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STRAFRECHT I
Workshop zur Vorlesung von Professor Dr. Urs Kindhäuser
SACHVERHALT 1
§ 11 FALL 6 B

X stößt den Y zur Seite, so dass nicht
dessen Kopf, sondern nur die Schulter
von einem herabstürzenden Ziegel
getroffen wird. X hätte jedoch den Y
noch kräftiger zur Seite stoßen können,
so dass dieser überhaupt nicht getroffen
worden wäre. X wollte jedoch, dass der
ihm unsympathische Y einen Dämpfer
erhält.
Strafbarkeit des X?
LÖSUNG SV 1

(P) Objektive Zurechenbarkeit:
Risikoverringerung ? Str:
• Risikoverringerungslehre: (+), keine
Strafbarkeit
• Kindhäuser: mutmaßliche Einwilligung
(Vergleich mit „untätig bleiben“)

323 c
SACHVERHALT 2
§ 11 FALL 18

Der von E verwundete O wird zur
Behandlung in ein Krankenhaus
eingeliefert. Ohne die gebotene
Untersuchung wird dem O von
Unfallarzt A ein Medikament injiziert,
das eine allergische Reaktion mit
tödlichem Ausgang auslöst.
Strafbarkeit des E?
LÖSUNG SV 2

(P) Objektive Zurechenbarkeit, Str:
• EA (-), da neues Risiko (allergische
Reaktion)
• AA (+) / (-) , je nach Vorhersehbarkeit;
• Hier: lt. Kindhäuser nicht vorhersehbar,
da grob fahrlässiges Verhalten des A
SACHVERHALT 3
§ 11 FALL 21

A setzt das Haus des B in Brand. Um
das vom Erstickungstod bedrohte
Kind des B zu retten, dringt Nachbar
N in das brennende Haus ein. Er wird
hierbei von einem herabfallenden
Balken getroffen und erleidet einen
Schlüsselbeinbruch.
Strafbarkeit des A nach § 229?
LÖSUNG SV 3

§ 229 ?
• Erfolg / Handlung / Kausalität (+)
• Objektive Pflichtwidrigkeit (+)
• Objektive Vorhersehbarkeit (+)
• (P) Objektive Zurechenbarkeit? Str.:
 EA: rettungsbedingte Erfolge stets
zurechenbar
 AA: nur bei vernünftiger Selbstgefährdung;
ausschlaggebend ist die Zumutbarkeitsgrenze
von § 323 c StGB
SACHVERHALT 4
§ 12 FALL 2

Mutter M willigt täuschungsbedingt
in eine Organspende für ihr Kind ein;
das Organ wird jedoch von Arzt A,
wie von vornherein geplant, einem
Dritten implantiert.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 4

(P 1) Wo ist das Problem zu verorten?
• MM / Kindhäuser: Einwilligung gehört in
den objektiven Tatbestand als
Ausschlusskriterium
• HM: Einwilligung ist Rechtfertigungsgrund

(P 2) Wirksamkeit der Einwilligung? Str.:
Rechtsgutbezogen oder auch Motiv
entscheidend?
SACHVERHALT 5
§ 12 FALL 7

M übt sich als Messerwerfer. Der
19jährige I erklärt sich bereit, sich vor
eine Holzwand zu stellen und sich
bewerfen zu lassen. Er ist sich der
Gefahr, ggf. sogar tödlich getroffen zu
werden, bewusst.
Strafbarkeit des M?
LÖSUNG SV 5
(P) Einwilligung in Fremdverletzung
(einverständliche Fremdgefährdung)
 (Abgrenzung zu Einwilligung und
Handeln auf eigene Gefahr)

• Kriterien der §§ 216, 228 StGB
(Einwilligungssperren führen zur
Unwirksamkeit)
• Parallele zur Selbstgefährdung
• Kriterium der Sittenwidrigkeit
SACHVERHALT 6
§ 14 FÄLLE 7A, 7B, 7C

A schießt auf den Reiter R, wobei er
gleichermaßen für möglich hält, dass
er den R (§ 212) oder nur das Pferd
(§ 303) trifft. Der Schuss trifft
A): den R tödlich
B): das Pferd tödlich
C): weder R noch das Pferd.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 6

A: (P) Dolus alternativus; Str:
• EA: nur das objektiv verwirklichte
Delikt, hier 212;
• AA: nur Vorsatz des schwereren Delikts

B: Str.:
• EA: 212, 22, 303, 52
• AA: Nur § 212, 22

C:
• Nur Versuch des schwereren Delikts
SACHVERHALT 7
§ 14 FALL 10

C glaubt irrig, den D bereits erwürgt
zu haben. Zur Verwischung der
Tatspuren wirft er die vermeintliche
Leiche in eine Jauchegrube; erst jetzt
stirbt D durch Ertrinken.
Strafbarkeit des C?
LÖSUNG SV 7

(P) Vorsatz: dolus generalis? Irrtum über
den vorgestellten Kausalverlauf? Str:
• eA: dolus generalis, daher 212 I (+) (Kritik:
Unzulässige Fiktion zu Lasten des Täters)
• AA: zwei selbständige Handlungen, daher
§ 212, 22, 222, 53 (Kritik: einheitlicher
Lebensvorgang wird künstlich auseinander
gerissen)
• BGH: (BGHSt 14, 193) Lösung nach den
Regeln „Irrtum über den Kausalverlauf“;
hier: unwesentliche Abweichung, daher:
212 I (+)
SACHVERHALT 8
§ 16 FALL 7

Haustyrann H pflegt, wenn er in
stärkerem Maße Alkohol genossen
hat, seine minderjährigen Kinder zu
verprügeln. Als H eines Abends zur
Flasche greift, schlägt ihn seine
Ehefrau E vorsorglich mit dem
Besenstiel bewusstlos.
Handelt E gerechtfertigt?
LÖSUNG SV 8

(P1) Dauergefahr:
• § 32 StGB? HM: (-)
• § 34 StGB: (+)

(P2) Interessenabwägung
SACHVERHALT 9
§ 16 FALL 14

In einem Wirtshaus ärgert Y den Z, der
bereits zuvor durch aggressives
Verhalten aufgefallen war, durch eine
(abgeschlossene) schwere Beleidigung so
sehr, dass dieser nach einem Bierglas
greift, um damit zuzuschlagen. Y kann
den Angriff nur dadurch abwehren, dass
er dem Z mit einem mitgeführten
Messer in den Oberarm sticht.
Strafbarkeit des Y?
LÖSUNG SV 9


(P) Einschränkung des Notwehrrechts,
(Gebotenheit): Notwehrprovokation
Unterschied: Absichtliche und fahrlässige
Notwehrprovokation
• Absichtsprovokation: Notwehrrecht (-) oder
eingeschränkt
• Fahrlässige Provokation: Keine Einschränkung oder
gestuftes Notwehrrecht
• Verteidigung analog § 228 BGB
(Güterproportionalität)
• Anlehnung an actio illicita in causa:
Vorsatzprovokation führt zu Vorsatztat, fahrlässige
Provokation zu Fahrlässigkeitstat
SACHVERHALT 10
§ 20 FALL 1

A bemerkt, wie sich der Unbekannte U des Nachts auf
einsamer Straße an einem Pkw, dessen Scheibe der
Beifahrertür eingeschlagen ist, zu schaffen macht. Als
sich A nähert, flieht U. Nach kurzer Verfolgung
erreicht A jedoch U und hält ihn bis zum Eintreffen der
Polizei, fest. In seinem vergeblichen Bemühen, sich zu
befreien, schlägt U dem A heftig ins Gesicht. Bei U
handelt es sich um einen Ausländer, der die Fragen
des A nach dem Vorfall mangels hinreichender
Sprachkenntnisse nicht beantworten konnte und
selbst mit der Tat nichts zu tun hat, sondern aus Angst
geflohen war, weil er den A für den Täter hielt.
Handelt A gerechtfertigt?
Handelt U gerechtfertigt?
LÖSUNG SV 10

(P1) Auslegung „auf frischer Tat“ Str:
• MM: Verdacht genügt
• HM: Frische Tat muss tatsächlich vorliegen

(P2) Einschränkung des Notwehrrechts
bei Erkennbarkeit des Irrtums: Str:
• EA: Normales Notwehrrecht
• AA: Bei Erkennbarkeit (wie bei
Fahrlässigkeit) abgestuftes Notwehrrecht
SACHVERHALT 11
§ 23 FALL 1

A beabsichtigt, B zu erschießen. Um
sich Mut anzutrinken, genießt er
vorher in solchem Umfang Alkohol,
dass er zum Zeitpunkt der Abgabe
des tödlichen Schusses i.S.v. § 20
schuldunfähig ist.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 11


(P) Fehlende Schuldfähigkeit,
Actio libera in causa: Str.
Ausnahmemodell (bei doppeltem Vorsatz)
arg: historische Auslegung
Kritik: Verstoß gegen das Koinzidenzprinzip
+ Verstoß gegen Art. 103 II GG
Mittelbare Täterschaft? (-), vgl. Wortlaut 25 I
Alt.2 („ein anderer“)
Tatbestandsmodell (Handlung: „Sichbetrinken“)
§ 323a StGB
SACHVERHALT 12
§ 24 FALL 3

A kann seine Ehefrau E nur dadurch
aus einem brennenden Haus
befreien, dass er den unbeteiligten B
verletzt; E hatte den Brand selbst
gelegt.
Strafbarkeit des A gem. § 223 I StGB
zu Lasten des B?
LÖSUNG SV 12


§ 32 StGB scheitert daran, dass von B kein
Angriff ausgeht. § 34 StGB scheitert an der
Angemessenheit (Interessenabwägung):
Derjenige, der für eine Gefahr zuständig ist,
kann nur in geringem Maß die Solidarität
Unbeteiligter beanspruchen.
(P) § 35 S.2? Str:
• MM: 35 (-), A handelt schuldhaft
• HM: Für die Frage, ob es A zumutbar ist, den
Tod der E hinzunehmen, kann es keine Rolle
spielen, ob diese den Brand gelegt hat oder
nicht, daher 35 (+)
SACHVERHALT 13
§ 25 FALL 4

E stürzt sich auf F, um ihn zu
verprügeln, ergreift jedoch die Flucht,
als F eine Pistole zieht. In panischer
Angst, aber auch aus Wut über den
Angriff schießt F jedoch E hinterher
und verletzt ihn schwer.
Strafbarkeit des F?
Es ist zu unterstellen, dass der
Tatbestand des § 226 StGB erfüllt ist.
LÖSUNG SV 13
(P1) § 32 (-) wegen fehlender Ggw.
 (P2) § 33? Str.: Nachzeitig extensiver
Notwehrexzess
 (P3) „Auch“-asthenischer Effekt
genügt, sofern er zumindest
mitbestimmend ist

SACHVERHALT 14
§ 25 FALL 6

Die mit einer Pistole bewaffnete J
missversteht das Verhalten des
harmlosen Spaziergängers S und
glaubt irrig, dieser wolle sie
vergewaltigen. In panischer Angst
schießt sie dem S in den Kopf statt in
Arme oder Beine.
Strafbarkeit der J?
LÖSUNG SV 14

(P) Putativnotwehrexzess, Str.:
• MM § 33 analog bei Unvermeidbarkeit
• HM Nein: § 33 knüpft an § 32 an und
verlangt objektiv gegebene
Notwehrlage
• AA: § 35 II analog
SACHVERHALT 15
§ 27 FALL 14

R zielt in Tötungsabsicht mit einem
Gewehr auf Z; die Kugel trifft jedoch,
weil R leicht zitterte, wider Erwarten
den in der Nähe des Z stehenden U
tödlich.
Strafbarkeit des R?
LÖSUNG SV 15
(P) aberratio ictus,
 Str. bei Fällen, in den das
Verletzungsobjekt derselben
tatbestandlichen Gattung angehört
wie das Angriffsobjekt:

• HM wesentlicher Tatbestandsirrtum (im
subj. TB zu prüfen), § 16 I S.1: 212 plus
222
• MM unbeachtlicher error in persona
SACHVERHALT 16
§ 29 FALL 1

A schlägt den B nieder, ohne zu
erkennen, dass B gerade im Begriff
war, ihn mit einem Messer zu
erstechen.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 16
212 I: TB (+)
 (P) RW: § 32 StGB (-), da kein subj.
Rechtfertigung (zu prüfen nach
Notwehrlage und Notwehrhandlung)
 Ergo: § 212 I, 22 StGB:

Nichtvollendung wird ersetzt durch
fehlenden subj. Verteidigungswillen
SACHVERHALT 17
§ 29 FALL 2

C will D am Rosenmontag mit einem
Gummihammer zum Spaß auf den
Kopf schlagen; D hält den Hammer
für echt und streckt C mit einem
Faustschlag nieder. Strafbarkeit des D
nach § 223 I StGB?
LÖSUNG SV 17




(P) Erlaubnistatbestandsirrtum, Str:
§ 32 (-), kein Angriff (oder
Bagatellangriff, beides vertretbar)
§ 34 (-), keine Gefahr
(P) Schuld (oder vor Schuld): ETBI: Str.
• (modifizierte) Vorsatztheorie
• Strenge Schuldtheorie
• Eingeschränkte / rechtsfolgenverweisende
Schuldtheorie
• Lehre vom Gesamtunrechtstatbestand
SACHVERHALT 18
§ 32 FALL 3

E bricht einen Tresor auf, in dem er
größere Geldbeträge und Schmuck
vorzufinden erwartet, tatsächlich
befinden sich dort nur einzelne
Münzen, die E enttäuscht liegen lässt.
Strafbarkeit des E gem. § 242, 22?
LÖSUNG SV 18

§ 242, 22:
•
•
•
•
•
•
Vorprüfung
Tatentschluss
Unmittelbares Ansetzen
RW
Schuld
(P) Rücktritt, 24: Fehlgeschlagener
Versuch
SACHVERHALT 19
§ 32 FALL 6

L glaubt, dem M einen tödlichen
Messerstich versetzt zu haben; als M
jedoch die Flucht ergreifen will,
erkennt L, dass seine erste Aktion
misslungen ist und er ein weiteres
Mal auf M einstechen müsste, um ihn
zu töten.
Ist L von der Tat strafbefreiend
zurückgetreten?
LÖSUNG SV 19

(P1) Fehlschlag? Str.:
• Einzelakttheorie
• Gesamtbetrachtungslehre

(P2) Unbeendet oder beendet? Str.:
• Tatplantheorie
• Lehre vom Rücktrittshorizont
SACHVERHALT 20
§ 32 FALL 7

P betäubt Q, um ihn anschließend unter
Vortäuschung eines Suizids durch
Erhängen zu töten. Infolge
aufkommender Gewissensbisse nimmt
er von seinem Tötungsvorhaben Abstand
und verlässt den Tatort in der Annahme,
Q werde das Bewusstsein alsbald
wiedererlangen. Bereits die Betäubung
führt jedoch zum Tod des Q.
Strafbarkeit des P?
LÖSUNG SV 20

212? (P) Zurechnung des
Tötungsvorsatzes; Str:
• EE: Erster Tötungsvorsatz genügt, 212
(+)
• AA: Vorsatz ist dem Erfolg nicht
zurechenbar, daher Weg frei zum
Versuch und § 24; aber: 227 (+) und 222
(+)
SACHVERHALT 21
§ 32 FALL 8

R will S mit der Abgabe von Schüssen
erschrecken, wobei er mit der
Möglichkeit eines tödlichen Treffers
rechnet. Schon nach dem ersten Schuss
ist S von panischer Angst ergriffen, so
dass R sein Ziel für erreicht hält und von
weiteren Schüssen absieht.
Ist R strafbefreiend vom versuchten
Totschlag zurückgetreten?
LÖSUNG SV 21

(P) Außertatbestandliche
Zielerreichung (= Denkzettelfall); wird
geprüft zB bei „Aufgeben der Tat“
oder davor; Str:
• BGH: (BGH St 39, 221 ff) Rücktritt
möglich
• AA: Keine honorierbare
Verzichtsleistung des Täters, Rücktritt (-)
SACHVERHALT 22
§ 32 FALL 11

A bringt ihrem Ehemann E eine
lebensgefährliche Menge Gift bei. Als
das Gift zu wirken beginnt, verständigt A
den Notarzt. Sie informiert N nicht über
die Sachlage, sondern gibt vor, E habe
beim Kaffeetrinken ein blaues
Medikament eingenommen. N gelingt
gleichwohl die Rettung des E.
Ist E strafbefreiend zurückgetreten?
LÖSUNG SV 22

(P) Beendeter Versuch: Verhindern der
Vollendung; Str:
• EE: Ingangsetzen eines neuen
Kausalverlaufs genügt; hier: (+)
• Vermittelnde A.: Zurechenbarkeit in
Analogie zu den Beteiligungsregeln; hier:
lt. K. (+)
• WA: „Ernsthaftes Bemühen“ wie in § 24 I
S.2 bzw. optimale Rettungshandlung; hier
(-)
SACHVERHALT 23
§ 32 FALL 16

A will den von ihm vergifteten B
retten, doch B, der sterben möchte,
weigert sich, ärztliche Hilfe
anzunehmen.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 23
212? Scheitert an der obj.
Zurechenbarkeit
 § 212, 22?

• (P1) Nichtvollendung (+)
• (P2) Rücktritt bei objektiv nicht
zurechenbarem Erfolg? Der Täter ist so
zu stellen, als wäre die Tat ohne sein
Zutun nicht vollendet worden.
SACHVERHALT 24
VGL. § 33 RN.36 FF.

Autofahrer A fährt mit 90 km/h auf einer Straße,
auf der eine Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h
zulässig ist. Plötzlich betritt der Fußgänger F
verkehrswidrig die Fahrbahn und wird von A,
der nicht mehr bremsen oder ausweichen kann,
erfasst; F erleidet tödliche Verletzungen. Im
Nachhinein lässt sich nicht mehr klären, ob A bei
Einhaltung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit noch hätte rechtzeitig
bremsen oder ausweichen können.
Hat sich A nach § 222 StGB strafbar gemacht?
LÖSUNG SV 24

I. TB
•
•
•
•
Erfolg, Handlung, Kausalität
Sorgfaltspflichtverletzung
Vorhersehbarkeit
(P) Pflichtwidrigkeitszusammenhang: Str.
EA: Risikoerhöhungslehre: Keine Entlastung
von den Folgen bei riskantem Fehlverhalten
des Täters
• AA: in dubio pro reo; andernfalls macht man
aus Fahrlässigkeitsdelikten Gefährdungsdelikte
•
SACHVERHALT 25
§ 35 FÄLLE 7A UND 7B


7A: O droht zu ertrinken. B eilt zu einem
in der Nähe befindlichen Rettungsring.
Als er diesen dem O zuwerfen will,
erkennt er in ihm einen persönlichen
Feind. Daraufhin unterlässt er die
Rettung des O, der nunmehr ertrinkt.
7B: B wirft den Rettungsring dem O zu.
Jetzt erkennt B den Feind und zieht den
Ring zurück. O ertrinkt.
Strafbarkeit des B in beiden Fällen?
LÖSUNG SV 25

7A:
• 212, 13 (-): Keine Garantenstellung
• 323 c (+)

7B:
• 212 (+), da aktives Tun (Wegziehen des
Ringes)
SACHVERHALT 26
§ 36 FALL 13

A greift B mit einem Messer an, um
dessen Wertgegenstände an sich zu
nehmen. B gelingt es, den A mit einem
Stein niederzuschlagen. Anschließend
entfernt er sich, ohne sich um den
verblutenden A zu kümmern. A stirbt,
hätte aber gerettet werden können,
wenn B einen Notarzt verständigt hätte.
Strafbarkeit des B nach § 212, 13?
LÖSUNG SV 26

(P) Garantenstellung durch Ingerenz?
Str.:
• HM: nur Schaffung eines unerlaubten
Risikos kann eine Garantenpflicht aus
Ingerenz begründen; hier: (-)
• AA: Auch erlaubt riskantes Verhalten
genügt, dann wäre 212, 13 hier (+)
• Vermittelnde A: Differenzierung nach
Gefahrenquellen für beliebige Dritte
(Haftung) oder Handeln aufgrund eines
Eingriffsrechts (§ 32 StGB) gegenüber dem
konkreten Opfer (keine Haftung).
SACHVERHALT 27
§ 38 FALL 1

C ist Chef einer Diebesbande und
erarbeitet einen detaillierten Plan zu
einem Einbruch in die Villa des O, den
sein „Mitarbeiter“ M ausführt. C
besucht, um den Verdacht von sich
abzulenken, zum Tatzeitpunkt mit
Bekannten die Oper.
Strafbarkeit des C?
LÖSUNG SV 27

(P) C als Mittäter? Str:
• Subjektive Theorie: Anwesenheit nicht
erforderlich, 242, 243, 25 II (+)
• Materiell-objektive Theorie:
funktionelle Tatherrschaft genügt; ein
Minus an Entscheidungsherrschaft kann
durch ein Plus an Gestaltungsherrschaft
ausgeglichen werden
• MM: Mitwirkung vor Ort und Stelle
nötig, 242, 25 II (-), es bleibt 242, 26
SACHVERHALT 28
§ 38 FALL 5

Polizist P lässt seine Dienstpistole
arglos herumliegen. Als er bemerkt,
dass sie X ergreifen will, um damit Y
zu erschießen, greift er, obgleich er
dies noch könnte, nicht ein.
Strafbarkeit des P?
LÖSUNG SV 28

(P) Beteiligung durch Unterlassen, Str:
• Nichtverhinderung durch einen Garanten kann
sein
•
•
Beihilfe zur vorsätzlichen Begehungstat oder
Selbstständige Unterlassenstat in (Neben-)
Täterschaft:
EA: animus auctoris (subj. Theorie)
AA: Tatherrschaft (obj. Theorie)
WA: Nur Täterschaft wegen Garantenstellung
(Schutzpflicht)
WA: Abgrenzung nach Art der Garantenstellung
(Beschützergarant ist Täter, Überwachergarant
führt zur Beihilfe)
SACHVERHALT 29
§ 39 FALL 17

Stationsarzt A übergibt der vermeintlich
arglosen Krankenschwester K eine
Spritze mit einer Überdosis eines
Medikaments, um so den in das
Krankenhaus eingelieferten Freund
seiner Frau zu töten; K durchschaut das
Ansinnen, lässt sich aber nichts
anmerken und verabreicht F die tödlich
wirkende Injektion.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 29

(P) Hintermann nimmt irrig eigene
Tatherrschaft an, Str:
• Subjektive Theorie: Animus auctoris
entscheidend, daher Täterschaft (+)
• Objektive Theorie
EA: Nur quantitative Differenz zwischen
Täterschaft und Teilnahme, daher
Anstiftervorsatz als Minus im Tätervorsatz
enthalten, 212, 26 (+)
• AA: Qualitative Differenz zwischen Täterschaft
und Teilnahme, daher 212, 22, 25 I Alt.2
• Teils: 212, 22, 25 I Alt.2, 212, 26, 53
•
SACHVERHALT 30
§ 39 FALL 18

U fordert den V auf, einen tödlichen
Schuss auf W abzugeben. V schießt
zwar, glaubt aber, es handele sich bei
der Aufforderung um einen Scherz,
da er den W im Halbdunkel für eine
Vogelscheuche hält. U geht davon
aus, V weiß, was er tut.
Strafbarkeit des U?
LÖSUNG SV 30

(P) Hintermann verkennt seine in
Wirklichkeit gegebene Tatherrschaft,
Str.:
• Subj. Theorie: animus auctoris,
Täterschaft (+)
• Obj. Theorie: mittelbare Täterschaft (-),
da kein Vorsatz auf Tatherrschaft,
Anstiftung (-), da keine vorsätzliche
rechtswidrige Haupttat, es bleibt übrig:
§ 30 I StGB.
SACHVERHALT 31
§ 39 FALL 20

Arzt A will den ins Krankenhaus
eingelieferten Freund F der Ehefrau
töten. Er übergibt der arglosen
Krankenschwester eine Spritze mit einer
Überdosis eines Medikaments und weist
K an, dem neuen Patienten aus Nr. 5 die
Spritze zu setzen. In Nr. 5 liegt P; F wurde
– was A nicht wusste – nach Nr. 8 verlegt.
K gibt P die Spritze, P verstirbt.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 31

(P) Objektverwechslung beim
Vordermann, Str:
• EA: aberratio ictus für A, daher 222 zu P
und 212, 22 zu F
• AA: Differenzierung, ob unbeachtlicher
Motivirrtum (error in persona vel objecto)
oder beachtlicher Kausalirrtum vorliegt:
Hintermann haftet, sofern Vordermann
sich im Rahmen des Tatplans bewegt. Hier:
222 für P und 212, 22 für F.
SACHVERHALT 32
§ 40 FALL 2

A spiegelt B vor, der Münzhändler M
wolle sich zum Schein überfallen
lassen und anschließend seine
Versicherung betrügen; B führt den
Überfall aus. Tatsächlich war M über
das Geschehen nicht informiert und
meldete den Schadensfall seiner
Versicherung. Strafbarkeit des B?
LÖSUNG SV 32

(P) Schein-Mittäterschaft, B war im
(vermeintlichen) Vorbereitungsstadium
beteiligt und geht davon aus, der andere
(M) setze noch zur Tat an; Str:
• EA: mittäterschaftlicher Betrugsversuch,
§§ 263, 22, 25 II
• AA: da weder gemeinsamer Tatplan noch
unmittelbares Ansetzen: Zurechnung (-)
SACHVERHALT 33
§ 41 FALL 4

A hat in einem Brief an B
spaßeshalber eine Belohnung für das
Begehen einer bestimmten Straftat in
Aussicht gestellt; als A bemerkt, dass
B die Aufforderung ernst nimmt und
zur Tat schreiten will, klärt er ihn
nicht auf.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 33

(P) Anstiftung durch Unterlassen,
Str.:
• EA: Anstiftung durch Unterlassen ist
unmöglich, daher (-)
• AA: Garantenstellung durch Ingerenz
oder auch als Überwachungsgarant,
Anstiftung (+)
SACHVERHALT 34
§ 41 FALL 8

Rose wird von Rosahl angestiftet,
gegen reichliche Belohnung den
Zimmermann Schliebe zu töten; aus
dem Hinterhalt erschießt er jedoch
einen gewissen Harnisch, den er in
der Dämmerung mit dem ihm
ansonsten bekannten Schliebe
verwechselt. Strafbarkeit von
Rosahl?
LÖSUNG SV 34

(P) error in persona vel objecto des
Vordermannes, Str:
• EA: unbeachtlicher Motivirrtum auch für
Hintermann unbeachtlich, 212, 26 (+)
• Rspr: wie EA; ausnahmsweise keine
Zurechnung bei wesentlicher Abweichung
vom vorgestellten Kausalverlauf
• AA: Blutbadargument gegen erste Ansicht:
Lösung: Regeln der aberratio ictus (30,
222)
SACHVERHALT 35
§ 42 FALL 2

C verrät D seinen Plan, in der Villa des
O einzubrechen, zeigt sich aber
ängstlich hinsichtlich der Möglichkeit,
erneut „geschnappt“ zu werden. D
versichert ihm, dass die zu
erwartende Beute allemal das Risiko
einer Entdeckung aufwiege.
Strafbarkeit des D?
LÖSUNG SV 35

(P) Psychische Hilfe in Form von
voluntativer Beihilfe (im Gegensatz
zu kognitiver Beihilfe):
• (P1) Abgrenzung zur Anstiftung
• (P2) Beihilfe durch Stärken des
Willens? Str:
• HM: (+)
• AA: Beihilfe muss sich auf die Gestaltung
der Tat auswirken, hier (-)
SACHVERHALT 36
§ 42 FALL 3

X besorgt dem Y für dessen geplanten
Banküberfall einen Pkw als
Fluchtfahrzeug. Y benutzt jedoch
trotz des höheren Risikos seinen
eigenen Pkw.
Strafbarkeit des X?
LÖSUNG SV 36

(P) Kausalitätsgrad des
Gehilfenbeitrags, Str.
• Erfolgsförderungsstheorie: Kausalität
erforderlich, hier (-)
• Risikoerhöhungslehre: hier (-)
• Theorie der abstrakten Gefährdung: hier
(+); Kritik: führt zur Umgehung der
Straflosigkeit der bloß versuchten Beihilfe
• Handlungsförderungstheorie: Irgendwann
förderlich: hier (+)
SACHVERHALT 37
§ 43 FALL 1

A verspricht dem B schriftlich eine
hohe Belohnung, falls er zu einem
bestimmten Zeitpunkt einen Raub
begeht. Der Brief wird im Postweg
fehlgeleitet.
Strafbarkeit des A?
LÖSUNG SV 37

(P) Versuchte Anstiftung: (§ 30 I)
Unmittelbares Ansetzen? Str.:
• Entäußerung genügt
• Zugang erforderlich
SACHVERHALT 38
§ 43 FALL 2

Privatmann P versucht vergeblich,
den in einem laufenden
Ermittlungsverfahren ermittelnden
Kriminalbeamten K dazu anzustiften,
den Beschuldigten mit Gewalt zu
einer Aussage zu veranlassen.
Strafbarkeit des P?
LÖSUNG SV 38

(P) Verbrechenscharakter der Haupttat bei
besonderen persönlichen Merkmalen
• Haupttat iSv § 30 muss Verbrechen sein; hier:
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Aussageerpressung, § 343 (Verbrechen) oder
Nötigung, § 240 (Vergehen)
• WAS IST AUSSCHLAGGEBEND? Str:
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EA: Die Tat des anvisierten Täters, hier K
AA: stellt auf die Person des Anstifters ab, hier P
WA: Kumulative Theorie: Merkmal muss bei beiden Personen
vorliegen
Unterscheidung, ob das besondere persönliche Merkmal dem
Unrecht oder der Schuld zuzuordnen ist. Dann wird
differenziert
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Unrecht: stets Täter
Schuld: Verbrechensqualifikation: 30 (-); Milderung: 30 (+)