Psychedelika-gestützte Suchttherapien

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Psychedelika-gestützte
Suchttherapien
9.07.2013
•S•S•A•M•
Dr. med. Robert Hämmig
Psychiatrie & Psychotherapie FMH
Präsident Schw. Gesellschaft für Suchtmedizin
Leitender Arzt Schwerpunkt Sucht
Universitäre Psychiatrische Dienste Bern
Direktion Psychiatrie
Antonin Artaud (* 1896 - † 1948)
Antoine Marie Joseph Artaud
• Schauspieler, Dramatiker, Regisseur, Zeichner,
Dichter und Theater-Theoretiker
• Opiatabhängig (Opium, Laudanum, Heroin)
• 1936 Mexiko, einige Monate bei den
Tarahumara
• Nächste Reise zu den keltischen Druiden in
Irland. Glaubte Stock von St. Patrick erlangt zu
haben.
• Rückfahrt nach Frankreich: Glaube an die
baldige Apokalypse
• ab 1937 Patient in geschlossenen
psychiatrischen Kliniken.
• Diagnose Schizophrenie.
• Jahrelange Behandlung mit Elektro- &
Insulinschock. 1946 wurde er mit finanzieller
Hilfe von Freunden entlassen.
Foto: Man Ray 1926
Albert Hofmann (*1906 - †2008)
• Kaufmännische Lehre,
Matura
• 1925 Chemiestudium
• Arbeit bei Sandoz bis zur
Pensionierung 1971
• LSD-25: 19. April 1943
„Bicycle Day“
• psilocybin- und
psilocinhaltige halluzinogene
Pilze
• D-Lysergsäureamid-haltige
(Ergin) Samen der
Prunkwinden und Ololiuqui
• Salvinorin der Salvia
divinorum
Claviceps purpurea
Psilocybe cubensis
Morning Glory
Salvia divinorum
Humphry Fortescue Osmond (*1917 - †2004)
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Britischer Psychiater, ab 1951 Kanada
Strukturelle Ähnlichkeit von Adrenalin & Mescalin
Schizophrenie: verzerrte Wahrnehmung wie unter LSD
Schizophrenie-Hypothese -> Selbstvergiftung durch
Adrenochrome
• 1957 «psychedelic»: Geist manifestierend («Geist»,
ψυχή (psyche) und «Manifest», δήλος (delos))
• Beobachtung: Abstinenz nach Delirium tremens
• Bill W. (Mitbegründer der AA), Pat. von Osmond:
Wiedererleben eines mystischen Zustandes
Smith CM (1958) A new adjunct to the treatment
of alcoholism: the hallucinogenic drugs.
Q J Stud Alcohol 19(3):406-417.
• 24 Pat. («schwierige Fälle»)
– 7 Meskalin
– 16 LSD
– 1 Meskalin + LSD
• Resultate
– 6 sehr verbessert (25%)
– 6 verbessert (25%)
– 12 unverändert (50%)
Forderung nach besseren Studien
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Einsatz von Kontrollgruppen, die entweder ein Placebo, eine
andere Form der Behandlung oder keine Behandlung erhalten.
Aufgrund der starken psychischen Wirkung von LSD wurde der
Einsatz eines „aktivem Placebo“ vorgeschlagen (z.B. Ephedrin).
Randomisierte Zuteilung zur Behandlungsgruppe.
Studien sollten doppelblind durchgeführt werden, wobei das
Problem besteht, dass der Behandler in der Regel aufgrund der
Wirkungen von LSD sieht, welcher Patient es erhalten hat.
Objektive Messungen der Resultate, was aufgrund obiger
Überlegungen nur durch einen unabhängigen Untersucher
erfolgen kann, und genaue Angaben, woher die Daten stammen
(Patienten, Angehörige etc.).
Nachuntersuchungen zu vorgegebenen und entsprechend
vergleichbaren Zeitpunkten.
Pahnke WN (1969) Psychedelic drugs and mystical
experience. Int Psychiatry Clin 5(4):149-162.
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Psychotische psychedelische Erfahrung mit intensivem Angsterleben und
Panik, paranoiden Verkennungen, Depressionen, Behinderung der
Abstraktionsfähigkeit etc.
Psychodynamische psychedelische Erfahrung mit Bewusstwerdung von
vorbewusstem oder unbewusstem Material mit Abreaktion und
Katharsis, die zu einer Entlastung führen .
Kognitive psychedelische Erfahrung mit luzidem Denken, das zu einer
neuen Perspektive von Problemen und Beziehungen führen kann.
Ästhetische psychedelische Erfahrung mit Veränderungen in allen
sensorischen Modalitäten und Synästhesien.
Kosmische, transzendentale oder mystische psychedelische Erfahrung
mit Gefühlen der kosmischen Einheit, der Transzendenz von Zeit und
Raum, tief positiver Stimmung, Gefühl der Heiligkeit, noetischen
Einsichten, Paradoxalität mit momentaner Aufhebung der Gegensätze
und Unbeschreiblichkeit des Erlebens. Das Erleben geht über in eine Art
„Nachglühen“ mit bleibenden positiven Veränderungen in Haltung und
Verhalten.
Stanislav Grof (*1931 in Prag)
• Medizinphilosoph, Psychotherapeut und
Psychiater.
• 1977 Mitbegründer der ITA
(International Transpersonal Association)
• 2 Arten des Bewusstseins: das hylotrope
und das holotrope
– hylotrop: normale, altägliche Erfahrung der
gemeinsamen Realität
– holotrop: Ganzheit und Totalität der
Existenz, ungewöhnliche
Bewusstseinszustände, medidative,
mystische odre psychedelische
Erfahrungen
• Holotropes Atmen
Ibogain
• Alkaloid in Tabernanthe iboga
• Bwiti-Kult bei den Fang und
Mitsogo in Gabun und
angrenzenden Gebieten
• kleinere Dosen stimulierend und
aphrodisierend, größere Dosen
Visionen auslösend. Übelkeit und
häufiges Erbrechen.
• Howard Lotsof (*1943 – †2010)
4 Paradigmen beim therapeutischen
Einsatz von Halluzinogenen
1.Im westlichen Paradigma werden Halluzinogene benutzt, um den Prozess
der Selbstanalyse und des Selbstverständnisses zu verstärken und
intensivieren.
2.In vielen traditionellen Heilritualen dienen die Halluzinogene primär dazu,
dem Heiler zu ermöglichen zu „sehen“, was der Grund einer Krankheit und
wie deren Heilung zu bewerkstelligen ist. Dabei öffnen die Halluzinogene
den Zugang zu einer metaphysischen Welt und zu verborgenem Wissen.
3.In synkretistischen Zeremonien steht anstelle eines Heilers ein Priester. Die
Halluzinogene sind dabei ein Sakrament und deren Einnahme ist Teil des
Gottesdienstes und der gemeinsamen Zeremonie. Als wichtige soziale
Funktion stärken diese die sozialen Bindungen und vermitteln ein Gefühl
der Teilnahme und der Zugehörigkeit
4.In hybriden Angeboten finden sich Teile von traditionell schamanistischen
und westlich psychotherapeutischen Vorgehensweisen.
Metzner R (1998)
Aussergewöhnliche
Bewusstseinszustände (ABZ)
ABZ sind nach Dittrich (1996) wie folgt charakterisiert:
• ABZ sind kurzfristige Verlaufsgestalten, die sich vom
Hintergrund eines aus der Sicht der westlichen Kultur
'normalen', 'rationalen' Wachbewusstseins (NWB) abheben.
• ABZ als kurzfristige Verlaufsgestalten werden willkürlich selbst
erzeugt, bzw. ihre sonstige Induktion wird nicht abgelehnt.
• Jeder ABZ weist eine Anzahl von bestimmten, verbal mehr
oder weniger gutbeschreibbaren Merkmalen auf, die nur
selten während des normalen Wachbewusstseins (NWB)
auftreten.
• Es besteht ein fliessender Übergang zwischen NWB und ABZ.
3 Dimensionen von ABZ (1 & 2)
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Die ozeanische Selbstentgrenzung (OSE)
"...beschreibt angenehme, beglückende Aspekte in Form von grenzenloser Freude,
einem tiefen inneren Frieden und einer umfassenden Liebe: Erfahrungen des Einsseins,
ein Verschmelzen mit sich und der Welt, die Befreiung von den Beschränkungen von
Raum und Zeit (Zeitstillstand, -rasen oder Zeitlosigkeit), Ahnung einer höheren
Wirklichkeit, Mystisches und spirituelles Erleben". Erfahrungen von "Überkörperlichkeit",
dem Losgelöstsein bis hin zum erlebten Schweben oder Fliegen werden häufig
beschrieben.
Die Angstvolle Ich-Auflösung (AIA)
...wird allgemein als Horrortrip oder Paranoia bezeichnet. Sie beschreibt den durch Angst
dominierten Aspekt, ausgelöst durch die Furcht vor dem Verlust normaler Fähigkeiten
des Wachzustandes wie Urteilsfähigkeit, Selbst- und Realitätskontrolle, einhergehend mit
einer völligen Bezugslosigkeit zu sich und der Welt.
(Verzerrte und verfremdete Wahrnehmung der Umgebung; Gefühl des Bedroht- und
Gequältseins; Gefühl, eine fremdbestimmte Marionette zu sein; Angst aus diesem
Zustand nicht mehr herauszukommen)
3 Dimensionen von ABZ (3)
3.
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Die visionäre Umstrukturierung (VUS)
"...beschreibt die vielschichtigen Einzelaspekte der Veränderungen im Bereich der
Wahrnehmung." Die veränderte Wahrnehmungsstruktur umfasst den optischen,
akustischen und den sensorischen Bereich. Die VUS beinhaltet neben der
Wahrnehmungs- auch eine Bedeutungsumstrukturierung:
Illusionen: Bilder, die der Realität entlehnt sind, werden uminterpretiert
Synästhesien: Überlagerung der Sinne (z.B. Farben hören, Töne sehen)
Pseudohalluzinationen: Sehen von Dingen oder Szenarien, die nicht real existieren,
wobei diese Dinge als nicht real erkannt und bewertet werden
echte Halluzinationen: Sehen und/oder Hören von nicht real existierenden Dingen,
ohne sich dessen bewusst zu sein
Dehabituation: Bekannte Dinge aus der vertrauten Umgebung bekommen eine
völlig neue Bedeutung, überaus deutliche Erinnerung an bestimmte Ereignisse,
äußerst lebhafte Phantasie, gesteigerte Kreativität und Assoziationsvermögen