IK - Sozialpolitik in Österreich LVA-Leiterin: Dr. Christine

Download Report

Transcript IK - Sozialpolitik in Österreich LVA-Leiterin: Dr. Christine

Bedarfsorientierte Mindestsicherung
und Arbeitsmarktintegration
Linz, am 14.6.2010
Ass.Prof. Dr. Christine Stelzer-Orthofer
Johannes Kepler Universität Linz
06.04.2015
Arbeitsmarktaktivierung ist das bestimmende
Schlagwort der sozial- und
arbeitsmarktpolitischen Praxis in der
europäischen Union. Im Vordergrund stehen
Überlegungen zur (Re-)Integration von
SozialtransferbezieherInnen anstelle eines
passiven Leistungsbezugs. Fast in allen Ländern
dient der Bereich der Sozialhilfe als
Experimentierfeld für neue Wege der Aktivierung.
Begriffe: Aktivierung und aktivierender Staat
- Schlagwort und Leitbild „für ein neues Sozialmodell“
- stehen für eine neue Balance von Rechten und Pflichten
(„fordern und fördern“)
- signalisieren Veränderung, Erneuerung, Modernisierung
- streben eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von
arbeitsmarktfernen Gruppen an
 Frage und Wertkonflikt, unter welchen Bedingungen
(arbeitsfähige) Menschen Sozialtransfers beziehen dürfen
Leitbild: Aktivierender Staat
• Der aktivierende Staat wird oft „als Antwort auf die viel diskutierte
Frage nach dem ‚dritten Weg‘ zwischen neoliberalem Minimalstaat
und universellem Wohlfahrtsstaat“ (Dahme o.J.) verstanden.
• Ist Aktivierung eine Weiterentwicklung und Ergänzung eines auf
Geldleistung und Erwerbsarbeit beruhenden Wohlfahrtsstaats?
• Oder: Zielen Aktivierungskonzepte und
Arbeitsmarktintegrationskonzepte darauf ab, sozialstaatliche
Leistungen zu reduzieren und Menschen aus dem Bezug zu
drängen?
• Frage: Wohin führt dieser Weg? Nicht nur theoretische Frage,
sondern betrifft die Zukunft europäischer Wohlfahrtsstaaten.
Idealtypische (wohlfahrtsstaatliche)
Konzepte und Aktivierung
Neoliberaler Minimalstaat
Universeller Wohlfahrtsstaat
Diagnose zu
Arbeitslosigkeit
Produkt des Versagens
wohlfahrtsstaatlichen Handelns
und mangelnde individuelle
Motivation
Arbeitslosigkeit ist durch ökonomischen
Umbruch bedingt, strukturelle
Veränderungen, Bedingungen der
Erwerbsarbeit ….
Menschenbild
„homo oeconomicus“
„homo activus“
Konsequenzen
Mehr individuelle Eigeninitiative
und „weniger“ staatliche
Interventionen
Gesamtgesellschaftliche Verantwortung
und „mehr“ Staat
Ziel
Arbeitsanreize und -motivation
durch Druck und Sanktionen
erhöhen
Anbindung an Erwerbsarbeit und
soziale Sicherheit,
Sozial- und Arbeitsmarktintegration
Mittel
Betonung Pflicht, Zwang,
Sanktionen durch Entfall und
Kürzung von Leistungen
Betonung liegt mehr auf dem Recht als
auf Pflicht, Freiwilligkeit, Chancen
erhöhen (Empowerment, Training,
Qualifikation etc.)
Output
Aktivierung durch Workfare
„supressive“ Aktivierung
Aktivierung und Welfare
„emanzipatorische“ Aktivierung
Zwei Beispiele:
Aktivierung in der Sozialhilfe in der EU
Belgien
• seit 2002 „Droits à l‘integration sociale“ (DIS)
• Ziel: Armutsfallen vermeiden; soziale Aktivierung, gesellschaftliche Teilhabe,
soziale Integration und Chancen auf bezahlte Arbeit ermöglichen
• CPAS (kommunalen Sozialzentren)
• Integrativer Ansatz:Arbeitsmarktintegration, wenn notwendig: Case
Management, fallbezogene unterstützende Sozialarbeit, Barrieren abbauen
(z.B. Wohnprobleme)
• Verpflichtend für unter 25jährige binnen drei Monate ab Antrag
• Finanzierung: zumindest die Hälfte der Staat; Rest Regionen und
Kommunen
• Anteil der Personen: von 6% auf 15% binnen drei Jahre erhöht
Niederlande • seit 2004: „The New Work and Social Assistance Act“ (WWB)
• Ziel: weniger NeuklientInnen; Missbrauchvermeidung durch Prävention u.
Sanktion; Abgang erhöhen
• Zentraler Ansatz: Dezentralisierung, mehr Gestaltungsspielraum und
finanzielle Verantwortung u. Autonomie für Gemeinden
• Rückgang der KientInnen (weniger Zugänge, mehr Abgänge), strengere
Kontrollen, „Pflichten“ der KlientInnen werden in den Mittelpunkt gerückt
Schlussfolgerungen (1)
I Es existieren europaweit ganz unterschiedliche Voraussetzungen
und Regelungen zur Mindestsicherung europaweit.
I Ebenso deutliche Unterschiede in Österreich
I Mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung werden sich
vielerorts die Bedingungen der Inanspruchnahme eher
verheinheitlichen.
I Wirkungsanalysen hinsichtlich Perspektiven und Nachhaltigkeit der
(Sozial- und Arbeitsmarkt-)Integration notwendig sind.
Schlussfolgerungen (2)
I Begriff der Aktivierung kritisch zu hinterfragen und zu präzisieren
(„supressiver“ versus „emanzipatorischer“ Ansatz)
.
I Workfare-Modelle führen zu Stigmatisierung und Ausgrenzung.
Emanzipatorische Ansätze, sprich auf Freiwilligkeit basierend,
zielen auf soziale Integration.
I Demnach ist der aktivierende Staat kein dritter Weg zwischen
marktliberaler und universalistischer Konzeption, es kann nicht ein
„Mehr“ und ein „Weniger“ an staatlicher Aktivität gleichzeitig
verwirklicht werden.
I Sozialpolitische Strategien und Maßnahmen können nicht isoliert
von Welt- und Menschenbild betrachtet werden.