulichen Nutzung und die Anordnung von
baulichen Anlagen im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Nach der
Art der baulichen Nutzung können im Kerngebiet gemäß
§ 7 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO unter anderem ambulante Einrichtungen der
Drogenhilfe als Anlagen für soziale Zwecke angesiedelt werden.
 BauGB und BauNVO als „Herzstück“ des öffentlichen Baurechts!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
18
Beispiel 6 Planzeichen Kindertagesstätte:
Flächen für den Gemeinbedarf können über den Anhang 2 Nr. 4.1 der
PlanzV hinaus durch spezielle Planzeichen näher beschrieben werden.
So können in einem Bebauungsplan z.B. Kindertagesstätten besonders
festgesetzt werden, obwohl diese in der PlanzV nicht ausdrücklich
erwähnt sind.
 Planzeichverordnung ergänzt BauGB und BauNVO!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
19
Beispiel 7 Immissionswerte:
Zum BImSchG gehört eine zweistellige Anzahl von Rechtsverord-nungen, die
etwa für Sport- oder Verkehrsanlagen eigene Immissions-schutzgrundsätze
regeln. Daneben existieren noch verschiedene Verwaltungsvorschriften wie die
Technischen Anleitungen Lärm und Luft (TA Lärm und TA Luft), die wichtige
Immissionsrichtwerte und damit das im Einzelfall anzusetzende Schutzniveau
bestimmen. Inwieweit die er-wähnten Vorschriften eingreifen, kann davon
abhängen, ob es um eine nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftige Anlage
geht. Für solche Anlagen sieht das BImSchG ein spezielles, gegenüber dem
Baurecht vorrangiges Genehmigungsverfahren vor. Baustellen, die Lärm verursachen, sind hiervon jedoch z.B. nicht betroffen. Sie stellen nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne der §§ 22 ff. BImSchG dar und sind daher
primär von den zuständigen Baubehörden zu überwachen.
 Umweltschutzrecht gewinnt im Baurecht zunehmend an
Bedeutung!
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2.
Rechtsquellen
2.1
Bundesrecht
20
Beispiel 8 Flughafenbau:
Die wesentliche Änderung eines Verkehrsflughafens bedarf einer
Planfeststellung nach dem LuftVG. Die Planfeststellung hat nach
§ 75 VwVfG Konzentrationswirkung, ersetzt also eventuell erforderliche
Baugenehmigungen für die einzelnen Flughafenanlagen. Zuständig sind die
Luftfahrt- und nicht die Baubehörden. Die Luftfahrtbehörden haben im Rahmen
ihrer Zuständigkeiten auch für die Einhaltung baurechtlicher Anforderungen zu
sorgen. Nicht jede Baumaßnahme auf einem Flughafen erfordert allerdings eine
Planfeststellung. So kann etwa für den Umbau von Abfertigungsanlagen auf
einem Flughafengelände eine Baugenehmigung ausreichen; dem Betreiber
bleiben also unter anderem die umfangreiche Behörden- und
Öffentlichkeitsbeteiligung, die für das Planfeststellungsverfahren charakteristisch
sind, erspart.
 Fachplanungsrecht regelt Besonderheiten bei
Großbauvorhaben!
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2.
Rechtsquellen
2.2
Landesrecht
21
Beispiel 9 Abstandsflächen:
Die Vorschriften über Abstandsflächen in den Landesbauordnungen
weichen teilweise erheblich voneinander ab. Das macht es für Bauherrn
und Architekten bei grenznahen Bebauungen erforderlich, die
landesrechtlichen Vorschriften genauestens zu prüfen. Teilweise
müssen in diesem Zusammenhang komplizierte Berechnungen nach
den jeweils einschlägigen Formeln angestellt werden.
 Landesbauordnungen sind zentrale Rechtsquellen des öffentlichen Baurechtes auf Landesebene!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.2
Landesrecht
Beispiel 10 Zulassung von Bauprodukten:
Die Länder haben detaillierte Vorschriften über zugelassene
Bauprodukte eingeführt. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie. Die
Verwendung nicht zugelassener Bauprodukte kann eine
Ordnungswidrigkeit sein.
 EU-Recht gewinnt für das Baurecht zunehmend an Bedeutung!
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22
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2.
Rechtsquellen
2.2
Landesrecht
23
Beispiel 11 Denkmalschutz durch Gesetz oder Liste:
In einigen Ländern richtet sich nach recht global gefassten gesetzlichen
Bestimmungen, ob ein geschütztes Denkmal gegeben ist. In anderen
Ländern erfolgen dazu Eintragungen in sog. Denkmallisten; je nach den
gesetzlichen Rahmenbedingungen ist auch der Rechtsschutz gegen
denkmalschutzrechtliche Einschränkungen oder Forderungen
unterschiedlich.
 Denkmalschutzrecht kann gegenüber dem Bauordnungsrecht
erhöhte Anforderungen begründen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.2
Landesrecht
24
Beispiel 12 Straßen- und wasserrechtliche Erlaubnis:
Für die Nutzung eines Gehweges im Zuge eines Bauvorhabens kann
eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erforderlich sein. Nach
dem (bundesrechtlichen) WHG und den Landeswassergesetzen kann
die Benutzung von Gewässern, etwa des Grundwassers, z.B. bei
Wasserhaltungsmaßnahmen – wenn nicht sogar eine Planfeststellung
notwendig ist - ebenfalls erlaubnispflichtig sein. Zuständig sind
Spezialbehörden, auch die Genehmigungsvoraussetzungen sind
gesondert geregelt.
Einzelfallprüfung erforderlich, welche Vorschriften für das
konkrete Vorhaben einschlägig sind!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
25
Beispiel 13 Sonderbaufläche:
Zulässig ist etwa eine Darstellung als „Sonderbaufläche – großflächiger
Einzelhandel“. Die Gemeinde kann und muss insoweit aber ihre
planerischen Vorstellungen konkretisieren, weil die bloße Ausweisung
als „Sonderbaufläche (S)“ die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung
nicht hinreichend verdeutlicht.
Der Flächennutzungsplan enthält regelmäßig Darstellungen für
das ganze Gemeindegebiet (§ 5 BauGB)!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
Beispiel 14 Grünflächen FKK:
Hat die Gemeinde im Flächennutzungsplan eine „Grünfläche – Fläche
für Freikörperkultur“ dargestellt, geht ein später zur Genehmigung
gestelltes Clubhaus mit einem Aufenthaltsraum von 100 qm über die
Zweckbestimmung des Flächennutzungsplanes hinaus. Es kann dann
eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne von § 35 Abs. 3
BauGB gegeben sein.
 Der Flächennutzungsplan kann insbesondere Außenbereichsvorhaben entgegenstehen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
27
Beispiel 15 Belastungsfläche Tierzucht:
Durch Ausweisung einer Belastungsfläche im Flächennutzungsplan
kann z.B. unverträglichen Massierungen gewerblicher Tierzuchtbetriebe
im Außenbereich entgegengewirkt werden. Solche Vorhaben können je
nach den Darstellungen des Flächennutzungsplanes gemäß § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig und damit zugleich nicht
genehmigungsfähig sein.
 Nach § 5 Abs. 2 a und b BauGB kann die Gemeinde bereits auf
der Ebene des Flächennutzungsplanes individuellen Konfliktpotentialen entgegenwirken!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
28
Beispiel 16 Negativplanung:
Ein „städtebaulicher Denkmalschutz“ über einen Bebauungsplan mit
Festsetzungen nach § 9 BauGB ist ausweislich der Erwähnung des
Denkmalschutzes in dem Katalog der für die Bauleitplanung relevanten Belange
in § 1 Abs. 6 BauGB ebenso zulässig wie die Ausweisung einer der Zulassung
von Bauvorhaben entgegenstehenden „Kaltluftschneise“ aus
Klimaschutzgründen. Voraussetzung ist jeweils eine schlüssige städtebauliche
Konzeption der Gemeinde. Von einer unzulässigen Negativplanung ist
auszugehen, wenn es an einer solchen Konzeption fehlt und die Gemeinde nach
den Umständen ausschließlich auf Verhinderung von Bauaktivitäten aus ist.
 Der Bebauungsplan enthält regelmäßig verbindliche Festsetzungen für einen Teil der Gemeinde und muss städtebaulich erforderlicht sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
29
Beispiel 17 Baurecht auf Zeit:
Ein Entsandungsgebiet soll nach dem Ende dieser Nutzung als
Erholungsgebiet festgesetzt werden.
 Sonderregelung nach § 9 Abs. 2 BauGB, im Übrigen gelten
einfache und qualifizierte Bebauungspläne nach § 30 Abs. 1 und
Abs. 2 BauGB prinzipiell unbegrenzt lange!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
30
Beispiel 18 Erweiterter Festsetzungsrahmen:
Beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan besteht keine zwingende
Bindung an die Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung nach §
17 Abs. 1 BauNVO. Mit entsprechender städtebaulicher Begründung
kann die Gemeinde nach § 12 BauGB Nutzungsintensitäten festsetzen,
die beim herkömmlichen Bebauungsplan nicht ohne weiteres möglich
wären. Der Bebauungsplan muss allerdings spezifischen
„Vorhabenbezug“ haben und darf sich nicht auf allgemeine
Gebietsausweisungen beschränken.
 Vorhabenbezogene Bebauungspläne dürfen keine „Gefälligkeitsplanung“ darstellen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
31
Beispiel 19 Realisierungspflicht des Investors:
Wird im Durchführungsvertrag keine Realisierungsfrist vereinbart, ist der
vorhabenbezogene Bebauungsplan unwirksam. Zulässig ist es, einen
Realisierungszeitraum festzulegen, der erst mit der Erteilung
notwendiger Baugenehmigungen beginnt; keine eindeutige
Realisierungsfrist ist demgegenüber gegeben, wenn lediglich die
Bauanträge in einer Frist gestellt werden sollen.
 Wegen der Realisierungsfrist ist im Einzelfall zu überlegen, ob
der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein sinnvolles Handlungsinstrument ist!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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2.
Rechtsquellen
2.3
Kommunalrecht
32
Beispiel 20 Gestaltungssatzung I:
Zulässig und verbreitet sind etwa Gestaltungssatzungen, die bestimmte
Dachneigungen oder eine einheitliche äußere Gestaltung durch
Verklinkerung der Fassaden in festgelegten Farbtönen vorgeben.
Dadurch soll die Einhaltung örtlicher Gepflogenheiten sichergestellt
werden.
 Ermächtigungsgrundlage für Gestaltungssatzungen ergibt sich
regelmäßig aus der Landesbauordnung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.1
Funktionen der Bauleitplanung
33
 Entwicklungs- und Ordnungsprinzip nach § 1 Abs. 3 BauGB
 Koordinierungs- und Integrationsfunktion nach § 1 Abs. 6 BauGB
 Planmäßigkeitsprinzip des BauGB, die §§ 34 und 35 BauGB sollen nur
ausnahmsweise als Maßstäbe zur Anwendung gelangen
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
34
Beispiel 21 Inhalt des Aufstellungsbeschlusses:
Für den Aufstellungsbeschluss genügt die schlagwortartige Bezeichnung
des Plangebietes und -zieles etwa als „Wohngebiet X-Straße“ unter
Bezugnahme auf eine beigefügte nicht maßstäbliche Skizze und das
Anliegen der Gemeinde, den fraglichen Bereich einer neuen geordneten
städtebaulichen Entwicklung zuzuführen.
 Aufstellungsbeschluss durch politisches Gremium ist rechtlich
nur begrenzt von Bedeutung, etwa für Veränderungssperren
nach den §§ 14 ff. BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
35
Beispiel 22 Entbehrlichkeit der Umweltprüfung:
Die Gemeinde hält eine Umweltprüfung nicht für notwendig, weil ihrer Ansicht
nach durch einen Bebauungsplan, der ein ehemaliges Gewerbegelände mit den
darauf befindlichen Altbauten als Mischgebiet ausweist, keine erheblichen
Umweltauswirkungen entstehen können. Eine solche Einschätzung kann
vertretbar sein, wenn keine nutzungs-unverträglichen Bodenverunreinigungen
vorhanden sind, keine weitergehenden Immissionen entstehen und keine
(zusätzlichen) Ein-griffe in Natur und Landschaft drohen. Generell ist die
Umweltprüfung in derartigen Fällen kein Selbstzweck; das Fehlen einer
Umweltprüfung kann allenfalls dann für die Rechtswirksamkeit eines
Bebauungsplanes kritisch sein, wenn die abschließende
Abwägungsentscheidung durch die Nichtberücksichtigung wesentlicher Belange
beeinflusst wird.
 Näheres dazu in § 2 Abs. 4 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
36
Beispiel 23 Inhalt der Bebauungsplanbegründung:
Werden gestalterische Festsetzungen aufgrund von § 9 Abs. 4 BauGB in
Verbindung mit dem Landesrecht in den Bebauungsplan aufgenommen,
muss dies nicht unbedingt in der Begründung im einzelnen erläutert
werden: Es genügt, wenn sich die Begründung auf die zentralen
Regelungen des Bebauungsplanes konzentriert.
 Anforderungen an Begründung und Umweltberichte ergeben sich
aus § 2 a BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
Beispiel 24 Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung:
Die Gemeinde bezeichnet das vorgesehene Plangebiet in der
Bekanntmachung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung in der
örtlichen Tageszeitung falsch. Der Fehler hat keine Rechtsfolgen, weil
sogar der vollständige Verzicht auf die frühzeitige
Öffentlichkeitsbeteiligung unschädlich ist.
 Zur Öffentlichkeitsbeteiligung siehe § 3 BauGB, zur Beachtlichkeit von Fehlern siehe die §§ 214 ff. BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
37
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
38
Beispiel 25 Auslegungsverfahren:
Bauleitpläne können zwar auch während der Ferienzeit ausgelegt
werden. Es genügt allerdings nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung nicht, wenn die Einsichtnahmemöglichkeit auf lediglich
33 Stunden pro Woche beschränkt ist.
 Auslegungsverfahren als „Herzstück“ der Öffentlichkeitsbeteiligung, dazu § 3 Abs. 2 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
39
Beispiel 26 Präklusionswirkung der Auslegungsfristen:
Der Eigentümer eines im Geltungsbereich des Bebauungsplanentwurfes
gelegenen gewerblich genutzten Grundstückes macht nach Ablauf der
Auslegungsfrist geltend, dass er durch eine benachbarte Wohnbebauung
möglicherweise gezwungen sein könne, auf seinem Betriebsgelände
Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn im Zuge der Anlegung einer
geplanten Straße vorhandener Bewuchs beseitigt werde. Diesen Aspekt muss
die Gemeinde jedenfalls dann nicht von sich aus im einzelnen prüfen, wenn der
Eigentümer trotz formalen Hinweises auf die Präklusion und ihre Rechtsfolgen
fristgerecht nur eine Reihe weiterer Punkte anspricht, die Lärmschutzmaßnahmen und die damit zusammenhängenden Betriebs-abläufe aber
unerwähnt lässt. Nach § 4 a Abs. 6 BauGB tritt in einem solchen Fall wegen des
Fristversäumnisses ein Anspruchsausschluss ein; der Belang ist nicht mehr
abwägungserheblich, der Eigentümer kann unter Berufung darauf keinen
Abwägungsfehler rügen.
 Fristwahrung ist unbedingt erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
Beispiel 27 Informationspflicht gegenüber Einwendern:
Nach der Rechtsprechung genügt es, Einwender erst nach dem
Satzungsbeschluss über die Behandlung ihrer Anregungen zu
informieren. Auch wenn dies, wie in der Praxis verbreitet, vollständig
unterbleibt, hat der Einwender keine andere Möglichkeit als das
Inkrafttreten des Bauleitplans abzuwarten und dann formelle
Rechtsbehelfe in Erwägung zu ziehen; in das laufende Verfahren kann
nicht eingegriffen werden.
 Zu den Einzelheiten siehe §§ 3 und 4 ff. BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
40
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
41
Beispiel 28 Beteiligung von Naturschutzverbänden:
Anerkannte (private) Naturschutzverbände sind keine Behörden im
Sinne von § 4 BauGB. Auch wenn solchen Verbänden insbesondere im
Bereich der Fachplanung teilweise eigenständige Beteiligungsrechte
eingeräumt worden sind, nehmen sie – im Unterschied zu den
staatlichen Naturschutzbehörden – keine originären hoheitlichen
Aufgaben wahr. Naturschutzverbände sind daher in der Bauleitplanung
nur als Teil der Öffentlichkeit nach § 3 BauGB zu beteiligen.
 Individuelle Prüfung erforderlich, welche Behörden und privaten
Rechtspersonen an der Bauleitplanung zu beteiligen sind!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
42
Beispiel 29 Ausschluss der Öffentlichkeit:
Bebauungspläne werden in den Gemeinden, je nach ihrem Gegenstand,
teilweise bis zuletzt kontrovers diskutiert und können im Verfahren
scheitern, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – in der
maßgeblichen Sitzung nicht die Zustimmung des zuständigen
Entscheidungsgremiums finden. Ausnahmsweise kann in der Sitzung
der Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig sein, wenn das öffentliche
Wohl oder die berechtigten Interessen Einzelner dies gebieten.
 Der Satzungsbeschluss richtet sich nach § 10 BauGB, die
weiteren Verfahrensmodalitäten nach dem landesspezifischen
Kommunalrecht!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
43
Beispiel 30 Befangenheit von Ratsmitgliedern:
Die Ehefrau eines Ratsmitgliedes ist Eigentümerin eines Grundstückes
im Geltungsbereich des Bebauungsplanes. Das Ratsmitglied ist
befangen, weil ihm die Schaffung von Baurecht für das Grundstück
selbst wirtschaftlich zugute kommt.
 Auch die Mitwirkungsverbote ergeben sich aus dem landesspezifischen Kommunalrecht, gleiches gilt für die Rechtsfolgen
von Verfahrensfehlern!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
44
Beispiel 31 Parallelverfahren und aufsichtsbehördliche Kontrolle:
Verbreitet ist das Parallelverfahren, also die gleichzeitige Änderung von
Flächennutzungsplan und Aufstellung eines Bebauungsplanes nach § 8
Abs. 3 Satz 1 BauGB. Wegen § 10 Abs. 2 BauGB ist die Aufstellung des
Bebauungsplanes im Parallelverfahren nicht genehmigungspflichtig, die
Änderung des Flächennutzungsplanes dagegen muss nach § 6
Abs. 1 BauGB von der Aufsichtsbehörde kontrolliert werden.
 Regel ist das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB,
zwischen Kommune und Aufsichtsbehörden können Planungsdetails allerdings umstritten sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
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3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
45
Beispiel 32 Bebauungsplan versus Landschaftsschutzverordnung:
Die Aufsichtsbehörde beanstandet, dass Festsetzungen eines
Bebauungsplanes gegen eine geltende Landschaftsschutzverordnung
verstoßen.
 Bebauungspläne müssen mit höherrangigem Recht und anderen
Vorschriften vereinbar sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
46
Beispiel 33 Beitrittsbeschluss:
Die Aufsichtsbehörde hat den Bauleitplan nur unter Auflagen genehmigt.
Ohne vorherigen Beitrittsbeschluss der Gemeinde wird der
bekanntgemachte Bauleitplan nicht wirksam, es sei denn, die
Nebenbestimmungen der Aufsichtsbehörde berühren den eigentlichen
Planinhalt nicht und haben nur verdeutlichenden Charakter. Wann dies
der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
 Bei substantiellen Fehlern bedarf es eines neuen Verfahrens!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
Beispiel 34 Ausfertigung von Bebauungsplänen:
Regelmäßig müssen bei der Ausfertigung die einzelnen
Planbestandteile im Zusammenhang als korrekt bestätigt und sodann
handschriftlich von dem zuständigen Gemeindeorgan unterzeichnet
werden.
 Ein Ausfertigungsmangel kann zur Fehlerhaftigkeit und
Unwirksamkeit des Bebauungsplanes führen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
47
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
48
Beispiel 35 Hinweisfunktion der Bekanntmachung:
Es genügt nicht, nur die Nummer des Bebauungsplanes zu
veröffentlichen.
 Die Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 BauGB und die zusammenfassende Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB sollen die gebotene
Transparenz des Verfahrens sicherstellen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
49
Beispiel 36 Vereinfachtes Verfahren:
Ein Bebauungsplan berührt ein sog. Gebiet von gemeinschaftlicher
Bedeutung, das nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU und
dem BNatSchG unter Naturschutz steht. In diesem Fall soll eine
Änderung des Bebauungsplanes im vereinfachten Verfahren nach
§ 13 BauGB nicht möglich sein.
 Das vereinfachte Verfahren befreit nicht von der Verpflichtung
zur Durchführung eines Beteiligungsverfahrens und einer
ordnungsgemäßen Abwägung der von der Planung betroffenen
Belange!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.2
Verfahren
50
Beispiel 37 Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit:
Im Plangebiet hat sich im Verlaufe der Zeit unter anderem durch
extensive Handhabung von Ausnahme- und Befreiungsvorschriften eine
Bebauung entwickelt, die mit einem älteren Bebauungsplan etwa
hinsichtlich der Geschossflächenzahl durchgängig nicht in Einklang zu
bringen ist.
 Regelmäßig können Bebauungspläne nach § 1 Satz 8 BauGB nur
in dem auch für ihre Aufstellung vorgeschriebenen Verfahren
geändert, ergänzt oder aufgehoben werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
51
Beispiel 38 Planlose Gemeinde
„Planlos“ verhält sich die Gemeinde, wenn sie eine städtebaulich
ungeordnete und für die Nachbargemeinden problematische
Ansiedelung mehrerer großflächiger Einzelhandelsbetriebe auf der
Basis von § 34 BauGB zulässt. Nach der Rechtsprechung soll in diesem
Fall die Kommunalaufsicht berechtigt sein, gestützt auf § 1 Abs. 3 und
Abs. 4 BauGB, die Aufstellung eines Bebauungsplanes durch die
Gemeinde anzuordnen.
 Generell hat die Gemeinde ein weites planerisches Ermessen
und kann eigenverantwortlich über die Nutzung ihrer Flächen
entscheiden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
52
Beispiel 39 Kein Anspruch auf Bauleitplanung:
Die Gemeinde verpflichtet sich im Zuge eines städtebaulichen Vertrages mit dem Investor,
einen Bebauungsplan für ein Wohngebiet festzusetzen. Auch wenn gleichzeitig der
Investor zusagt, alle Erschließungsmaßnahmen und Folgekosten zu übernehmen, kann
sich die Gemeinde ihrer Planungshoheit wegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht begeben.
Der Vertrag ist unwirksam; als Folge davon sind in Bauleitplanungsverträgen – für
Investoren wenig befriedigende – Klauseln dahin üblich, dass sich die Gemeinde „bemüht“
oder „beabsichtigt“ den Bebauungsplan aufzustellen. Soweit der Investor seinerseits feste
Zusagen macht, kann er diese allenfalls an die Bedingung knüpfen, dass das Baurecht wie
im Vertrage vorausgesetzt in Kraft tritt. Das Investitionsrisiko lässt sich aber nur selten
verlagern, weil die Gemeinde dem Investor entstandene Kosten gemeinhin nicht ersetzen
wird.
 Investoren bleibt nichts anderes übrig als das Inkrafttreten des
Bebauungsplanes abzuwarten, unter den Voraussetzungen des § 33
BauGB kann aber vorab schon eine Baugenehmigung erteilt werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
53
Beispiel 40 Verhältnis FNP-B-Plan:
Wird in einem Bebauungsplan für einen Bereich, der im
Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 2 Nr. 9 b BauGB als „Wald“
dargestellt ist, nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB eine „Fläche zum Schutz,
zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft“
festgesetzt, entspricht der Bebauungsplan in seiner Zielrichtung der
Flächennutzungsplan und mithin dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2
Satz 1 BauGB.
 Der Bebauungsplan muss sich in dem vorgegebenen Rahmen
bewegen, anderenfalls muss auch der Flächennutzungsplan
nach § 8 BauGB geändert werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 41
54
Abgrenzung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung:
In einem Regionalplan ist ein „Vorranggebiet für die Landwirtschaft“
ausgewiesen. Ergibt die Auslegung des Regionalplans, dass damit lediglich eine
„Richtschnur“ für die Abwägung („Abwägungsdirektive“) gewollt war, nicht
dagegen eine strikte Rechtsbindung, handelt es sich um einen Grundsatz, nicht
um ein Ziel der Raumordnung im Sinne von
§ 1 Abs. 4 BauGB. Eine Überplanung des „Vorranggebietes“ mit Bauflächen ist
somit, je nach den sonstigen für die Abwägung beachtlichen Umständen, nicht
zwangsläufig ausgeschlossen.
 Ziele und Grundsätze der Raumordnung schränken die gemeindliche Bauleitplanung zunehmend ein und werden deswegen von den
Kommunen teilweise im Wege von Normenkontrollverfahren
angegriffen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
55
Beispiel 42 Ziele der Raumordnung:
Weist ein Regionalplan als Ziel der Raumordnung „Regionaler Grünzug“
aus, muss eine gemeindliche Bauleitplanung dem angemessen
Rechnung tragen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können
allerdings etwa naturschutzrechtliche Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen ein geeignetes Mittel sein, um die Zielkonformität
von Baumaßnahmen, die den „Grünzug“ berühren, zu sichern.
 Die Vereinbarkeit einer Bauleitplanung mit Zielen der Raumordnung ist, je nach den Umständen, in einem spezifischen
Verfahren nach dem maßgeblichen Landesplanungsrecht zu
prüfen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
56
Beispiel 43 Factory-Outlet-Center I:
Wird ein größeres Factory-Outlet-Center in einer kleineren Gemeinde geplant,
kann dies erheblichen Einfluss auf die benachbarten Gemeinden haben. Durch
Kaufkraftabflüsse können sich negative städtebauliche Auswirkungen ergeben,
die nicht nur den raumordnungs-rechtlichen Status einer angrenzenden
Kommune z.B. als Mittelzentrum, sondern darüber hinaus innerstädtische
Geschäftszonen in der Kommune nachhaltig beeinträchtigen. Solche Aspekte
waren bereits in der Vergangenheit nach den §§ 1 Abs. 4 BauGB und 11 Abs. 3
BauNVO bei der Sondergebietsplanung zu berücksichtigen. Mit § 2 Abs. 2
Satz 2 BauGB hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die angrenzende
Kommune sich darauf in einem Normenkontrollverfahren gegen die Planung
erfolgreich berufen kann.
 Interkommunale Streitigkeiten um Großvorhaben sind verbreitet
und bilden auch für Investoren ein beachtliches Risiko!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
57
Beispiel 44 Geschützte private Interessen bei der Abwägung:
Durch die Planung ist – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen ein ausreichender Schutz der Grundstücke vor Immissionen und gegen
Niederschlagswasser zu gewährleisten.
 Im Einzelfall ist zu ermitteln, welche privaten Interessen von der
Planung betroffen sein könnten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
58
Beispiel 45 Abwägungsirrrelevante private Interessen:
Abwägungsirrelevant ist der Einwand, durch die Realisierung eines
Bebauungsplans komme es zu einer Beeinträchtigung der vorhandenen
freien Aussicht. Gleiches gilt für individuelle Wettbewerbsinteressen,
etwa im Hinblick auf die Ansiedlung eines neuen (konkurrierenden)
Betriebs.
 abwägungsrelevant kann allerdings etwa eine an einen Industriebetrieb heranrückende Wohnbebauung sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
59
Beispiel 46 Bodenschutz in der Abwägung:
Der Investor plant auf einem ehemaligen Industriegelände ein
Gewerbegebiet. Die zuständige Umweltbehörde verlangt in ihrer
Stellungnahme in der Behördenbeteiligung eine Altlastensanierung, die
eine Bodenqualität wie in Wohngebieten („Spielplatzniveau“) herstellen
soll. Planungsrechtlich ist eine solche Forderung problematisch, weil
nach dem BBodSchG eine nutzungsadäquate Bodenqualität ausreicht.
Gleichwohl wird sich die für die Aufstellung des Bebauungsplans
zuständige Gemeinde vor allem zur Vermeidung von
Amtshaftungsansprüchen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über die
Forderung der Umweltbehörde hinwegsetzen.
 Bedeutung der Behördenbeteiligung für die Abwägung, durch
Gutachten kann letztlich Aufklärung bewirkt werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
60
Beispiel 47 Naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen:
Der Investor verpflichtet sich gegenüber der Kommune durch
städtebaulichen Vertrag, Ausgleichsmaßnahmen für eine im
Geltungsbereich des Bebauungsplans eintretende Flächenversiegelung
durch Anlegen einer öffentlichen Parkanlage an anderer Stelle des
Gemeindegebietes durchzuführen.
 Auch der Umfang von Eingriffen und die Notwendigkeit von
Ausgleichsmaßnahmen wird zumeist durch Gutachten geklärt!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
61
Beispiel 48 Verkehrslärmschutz:
In Bezug auf Verkehrslärm gibt es etwa die Verkehrslärmschutz-verordnung (16.
BImSchV) mit den darin enthaltenen Regelungen für den Bau und die
wesentliche Änderung öffentlicher Straßen; geht es aber um andere
Maßnahmen, ist mangels einschlägiger Vorschriften nach der Art der baulichen
Nutzung der betroffenen Baugebiete, der tatsächlichen oder plangegebenen
Immissionsvorbelastungen und dem Erwartungshorizont der Betroffenen im
Einzelfall zu differenzieren. Als Faustregel für die Beurteilung von Verkehrslärm
gilt, dass eine Verdoppelung des Verkehrs zu einer Lärmzunahme um 3 dB(A)
führt. Die Vorbelastung des Baugrundstücks und seiner Umgebung fließt in die
Prüfung der immissionsschutzrechtlichen Situation ein.
 Die Einholung eines Immissionsgutachtens gehört im
Bebauungsplanverfahren zur Sachverhaltsermittlung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
62
Beispiel 49 Verkehrsbelange in der Abwägung:
Werden bei der Planung einer Sportmehrzweckhalle keine geeignete
Zufahrtsstraße und keine hinreichend großen, nachbarschaftsverträglich
angeordneten Parkflächen vorgesehen, ist dies ein schwerwiegender
Abwägungsfehler, der die Nutzung insgesamt in Frage stellt.
 Die gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungs- als
auch nach Bauordnungsrecht zwingende Voraussetzung für eine
bauliche Nutzung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 50 Ausschuss statt Rat
Verlagert der zuständige Gemeinderat die Abwägungsentscheidung
teilweise auf einen Ausschuss oder ein anderes Gremium, kann das
Abwägungsgebot verletzt sein.
 Umfassende Prüfung und Würdigung des Sachverhaltes in der
Abwägung müssen sichergestellt sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
63
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
64
Beispiel 51 Konfliktbewältigung versus planerische Zurückhaltung:
Setzt eine Gemeinde ein Wohngebiet fest, genügt die abstrakte
Möglichkeit von Störungen durch Schank- und Speisewirtschaften sowie
Handwerks- und Gewerbebetriebe noch nicht für einen
Abwägungsfehler. Probleme können mithilfe der Ausnahmeregelungen
des § 4 BauNVO und des § 15 BauNVO auch im Rahmen des Vollzuges
des Bebauungsplanes ausgeräumt werden. Das Gebot der
Konfliktbewältigung wird also durch den „Grundsatz der planerischen
Zurückhaltung“ begrenzt.
 Die Bauleitplanung darf keine bodenrechtlichen Spannungen auslösen,
die Bewältigung solcher Spannungen darf zudem nicht nachfolgenden
(Baugenehmigungs-)Verfahren vorbehalten werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 52 Nebeneinander unverträglicher Nutzungen:
Die Planung eines Allgemeinen Wohngebietes direkt neben einem
emittierenden landwirtschaftlichen Betrieb kann abwägungsfehlerhaft
sein.
 Siehe dazu den Trennungsgrundsatz nach § 50 BImchG!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
65
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
66
Beispiel 53 Teilnichtigkeit von Bebauungsplänen:
In einem Bebauungsplan werden Stellplätze im Hinblick auf die
Erweiterung eines Gewerbegebietes ausgewiesen. Sind die
Stellplatzfestsetzungen nichtig, ist der Bebauungsplan auch im übrigen
nicht aufrechtzuerhalten, weil die Gewerbegebietsfestsetzung mit den
Stellplätzen in untrennbarem Zusammenhang steht.
 Einzelfallanalyse des Festsetzungsgefüges ist stets erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
67
Beispiel 54 Kein Festsetzungsfindungsrecht der Gemeinden:
Die Gemeinde will auf Baugrundstücken von mindestens 1000 qm Größe nur ein
einziges Wohngebäude mit höchstens 2 Wohnungen zulassen. Dieses Ziel kann
nicht allein durch eine Kombination der Festsetzung einer bestimmten
Grundstücksmindestgröße, der Festsetzung „Einzelhäuser“ und der Festsetzung
einer sog. „Zwei-Wohnungsklausel“ erreicht werden. Die entsprechenden
Festsetzungsvarianten nach § 9 BauGB und der BauNVO haben jeweils andere
städtebauliche Zielsetzungen. Wenn überhaupt, kann eine bestimmte
Anordnung baulicher Anlagen auf den Baugrundstücken allenfalls über
Baukörperausweisungen in Form von Baugrenzen und Bautiefen erreicht
werden.
 Der Festsetzungskatalog nach § 9 BauGB i. V. m. der BauNVO ist
abschließend!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
68
Beispiel 55 Unbestimmtheit beim Bebauungsplan:
Ein Bebauungsplan enthält am Rand des gekennzeichneten
Plangebietes farbige Linien, die in der Legende nicht erläutert und auch
sonst nicht zweifelsfrei verständlich sind. Die Existenz der Linien muss
die Wirksamkeit des Bebauungsplanes nicht in Frage stellen, wenn der
Plan im übrigen schlüssig ist. Zur (Teil-)Nichtigkeit kann es dagegen
führen, wenn die Grenzen des Geltungsbereiches des
Bebauungsplanes nicht klar erkennbar sind.
 Bei Bebauungsplänen gelten strenge Formanforderungen, die
insbesondere auch von am Aufstellungsprozess beteiligten
privaten Dienstleistern zu beachten sind!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
69
Beispiel 56 Begriff der Wohnnutzung:
Seniorenunterkünfte sind nach der klarstellenden Regelung des § 3
Abs. 4 BauNVO – im Unterschied zu Einrichtungen zur medizinischen Betreuung
alter Menschen - inzwischen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dem
Wohnen gleichgestellt sind. Vor Einführung von § 3 Abs. 4 BauNVO war die
planungsrechtliche Einordnung derartiger Nutzungen umstritten; vergleichbare
Probleme bestehen heute noch etwa bei Asylbewerberunterkünften,
Kindertagesstätten oder sog. Boardinghouses, die nur dem vorübergehenden
Aufenthalt von Menschen dienen. Asylbewerberunterkünfte und
Kindertagesstätten werden überwiegend als Anlagen für soziale Zwecke
angesehen, bei Boardinghouses wird eine Wohnnutzung angenommen.
 Die in den jeweiligen Baugebieten allgemein und nur ausnahmsweise zulässigen Vorhaben sind in den §§ 2 ff. BauNVO gebietsspezifisch dargestellt, gleichwohl bedarf es stets einer Einzelfallbetrachtung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 57
70
Störender Charakter von Gewerbe- und Handwerksbetrieben:
Zulässig in Mischgebieten sind nach § 6 Abs. 2 BauNVO auch Gewerbebetriebe, die „das Wohnen nicht wesentlich stören“. Demgegenüber ist in § 4
Abs. 2 BauNVO – ohne Hinweis auf das „Wohnen“ - die Rede von „nicht
störenden Handwerksbetrieben“. Nach § 7 Abs. 2 BauNVO sind im Kerngebiet
„nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe“ regelmäßig genehmigungsfähig.
Wann das Gewerbe „nicht (wesentlich) stört“, ist eine Frage des Einzelfalls und
des Gebotes der wechselseitigen Rücksichtnahme. Anhand der einschlägigen
Immissionsschutzregelungen ist zu beurteilen, welche Erheblichkeits- und
Zumutbarkeitsschwellen gelten. So differenziert etwa die TA Lärm nach den
unterschiedlichen Gebietskategorien; je nach der Vorbelastung können
allerdings auch Abweichungen von den dortigen Richtwerten gerechtfertigt sein.
 In Mischgebieten weitergehende Duldungspflichten der
Wohnbevölkerung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
71
Beispiel 58 Kerngebietstypische Vergnügungsstätte:
Klassische kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind neben Büround Verwaltungsgebäuden etwa Multiplexkinos sowie größere
Spielhallen. Solche Einrichtungen sollen aufgrund ihrer großräumigen
Auswirkungen in zentralen städtischen Bereichen, nicht dagegen z.B. in
Wohngebieten, angesiedelt werden.
 Problematik der Ansiedlung von Wohnnutzungen in Kerngebieten
nach § 7 BauNVO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 59 Diskothek im Gewerbegebiet:
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz dahin, dass in einem
Gewerbegebiet etwa eine Diskothek größeren Umfanges zulässig ist,
weil sie selbst emittiert und gegenüber Immissionen möglicherweise
wenig empfindlich ist. Diskotheken sind kerngebietstypische
Vergnügungsstätten und als solche nur in Gebieten nach § 7 BauNVO
zulässig. Diese klare Regelung der BauNVO ist – unabhängig von den
Umständen des Einzelfalles – strikt zu beachten .
 Gewerbegebiete sind kein „Auffangbecken“ für anderenorts
unerwünschte Nutzungen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
72
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
73
Beispiel 60 Großflächer Einzelhandel:
Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb kann bereits ab einer
Verkaufsfläche von ca. 800 qm gegeben sein. Um das dann notwendige
Bebauungsplanverfahren zu vermeiden, wird gelegentlich versucht,
etwa durch Kombination eines Lebensmittel- und eines
Getränkemarktes mit gemeinsamem Parkplatz § 11 Abs. 3 BauNVO zu
umgehen. Ob hier eine wertende Gesamtbetrachtung zulässig und
geboten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
 Durch die Einführung von § 34 Abs. 3 BauGB ist die Problematik
inzwischen in anderem Lichte zu sehen, betroffen sind
insbesondere Aldi-, Lidl- und ähnliche Märkte!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
74
Beispiel 61 Factory-Outlet-Center II
Umstritten waren in den vergangenen Jahren insbesondere die im
Kontext mit dem interkommunalen Abstimmungsgebot bereits
erwähnten sog. Factory-Outlet-Center. Derartige
Einzelhandelseinrichtungen können, zumal wenn sie in kleineren
Gemeinden angesiedelt werden, die zentralen Versorgungsbereiche vor
Ort und in den Nachbarkommunen - bis hin zu einer „Verödung“ der
Innenstädte - nachhaltig berühren. Mit der Änderung von § 2
Abs. 2 BauGB hat der Gesetzgeber als Reaktion auf diese Entwicklung
die Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen erweitert.
 Siehe dazu jetzt auch § 9 Abs. 2 a BauGB, damit korrespondieren
auf kommunaler Ebene zunehmend individuelle Einzelhandels-,
Zentren- und Entwicklungskonzepte informeller Art!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 62 Brieftaubenzucht im Wohngebiet:
In einem Allgemeinen Wohngebiet ist ein kleineres Nebengebäude für
die Brieftaubenzucht nach § 14 BauNVO planungsrechtlich zulässig.
 Zu den Maßstäben für die Zulässigkeit von Nebenanlagen siehe
§ 14 BauNVO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
75
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
76
Beispiel 63 Nutzungsdifferenzierung nach BauNVO:
Im Bebauungsplan wird ein Allgemeines Wohngebiet festgesetzt.
Gleichzeitig wird festgesetzt, dass Tankstellen unzulässig sind. Da
Tankstellen nach § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO im WA im Normalfall
ausnahmsweise zulässig sind, kann z.B. über § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO
verhindert werden, dass die gesetzliche Ausnahme Bestandteil des
Bebauungsplanes wird. Nicht möglich ist es dagegen, generell alle
Wohngebäude auszuschließen; dies liefe dem Zweck des WA nach § 4
Abs. 1 BauNVO diametral zuwider.
 Üblich sind vor allem Sortimentsbeschränkungen bei Einzelhandelsbetrieben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
77
Beispiel 64 Sportanlage im Wohngebiet:
Ein Wohnnachbar hat auf eine vorhandene Sportanlage Rücksicht zu
nehmen. Je nach den Umständen kann ein Wohngebäude aufgrund der
von der Sportanlage ausgehenden Immissionen auch in einem
Allgemeinen Wohngebiet unzulässig sein.
 Konfligierende Nutzungen haben sich wechselseitig zu respektieren, die Rücksichtnahmeanforderungen werden im Einzelfall
bestimmt!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
78
Beispiel 65 Abweichung vom Maß der baulichen Nutzung:
Eine städtebauliche Ausnahmesituation, die Abweichungen von dem
festgesetzten Maß der baulichen Nutzung rechtfertigt, kann etwa in
Betracht kommen, wenn es um die Sicherung vorhandener und die
Ansiedelung weiterer größerer Betriebe in einem gut erschlossenen
städtischen Industrie- und Gewerbegebiet geht. Wegen der
Beurteilungsmaßstäbe kann auf die Rechtsprechung zu § 31 BauGB
zurückgegriffen werden. Hier sind die tatbestandlichen Voraussetzungen
für die Abweichung und das Ermessen der Behörde ähnlich strukturiert.
 Wann städtebauliche Gründe eine Überschreitung der Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 2
BauNVO rechtfertigen, bedarf der Begründung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
79
Beispiel 66 Grundflächenbezogene Nutzungsvorgaben:
Für jedes Baugrundstück im Rechtssinne kann festgesetzt werden, dass
Baukörper einschließlich Anbauten eine Grundfläche von maximal 1750
qm nicht überschreiten dürfen. Baugrundstücke sind dabei Grundstücke
im grundbuchrechtlichen Sinne, also nicht bereits – quasi als „Einheit“ –
mehrere Flurstücke, die (zufällig) miteinander verwandten Personen
gehören. Rechtsgrundlage der absoluten Flächenangaben („GR“) ist §
16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO; die Grundflächenzahl („GRZ“) regelt dagegen
die relative Überbaubarkeit, d.h. das Verhältnis der Grundstücksfläche
zur überbaubaren Fläche. Ist ein Grundstück 1000 qm groß, dürfen bei
einer GRZ von 0,4 mithin 400 qm überbaut werden.
 GRZ-Überschreitungen sind regelmäßig unzulässig!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 67 Geschoss(flächen)bezogene Nutzungsvorgaben:
Im Einzelfall kann fraglich sein, wie viele Geschosse ein Gebäude hat.
Für Brandenburg ist § 2 Abs. 4 BauO einschlägig. Danach sind
Vollgeschosse Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als
1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt. Bei Gebäuden z.B. in
Hanglage können zu Wohnzwecken nutzbare Erdgeschosse je nach
dem Geländeverlauf eventuell nicht als (planungsrechtlich relevante)
Vollgeschosse anzusehen sein. Durch geschickte Gestaltung können
Architekt und Bauherr auf diesem Wege eine optimale
Grundstücksausnutzung erreichen.
 Einzelheiten zur Geschossfläche und zur Geschossflächenzahl
ergeben sich aus § 20 BauNVO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
80
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
81
Beispiel 68 GFZ bei Hochhäusern:
Ein 1000 qm großes Grundstück in innerstädtischer Lage soll mit einem 12-geschossigen
Gebäude bebaut werden. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 20 x 30 m, bedeckt
mithin 600 qm. In Kerngebieten ist eine solche GRZ von 0,6 nach § 17 Abs. 1 BauNVO
regelmäßig zulässig; die GFZ ist aller-dings erheblich: 12 Geschosse x 600 qm sind 7200
qm. Im Verhältnis zur Grundstücksgröße von 1000 qm beträgt die GFZ somit 7,2, sofern
nicht im Wege komplizierter Berechnungen „Bereinigungen“ im Hinblick auf für die GFZ
nicht beachtliche Flächen nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BauNVO oder sonstige
Umstände des Einzelfalles erfolgen können und müssen. Es handelt sich um eine
städtebauliche Ausnahmesituation nach § 17 Abs. 2 BauNVO; die Überschreitung der
Höchstgrenzen für die bauliche Nutzung nach § 17 Abs.1 BauNVO bedarf der besonderen
Rechtfertigung.
 GFZ-Berechnungen sind typische Aufgabe von Architekten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
82
Beispiel 69 Zulässigkeit von Baulinien/Baugrenzen:
Besonderer städtebaulicher Gründe bedarf es nach der BauNVO für die
Festsetzung von Baulinien oder Baugrenzen nicht. Die städtebauliche
Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB reicht aus. Auch Werbeanlagen
sind an Baugrenzen gebunden.
 Zu den Einzelheiten ist hier § 23 BauNVO zu beachten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
Beispiel 70 Lärmschutzwand als Erschließungsanlage:
Soll ein Wohngebiet neben einer stark befahrenen Straße angesiedelt
werden, kann es notwendig sein, im Bebauungsplan als besondere
Erschließungsanlage eine Lärmschutzwand festzusetzen.
 Nach den §§ 5 und 9 BauGB sind im Flächennutzungsplan und
im Bebauungsplan alle im weitesten Sinne erforderlichen
Erschließungsflächen darzustellen/festzusetzen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
83
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.3
Materielle Planungsanforderungen
84
Beispiel 71 Flächenbezogene Schallleistungspegel:
Es können sog. immissionswirksame flächenbezogene
Schalleistungspegel als zulässiger Maßstab für das Emissionsverhalten
eines Betriebs oder einer Anlage gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO
festgesetzt werden.
 umweltschutzbezogene Festsetzungen in Bebauungsplänen
sind etwa nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB möglich, aktuell werden
etwa Satzungen über den zwingenden Einsatz erneuerbarer
Energien, beispielsweise Solarenergie nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b
BauGB diskutiert!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.4
Plansicherung - Veränderungssperre
Beispiel 72 Veränderungssperre und zulässige Bebauungsplanung:
Die Veränderungssperre muss mit einer zulässigen Planung für ein
abgegrenztes Gebiet korrespondieren; ob die Gemeinde ihre Planung
im nachhinein konkretisiert oder teilweise modifiziert, spielt für die
Wirksamkeit der Veränderungssperre keine Rolle.
 Zur Veränderungssperre und zu den anderen Plansicherungsinstrumenten siehe §§ 14 ff. BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
85
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
3.
Bauleitplanung
3.4
Plansicherung - Veränderungssperre
86
Beispiel 73 Rechtsschutz gegen Veränderungssperre:
Wenn die Bauordnungsbehörde einen Bauantrag wegen des Bestehens der
Veränderungssperre zurückweist und der Bauherr dagegen mit Rechtsbehelf
vorgeht, ist zu klären, ob die gemeindlichen Planungsabsichten und die
Veränderungssperre BauGB-konform sind. Weiter ist zu klären, ob das konkrete
Vorhaben den gemeindlichen Planungsabsichten zuwiderläuft. Hat der Bauherr
jedoch bereits vor Inkrafttreten der Veränderungssperre ein rechtskräftiges Urteil
auf Erteilung einer Baugenehmigung erstritten, ist ihm regelmäßig eine
Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB zu gewähren.
 Setzt die Gemeinde Plansicherungsinstrumente wie Veränderungssperren,
Zurückstellungen oder Vorkaufsatzungen ein, führt dies typischerweise
zu komplexen Streitigkeiten, weil neben den eigentlichen Planungen und
Genehmigungen auch die Sicherungsinstrumente angefochten werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.1
Genehmigungsbedürftige Anlagen
Beispiel 74 Bauliche Anlage Holzlagerplatz :
Neben Gebäuden kann auch ein befestigter, auf Dauer angelegter
Holzlagerplatz eine bauliche Anlage sein.
 Siehe die Legaldefinition der baulichen Anlage unter § 2 Abs. 1
der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
87
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.1
Genehmigungsbedürftige Anlagen
Beispiel 75 Nutzungsänderung:
Eine Nutzungsänderung ist die Umgestaltung von Lagerräumen in
Aufenthaltsräume, für die besondere bauordnungsrechtliche Vorgaben
bestehen.
 Nutzungsänderungen ohne Genehmigung können
bauaufsichtliche Verfügungen nach sich ziehen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
88
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.1
Genehmigungsbedürftige Anlagen
89
Beispiel 76 Genehmigungsbedürftigkeit von Mobilfunkanlagen:
Wird auf dem Flachdach eines Wohngebäudes eine aus zwei 8 m hohen
Antennenmasten und einer Technikkabine bestehende kommerzielle
Mobilfunkanlage aufgebracht, kann darin eine genehmigungspflichtige
Nutzungsänderung des (nunmehr auch gewerblichen Zwecken
dienenden) Wohngebäudes liegen, auch wenn die Errichtung derartiger
Anlagen an sich genehmigungsfrei gestellt ist.
 Abgrenzung zwischen den Kategorien Errichtung, Änderung,
Nutzungsänderung und Abriss hängt von den Umständen des
Einzelfalles ab!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.2
Genehmigungsfreie Anlagen
Beispiel 77 Denkmalschutzrechtliche Erlaubnis:
Der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes kann – unabhängig
von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsfreistellung – einer
Erlaubnis nach dem Landesdenkmalschutzrecht bedürfen.
 Siehe dazu die §§ 55 und 67 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
90
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.2
Genehmigungsfreie Anlagen
91
Beispiel 78 Haftung bei Genehmigungsfreistellung:
Der Architekt hat ein von der Genehmigungspflicht freigestelltes
Wohnhaus unter Verkennung der Abstandsflächen zum
Nachbargrundstück geplant. Hat die Behörde den Fehler im
Anzeigeverfahren nicht beanstandet und erwirkt der Nachbar später
einen Baustop, kann sich der Bauherrn mangels ausdrücklicher
behördlicher Zulässigkeitsbestätigung in Form der Baugenehmigung nur
noch (zivilrechtlich) an seinen Architekten halten.
 Die §§ 54 und 55 der Brandenburgischen BauO unterscheiden
zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien
Vorhaben, ob die Genehmigungsfreistellung im konkreten Fall
einschlägig ist, muss individuell festgestellt werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 79 Haftung im vereinfachten Genehmigungsverfahren:
Da im vereinfachten Verfahren unter anderem verschiedene
bauordnungsrechtliche Vorschriften von der Baubehörde nicht geprüft
werden, muss sich der Bauherr wie bei der Genehmigungsfreistellung
insoweit auf seinen Architekten verlassen. Amtshaftungsansprüche
scheiden aus; bei Fehlern haftet ihm nur der Architekt.
 Zum vereinfachen Baugenehmigungsverfahren siehe § 57 der
Brandenburgischen BauO, Abgrenzung zum Anzeigeverfahren
nach § 58 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
92
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 80 Entscheidungsfrist der Bauaufsichtsbehörde:
Fehlen Unterlagen, etwa erforderliche Zeichnungen zu dem
Bauvorhaben, läuft die Bearbeitungsfrist (noch) nicht.
 Zur Behandlung des Bauantrages siehe § 63 der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
93
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 81 Richtiger Bauantragsteller:
Eine Bauherrengemeinschaft beantragt durch ein bevollmächtigtes
Mitglied eine Baugenehmigung.
Bauantragstellung nach § 62 der Brandenburgischen BauO,
daneben ist eine zivilrechtliche Prüfung eventuell notwendiger
Vollmachten erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
94
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
95
Beispiel 82 Bauvorlagen:
Die Bauvorlagen müssen vollständig und sachlich richtig sein. Auf
Zeichnungen müssen nachbarschaftsrelevante Dachgestaltungen
detailliert und mit Maßangaben dargestellt werden. Die Abstandsflächen
müssen rechnerisch hergeleitet werden. Unvollständige Bauvorlagen
können zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung führen.
 Neben der Brandenburgischen Bauvorlangenverordnung
gewinnen bautechnische Nachweise unterschiedlicher
Prüfinstitutionen nach § 66 der Brandenburgischen BauO
zunehmend an Bedeutung, Problematik der Privatisierung
hoheitlicher Aufgaben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 83 Grünstempel:
Weicht die tatsächliche Bauausführung von den grün gestempelten
Bauvorlagen ab, handelt es sich um einen „Schwarzbau“. Der Bauherr
tut daher gut daran, die vollständigen gestempelten Vorlagen nach
Erhalt auch im Hinblick auf etwaige Prüfeintragungen durchzusehen.
 Siehe zu den Einzelheiten § 67 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
96
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 84 Gemeindliches Einvernehmen:
Kein Grund für die Versagung eines Einvernehmens ist es, wenn die
Gemeinde ohne nachvollziehbare Begründung die Dachform einer
Doppelgarage im unbeplanten Innenbereich beanstandet. Dieser
Einwand schließt eine Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB nicht aus.
 Zum gemeindlichen Einvernehmen siehe § 36 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
97
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
98
Beispiel 85 Haftung der Gemeinde bei Einvernehmensverweigerung:
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Bauherr bei rechtswidriger
Versagung des Einvernehmens sogar dann Amtshaftungsansprüche aus
Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gegen die Gemeinde, wenn das
Einvernehmen objektiv nicht erforderlich war, weil das zur Genehmigung
gestellte Vorhaben im Sinne von § 30 BauGB bebauungsplankonform
war und – entgegen der Annahme der Beteiligten – keiner Befreiung
nach § 31 BauGB bedurfte.
 Einvernehmen der Gemeinde ist zwar ein
Verwaltungsinternum, kann aber für den Bauherren erhebliche
Komplikationen auslösen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
Beispiel 86 Begrenzte Nachbarzustimmung:
Verzichtet der Nachbar auf Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben, gilt
dies regelmäßig nur unter dem Vorbehalt, dass das Vorhaben nicht
nachträglich geändert wird. Es ist daher im Einzelfall festzustellen, wie
weit eine Nachbarzustimmung reicht.
 Zur Beteiligung von Nachbarn im Genehmigungsverfahren
siehe § 64 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
99
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
100
Beispiel 87 Wechsel des Vorhabenträgers:
Die zivilrechtliche „Übertragbarkeit“ des Grundstücks mit
Baugenehmigung kann etwa im Zusammenhang mit städtebaulichen
Verträgen nach § 11 BauGB oder einem vorhabenbezogenen
Bebauungsplan nach § 12 BauGB eingeschränkt sein. Nach § 12
Abs. 5 BauGB bedarf der Wechsel des Vorhabenträgers beim
vorhabenbezogenen Bebauungsplan regelmäßig der Zustimmung der
Gemeinde. Das Baurecht ist somit zunächst an die Verfügungsbefugnis
einer bestimmten Rechtsperson geknüpft, die das Vorhaben realisieren
kann und soll.
 Regelmäßig ist die Baugenehmigung ein grundstücksbezogener
Verwaltungsakt und geht mit einem Verkauf auf den neuen
Grundstückseigentümer über!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
101
Beispiel 88 Private Rechte Dritter:
Im Rahmen eines Bauvorhabens muss ein Nachbargebäude durch bauliche
Maßnahmen unterfangen werden. Ob die Nutzung des Nachbargrundstücks
durch den Bauherrn von dem Eigentümer erlaubt wird, ist für die
Baugenehmigung unerheblich. Zwar kann die Behörde bei einem Bau auf
fremdem Boden die Zustimmung des Grundstückseigentümers verlangen, wenn
für eine Baumaßnahme ein fremdes Grundstück in Anspruch genommen werden
soll. Das öffentlich-rechtliche Sachbescheidungsinteresse im
Baugenehmigungsverfahren fehlt aber nur dann, wenn feststeht, dass der
Bauherr eine eventuelle Genehmigung nicht ausnutzen kann oder –
ausnahmsweise - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bauherr ohne
Kenntnis und gegen den Willen des Nachbarn dessen Grundstück nutzen will.
 Nach § 67 Abs. 6 der Brandenburgischen BauO wird die
Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
102
Beispiel 89 Anfechtung von Auflagen:
Eine Baugenehmigung enthält Brandschutzauflagen. Ficht der Bauherr
eine ihm unverhältnismäßig erscheinende derartige Auflage an, dürfte
im Zweifel davon auszugehen sein, dass der Bauherr die Genehmigung
bis zur abschließenden Klärung insgesamt nicht ausnutzen darf, weil die
Behörde das „ob“ der Baugenehmigung typischerweise von den
maßgeblichen sicherheitsrelevanten Erwägungen abhängig machen
wird.
 Nach § 67 Abs. 3 Satz 1 der Brandenburgischen BauO können
Nebenbestimmungen mit Sicherheitsleistungen verknüpft werden, im Übrigen wird
nach § 36 VwVfG zwischen Auflagen (selbständige Verpflichtung) auf der einen
und Bedingungen /Befristungen (unselbständige Genehmigungsbestandteile)
unterschieden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
103
Beispiel 90 Baugenehmigung und Bauvertrag:
Der Bundesgerichtshof vor kurzem entschieden, dass Bauunternehmen
sogar die baulichen Folgen von Genehmigungsauflagen in ihre
Vertragspreise einkalkulieren müssen, die sie nicht kannten. Das bloße
Kennenmüssen soll hier ausreichen, zumal sich die Bauunternehmen
unschwer die vollständige Genehmigungsurkunde beschaffen können.
 Nach § 4 Abs. 1 VOB/B ist originär der Auftraggeber für die
Beschaffung der Genehmigung verantwortlich, Konflikte
zwischen der Architektenplanung und der Genehmigungsplanung
sind jedoch nicht selten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
104
Beispiel 91 Verlängerung der Baugenehmigung:
Wird eine Verlängerung beantragt, ist das Vorhaben auf der Basis des
dann geltenden Rechts neu auf seine Genehmigungsfähigkeit zu
beurteilen. Bei Rechtsänderungen kann der Bauherr also schlechter
stehen als bei der Ursprungsgenehmigung.
 § 69 der Brandenburgischen BauO sieht eine Verlängerungsmöglichkeit nicht mehr vor, nach Ablauf der Geltungsdauer von 6
Jahren muss die Baugenehmigung deswegen möglicherweise
komplett neu beantragt werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
105
Beispiel 92 Vorläufiges positives Gesamturteil:
Bei einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb können nicht etwa bereits
die Erdarbeiten im Wege einer Teilgenehmigung zugelassen werden,
wenn wichtige Details des Vorhabens wie das vorgesehene Sortiment
noch ungeklärt sind. Andernfalls scheidet das mit der Teilgenehmigung
verbundene vorläufige positive Gesamturteil aus.
 Zu den Einzelheiten siehe § 68 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.3
Genehmigungsverfahren
106
Beispiel 93 Konkretes Vorhaben und Vorbescheid:
Wer einen Vorbescheid zu Zulässigkeitsfragen auf der Grundlage
unverbindlicher Planungen begehrt, wird mit seinem Anliegen keinen
Erfolg haben, weil die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen
naturgemäß ein fest abgegrenztes Objekt und eine entsprechende
Untersuchung seiner Auswirkungen voraussetzt.
 Zum Vorbescheidsverfahren siehe § 59 der Brandenburgischen
BauO, Hauptfall ist die sogenannten Bebauungsgenehmigung
zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
107
Beispiel 94 Dachgeschossausbau:
Liegt die zulässige GFZ nach dem Bebauungsplan bei 0,4, muss etwa
bei einem Dachgeschossausbau ermittelt werden, welche
Grundstücksausnutzung mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben
nunmehr insgesamt erfolgt. Dazu können, je nach der Anzahl der zu
berücksichtigenden Vollgeschosse oder der nicht relevanten
Nebenanlagen, komplizierte Berechnungen erforderlich werden.
 Genehmigungsvoraussetzung ist nach § 67 Abs. 1 der
Brandenburgischen BauO, dass dem Vorhaben keine
Vorschriften des Bauplanungsrechtes, des Bauordnungsrechts
oder des Baunebenrechts entgegenstehen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
108
Beispiel 95 Hotel im WA:
In einem Allgemeinen Wohngebiet können z.B. nach § 4 Abs. 3
Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise Hotels zugelassen werden.
 Im Bereich der BauNVO gibt es vielfältige gesetzliche
Ausnahmen, Befreiungen müssen dagegen individuell nach § 31
Abs. 2 BauGB oder nach § 60 der Brandenburgischen BauO
zugelassen werden, ohne dass darauf ein Rechtsanspruch des
Bauantragstellers besteht!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
109
Beispiel 96 Nutzungsausschluss per Bebauungsplan:
Nach § 1 Abs. 5 BauNVO ist etwa der Ausschluss von
Einzelhandelsbetrieben, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht
kerngebietstypischen Vergnügungsstätten zulässig, wenn das
produzierende Gewerbe in einem bestimmten Gebiet gestärkt werden
soll.
 Durch eine Differenzierung nach § 1 BauNVO können die
Gebietsstrukturen nach den §§ 2 ff. BauNVO individuell variiert
werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
110
Beispiel 97 Befreiung und Einfügungsgebot:
Nach einer von der Rechtsprechung geprägten Faustformel kann ein
Vorhaben nicht im Wege einer Befreiung vom Bebauungsplan
genehmigt werden, wenn es sich bei unterstellter Anwendbarkeit von
§ 34 Abs. 1 BauGB nicht in die nähere Umgebung einfügt. Ob
nachbarliche Interessen der Befreiung entgegenstehen, hat die
Genehmigungsbehörde objektiv und mit Blick auf die Planvorschriften
zum Schutze der Nachbarn zu entscheiden.
 Kritische Befreiungen können Nachbarstreitigkeiten auslösen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
111
Beispiel 98 Befreiungsermessen:
Nach der Rechtsprechung soll bereits die Absicht der Gemeinde, einen
bestehenden Bebauungsplan zu ändern, ausreichen, eine Befreiung im
Rahmen der Ermessensausübung zu versagen.
 Kein Rechtsanspruch auf Befreiung, allerdings kann der
Gleichbehandlungsgrundsatz im Einzelfall von Bedeutung sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
112
Beispiel 99 Vorabgenehmigung bei Problemvorhaben:
Eine Nachbargemeinde hat gegen einen Bebauungsplan im Rahmen
der Behördenbeteiligung erhebliche Bedenken geltend gemacht. Die
planende Gemeinde, die gleichzeitig Bauaufsichtsbehörde ist, kann in
diesem Fall nicht ohne weiteres das Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB unterstellen. Das Instrument der
Vorabgenehmigung ist vielmehr nur bei im wesentlichen problemlos
verlaufenden Planungen einzusetzen.
 Schwierige Rechtsfragen treten auf, wenn Bebauungsplan und
Vorabgenehmigung im Verwaltungsrechtsweg angegriffen
werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
113
Beispiel 100 Trennender Steilhang:
Ein Steilhang im Grenzbereich zweier benachbarter Grundstücke kann
den Bebauungszusammenhang unterbrechen.
 § 34 Abs. 1 BauGB stellt auf die im Zusammenhang bebauten
Ortsteile ab!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
114
Beispiel 101: Organische Siedlungsstruktur
Je nach Lage der Dinge können bereits 5 Wohnhäuser und 5
landwirtschaftliche Nebengebäude einen Ortsteil bilden. 4 Wohnhäuser
allein werden demgegenüber regelmäßig nicht ausreichen.
 Abgrenzung zur Splittersiedlung im Außenbereich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
115
Beispiel 102 Präzisierung des Bebauungszusammenhangs:
Auf dem Gebiet einer kleineren Gemeinde hat sich nach und nach eine
lose Bebauung mit Wohnhäusern entwickelt. Über eine
Innenbereichssatzung kann die Gemeinde diese Entwicklung einerseits
legalisieren und andererseits steuern, indem ausgewählte Grundstücke
in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbezogen werden. Dabei
bedarf es im Vergleich zur Aufstellung eines Bebauungsplanes nur des
„reduzierten“ Verfahrens nach § 34 Abs. 5 BauGB.
 Innenbereichssatzungen regeln die Abgrenzung bebaubarer
Grundstücke vom Außenbereich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
116
Beispiel 103 Wechselseitige Prägung:
Zur Eigenart der näheren Umgebung gehört vor allem die vorhandene,
rechtmäßig errichtete Bebauung, nicht nur in der unmittelbaren
Nachbarschaft. Bereits abgerissener oder nicht mehr genutzter
Altbestand, der nach wie vor prägend wirkt, ist ebenso wie das
Baugrundstück selbst in die Betrachtung einzubeziehen. Straßen
grenzen die nähere Umgebung nicht unbedingt vom Baugrundstück ab;
maßgeblich ist jeweils die konkrete Situation vor Ort.
In der Praxis ergeben sich insbesondere im Gemengelagen
erhebliche Interpretations- und Argumentationsspielräume,
gleichzeitig aber Genehmigungsrisiken!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
117
Beispiel 104 Inhomogene Nutzungsstruktur:
Gibt es in einem Gebiet neben überwiegender Wohnbebauung und
kleineren Läden ein „Kegelzentrum“ mit 12 Bahnen und einem
gastronomisch genutzten Raum, entspricht das Gebiet wegen der über
die Gebietsgrenzen hinausreichenden Auswirkungen des
„Kegelzentrums“ weder einem Allgemeinen Wohngebiet noch einem
Mischgebiet (Grund: überwiegende Wohnbebauung).
 Eine Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB kommt nur in
Betracht, wenn es sich um ein bestimmtes Baugebiet im Sinne
der BauNVO handelt!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 105 Rücksichtnahme bei Gemengelage:
Gewerbenutzungen müssen in sog. Gemengelagen in
immissionsschutzrechtlicher Hinsicht unter Umständen
Einschränkungen hinnehmen. Wohnnutzungen müssen ihrerseits die
Vorbelastung des Gebiets bei der Geltendmachung von
Abwehransprüchen als begrenzendes Merkmal in Rechnung stellen.
 Das Gebot der Rücksichtnahme ist Bestandteil des
Einfügensgebotes nach § 34 Abs. 1 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
118
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
119
Beispiel 106 Bodenrechtliche Spannungen:
Nach der Rechtsprechung kann etwa die „erste“ Vergnügungsstätte die
Gefahr der Ansiedelung weiterer ähnlicher Einrichtungen mit sich
bringen. Andererseits hat das Bundesverwaltungsgericht vor kurzem
noch einmal darauf hingewiesen, § 34 Abs. 1 BauGB begründe „keine
Garantie dafür, dass die Eigenart des Gebiets auf Dauer unangetastet“
bleibe.
Durch § 34 Abs. 3 und Abs. 3a BauGB hat der Gesetzgeber
Differenzierungen, insbesondere mit Blick auf den Einzelhandel
und den erweiterten Bestandsschutz, vorgenommen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 107 Außenbereichsinsel:
Auch in städtischen Bereichen kann es sog. Außenbereichsinseln
geben. Beispielsweise kann die Zulässigkeit eines von Wohn- und
Gewerbebauten umgebenen größeren Kleingartenbetriebes nach
§ 35 BauGB zu beurteilen sein.
 Abgrenzung der im Zusammenhang bebauten Ortsteile vom
Außenbereich erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
120
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 108 Trainingsstall für Rennpferde:
Ein Trainingsstall für Rennpferde ist nicht privilegiert, weil er keine
„bodenrechtliche Nebensache“ zu einem landwirtschaftlichen Betrieb
darstellt.
 Auslegung der Privilegierungstatbestände unter § 35 Abs. 1
BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
121
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
122
Beispiel 109 Außenbereichsspezifische Nutzungen:
Privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind etwa Aussichtstürme, der
Allgemeinheit zur Verfügung stehende Berghütten, Hundezuchten,
Jugendherbergen, Schießplätze, Schweinemästereien,
Tierkörperbeseitigungsanstalten, Wetterwarten, Zementfabriken. Nicht
privilegiert sind hingegen Camping-, Golf- und Tennisplätze, Gaststätten,
soweit sie nicht ausnahmsweise der notwendigen Versorgung der
Allgemeinheit in abgelegenen Bereichen dienen, Kleingärten und
Wochenendhäuser.
 Reichhaltige Kasuistik privilegierter Nutzungen als
Orientierungsmaßstab!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
123
Beispiel 110 Windenergieanlage im Außenbereich:
Eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegierte
Windkraftanlage kann wegen entgegenstehender öffentlicher Belange
planungsrechtlich unzulässig sein, wenn sie im konkreten Einzelfall das
Landschaftsbild verunstaltet.
 Regelmäßig Bauverbot im Außenbereich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
124
Beispiel 111 Wohnhaus im Außenbereich:
Ein Wohnhaus ist im Außenbereich nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB
privilegiert und deshalb ein „sonstiges Vorhaben“. Generell wird in der
Rechtsprechung betont, dass sonstige Vorhaben im Sinne von § 35
Abs. 2 BauGB im Außenbereich nicht ausgeführt werden sollen; es gibt
also kaum eine Chance, für ein solches Vorhaben eine
Baugenehmigung zu erhalten.
 Realisierung von Wohn- und anderen kommerziellen Nutzungen
üblicherweise nur über die Aufstellung eines Bebauungsplanes
möglich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
125
Beispiel 112 Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan:
In einem Flächennutzungsplan sind sog. Konzentrationszonen für den
Kiesabbau dargestellt. Die positive Ausweisung solcher besonderer
Vorhaben auf bestimmten Flächen schließt – negativ – die Zulassung an
anderer Stelle der Gemeinde aus.
 Der Genehmigung eines Außenbereichsvorhabens
entgegenstehende öffentliche Belange können sich aus
höherrangigen Planungen ergeben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
126
Beispiel 113 Bauen im Landschaftsschutzgebiet:
Das Bauen in Landschaftsschutzgebieten ist im allgemeinen unzulässig.
Etwas anderes kann gelten, wenn die einschlägige Schutzverordnung
Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten vorsieht und die
entsprechenden Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.
 Die Kompatibilität der einzelnen Bestimmungen ist individuell zu
prüfen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
127
Beispiel 114 Rückbau- und Entsiegelungsverpflichtung beim Windpark:
Ein größerer Windpark im Außenbereich ist nach § 35 Abs. 1
Nr. 5 BauGB bauplanungsrechtlich privilegiert zulässig. Die Rückbauund Entsiegelungsverpflichtung nach § 35 Abs. 6 Satz 2 BauGB greift in
Zukunft unabhängig von der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungspflicht solcher Anlagen ein, weil die
Immissionsschutzbehörde auch das Baurecht zu beachten und zugleich
nach dem BImSchG und dem UVPG eine UVP vorzunehmen hat.
 Bei Außenbereichsvorhaben können diverse zusätzliche
Restriktionen bestehen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
128
Beispiel 115 Schweinemäster und Rücksichtnahme:
Ein Schweinemästerbetrieb im Außenbereich soll erweitert werden.
Zwar handelt es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1
Nr. 4 BauGB. Auf eine in der Nähe befindliche Wohnbebauung ist aber
Rücksicht zu nehmen; deren schutzwürdige Interessen können als
öffentliche Belange in die Zulässigkeitsprüfung einfließen.
 Gebot der Rücksichtnahme ist ungeschriebener öffentlicher
Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
129
Beispiel 116 Planungserfordernis im Außenbereich:
Großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO
dürfen nach der Rechtsprechung wegen ihrer überregionalen
Auswirkungen im Außenbereich regelmäßig nur aufgrund einer
Bebauungsplanung nicht aber nach § 35 Abs. 2 BauGB zugelassen
werden. Das Planungserfordernis kann etwa von der Nachbargemeinde
klageweise geltend gemacht werden, soweit deren Belange nach § 2
Abs. 2 BauGB von dem Vorhaben berührt werden.
 Planmäßigkeitsgrundsatz des BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
130
Beispiel 117 Splittersiedlung:
Zwar können, je nach der Struktur der Umgebungsbebauung, bereits
einige wenige vergleichbar genutzte Häuser als im Zusammenhang
bebaute Ortsteile gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB anzusehen sein. Wird
aber eine lose, nicht einheitlich genutzte Bebauung um die Hälfte des
Bestandes vergrößert, handelt es sich um die – unzulässige –
Verfestigung einer Splittersiedlung im Außenbereich nach § 35
Abs. 3 BauGB.
 Abgrenzung zur organischen Siedlungsstruktur!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
131
Beispiel 118 Ersatzbau im Außenbereich:
Der Eigentümer will auf den Grundmauern einer abgebrannten Scheune
im Außenbereich ein neues Wohngebäude errichten. § 35 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 BauGB greift nicht ein, weil es sich nicht um die
Nutzungsänderung eines bestehenden Gebäudes handelt, § 35 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 BauGB scheidet aus, weil es nicht um die Neuerrichtung
eines Wohngebäudes geht. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB hilft dem
Eigentümer ebenfalls nicht, weil die Nutzung des Ersatzbaus mit der
vorherigen nicht identisch ist.
Teilprivilegierungen nach § 35 Abs. 4 BauGB werden nur ganz
ausnahmsweise einmal gegeben sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
132
Beispiel 119 Duldung von Schwarzbauten :
Bestandsschutzgesichtspunkte können berührt sein, wenn etwa an
einem Bauvorhaben, das unter Verletzung baurechtlicher Vorschriften
errichtet, aber über längere Zeit von der Behörde toleriert worden ist,
untergeordnete Änderungen vorgenommen werden sollen. Zunehmend
wird insoweit die Auffassung vertreten, das Vorhaben müsse dann von
neuem und insgesamt auf seine Vereinbarkeit mit öffentlichem Recht
geprüft werden. Der Bestandsschutz kann in solchen Fällen erlöschen;
es kommt aber auf die Umstände des Einzelfalles an.
Bestandsschutz nur im Rahmen der Gesetze, insbesondere der
§§ 34, 35 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
133
Beispiel 120 Kondomautomat:
Keine Gefahr ergibt sich etwa aus der Aufstellung eines
Straßenautomaten für den Verkauf von Kondomen; dadurch werden
keine geschützten Rechtsgüter verletzt.
 Nach § 3 Abs. 1 der Brandenburgischen BauO dürfen bauliche
Anlagen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht
gefährden, sie müssen ferner die allgemeinen Anforderungen
dauerhaft erfüllen und ohne Missstände benutzbar sein sowie die
natürlichen Lebensgrundlagen schonen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
134
Beispiel 121 Abweichung von DIN-Vorschriften:
Bei einer Altbausanierung können aufgrund der baulichen
Gegebenheiten DIN-Vorschriften nicht eingehalten werden.
Bauordnungsrechtlich ist dies zulässig, wenn keine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung entsteht. Vertragsrechtlich ist der
Auftragnehmer insbesondere beim sog. VOB/B-Vertrag dagegen nach §
13 VOB/B stets verpflichtet, die anerkannten Regeln der Technik
einzuhalten, wenn keine abweichende Vereinbarung getroffen worden
ist. Selbst wenn kein Schaden entsteht, ist ein Verstoß gegen DINVorschriften ein Mangel, der Ansprüche des Auftraggebers auslöst.
 Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Baurecht!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
135
Beispiel 122 Bau auf mehreren Grundstücken:
Ein Bürogebäude soll auf mehreren Grundstücken errichtet werden.
Auch wenn alle Grundstücke im Eigentum eines einzigen Bauherrn
stehen und an das öffentliche Straßennetz angebunden sind, muss nach
§ 4 Abs. 1 Brandenburgische BauO gesichert werden, dass dauerhaft
eine einheitliche Nutzung erfolgen kann. Entsprechende Vorgaben
werden zumeist in die Baugenehmigung als Nebenbestimmungen
aufgenommen.
 Grundstücksbegriff richtet sich nach dem BGB (abgegrenzter
Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als
Grundstück verzeichnet ist; Abgrenzung zum Flurstück), siehe
auch die ergänzenden Regelungen über Zugänge und Zufahrten
unter § 5 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
136
Beispiel 123 Grenzgarage I :
Grenzgaragen dürfen ohne Abstandsfläche direkt an der Nachgrenze
errichtet werden. Keine Grenzgaragen sind aber etwa Eckgaragen, die
an zwei Seiten an das Nachbargrundstück angrenzen. Solche Garagen
muss der Nachbar nicht dulden.
 Zu den Abstandsflächen siehe § 6 der Brandenburgischen
BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 124 Teilungsgenehmigung bei Hinterliegergrundstück
Ein Grundstück soll geteilt werden. Für das vorgesehene
Hinterliegergrundstück ist aber keine hinreichende Zufahrt nach den
gewährleistet.
 Unzulässigkeit der Teilung nach § 4 Abs. 3 der
Brandenburgischen BauO, wenn dadurch bauordnungswidrige
Zustände geschaffen werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
137
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 125 Eigentumsumschreibung und Teilung:
Es wird ein notarieller Kaufvertrag beurkundet, der eine
Grundstücksteilung vorsieht. Das Grundbuchamt verweigert die
Eigentumsumschreibung, wenn keine Teilungsgenehmigung oder ein
Negativattest nachgewiesen werden.
 Unterscheidung Zivilrecht/öffentliches Recht!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
138
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
139
Beispiel 126 Verunstaltungsverbot:
Verunstaltend wirken können etwa unpassende Kunststofffenster, die
das Erscheinungsbild einer Jugendstilfassade nachhaltig
beeinträchtigen. Umgebungsunverträglich im Sinne einer Verunstaltung
kann auch das Abschlagen von Stuckverzierungen an einem
klassizistischen Gebäude sein.
 Zum Verunstaltungsverbot siehe § 8 der Brandenburgischen
BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
140
Beispiel 127 Verkehrsgefährdung durch Werbeanlage:
Nach dem OVG Münster soll bereits eine 6 cm vorspringende
Werbeanlage auf einem 92–99 cm breiten Bürgersteig mit lebhaftem
Fußgängerverkehr zu einer Verkehrsgefährdung führen und deshalb
rechtswidrig sein. Bei den inzwischen verbreiteten
Diaprojektionsanlagen, die ebenfalls Werbeanlagen im Rechtssinne
sind, soll die Frage einer Verkehrsgefährdung von den Umständen des
Einzelfalles abhängen.
 Zur Zulässigkeit von Werbeanlagen siehe § 9 der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
141
Beispiel 128 Brandschutzstandards:
Ob und wann in ein Gebäude eine Sprinkleranlage einzubauen ist, ist
gesetzlich nicht geregelt. Unklarheiten können auch in Bezug auf den
ersten und den zweiten Rettungsweg entstehen.
 Zum Brandschutz siehe die §§ 12, 23 ff. und 29 ff. der
Brandenburgischen BauO, zur Rettungswegthematik siehe § 5 der
Brandenburgischen BauO, zur Notwendigkeit von
Brandschutznachweisen siehe § 66 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 129 Urinal als (nicht) zugelassenes Bauprodukt:
In einem Bauvorhaben werden neuartige Urinalanlagen eingebaut.
Ohne Zulassung nach der Bauordnung dürfen solche Anlagen nicht
verwendet werden. Es liegen Verstöße gegen die Bauordnung und –
vorbehaltlich einer zivilrechtlichen Sonderregelung – auch gegen den
maßgeblichen Bauvertrag vor.
 Zur Verwendung von Bauprodukten siehe die §§ 14 ff. der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
142
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
143
Beispiel 130 Abgeschlossenheitsbescheinigung:
Für die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung ist irrelevant, ob
im Einzelfall die Brandschutzvorschriften eingehalten sind.
 Zur Abgeschlossenheit von Wohnungen siehe § 41 der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
144
Beispiel 131 Richtzahlen für Stellplätze:
Gemäß § 43 der Brandenburgischen BauO kommt es hinsichtlich der
notwendigen Stellplätze auf die örtlichen Bauvorschriften an. Zu
berücksichtigen ist zudem die planungsrechtliche Zulässigkeit der
Stellplätze nach
§ 12 BauNVO; nach § 12 Abs. 2 BauNVO dürfen etwa in Wohngebieten
nur Stellplätze für den durch die zugelassene Nutzung verursachten
Bedarf errichtet werden.
 Varianten sind Stellplätze auf anderen Grundstücken mit
Sicherung sowie Stellplatzablösung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
145
Beispiel 132 Nachbarschaftsverträglichkeit von Stellplätzen:
Ein größerer Parkplatz eines Bürogebäudes darf nicht in unmittelbarer
Nachbarschaft zu den Schlafräumen der benachbarten Wohnbebauung
errichtet werden. Hier kommt es allerdings auf die konkret entstehenden
Lärmimmissionen und die wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten an.
 An- und Abfahrtsverkehr kann Konflikte auslösen,
Verkehrsgutachten kann erforderlich sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 133 Versammlungsstätten als Sonderbauten:
Bei Versammlungsstätten wie Großdiskotheken kommt etwa den
Lüftungsanlagen naturgemäß große Bedeutung zu. Dazu gibt es
umfangreiche Regelungen, die im Baugenehmigungsverfahren zu
beachten sind.
 Zu Sonderbauten siehe § 44 der Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
146
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
147
Beispiel 134 Gestaltungssatzung II:
Die Gemeinde schließt durch Gestaltungssatzung Kellergaragen wegen
der unerwünschten teilweisen Freilegung von Kelleraußenwänden und
der erforderlichen Rampen in Vorgärten aus. Eine solche Regelung
kann auf landesrechtlicher Grundlage zulässig sein, soweit sie sich
außerhalb des bundesrechtlichen Kataloges zulässiger Festsetzungen
nach § 9 BauGB und der BauNVO bewegt. Hier können sich schwierige
Abgrenzungsfragen ergeben.
 Zu den örtlichen Bauvorschriften siehe § 81 der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
148
Beispiel 135 Abweichungsermessen:
Abweichungen kommen im Hinblick auf Abstandsflächenvorschriften in
Betracht. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gesetz sehr
umfangreiche Regelungen vorsieht; der Spielraum für Abweichungen ist
deshalb eingeschränkt. Abweichungen sind aber gleichwohl etwa bei
atypischen Grundstückszuschnitten denkbar; entsprechendes kann nach
Maßgabe der einschlägigen neuen Regelungen gelten, wenn
beispielsweise durch Sonnenkollektoren ein Energieeinspareffekt
erreicht wird.
 Die §§60, 61 der Brandenburgischen BauO bilden das Pendant
zu § 31 BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 136 Unzuverlässiger Gaststättenbetreiber:
Die Baugenehmigungsbehörde darf nicht prüfen, ob etwa der
Gaststättenbetreiber im Sinne von § 4 Abs. 1 GastG hinreichend
zuverlässig ist. Dies ist Sache der Gewerbeaufsicht.
 Differenzierung zwischen Baugenehmigung und Nutzungs/Betriebserlaubnissen nach Spezialgesetzen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
149
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
150
Beispiel 137 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung:
Ein privilegiertes Außenbereichsvorhaben muss nach § 35 Abs. 3
Nr. 5 BauGB die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege
beachten. Daneben findet die Eingriffsregelung nach dem BNatSchG
Anwendung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die
Zulässigkeit nach § 35 BauGB und die naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung durch die Bauaufsichtsbehörde getrennt voneinander
zu prüfen; das herzustellende „Benehmen“ mit der Naturschutzbehörde
ist dabei kein Einvernehmen im Sinne einer Zustimmung,
ausnahmsweise kann die Bauaufsicht vielmehr durchaus von dem
Votum der Naturschutzbehörde abweichen.
 Regelmäßig sind Vorhaben, die dem Naturschutzrecht
widersprechen, nicht genehmigungsfähig!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
151
Beispiel 138 Bauland und Baumschutzsatzung:
Für den Neubau eines Bürogebäudes auf einer Brachfläche in
innerstädtischer Lage müssen zwei Bäume mit ca. 60 cm Durchmesser
gefällt werden. Sind die Voraussetzungen des § 34 BauGB im Hinblick
auf die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens erfüllt, kann das
Naturschutzrecht zu keinem anderen Ergebnis führen. Die
Fällgenehmigung ist deshalb zu erteilen, wenn auch möglicherweise mit
der Auflage geeigneter Ersatzpflanzungen.
 Auslegung und Bewertung lokaler Baumschutzsatzungen
erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
152
Beispiel 139 Immissionswerte II:
Bei einem Vorhaben, das nach § 34 BauGB im innerstädtischen Bereich
zugelassen werden soll, ist die Vorbelastung der Nachbarschaft mit
anderen Immissionen in die Prüfung einzubeziehen. Nur wenn das
aktuelle Lärmniveau unter Berücksichtigung der gebiets- und
umgebungsspezifischen Grenz- oder Richtwerte unzumutbar gesteigert
wird, ist die Baugenehmigung zu versagen.
 Die Maßstäbe für die Beurteilung des Lärmniveaus ergeben sich
aus dem Immissionsschutzrecht und flankierenden technischen
Vorschriften, etwa DIN 18005 Schallschutz im Städtebau!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
153
Beispiel 140 Baugenehmigung und Straßenverkehr:
Seitens der Straßenverkehrsbehörde können Auflagen für den
Baustellenverkehr in Betracht kommen. Die Bauaufsicht wird diese von
vornherein Auflagen der Baugenehmigung beifügen oder bei Bedarf
nachträgliche Maßnahmen treffen.
 Unterscheidung Straßenrecht (ruhender Verkehr, betroffen etwa
bei Baustelleneinrichtung auf Gehweg) und
Straßenverkehrsrecht (fließender Verkehr, betroffen bei
Sperrungen/Umleitungen), eigenständige
Genehmigungserfordernisse sind zu beachten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
154
Beispiel 141 Baugenehmigung und Wasserrecht:
Ein Flüssigmist-Erdbecken („Güllelagune“) ist in einem festgesetzten
Wasserschutzgebiet unzulässig. Ist bei einem Vorhaben keine
hinreichende Vorsorge gegen eine drohende
Grundwasserverunreinigung getroffen, verstößt dies gegen
Wasserrecht. Die Baugenehmigung ist aufgrund des Rechtsverstoßes
zu versagen.
 Verstößt ein Bauvorhaben gegen Wasserrecht und damit gegen
Baunebenrecht, sind die Voraussetzungen für die Erteilung der
Baugenehmigung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 der
Brandenburgischen BauO nicht gegeben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
155
Beispiel 142 Sonderabfallentsorgung:
Die Bauaufsicht verfügt in einer Baugenehmigung zahlreiche
Nebenbestimmungen zur Verwertung und Entsorgung von Abfällen.
Unter anderem müssen Sonderabfälle bei genau bezeichneten Stellen
gegen erhebliche Gebühren abgeliefert werden, im Zuge des Transports
sind Schutzmaßnahmen zu treffen. Derartige „Andienungspflichten“ sind
inzwischen uneingeschränkt als zulässig anerkannt.
 Spezialvorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechtes
sowie des Bodenschutzes können etwa bei verunreinigten
Baugrundstücken oder kontaminierten Altgebäuden erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung haben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
Beispiel 143 Denkmal und Doppelgarage:
Der Bauherr will an ein als Kulturdenkmal geschütztes Gebäude eine
Doppelgarage anbauen. Wird das Gebäude durch das Vorhaben in
seinem äußeren Erscheinungsbild beeinträchtigt, kann die
Baugenehmigung verweigert werden.
 Städtebaulicher Denkmalschutz nach dem BauGB,
Denkmalschutzgesetze der Länder sind als Baunebenrecht bei
der Erteilung der Baugenehmigung zu beachten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
156
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.4
Materielle Genehmigungsanforderungen
157
Beispiel 144 Arbeitsstättenverordnung:
Nach der Arbeitsstättenverordnung sind bestimmte Mindeststandards für
Büroarbeitsplätze vorgesehen.
 Vorschriften des Arbeitsschutz- und Wirtschaftsverwaltungsrechtes können Nutzungsstandards maßgeblich beeinflussen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.5
Bauaufsicht
158
Beispiel 145 Schwarzbau:
Formell illegal ist ein Bauvorhaben, das ohne die erforderliche
(wirksame) Baugenehmigung, abweichend von der Baugenehmigung
oder unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung eines
Widerspruchs gegen die Baugenehmigung realisiert wird. Solche
Bauvorhaben werden umgangssprachlich als „Schwarzbau“ bezeichnet.
 Zur Bauaufsicht siehe §§ 51 f. und 73 ff. der Brandenburgischen
BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.5
Bauaufsicht
159
Beispiel 146 Abrissverfügung:
Hat der Bauherr eine Baugenehmigung erhalten, scheidet wegen der
formellen Legalität des Vorhabens eine Beseitigungsanordnung (auch:
„Abrissverfügung“) aus, auch wenn die Genehmigung unter Verstoß
gegen geltendes Recht erteilt worden ist. Eine Beseitigungsanordnung
scheidet gleichermaßen aus, wenn zwar keine Baugenehmigung
existiert, das Vorhaben aber der Sache nach genehmigungsfähig ist.
 Zur Beseitigungsanordnung siehe § 74 der Brandenburgischen
BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.5
Bauaufsicht
160
Beispiel 147 Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten:
Der Bauherr baut unter Verletzung von Abstandsflächenvorschriften.
Kann der Nachbar nunmehr ultimativ von der Behörde verlangen, dass
diese eine Beseitigungsanordnung erlässt .Nach wohl zutreffender
Auffassung dürfte es darauf ankommen, ob der Nachbar über den
bloßen Rechtsverstoß hinaus tatsächlich erheblich beeinträchtigt ist.
Dies wird bei der Verletzung von Vorschriften über Abstandsflächen
vielfach der Fall sein.
 Regelmäßig stehen bauaufsichtliche Maßnahmen im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.5
Bauaufsicht
Beispiel 148
161
Verwaltungsvollstreckung bei bauaufsichtlichen
Verfügungen:
Die Behörde will eine Beseitigungsanordnung gegen eine
Eigentümergemeinschaft erlassen und diese zwangsweise durchsetzen.
Hier bedarf es unter Umständen begleitender Duldungsverfügungen
gegen Mitberechtigte, bevor Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen
können.
 Sonderregelungen des Verwaltungsvollstreckungsrechtes sind
zu beachten, die Behörde benötigt keinen gerichtlichen
Vollstreckungstitel!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.6
Baulasten
Beispiel 149 Zugangsbaulast:
Eine Baulast kann von der Bauaufsicht etwa dann verlangt werden,
wenn die Erschließung des Baugrundstücks nicht gesichert und ein
Zugang über ein anderes Grundstück geschaffen werden muss.
 Siehe dazu § 65 der Brandenburgischen BauO, in Brandenburg
gibt es nur noch die privatrechtliche Dienstbarkeit!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
162
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.6
Baulasten
163
Beispiel 150 Privatrechtliche Nachbarschaftsvereinbarung:
Ob sich der Nachbar dem Bauherrn gegenüber privatrechtlich zur
Eintragung einer Baulast z.B. im Hinblick auf eine geringfügige
Grenzüberbauung verpflichtet und welche Gegenleistungen er verlangt,
ist seine Sache. Als öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist die Baulast
selbst von einer derartigen nachbarschaftlichen Vereinbarung streng zu
unterscheiden.
 Privatrechtliche Nachbarschaftsvereinbarungen sind im Vorfeld
komplexer Baugenehmigungsverfahren verbreitet, typische
Inhalte sind Zustimmungen, Kompensationszahlungen,
Regelungen über Beweissicherung und Immissionsschutz sowie
Sicherheitsleistungen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
4.
Baugenehmigung
4.7
Gebühren
164
Beispiel 151 Gebühr bei Genehmigung von Schwarzbauten:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes soll die bei
„Schwarzbauten“ nach den einschlägigen Gebührenordnungen zu
erhebende dreifache Gebühr für die (nachträgliche) Prüfung der
Bauvorlagen bundesrechtlich unbedenklich sein.
 Der Gebührenbescheid zur Baugenehmigung ergeht separat
nach dem Verwaltungskostenrecht und ist auch gesondert
anzufechten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.1
Allgemeine Anforderungen
165
Beispiel 152 Angemessenheit von städtebaulichen Verträgen:
Das Angemessenheitsgebot des § 11 Abs. 2 BauGB ist eine spezielle
Leitlinie, die es der Kommune – analog zu den privatrechtlichen
Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) –
unter anderem verbietet, Formularverträge zu verwenden, die den
Vertragspartner in der Gesamtschau massiv benachteiligen. Wie weit
jedoch die Befugnis der Kommune geht, sich in der Praxis durch eine
geschickte Vertragsgestaltung Vorteile zu sichern, ist in der
Rechtsprechung noch vollständig nicht geklärt.
 Regelmäßig knüpft die Kommune ihre Bereitschaft zur
Aufstellung eines Bebauungsplans an verbindliche Zusagen
des Investors unterschiedlichster Art!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.1
Allgemeine Anforderungen
166
Beispiel 153 Koppelungsverbot bei städtebaulichen Verträgen:
Der Investor sagt der Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag als
Kompensation für einen nicht mehr festsetzbaren Erschließungsbeitrag
eine Zahlung für die Unterhaltung städtischer Kinderspielplätze zu. Dies
verstößt gegen das Koppelungsverbot, weil Gegenleistung (= Zahlung)
und Zweck (= entfallender Erschließungsbeitrag) nicht korrespondieren.
 Zwischen Leistungen und Gegenleistungen muss ein zeitlicher
und sachlicher Zusammenhang bestehen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.1
Allgemeine Anforderungen
167
Beispiel 154 Vorvertragliche Aufklärungspflicht der Gemeinde:
Die Gemeinde ignoriert eine vorvertragliche Aufklärungs- und
Hinweispflicht im Hinblick auf ihr bekannte Kontaminationen eines zur
Überplanung vorgesehenen Standortes gegenüber dem Vertragspartner.
Dadurch entsteht dem Vertragspartner ein Schaden. Nach § 311 Abs. 2
Nr. 1 BGB entsteht bereits durch die Aufnahme von
Vertragsverhandlungen ein Schuldverhältnis. Verletzt der Schuldner
eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, kann der Gläubiger nach § 280
Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen.
 Interessenkonflikt, wenn die Gemeinde zugleich plant und das
Baugrundstück veräußert!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.2
Erschließungsverträge
168
Beispiel 155 Ausschreibungspflicht bei Erschließungsverträgen:
Die Gemeinde überträgt dem Investor durch Erschließungsvertrag die
Erschließung eines größeren Wohngebietes. Fraglich ist nun, ob
aufgrund des EU-Vergaberechtes und der nationalen Bestimmungen der
VOB/A und des GWB der Investor verpflichtet ist, bei der Vergabe der
Bauleistungen für die Erschließung anstelle der im privaten Bereich
üblichen freihändigen Vergabe ein kompliziertes förmliches, eventuell
sogar europaweites Ausschreibungsverfahren durchzuführen; nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann dies unter
Umständen geboten sein.
 Schnittstellen zwischen öffentlichem Baurecht und
Vergaberecht sind individuell zu prüfen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.3
Bauleitplanungsverträge
169
Beispiel 156 Privatisierung der Bauleitplanung:
Die Bekanntmachung der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB und die
Auslegung selbst können nicht durch Vertrag „privatisiert“ werden.
Würde etwa ein privates Ingenieurbüro ohne den erforderlichen
gemeindlichen Beschluss die entsprechenden Veröffentlichungen
veranlassen und in seinen Räumen den Planentwurf zur Einsichtnahme
bereithalten, fehlte ein zentraler gesetzlich vorgesehener Hoheitsakt im
Planaufstellungsverfahren. Die Grenzen der zulässigen Verlagerung
gemeindlicher Aufgaben auf Private sind allerdings noch nicht
vollständig geklärt.
 Die Ausarbeitung der stättebaulichen Planung kann auf
private Dienstleister übertragen werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.3
Bauleitplanungsverträge
Beispiel 157
170
Unzulässiges Abwägungspräjudiz durch städtebaulichen
Vertrag:
In einem städtebaulichen Vertrag wird geregelt, dass die Gemeinde
einen bestimmten Bebauungsplan beschließt. Eine solche Zusage kann
nur ganz ausnahmsweise, nämlich wenn die Vorwegnahme der
Entscheidung sachlich gerechtfertigt ist und die planungsrechtliche
Zuständigkeitsordnung gewahrt bleibt, also der Gemeinderat bereits bei
der Vorabentscheidung hinreichend mitgewirkt hat und die vorgezogene
Entscheidung auch inhaltlich den Anforderungen genügt, die beim
abschließenden Abwägungsvorgang zu beachten gewesen wären,
erfolgen.
 Kein Rechtsanspruch auf Bauleitplanung nach § 1 Abs. 3 Satz 2
BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.3
Bauleitplanungsverträge
171
Beispiel 158 Sicherheiten beim städtebaulichen Vertrag:
Es genügt nicht, den Investor lediglich schuldrechtlich zu Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen zu verpflichten. Die Gemeinde muss auch Sorge
dafür tragen, dass der Eingriff in Natur und Landschaft dauerhaft (!)
ausgeglichen wird. Dies kann z.B. durch Vereinbarung von Sicherheiten
und Grundpfandrechte oder Baulasten geschehen.
Analogie zur Sicherung etwa der Erschließung nach § 65 der
Brandenburgischen BauO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.3
Bauleitplanungsverträge
172
Beispiel 159 Einheimischenmodell:
Der Investor verpflichtet sich, bei der Vermarktung von baureifen
Grundstücken im Plangebiet Anwohner aus dem Gemeindegebiet
bevorzugt oder ausschließlich zu berücksichtigen. Die
Einheimischenmodelle sind kontrovers diskutiert worden. Das
Bundesverwaltungsgericht hat die zur Verwirklichung des sogenannten
Weilheimer Modells abgeschlossenen Verträge als zivilrechtliche
Verträge qualifiziert und diese für zulässig gehalten.
 Einheimischenmodelle schränken den Investor ein und können
EU-rechtlich problematisch sein!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.4
Folgekostenverträge
173
Beispiel 160 Investor finanziert Infrastruktur:
Die Überplanung eines bisher brachliegenden Gebiets mit einer Vielzahl
von Wohngebäuden führt dazu, dass zusätzliche Anforderungen an die
Infrastruktur der Gemeinde entstehen. So müssen Schulen,
Kindergärten, Friedhöfe, Jugendheime, Sportplätze,
Gemeinschaftseinrichtungen, Schwimmbäder und sonstige öffentliche
Einrichtungen in ihrer Kapazität erweitert oder gänzlich neu geschaffen
werden. Die dadurch anfallenden finanziellen Belastungen, können
durch Folgekostenverträge mit den Investoren aufgefangen werden.
Dies war auch vor der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 BauGB schon unter gewissen Voraussetzungen zulässig.
 Das Koppelungsverbot ist dem Grunde oder der Höhe nach zu
beachten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.4
Folgekostenverträge
174
Beispiel 161 Rückforderung von Folgekostenzahlungen:
Ein Investor erhält das Baurecht für sein Projekt und nutzt dieses aus.
Im nachhinein stellt sich heraus, dass die im Folgekostenvertrag
vereinbarte Gegenleistung wegen Nichtigkeit dieses Vertrags nicht
erbracht zu werden braucht oder unter den Voraussetzungen der
ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden kann. Die
Gemeinde kann dann nicht ohne weiteres argumentieren, die
Leistungsverweigerung oder die Rückforderung seien treuwidrig und
deshalb unzulässig.
 Streitigkeiten zwischen Investoren und Gemeinden sind selten,
weil die Investoren auf der Genehmigungsebene auf die
Gemeinden angewiesen sind!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.5
Sonstige Vertragstypen
175
Beispiel 162 Freiwillige Umlegung:
Werden landwirtschaftlich genutzte Grundstücke überplant und soll ein
Gewerbegebiet entstehen, ist üblicherweise eine Neuordnung der Bodenverhältnisse im Wege der Umlegung erforderlich, weil die vorhandenen
Grundstücksparzellen sich für die geplante Bebauung nicht eignen und
Grundstücke sowie Verkehrsflächen entsprechend den Planvorgaben
geschaffen werden müssen. Als Alternative zu dem recht komplizierten
gesetzlich vorgesehenen Verfahrensablauf nach den §§ 45 ff. BauGB bietet
sich die freiwillige Umlegung an, bei der die Neuordnung der
Grundstücksverhältnisse entsprechend der beabsichtigten Planung durch
öffentlich-rechtlichen Vertrag unter den Beteiligten einschließlich der
Gemeinde geregelt und durchgeführt wird. Für die freiwillige Umlegung sind
verschiedene Verfahren und Modelle entwickelt worden.
Umlegungsverfahren wird mit zivilrechtlichen Grundstücksgeschäften verknüpft!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.5
Sonstige Vertragstypen
176
Beispiel 163 Sanierungsrechtlicher Vertrag:
Der Eigentümer hat nach Abschluss der städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme einen Ausgleichsbetrag wegen der durch die
Sanierung bedingten Steigerung des Wertes seines Grundstückes an
die Gemeinde zu zahlen. Um diesen Ausgleichsbetrag abzulösen und
gleichzeitig nach Fertigstellung eigener Baumaßnahmen aus dem
förmlich festgelegten Sanierungsgebiet entlassen zu werden, kann der
Eigentümer einen städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde schließen.
 Ablösevereinbarungen beruhen zumeist auf geschätzten und
nicht immer realistischen Wertzuwächsen, zu den Einzelheiten
siehe §§ 154 f. BauGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
5.
Städtebauliche Verträge
5.5
Sonstige Vertragstypen
177
Beispiel 164 Denkmalschutzrechtlicher Vertrag:
Die Denkmalbehörde verpflichtet sich in einem Vertrag gegenüber
einem Bauherrn, auf dem vorgesehenen Baugrundstück in bestimmter
Frist eine archäologische Flächengrabung durchzuführen. Der Bauherr
sagt im Gegenzug eine Kostenbeteiligung zu.
 öffentlich rechtliche Verträge können geschlossen werden,
soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen,
Rechtsgrundlage ist dann das VwVfG!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
178
Beispiel 165 Anfechtung von Vorabgenehmigungen:
Wird vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans eine
Vorabgenehmigung nach § 33 BauGB erteilt, muss diese von Nachbarn
mit Widerspruch und Klage angefochten werden; ein Antrag nach § 47
VwGO kommt (noch) nicht in Betracht; er kann und muss nach dem
Inkrafttreten des Bebauungsplanes gesondert gestellt werden, damit der
Plan nicht rechtskräftig wird.
 Differenzierung zwischen der Anfechtung der Baugenehmigung
und der Normkontrolle gegen den Bebauungsplan!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
179
Beispiel 166 Anspruch auf gerechte Abwägung:
Ein im Plangebiet ansässiger Mieter macht eine Beeinträchtigung durch
Immissionen geltend. Diese Immissionen sind in der Abwägung zu
berücksichtigen und begründen somit gleichzeitig ein Antragsrecht des
Mieters im Normenkontrollverfahren („Anspruch auf Abwägung“).
 Plannachbarn sind nur ausnahmsweise antragsbefugt!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
Beispiel 167 Doppelfunktion der Normenkontrolle:
Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung hat keinen
drittschützenden Charakter. Weil jedoch das Normenkontrollverfahren
neben dem Schutz subjektiver Rechte eine objektive Rechtskontrolle
bezweckt, kann das Normenkontrollgericht einen Bebauungsplan bei
einem Erschließungsdefizit auch unabhängig von einer subjektiven
Rechtsverletzung für erklären.
 Im Normenkontrollverfahren wird der Bebauungsplan
umfassend auf formelle und materielle Fehler geprüft!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
180
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
181
Beispiel 168 Gemeinde als Normenkontrollkläger:
Die Gemeinde siedelt einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb in der
Peripherie ihres Gebietes an. Wird dadurch ein nachhaltiger
Kaufkraftabfluss in der Umgebung bewirkt, kann die Nachbargemeinde
im Normenkontrollverfahren gegen den entsprechenden Bebauungsplan
vorgehen.
 Streitig ist die Reichweite der materiellen (Abwehr-)Rechte der
Nachbargemeinde!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
182
Beispiel 169 Katalog beachtlicher Fehler:
Wie § 214 Abs. 1 BauGB zu entnehmen ist, bleibt etwa die Verletzung
der Regelungen über die frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1
BauGB ohne Rechtsfolgen, wohingegen Fehler beim
Auslegungsverfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB die Wirksamkeit des
Bebauungsplanes durchaus entscheidend beeinflussen können.
 Grundsatz der Planerhaltung, Bagatellen sollen den Bestand der
Planung nicht berühren!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
183
Beispiel 170 Wesentliche Abwägungsfehler:
Verkennt die Gemeinde den Umfang erforderlicher Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen wegen planungsbedingter Eingriffe in Natur und
Landschaft, kann es sich nach der neuen Gesetzeslage um einen
unbeachtlichen Fehler handeln, wenn der Sachverhalt nicht von
substanzieller Bedeutung ist. Ob und wann ein solcher Fall in der Praxis
gegeben ist, wird allerdings die Rechtsprechung individuell prüfen
müssen.
 Tendenz der Gerichte zur Aufrechterhaltung von
Bebauungsplänen, wenn Fehler „reparabel“ erscheinen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
184
Beispiel 171 Keine Fehlersuche des Normenkontrollgerichtes:
Es genügt nicht die pauschale Behauptung, die Gemeinde habe sich mit
dem Eigentumsrecht des Antragstellers nicht hinreichend
auseinandergesetzt. Eine derartige Behauptung muss anhand der
Aktenlage, insbesondere des Bebauungsplanes selbst, der zugehörigen
Begründung, der einschlägigen Abwägungsprotokolle und einer
Darlegung der örtlichen Verhältnisse, konkretisiert werden. Das Gericht
muss insoweit nicht etwa von sich aus auf „Fehlersuche“ gehen.
 Begründung von Normenkontrollanträgen ist anspruchsvoll, das
Verfahren beim OVG ist langwierig!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
185
Beispiel 172 Ergänzendes Verfahren I:
Ein Bebauungsplan leidet unter Festsetzungs- und Abwägungsmängeln.
Solche Fehler können grundsätzlich nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben
werden, ohne das „Wesen“ des Planes zu verändern. Ob es einer
erneuten Abwägung und eines weiteren Satzungsbeschlusses bedarf,
hängt von dem Stadium ab, in dem der Fehler passiert ist.
 Nur bei irreparablen und substanziellen Fehlern erklärt das OVG
den Bebauungsplan für unwirksam!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
Beispiel 173 Ergänzendes Verfahren II:
Ein ergänzendes Verfahren kommt nach dem BVerwG auch in Frage,
wenn sich die Verstöße eines Bebauungsplans gegen
naturschutzrechtliche Verbotsregelungen nicht durch eine bloße
Ausnahme oder Befreiung, sondern nur durch eine Änderung oder
(Teil-)Aufhebung der Verordnung ausräumen lassen. Entsprechendes
soll bei einem Verstoß gegen das Zielanpassungsgebot des § 1
Abs. 4 BauGB gelten.
 Rechtsunsicherheit während laufender Normenkontroll- und
ergänzender Verfahren!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
186
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
Beispiel 174 Revision nur bei Verletzung von Bundesrecht:
Rechtsfragen des landesspezifischen Bauordnungs- oder
Naturschutzrechts sind einer Beantwortung durch das
Bundesverwaltungsgericht nicht zugänglich.
 Darlegung des Revisionsgrundes erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
187
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
188
Beispiel 175 Revision ist keine Tatsacheninstanz:
Das Bundesverwaltungsgericht stellt die vorinstanzlichen Ermittlungen
zur näheren Umgebung des in Rede stehenden Planungsvorhabens
nicht mehr in Frage.
 Revision scheitert vielfach schon aus formellen Gründen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.1
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne
Beispiel 176 Einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren:
Verkennt die Gemeinde das Gefahrenpotenzial aus dem
Zusammentreffen eines Messeparkplatzes mit 5200 Stellplätzen und
einer Erdgasröhrenspeicheranlage, ist dies ein offensichtlicher
Abwägungsfehler. Da die Überbauung der Anlage mit dem Parkplatz
wegen der damit verbundenen erheblichen Risiken für den Betreiber
nicht zumutbar ist, kann der Bebauungsplan bis zur Entscheidung im
Normenkontroll(hauptsache)verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO
einstweilen außer Kraft gesetzt werden.
 Außerkraftsetzung eines Bebauungsplanes im einstweiligen
Anordnungsverfahren ist äußerst selten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
189
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
190
Beispiel 177 Widerspruchsfrist für Nachbarn:
Ein Nachbar legt am 01.05.1995 Widerspruch gegen eine ihm nicht
förmlich zugestellte Baugenehmigung vom 20.12.1993 ein. Lässt sich im
nachhinein nicht klären, wann genau der Nachbar Kenntnis von der
Genehmigungserteilung und den Bauarbeiten erlangt hat, kann der
Widerspruch auch dann zulässig sein, wenn seit dem
Genehmigungsdatum mehr als ein Jahr vergangen ist.
 Rechtsunsicherheit lässt sich nur vermeiden, wenn dem
Nachbarn die Baugenehmigung förmlich zugestellt wird, dies ist
allerdings etwa innerstädtischen Bereichen kaum praktikabel!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
191
Beispiel 178 Verböserung im Widerspruchsverfahren:
Wer gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid mit Widerspruch
vorgeht, muss jedenfalls nach Maßgabe der §§ 123 ff. BauGB a.F. damit
rechnen, dass der Bescheid im Widerspruchsverfahren auch zu seinem
Nachteil abgeändert. Denn selbst nach Bestandskraft von
Erschließungsbeitragsbescheiden ist eine „Nacherhebung“ zunächst
nicht berechneter Beiträge regelmäßig zulässig.
 Rechtsbehelfsverfahren kann, je nach den Umständen, zum
„Eigentor“ werden!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
192
Beispiel 179 Sofortvollzugsanordnung:
Die Bauaufsicht schreitet zur Gefahrenabwehr gegen ein illegales
Vorhaben ein. Dann drohen der Allgemeinheit oftmals Schäden, die nur
durch ein sofortiges Handeln abgewendet werden können.
 Die Bauaufsichtsbehörde kann die sofortige Vollziehung
getroffener Verfügungen anordnen, zu den Einzelheiten siehe §§
80, 80a VwGO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
193
Beispiel 180 Entscheidung bei Anfechtungsklage:
Die Behörde hat dem Bauherrn die Nutzung eines Gebäudes im
Außenbereich als Wochenendhaus untersagt. Die Entscheidung kann
ermessensfehlerhaft sein, wenn die Behörde ähnliche Vorhaben in der
Umgebung explizit genehmigt hat oder faktisch duldet. Das
Verwaltungsgericht hebt die Verfügung wegen des Rechtsverstoßes auf
Widerspruch und Klage auf.
 Maßgeblicher Zeitpunkt ist Erlass der Verfügung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
194
Beispiel 181 Entscheidung bei Verpflichtungsklage :
Einen Genehmigungsanspruch hat der Bauherr bei Entscheidungen
nach den §§ 34 Abs. 1 und 2 sowie 35 Abs. 1 BauGB. Auf eine
Vorabgenehmigung nach § 33 Abs. 2 BauGB oder eine Befreiung nach
§ 31 BauGB besteht dagegen keinen Anspruch.
 Maßgeblicher Zeitpunkt ist letzte mündliche Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht, zu den Einzelheiten siehe § 113 VwGO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
195
Beispiel 182 Notwendige Beiladung:
Unterlässt das Gericht die nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendige (!)
Beiladung des Bauherrn, kann ein Verfahrensfehler vorliegen, der die
Wiederholung des Prozesses in erster Instanz gebietet. Wird der
Bauherr nicht rechtzeitig gehört, läuft er Gefahr, dass seine Belange in
dem 3-Personen-Verhältnis Behörde-Bauherr-Nachbar nicht
angemessen gewürdigt werden.
 Verwaltungsgerichtsverfahren gestalten sich aufgrund der
komplexen Rechtsbeziehungen häufig sehr schwierig,
Verfahrensdauer von ein bis zwei Jahren in erster Instanz sind
üblich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
196
Beispiel 183 Stichtag bei Nachbarklage:
Es wird eine Baugenehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich erteilt.
Auch wenn nach Erteilung der Genehmigung und
Rechtsbehelfseinlegung durch den Nachbarn etwa durch eine Änderung
von § 35 BauGB oder durch naturschutzrechtliche Beschränkungen die
Rechtslage zu Lasten des Bauherrn verschärft wird, hat der
Rechtsbehelf des Nachbarn keine Aussicht auf Erfolg.
 Bei Anfechtungsklagen kommt es auf den Zeitpunkt der
Genehmigungserteilung an!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
197
Beispiel 184 Nicht nachbarschützende Vorschriften:
Ein Nachbar kann sich nicht auf die Behauptung beschränken, für eine
Bauvorhaben sei die gesetzlich vorgeschriebene
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden. Die
Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung bezwecken nicht
den Schutz individueller Belange.
 Eine Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO ist durch
Auslegung der möglicherweise verletzten Vorschriften
festzustellen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
6.2
198
Rechtsschutz
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
Beispiel 185 Nachbarschutz im Bauplanungsrecht:
Nachbarschützende Festsetzungen eines Bebauungsplans können Abwehrrechte begründen. Typische nachbarschützende Festsetzungen sind insbesondere diejenigen zur Art der baulichen Nutzung („Anspruch auf Wahrung des
Gebietscharakters“), prinzipiell nicht dagegen Festsetzungen zum Maß der
baulichen Nutzung, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen. Im unbeplanten Innenbereich kommt nach § 34 Abs. 2 BauGB ebenfalls
ein Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters in Betracht; im übrigen kann
das Gebot der Rücksichtnahme als Bestandteil des „Einfügens“ Abwehrrechte
für Nachbarn entstehen lassen. Bei Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB kann die
Privilegierung ein Abwehrrecht dahin begründen, heranrückende Nutzungen zu
verhindern, die die weitere Ausnutzung der Privilegierung unmöglich machen
oder erheblich beeinträchtigen; das Gebot der Rücksichtnahme wird ansonsten
als ungeschriebener nachbarschützender öffentlicher Belang im Sinne von § 35
Abs. 3 BauGB verstanden.
 Umfangreiche Kasuistik in der Rechtsprechung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
199
Beispiel 186 Nachbarschutz im Bauordnungsrecht:
Da die Pflicht zur Einhaltung der Abstandflächen auch zur Wahrung der
Belange von Anwohnern dient, sind die bauordnungsrechtlichen
Vorschriften über Abstände nachbarschützend. Soweit der Bauherr
dagegen nach der Bauordnung verpflichtet ist, eine bestimmte Anzahl
notwendiger Stellplätze zu errichten und darüber hinaus die Möglichkeit
der Stellplatzablösung durch Zahlung eines Ausgleichsbetrags
eingeräumt ist, besteht diese Vorgabe ausschließlich im
Allgemeininteresse und ist nicht drittschützend.
 Umfangreiche Kasuistik in der Rechtsprechung!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
200
Beispiel 187 Nachbarschutz durch Verfassungsrecht:
Rügt der Nachbar eine Gesundheits- oder Eigentumsverletzung nach
den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG etwa im Hinblick auf
„Elektrosmog“, der von baulichen Anlagen ausgeht,, gehen die Gerichte
im allgemeinen von einem hinreichenden Schutz der entsprechenden
Rechtsgüter durch die maßgeblichen Bau- und Umweltgesetze aus.
Weist der Nachbar keine konkrete Beeinträchtigung nach, hat sein
Rechtsbehelf keine Aussicht auf Erfolg.
 Darlegungs- und Beweislast des Nachbarn!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
201
Beispiel 188 Grenzgarage II:
Der Nachbar wendet sich gegen eine ohne Baugenehmigung errichtete
überhöhte Grenzgarage. Wenn dadurch eine konkret geplante eigene
Bebauung des Nachbarn vereitelt wird, muss die Behörde gegen die
Grenzgarage einschreiten.
 Regelmäßig entscheidet die Behörde über bauaufsichtliche
Maßnahmen nach pflichtgemäßen Ermessen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
202
Beispiel 189 Gemeindeklage gegen Baugenehmigung:
Die Gemeinde kann rügen, durch eine Baugenehmigung in ihrem
Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG verletzt zu sein. Auch
§ 36 Abs. 1 BauGB begründet ein Abwehrrecht der Gemeinde dahin,
dass eine Baugenehmigung nicht ohne das erforderliche Einvernehmen
erteilt werden darf.
 Gemeinden sind als eigene Rechtssubjekte klagebefugt und
können Bauvorhaben unter Umständen verhindern!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
203
Beispiel 190 Voraussetzungen der Berufungszulassung:
Die bloße Möglichkeit einer abweichenden Würdigung der Rechtslage
durch das OVG nach einer erneuten Beweiserhebung begründet noch
keine die Zulassung der Berufung rechtfertigenden ernstlichen Zweifel
an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Es müssen vielmehr mit
dem Antrag auf Berufungszulassung konkrete Fehler des VG mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt und nachgewiesen werden.
 Detaillierte Begründung des Berufungszulassungsantrages
erforderlich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
204
Beispiel 191 Unzulässige Eilanträge
Wer die Widerspruchsfrist versäumt, kann – selbstverständlich – keine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung verlangen. Wer abwartet, bis
ein benachbartes Bauvorhaben beinahe fertig gestellt ist, kann sein
Abwehrrecht verwirkt haben. Wer keine Überschreitung der
maßgeblichen Immissionswerte konkret darlegt und nachweist, scheitert
mit seinem Eilantrag ebenfalls aus grundsätzlichen Erwägungen.
 Rechtsschutzbedürfnis erforderlich, Rechtsbehelfsführer
müssen zeitnah handeln!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
205
Beispiel 192 Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Der Bauherr geht gegen eine für sofort vollziehbar erklärte
Baueinstellungsverfügung im Wege der Versiegelung vor, die er für
fehlerhaft hält. Leidet die Verfügung unter einem evidenten Rechtsfehler,
ordnet das VG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
Bauherrn an.
 Siehe dazu die §§ 80, 80a VwGO!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
Beispiel 193 Vorfahrt für Investitionen:
Ficht der Nachbar eine Baugenehmigung an, bleibt der Eilantrag bei
offener Rechtslage im Zweifel ohne Erfolg. Mit § 212 a Abs. 1 BauGB
hat der Gesetzgeber signalisiert, dass das Baurecht des Bauherrn
Vorrang genießt, solange eine Fortsetzung der genehmigten
Maßnahmen nicht ausnahmsweise unvertretbar erscheint.
 Nachbar kann einen Baustopp im Ergebnis nur über das
Verwaltungsgericht aktiv erstreiten!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
206
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
Beispiel 194
207
Vorläufiger Rechtsschutz bei genehmigungsfreien
Vorhaben:
Der Bauherr realisiert einen genehmigungsfreien Dachausbau, der nach
Auffassung des Nachbarn Abstandsflächenvorschriften verletzt. Will der
Nachbar einen Baustopp erreichen, muss er eine einstweilige
Anordnung beantragen.
 Pflichtgemäßes Ermessen in Bezug auf bauaufsichtliche
Maßnahmen kann sich bei evidenter Beeinträchtigung des
Nachbarn „auf null“ mit der Folge einer Handlungspflicht
reduzieren!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
208
Beispiel 195 Interessenabwägung
Sollen mit einer einstweiligen Anordnung Baumaßnahmen verhindert
werden, ist zu prüfen, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn
einerseits ein Baustopp erfolgt und andererseits bis zur Entscheidung in
der Hauptsache weitergebaut werden darf.
 Verwaltungsgerichte stellen zumeist auf die Erfolgsaussichten
des Rechtsbehelfes in der Hauptsache und eine eventuell
drohende Schaffung vollendeter Tatsachen war sowie eine
(unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache ab!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
6.
Rechtsschutz
6.2
Genehmigungs- und sonstige Einzelfallentscheidungen
209
Beispiel 196 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die gesetzlichen Fristen für die Einreichung (2 Wochen) und
Begründung der Beschwerde (4 Wochen) sind nicht verlängerbar.
Werden sie versäumt, ist die Beschwerde unzulässig, es sei denn, es
kommt ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in
Betracht, weil das Fristversäumnis etwa auf einem Versehen beruhte
und daher unverschuldet war.
 Fristen sind im gesamten öffentlichen Baurecht zu notieren und
unbedingt zu wahren!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
Staatshaftung
7.1
Fehler bei der Bebauungsplanung
210
Beispiel 197 Überplanung Bergschadensgebiet
Überplant die Gemeinde ein Bergschadensgebiet, müssen die
Ratsmitglieder Sorge dafür tragen, dass das Gebot zur Wahrung
sicherer Wohn- und Arbeitsverhältnisse beachtet wird. Dazu gehören in
der Regel die Einholung und Auswertung entsprechender Gutachten
sowie die Festlegung von Gefahrenabwehr– und Vorsorgemaßnahmen.
 Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 GG und § 839 BGB sind
bei fehlerhaften Planungen möglich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
211
Staatshaftung
7.1
Fehler bei der Bebauungsplanung
Beispiel 198 Drittbezogene Amtspflicht:
Keinen Drittbezug haben nach zutreffender Auffassung etwa die
Verfahrensvorschriften der Bauleitplanung, weswegen eine Amtshaftung
bei Verstößen gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2
Satz 1 BauGB und die Vorschriften über das Inkrafttreten des
Bebauungsplans ausscheidet. Drittbezug kann jedoch nach der
Rechtsprechung das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB haben,
soweit bei der Abwägung nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB die
Verpflichtung zur Berücksichtigung gesunder Wohn- und
Arbeitsverhältnisse besteht. Ein haftungsbegründender Fehler kann
auch die unzureichende Beachtung des Schutzes vor
Überschwemmungswasser im Zuge einer Bauleitplanung sein.
 Analogie zur Antrags- und Klagebefugnis in Normenkontrollund Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
Staatshaftung
7.1
Fehler bei der Bebauungsplanung
212
Beispiel 199 Begrenzte Ersatzpflicht
Wann ein konkreter Schaden ersatzfähig ist, hängt von den Umständen
des Einzelfalles ab. Etwa in Altlastenfällen verlangt der BGH eine
unmittelbare Beziehung zu der durch den Planungsfehler entstandenen
Gesundheitsgefährdung.
 Anspruchsberechtigt können etwa Investoren sein, die
Investitionen im Vertrauen auf eine Wohnbebauung veranlasst
haben!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
Staatshaftung
7.2
Fehler im Baugenehmigungsverfahren
Beispiel 200 Amtshaftung bei rechtswidriger Baugenehmigung:
Die Behörde erteilt eine Baugenehmigung für ein Wohn- und
Geschäftshaus im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB. Auf
Nachbarwiderspruch und Klage wird die Baugenehmigung vom
Verwaltungsgericht als rechtswidrig beanstandet. Es kommt zu einem
Baustopp; das Vorhaben muss umgeplant werden, um den
schutzwürdigen Belangen des Nachbarn Rechnung zu tragen.
Rechtsfolge ist ein Amtshaftungsanspruch des Bauherrn, weil die
Behörde § 34 BauGB falsch angewendet hat.
 Tendenz von Genehmigungsbehörden zur Genehmigungsverweigerung bei Haftungsrisiken!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
213
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
Staatshaftung
7.2
Fehler im Baugenehmigungsverfahren
Beispiel 201
214
Haftungsausschluss wegen fehlenden
Vertrauenstatbestandes:
Hat der Bauherr eine Baugenehmigung durch falsche Angaben über
eine nachbarliche Zustimmung zu seinem Bauvorhaben erwirkt, ist sein
Vertrauen in die Baugenehmigung eventuell nicht schutzwürdig.
 Einzelfallbetrachtung notwendig!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
7.
7.2
215
Staatshaftung
Fehler im Baugenehmigungsverfahren
Beispiel 202
Enteignungsgleicher Eingriff bei rechtswidriger
Genehmigungsversagung:
Der Bundesgerichtshof hat sich vor kurzem mit der rechtswidrigen
Versagung einer Teilungsgenehmigung nach den §§ 19 und 20 BauGB a.F.
befasst. In der Entscheidung ging es um die rechtswidrige Versagung einer
solchen Genehmigung. Wird dadurch die Teilveräußerung eines
Grundstücks zu Bauzwecken verhindert oder verzögert, haften als
Gesamtschuldner nebeneinander die Bauaufsichtsbehörde und die
Gemeinde, die das erforderliche Einvernehmen rechtswidrig versagt hat.
Bei rechtswidriger Ablehnung eines Bauvorbescheides kann ebenfalls nach
den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs eine Staatshaftung auf
die Bodenrente bestehen; deren Bemessung richtet sich nach dem Betrag,
den ein Bauwilliger für die Erlaubnis zeitlicher baulicher Nutzung gezahlt
haben würde.
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
 Streitig, inwieweit neben der Amtshaftung Entschädigungsansprüche aus enteignendem und enteignungsgleichem
Eingriff bei „Sonderopfer“ in Betracht kommen!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
216
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
8.
Nachbarrecht
8.1
Nachbarschutz nach BGB
Beispiel 203
217
Abwehr von Immissionen:
Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache mit dieser nach
Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Es ist
allgemein anerkannt, dass deswegen neben dem öffentlich-rechtlichen
Nachbarschutz zivilrechtliche Abwehr- und Entschädigungsansprüche bei
Beeinträchtigungen des Grundeigentums geltend gemacht werden können.
 Unterlassungs- und Entschädigungsansprüchen nach den §§
1004 und 906 BGB, Vertiefungsverbot nach § 909 BGB,
Ansprüche bei Überbauten nach den §§ 912, 1004 und 823 BGB,
Notwegerecht nach § 917 BGB!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
Vorlesung Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ÖR B1
8.
Nachbarrecht
8.1
Nachbarschutz nach BGB
Beispiel 204
Hammerschlags- und Leiterrecht:
Der Bauherr will die auf der Grundstücksgrenze befindliche Brandwand
seines Büro- und Geschäftshauses sanieren. Nach den
Nachbarrechtsgesetzen der Länder hat der Bauherr das sogenannte
Hammerschlags- und Leiterrecht, er darf das Nachbargrundstück und die
darauf befindlichen baulichen Anlagen zum Zwecke von Bau- und
Instandsetzungsarbeiten vorübergehend betreten und benutzen.
 Durchsetzung des Hammerschlags- und Leiterrechtes über
einstweilige Verfügung vor dem Zivilgericht möglich!
Rechtsanwalt Dr. Christian Bönker
218