Prof.Dr.Dr.h.c Reinhard Wiesner Das Jugendamt

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Prof.Dr.Dr.h.c Reinhard Wiesner
Zur Verabschiedung von Wilfried Möhlmann:
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)
als
Kompass für sein berufliches Wirken
23. März 2012
Bürgerhaus Hemelingen
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
2
Die zahlreichen Anläufe diverser
Bundesregierungen
1974:
Nov.1974:
Referentenentwurf des BMJFG
BK Helmut Schmidt stoppt das Vorhaben
nach einem Gespräch mit den Ländern
1977
Neuer Referentenwurf
1978
Regierungsentwurf
1980
Der Bundesrat lehnt das Gesetz ab
1985
Untauglicher Versuch einer Reparatur des JWG statt
Reform
1988
Neuer Referentenwurf
1990
Verabschiedung des KJHG im Bundestag
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
3
Schwerpunkte des KJHG
• Perspektivenwechsel:
Jugendhilfe als Unterstützung und Stärkung der
elterlichen Erziehungsverantwortung
• Ausbau ambulanter Hilfen
• Kinder, Jugendliche und Eltern :
nicht mehr Objekte öffentlicher Fürsorge,
sondern
Subjekte mit Ansprüchen und Beteiligungsrechten
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
4
Die Reizthemen
• Elterliche Erziehung und staatliche
Einflussnahme
• Das Verhältnis zwischen öffentlicher und
freier Jugendhilfe
• Kommunale Selbstverwaltung und
staatliche Einflussnahme
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
5
Der Start des KJHG im wieder vereinigten
Deutschland
• Der Einigungsprozess überholt die
Verabschiedung des KJHG
• Das KJHG tritt in den neuen Ländern bereits mit
dem Einigungsvertrag am 3.10.1990 in Kraft
• Die Herausforderung im Osten: Neue Strukturen
aufbauen und zugleich das neue Recht
anwenden
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
6
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
7
Wesentliche Nachbesserungen
•
Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz
•
Die Neuordnung der Entgeltfinanzierung
•
Die Reform des Kindschaftsrechts
•
Das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG)
•
Das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK)
•
Das Kinderförderungsgesetz (KiFöG)
•
Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz)
•
Das Bundeskinderschutzgesetz
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
8
Fachpolitische Entwicklungen
• Lebensweltorientierung
• Dienstleistungsorientierung
• Sozialraumorientierung
• Wirkungsorientierung
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
9
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
10
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
• Die Ausbaudynamik im Bereich der
Kindertagesstätten
• Stagnation im stationären Bereich
• Ambulantisierung der Erziehungshilfen
• Jugend(sozial)arbeit und Familienbildung als
Dispositionsmasse
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
11
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in der Kinder- und Jugendhilfe
(Deutschland, 1974-2006)
461.644
471.468
419.216
353.918
264.156
100.000
222.674
200.000
300.292
300.000
1998
2002
504.008
400.000
102.334
183.051
500.000
111.484
West (inkl. Berlin)
130.077
Ost
600.000
104.110
700.000
0
1974
1982
1986
1990
1994
2006
Quelle: Statistisches Bundesamt: Einrichtungen und tätige Personen, versch. Jahrgänge; Berechnungen der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und
Jugendhilfestatistik
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
12
Abb. 1: Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendhilfe
in Deutschland in Mrd. Euro (1992 bis 2009)
30
30
26,9
24,6
25
22,8
20,2
20
15,0
15
16,4
16,8
2,1
2,0
17,0
1,9
17,5
1,9
17,5
1,9
17,7
18,1
18,5
2,0
2,0
2,0
20,6
20,7
20,9
20,9
2,2
2,1
2,0
2,2
19,2
2,2
2,6
25
2,3
2,3
20
2,1
15
2,1
24,3
22,3
20,5
10
12,9
14,4
14,7
15,1
15,6
15,6
15,7
16,0
16,4
17,1
18,0
18,4
18,5
18,8
10
18,8
5
5
0
0
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
Reine Ausgaben
1999
2000
Einnahmen
2001
2002
2003
Brutto-Ausgaben
Wiesner LJHA Bremen
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Ausgaben insgesamt
13
Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendhilfe nach
Aufgabenbereichen in Mio. Euro (Deutschland; 1992 bis 2009)
30.000
in Mio. Euro
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
1992
1993
1994
1995
Sonstige Ausgaben
852
619
649
1.139 1.211 1.032 1.099 1.150 1.095 1.147 1.209 1.217 1.210 1.278 1.271 1.307 1.454 1.538
Jugendhilfeverwaltung
592
642
704
727
1996
734
1997
697
1998
708
1999
718
2000
773
2001
768
2002
705
2003
721
2004
708
2005
668
2006
636
2007
594
2008
502
2009
399
Hilfen zur Erziehung/sonst. Hilfe 2.969 3.567 3.822 3.811 3.966 4.364 4.437 4.614 4.857 5.125 5.477 5.637 5.634 5.668 5.650 5.911 6.407 7.104
Tageseinrichtungen für Kinder
Allgemeine Förderung der
Erziehung in der Familie
Jugendsozialarbeit
Jugendarbeit
8.491 10.012 9.980 9.797 10.038 9.872 9.892 9.957 10.036 10.428 10.951 11.291 11.431 11.542 11.639 13.086 14.228 15.884
70
59
67
60
65
65
65
69
72
74
122
89
77
80
85
114
119
32
193
187
170
184
249
218
211
213
219
238
253
271
261
252
242
329
339
389
1.117 1.207 1.239 1.302 1.254 1.263 1.297 1.357 1.411 1.432 1.459 1.387 1.350 1.378 1.401 1.451 1.544 1.560
Wiesner LJHA Bremen
14
Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die Kinder- und Jugendhilfe im Jahre 2009 nach
Aufgabengebieten in Prozent (Deutschland)
Jugendarbeit
5,8%
Sonstige Ausgaben
5,7%
Jugendhilfeverwaltung
1,5%
Jugendsozialarbeit
1,4%
Hilfen zur
Erziehung/sonst. Hilfe
26,4%
Allgemeine Förderung
der
Erziehung in der
Familie
0,1%
Tageseinrichtungen
für Kinder
59,0%
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, Wiesbaden, 2009; Berechnungen der Dortmunder
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
Wiesner LJHA Bremen
15
Darunter
Ausgaben insgesamt
Veränderung zum Vorjahr Ausgaben für
Kindertagesbetreuung
Veränderung
zum Vorjahr
Hilfe zur
Erziehung 1
Veränderung
zum Vorjahr
2010
%
2010
%
2010
%
Baden-Württemberg
3 362
5,6
2 132
10,1
794
5,0
Bayern
3 834
10,1
2 553
13,5
855
5,7
Berlin
1 660
7,8
1 002
9,0
439
5,5
Brandenburg
1 009
5,2
688
7,0
228
2,2
Bremen
315
14,5
145
8,2
139
23,0
Hamburg
795
6,1
486
6,1
227
8,1
Hessen
2 451
5,3
1 494
5,6
663
4,9
Mecklenburg-Vorpommern
532
2,7
323
3,9
141
2,9
Niedersachsen
2 595
12,8
1 499
17,8
772
6,8
Nordrhein-Westfalen
6 414
6,7
3 674
8,8
2 029
7,1
Rheinland-Pfalz
1 473
12,4
939
16,5
387
6,3
Saarland
390
13,4
211
22,7
126
2,4
Sachsen
1 588
4,1
1 199
4,7
220
6,8
Sachsen-Anhalt
773
2,2
539
1,9
155
9,2
Schleswig-Holstein
770
2,5
444
9,4
221
– 7,9
Thüringen
698
9,1
493
12,3
114
2,7
Deutschland 2 3
28 893
7,4
17 836
9,9
7 512
5,7
Land
Wiesner LJHA Bremen
16
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
17
Die Funktion der Kinder- und
Jugendhilfe
Förderung der Entwicklung junger
Menschen
Private Verantwortung versus staatliche (Mit)Verantwortung
Eltern als Interpreten des Kindeswohls
Der Staat als „Grenzwächter“ (Unvertretbarkeitskontrolle)
Kindeswohl als „negativer Standard“
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
18
Die Versuchung des „positiven
Standards“
• „Werden die Interessen des Kindes in aller Regel am
besten von den Eltern wahrgenommen“ (BVerfG)
oder versagen moderne Familien als
Sozialisationsinstanz zunehmend?
• Haben Kinder ein „Recht auf bestmögliche
Förderung?“
• Der Staat als Garant - Die Eltern als Risiko?
• Vorverlagerung der Schwelle für die staatliche
Intervention in das elterliche Handeln
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
19
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
• Das Aufgabenverständnis
– Einheit der Jugendhilfe ?
– Tagesbetreuung als integraler Bestandteil
• Die Anbieterlandschaft
– Vom Neokorporatismus zum Markt
– Regeln für den „Marktzugang“
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
20
Die Kinder- und Jugendhilfe und
die Trägerlandschaft
• Die Koexistenz öffentlicher und freier Träger als
historische Mitgift
• Das Pluralitätsgebot
– als Ausdruck der Neutralität des Staates in Fragen der
Erziehung außerhalb der Schule
– als Voraussetzung für die Ausübung des Wunsch- und
Wahlrechts
– Pendant zur Dienstleistungsfreiheit der Leistungserbringer
• Tendenzen zur Vergabe von Leistungen
und von Versorgungsaufträgen
Die Zusammenarbeit
• ändert nichts am unterschiedlichen Status
• macht freie Träger nicht zu
Erfüllungsgehilfen des öffentlichen Trägers
• entlastet den öffentlichen Träger nicht von
seinen gesetzlichen Aufgaben
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
• Strukturqualität
– Personalbemessung in den sozialen Diensten
– Personalschlüssel bei den Leistungsanbietern
• Prozessqualität
– Steuerungsverantwortung des Jugendamtes
– Hilfeplanverfahren
• Ergebnisqualität
– Wirkungsorientierung
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
23
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
24
Der Hintergrund
• Medial aufbereitete Einzelfälle von
Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung
• Landesgesetzliche Regelungen über ein verbindliches
Einladungswesen zur Teilnahme an
Gesundheitsuntersuchungen
• Modellprojekte zu den Frühen Hilfen
• Die Aufarbeitung der Heimerziehung in den 50er und
60er Jahren
• Die Aufdeckung sexualisierter Gewalt in Einrichtungen
Wiesner 22Jahre KJHG Bremen
25
Struktur des Gesetzes
Das Bundeskinderschutzgesetz als „Artikelgesetz“
Bezeichnung: Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von
Kindern und
Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG)
Art. 1: Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)
Art. 2: Änderungen im SGB VIII
Art. 3: Änderungen anderer Gesetze
Art. 4: Evaluation
Art. 5: Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Art. 6: Inkrafttreten
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
26
KKG: Inhaltsübersicht
§1
Kinderschutz und staatliche Mitverantwortung
§2
Information der Eltern über Unterstützungsangebote
in Fragen der Kindesentwicklung
§3
Rahmenbedingungen für verbindliche
Netzwerkstrukturen im Kinderschutz
§4
Beratung und Übermittlung von Informationen bei
Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
27
§ 1 KKG: Kinderschutz und staatliche
Mitverantwortung
Abs.1
Kinderschutz als Ziel des KKG
Abs.2
Wiederholung von Art.6 Abs.2 GG
Abs.3
Wächteramt als Gefahrenvorsorge
und Gefahrenabwehr
Abs.4
Frühe Hilfen als präventive Aktionsform
des staatl. Wächteramts zur
Förderung und zum Schutz kleiner Kinder
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
28
§ 2 KKG: Information der Eltern über Unterstützungsangebote
in Fragen der Kindesentwicklung
(1) Eltern sowie werdende Mütter und Väter sollen über Leistungsangebote im
örtlichen Einzugsbereich zur Beratung und Hilfe in Fragen der
Schwangerschaft, Geburt und der Entwicklung des Kindes in den ersten
Lebensjahren informiert werden.
(2) Zu diesem Zweck sind die nach Landesrecht für die Information der Eltern
nach Absatz 1 zuständigen Stellen befugt, den Eltern ein persönliches
Gespräch anzubieten. Dieses kann auf Wunsch der Eltern in ihrer
Wohnung stattfinden. Sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft,
bezieht sich die in Satz 1 geregelte Befugnis auf die örtlichen Träger der
Jugendhilfe.
Wiesner 20 Jahre KJHG_AGJF
Sachsen
29
§ 3 KKG: Netzwerke Kinderschutz
Abs.1
Verpflichtung aller Länder zum Aufbau und zur
Weiterentwicklung von Netzwerken mit folgenden Aufgaben
• Gegenseitige Information der Leistungsträger über das jeweilige Angebotsund Aufgabenspektrum
• Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung und –entwicklung
• Abstimmung von Verfahren im Kinderschutz
Abs.2
Einbeziehung aller Institutionen, die mit Kindern und
Jugendlichen bzw. Eltern in Kontakt stehen
Abs.3
Anbindung an die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe
Abs.4 Finanzierung früher Hilfen durch den Bund
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
30
Finanzierung früher Hilfen
(§ 3 Abs.4 KKG)
• Die Finanzierung Früher Hilfen (Netzwerke
Früher Hilfen und Einsatz von
Familienhebammen) als politischer Knackpunkt
• Die mangelnde Bereitschaft des
Gesundheitssystems (gesetzliche
Krankenversicherung) zur (Mit)Finanzierung
• Das Zweistufenmodell als Lösung des
Konflikts zwischen Bundesregierung und
Bundesrat im Vermittlungsausschuss
Die zwei Stufen der Finanzierung
(§ 3 Absatz 4 KKG)
Stufe 1: 2012-2015
Modellprojekt des Bundes
zum Aus- und Aufbau
der Netzwerke Frühe Hilfen und
des Einsatzes von Familienhebammen,
auch
unter Einbeziehung ehrenamtlicher Strukturen
2012: 30 Mio Euro
2013: 45 Mio Euro
2014 und 2015: je 51 Mio Euro
Stufe 2: ab 2016
Fonds des Bundes
zur Sicherstellung
der Netzwerke Frühe Hilfen und
der psychosozialen Unterstützung
von Familien
jährlich 51 Mio Euro
Umsetzung
• Ausgestaltung der Bundesinitiative und des Fonds
in Verwaltungsvereinbarungen
– zwischen BMFSFJ und den Ländern
– im Einvernehmen mit dem BMF
• Gestaltungsspielräume für die Länder bei der
Umsetzung
• Keine unmittelbare Finanzierung der kommunalen
Gebietskörperschaften durch den Bund
Zentrale Änderungen im SGB VIII
§8
Rechtsanspruch für Kinder und Jugendliche auf Beratung
§ 8a
Konkretisierung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung
§ 8b
Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und
Jugendlichen
§ 16
Stärkere Fokussierung auf frühe Hilfen
§ 45
Neugestaltung des Erlaubnisvorbehalts für den Betrieb von
Einrichtungen
§ 47
Erweiterung der Meldepflichten
§ 79 a
Gesetzlicher Auftrag zur Qualitätsentwicklung in der Kinder- und
Jugendhilfe
Wiesner KinderschutzG
34
Konkretisierung der Regelungen zur allgemeinen Förderung der
Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII)
► Einfügung eines neuen Absatz 3:
• Ausdrückliche Erweiterung des Adressatenkreises auf werdende
Eltern
• Konkretisierung des Leistungsinhalts im Hinblick auf die
Bedarfslagen von (werdenden) Eltern, die in der Zeit der
Schwangerschaft und in den ersten Jahren nach der Geburt über
die materielle Unterstützung hinaus bedeutsam sein können:
„(3) Müttern und Vätern sowie schwangeren Frauen und werdenden
Vätern sollen Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und
des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen
angeboten werden.“
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
35
Recht des Kindes oder Jugendlichen auf
Beratung (§ 8 Abs.3 SGB VIII)
► Bisher:
Kinder und Jugendliche können ohne Kenntnis
des Personensorgeberechtigten beraten
werden, wenn
– die Beratung aufgrund einer Not- und Konfliktlage
erforderlich ist und
– solange durch die Mitteilung an den
Personensorgeberechtigten der Beratungszweck
vereitelt würde
► Jetzt:
Rechtsanspruch des Kindes oder Jugendlichen
(unter den bisherigen Voraussetzungen)
Änderungen in § 8a SGB VIII
•
Systematische Trennung
–
–
des Schutzauftrags des Jugendamtes (Abs.1 bis 3)
vom Schutzauftrag der freien Träger (Abs.4)
•
Fachliches Profil der insoweit erfahrenen Fachkraft als Gegenstand
der Vereinbarung mit dem freien Träger
•
Verpflichtung des Jugendamtes zum Hausbesuch bei Erforderlichkeit
nach fachlicher Einschätzung im Einzelfall (Abs.1 Satz 2)
•
Verpflichtung jedes Jugendamts
– zur Übermittlung bekannt gewordener Anhaltspunkte für eine
Kindeswohlgefährdung
– an das örtl. Zuständige Jugendamt zur Wahrnehmung des Schutzauftrags
(Abs.5)
§ 8b Abs.1 neu
Fachliche Beratung und Begleitung
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
► Abs.1: Einzelfallberatung
Anspruch kinder- und jugendnaher Berufsgruppen außerhalb der Kinderund Jugendhilfe
auf Beratung bei der Gefährdungseinschätzung
(„Verlängerung“ von § 8a Abs.2 alt/ 4 neu)
„Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder
Jugendlichen stehen, haben bei der Einschätzung einer
Kindeswohlgefährdung im Einzelfall gegenüber dem örtlichen Träger der
Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene
Fachkraft. „
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
38
§ 8b Abs.2 neu
Fachliche Beratung und Begleitung
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
►
Beratung der Träger von Einrichtungen bei der Entwicklung und Anwendung
von Kinderschutzstandards
(2)
Träger von Einrichtungen, in denen sich Kinder oder Jugendliche ganztägig oder
für einen Teil des Tages aufhalten oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die
zuständigen Leistungsträger, haben gegenüber dem überörtlichen Träger der
Jugendhilfe Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung
fachlicher Handlungsleitlinien
•
1. zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt sowie
•
2. zu Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an strukturellen
Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerdeverfahren in persönlichen
Angelegenheiten.
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
39
Erweiterung der Voraussetzungen für die
Erteilung der Betriebserlaubnis (§ 45)
(2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in
der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn
1. die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden
räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen
für den Betrieb erfüllt und
2. die gesellschaftliche und sprachliche Integration in der Einrichtung
unterstützt wird sowie die gesundheitliche Vorsorge und die medizinische
Betreuung der Kinder und Jugendlichen nicht erschwert werden sowie
3. zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung
geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde
in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
40
Erweiterung der Anzeigepflicht für die Träger
von Einrichtungen (§ 47 Satz 1)
Der Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung hat der
zuständigen Behörde unverzüglich
1.
die Betriebsaufnahme unter Angabe von Name und Anschrift des Trägers,
Art und Standort der Einrichtung,
der Zahl der verfügbaren Plätze sowie der Namen und der beruflichen
Ausbildung des Leiters und der Betreuungskräfte,
2.
Ereignisse oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder
und Jugendlichen zu beeinträchtigen,
sowie
3.
die bevorstehende Schließung der Einrichtung
anzuzeigen.
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
41
Gesetzlicher Auftrag zur Qualitätsentwicklung
in der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 79, 79a, 74)
•
§ 79 Abs.2 Satz 1 Nr.2 neu
Qualitätsentwicklung als Teil der Gewährleistungspflicht des öffentlichen
Trägers
•
§ 79 a
Verpflichtung des öffentlichen Trägers zur Weiterentwicklung, Anwendung
und Überprüfung von Grundsätzen und Maßstäben für die Bewertung der
Qualität sowie geeigneten Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung für
–
–
–
–
•
die Gewährung und Erbringung von Leistungen
die Erfüllung anderer Aufgaben
den Prozess der Gefährdungseinschätzung nach § 8a
die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen
§ 74 Abs.1 Satz 1 Nr.1
Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung i.S. des § 79a als
Voraussetzung für die finanzielle Förderung
Wiesner KinderschutzG
42
Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
43
Das Jugendamt und die Debatte um die große
Lösung für junge Menschen mit Behinderung
• Die aktuelle Debatte auf der Grundlage
– des 13. Kinder- und Jugendberichts und
– der Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderung
• Konsequenzen für
– die Ausstattung des Jugendamtes
– die fachliche Qualifikation des Personals
• Abschied vom sozialpädagogischen Leitbild des
Jugendamtes?
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
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Der inklusive Ansatz:
Kinder- und Jugendhilfe neu denken ?
„Während Integration auf
► die (Wieder)eingliederung behinderter Menschen in bestehende
gesellschaftliche Strukturen zielt,
weist das Konzept der Inklusion
► auf die Umgestaltung der sozialen Umwelt als Voraussetzung für die
gemeinsame Nutzung und gesellschaftliche Teilhabe durch heterogene
Gruppen von Kindern und Jugendlichen hin“
(Dannenbeck, vom Integrations- zum Inklusionsparadigma, Gemeinsam leben 2008, 195
ff.)
► Alle Leistungssysteme müssen sich so verändern, dass sie eine individuelle
Förderung aller Personen ermöglichen
► Abschaffung von Parallelstrukturen und Sondereinrichtungen
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
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Schritte zur Umsetzung der Großen
Lösung
►Problem: Zuständigkeitsverlagerung von (überörtlichen ) Trägern der
Sozialhilfe auf örtliche Träger der Jugendhilfe
►Aufgaben:
• Ermittlung der erforderlichen Umverteilungsvolumens
– Kosten der Leistungen
– Kosten des Verwaltungspersonals
•
Entwicklung von Strategien zur Verlagerung der Personalressourcen
•
Entwicklung von Qualifizierungskonzepten für die Jugendhilfe
•
Gesetzliche Änderungen
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
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Übersicht
I.
22 Jahre KJHG (SGB VIII)
1.
2.
3.
4.
Das SGB VIII: Ergebnis einer Jahrzehnte langen Reformdebatte
Wesentliche Nachbesserungen
Kinder- und Jugendhilfe und die Föderalismusreform
Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben
II.
Alte und neue strukturelle Fragen
1.
2.
3.
Die Funktion der Kinder- und Jugendhilfe
Die Identität der Kinder- und Jugendhilfe
Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe
III.
Kinder- Jugendhilfe in der aktuellen Legislaturperiode
1.
2.
3.
4.
Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes
Das neue Bundeskinderschutzgesetz
Kommt die große Lösung?
Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe?
Wiesner 22 Jahre KJHG
Bremen
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Die Kinder- und Jugendhilfe im
Focus des Kinderschutzes (1)
• Die mediale Aufrüstung und die (nicht erfüllbaren) Erwartungen an
das Jugendamt
• Kinderschutz als technologisch plan- und beherrschbarer Vorgang?
• Zwischen Begrüßungspaket und Krisenintervention (die Ambivalenz
„aufsuchender Hilfen“)
• Der (niederschwellige) Zugang
– des Staates zur Familie und/oder
– der Familie zum Staat
• Potentiale und Grenzen der Prävention
• Vernetzung - oder Kolonialisierung der Lebenswelten?
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
48
Die Kinder- und Jugendhilfe im
Focus des Kinderschutzes (2)
• Konzentration auf die (frühe) Kindheit:
– Jugendliche: ein Fall für die Justiz?
– Junge Volljährige: § 41 SGB VIII – ein Papiertiger?
– Die Jugendsozialarbeit: ein Erinnerungsposten ?
• Jugendhilfe auf dem Rückweg in die Polizei- und
Ordnungsverwaltung?
• Das Jugendamt auf der Suche nach einem
neuen Image
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
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Kinder- und Jugendhilfe und die
steigenden Kosten der HzE
Wer ist „schuld“
• die Leistungsberechtigten, die von ihrem
gesetzlichen Recht Gebrauch machen
• die freien Träger, die Bedarfe fingieren
und sich selbst bedienen
• die öffentlichen Träger, die die
Verantwortung outsourcen
Das SGB VIII muss zukunftsfest
gemacht werden !
Die Errungenschaften des SGB VIII sind durch den Rückfall in ein
neues Kontrollparadigma gefährdet
Ausgangspunkt für staatliches Handeln müssen die Lebenslagen
von Kindern und Jugendlichen sein
Der Zugang zum Leistungsspektrum muss verbessert werden
(Einführung von Beschwerdemanagement und Ombudsstellen)
Kinder- und Jugendhilfe darf nicht auf Tagesbetreuung von
Kindern und (kontrollierenden) Kinderschutz verkürzt werden
Die Steuerungsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers müssen
verbessert werden
Wiesner 22 Jahre KJHG Bremen
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Herzlichen Dank
an
Wilfried Möhlmann
für sein langjähriges Engagement
in der Kinder- und Jugendhilfe
und
die besten Wünsche
für die neue Zeit