Jesus war ein Orthopraktiker

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Transcript Jesus war ein Orthopraktiker

9. Die heilende und
gemeinschaftsstiftende Praxis Jesu
• Jesus war Orthopraktiker
• Im Gegensatz zu den Pharisäern, denen es um die rechte
Lehre ging, und zu den Sadduzäern, die das rechte Opfer
pflegten, ging es Jesus um das rechte Handeln
Programm in Apostelgeschichte 10,37 f
• Der von Gott mit dem Heiligen Geist und mit Kraft
Gesalbte zog umher, tat Gutes und heilte alle, die in der
Gewalt des Teufels waren. Gott war mit ihm.
„Teufel“
• Die antike Welt personifiziert das Böse und
projiziert dessen Kräfte auf Gestalten wie den
„Teufel“, den „Satan“, den „Diabolos“
(Durcheinanderwerfer) bzw. die „Dämonen“
• Damit gemeint aber sind: Ausgrenzung,
Unterdrückung, krank machende Vorurteile,
Sexismus, Rassismus, engstirnige Borniertheit
…. und – allem voran – die aus ihnen
resultierende die Menschen lähmende und klein
machende Angst
Vertrauen gegen Angst
• Jesus setzt in der Dynamis Gottes mit seinen Worten und
Taten der alle Bereiche des Lebens durchdringenden
Angst ein Vertrauen in die grenzenlose Liebe und
Fürsorge seines himmlischen Vaters entgegen, der seine
Sonne über den Ungerechten und den Gerechten
aufgehen und es regnen lässt über die Guten und die
Bösen (Bergpredigt).
Kern vieler Heilungserzählungen ist wahr
• „Wundererzählungen“ werden durch die
Bearbeitung ihrer mündlichen und schriftlichen
Tradenten manchmal ins Unglaubliche gesteigert;
Jesus nimmt dabei gelegentlich Züge eines
Supermans oder „Zauberers“ an
• Trotzdem steht fest, dass Jesus – in der Kraft
Gottes – unzähligen „gebundenen Menschen“ die
Fesseln gelöst und sie auf diese Weise befreit hat
• Darum redet man heute lieber von
„Befreiungsgeschichten“ als von Wundern
Vorlagen aus dem Alten Testament
• Wie bei den Berufungsgeschichten beziehen sich die
Evangelisten auch bei den Heilungsgeschichten auf
alttestamentliche Vorlagen in den Psalmen (Ps 107, 28:
Gott stillt den Sturm), aus den Königsbüchern 2. Kö. 4, 42
ff: Brot für 100 Propheten) oder aus aus den
Prophetenbüchern (Jes 55, 1-3: Kauft euch zu essen, es
kostet nichts)
Krankheit ohne Krankenkassen
• Krankheit macht arm, Armut macht krank: ein Teufelskreis
• Allgegenwart von Kranken, Behinderten und seelisch
Verstörten im Neuen Testament ist Ausdruck dafür, dass
Jesusbewegung in der Unterschicht verankert ist
• Krankheit führte in die Isolation
Ursachen von Krankheiten
• Klima von Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung
• Der Dämon, der (Mk 5, 1 ff) einen Mann vor Gerasa
„besetzt“ hielt, heisst „Legion“
• „Legion“ symbolisiert die durch die römische Soldateska
verursachte Verelendung der Landbevölkerung (am-ha
arez)
Heilung wie Jesus sie bringt
• Wiederherstellung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen
und religiösen Integrität eines Menschen
• Re-Integration in die Schöpfung Gottes, dessen Wille der
„schalom“ aller ist
• Schalom = eine von Verstellungen befreite Beziehung zu
Gott und zu den Mitmenschen
• Wo Jesus heilt, verschafft er dem Willen Gottes den
Durchbruch gegen die „Mächte des Bösen“
Wunderbares an den
„Wundergeschichten“
• Das Wunderbare ist nicht die Durchbrechung der
Naturgesetze
• Das Wunderbare ist die Durchbrechung von Not, Leiden
und Ausgrenzung
Wundergeschichten in der Antike
• Appolonius von Tyana erweckt eine gestorbene
Braut (Philostrat) – Parallele zu Lk 7, 11 ff
Auferweckung des Jünglings zu Nain
• Rabbi Hanina ben Dosa: Dessen mausarme Frau
hat – im Gegenüber der bösen Nachbarin – den
Ofen voller Brot (Nahrungswunder) (Babyl.
Talmud)
• Heilung in Epidaurus (Mk 1, 29 ff:
Schwiegermutter des Petrus)
• Man traute in der Antike bestimmten Menschen
Wundermacht zu; Heilungswunder wurden auch
ausserhalb des Christentums vollbracht
Theologie der Heilung in den
Heilungsgeschichten
• Bei Heilungen wird die Dimension des Vertrauens, der
Beziehung und der Begegnung zwischen Jesus und der
hilfsbedürftigen Person betont
• Bei Dämonenaustreibungen geht es am den Kampf
zwischen der Lebensmacht Gottes in Jesus und den
zerstörerischen Mächten, die den Kranken beherrschen
Heilungsgeschichten bewirken Heilung
• Die chassidische Geschichte vom lahmen Rabbi, der
durch das Erzählen der Geschichte vom tanzenden
Baalschem gesund wurde (LB S. 88)
Aufbau der Wundergeschichten
1.
2.
3.
4.
Einleitung/Situationsschilderung:
ausgangslage, Auftreten des Wundertäters,
der hilfsbedürftigen Person, anderer
Spannung/Vorbereitung des Wunders:
Darstellung der Notlage, Beziehungen der
Personen
Lösung/Wunder: Handlungen oder Gesten, die
zum Wunder führen; Feststellung des Wunders
Schluss: Demonstration, Wirkung auf
Betroffene und Beteiligte, Reaktionen
Unterscheidung nach Themen
• Heilungen
• Exorzismen
• Rettungswunder
• Geschenkwunder
Sitz im Leben der Wundergeschichten
• Heilungen und Exorzismen gehen teilweise auf das Leben
und Wirken des irdischen Jesus zurück
• Geschenkwunder (Kana, Brotvermehrung) und
Rettungswunder (Seesturm) setzen den Glauben an
Jesus Christus als den Herrn über alle Mächte voraus
• Man könnte darum auch von „Jesuswundern“ und von
„Christuswundern“ reden
Mahlgemeinschaften als
Wundergeschichten
• Die jesuanische Praxis der Mahlgemeinschaft mit
den Randsiedlern der Gesellschaft gehört, lange
übersehen, auch zur Kategorie der
Wundergeschichten
• Wer – wie die Jesusleute – zu Tisch alle
hergebrachten Grenzen sprengt, vollbringt das
Wunder der Einfügung der Ausgestossenen und
setzt ein Zeichen für das Reich Gottes
• Das gilt in besonderer Weise für das letzte Mahl
Jesu vor seinem Tod
Jesus beauftragt die Seinen
• Das Wunder ist nicht an Jesus gebunden
• Er bevollmächtigt die Seinen, in seinem Geist sein Wirken
fortzusetzen
• In seinem Namen und in der Dynamis Gottes sollen wir –
nach seinem Tod und seiner Auferstehung – viele böse
Geister austreiben, „Kranke“mit Öl salben und sie heilen
(Mk 6,13)
•
Die Theologie der Befreiung
• … setzt an diesem Punkt an
• … bezieht sich – im Blick auf das AT – auf die
Exodusgeschichte
• … knüpft – im Blick auf das NT – an die zahlreichen
Befreiungsgeschichten an (Wundergeschichten)
• … öffnet den Blinden Augen, stellt Lahme auf die Beine
und macht Aussätzige rein
Jünger- und Jüngerinnenschaft Jesus
• … Fortsetzung der Befreiungspraxis Jesu
• … Orthopraxis (nicht Orthodoxie)
• Mt 10, 7 f: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist
nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein,
treibt Dämonen aus. Umsonst habt ihr empfangen,
umsonst sollt ihr geben.“
• Das ist in nuce das Programm jedes guten
Religionsunterrichts