La Vie mode d`emploi - Das Leben Gebrauchsanweisung

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Universität Potsdam
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Mathematik
Seminar: Mathematik und Literatur
Dozentinnen: Prof. Dr. Sylvie Roelly, Béatrice Steiner
Referentin: Stefanie Bock
31. Oktober 2013
Literatur nach Bauplan
Das Literaturverständnis des Ouvroir de Littérature Potentielle
am Beispiel des Romans
La Vie Mode D‘Emploi – Das Leben Gebrauchsanweisung
von Georges Perec
Gliederung
1
Das Ouvroir de Littérature Potentielle
1.1 Oulipo - Qu‘est ceci?
1.2 Oulipo und die Mathematik
2
La Vie mode d‘emploi - Das Leben Gebrauchsanweisung
2.1 Der Inhalt des Romans
2.2 Die mathematische Struktur des Romans
3
Diskussion
4
Literatur und Quellen
Oulipo – Qu‘est ceci?
• Werkstatt für potentielle Literatur
• Gruppierung um Schriftsteller, Sprach- und Literaturwissenschaftler, Mathematiker und Informatiker
• Ziel: potentielle Literatur fabrizieren
• Idee: Literatur entsteht ausgehend von formalen Regeln
• kein mouvement, keine école littéraire, kein séminaire
scientifique
 kein ästhetisches oder ideologisches Programm
• Recherchen der Gruppe sind naiv, handwerklich und amüsant
• Treffen zu geselligen monatlichen Abendessen
Qui est responable?
• 1960 von Raymond Queneau, François Le Lionnais und anderen
gegründet
Raymond Queneau
François Le Lionnais
Oulipiens
• aktuell 38 Mitglieder
 davon sind 15 aufgrund des Versterbens entschuldigt
• kein Ausschluss, kein Rücktritt von Mitgliedern möglich
• stets etwa zehn bis zwölf aktive Mitglieder
• Oskar Pastior einziger deutscher Oulipien
• alle Mitglieder gleichberechtigt
Comment faire la LIPO?
• contraintes: formale Beschränkungen und Strukturen
• Ziel Gruppe: contraintes (er)finden, anderen zugänglich machen
• Écriture sous contrainte: unbewusste Mechanismen beim
Schreiben kontrollierter und professioneller einsetzbar
• contrainte lediglich ein Hilfsmittel - Talent nicht ersetzbar
• besonderes Interesse: Finden von transtextuellen Strukturen, die
in das Literarische übersetzt werden können
Comment faire la LIPO?
• Durchbrechen von contraintes für oulipotisches Schreibkonzept
wichtig
• clinamen: Regelverstoß
• historisch: Begriff aus Atomphysik Epikurs
• bewusst als Motor des kreativen Prozesses verstanden
• Zerstörung der Perfektion der Form = Element der Freiheit
Comment en savoir plus?
• Gruppe zunächst kaum an Öffentlichkeit getreten
• vermehrt ab 1773 kollektive Publikationen
• zentrales Primärwerk der Gruppe: Atlas de littérature potentielle
• zahlreiche individuelle Werke unter Einsatz oulipotischer
Verfahren verfasst
Oulipo und die Mathematik
• Grundidee: Mathematik für das literarische Schaffen fruchtbar
machen
• Oulipo im Umfeld des nouveau roman, des Strukturalismus, der
postmodernen Philosophie
 Rückgriff auf formale Regeln und mathematischen Strukturen
treffen Nerv der Zeit
 problematisch gewordene Gegenwart
• kulturelle Wirkung und gesellschaftliche Akzeptanz der
Mathematik in der zweiten Hälfte des 20. Jhd. durch das Schaffen
Bourbakis
Exkurs: Bourbaki
• Geheimbund von Mathematikern
• 1934 ins Leben gerufen
• unter kollektivem Pseudonym Nicolas Bourbaki veröffentlicht
• Gemeinschaftswerk: Élements de mathématique
• drei Grundkonzepte: Axiomatik, Struktur, Einheit der Mathematik
• Abkoppelung mathematischer Theorien von Realität
• kollektives Unternehmen mit ständiger Verjüngung
Oulipo und die Mathematik
• Oulipo nach Vorbild Bourbaki gestaltet
• Queneau und Le Lionnais persönliche Kontakte zu Bourbaki
• Queneau: Bourbaki et les mathématiques de demain (1962)
• Interesse an kollektiver, demokratischer, humorvoller Arbeitsweise
• Gemeinsamkeiten:
- zunächst Aura Geheimbund
- Prinzip des Pseudonyms
- Gemeinschaftsprojekt mit regelmäßigen Treffen
- Gleichberechtigung und demokratische Beschlussfassung
Oulipo und die Mathematik
• Mathematik dient als Strukturlieferant
• Beispiel: La Princesse Hoppy ou le conte du labrador
(Jaques Roubaud, 1974)
 Handlungselemente durch Kleinsche Vierergruppe geregelt
• Verbindungen zwischen oulipotischem Schreibverfahren und
axiomatischer Methode
• Verwendung des Strukturbegriffs
Oulipo und die Mathematik
Zwischenfazit
Zusammenhänge zwischen Oulipo und der modernen Mathematik:
• große Übereinstimmung in der Gestaltung von Oulipo und Bourbaki
• weniger eindeutiges Verhältnis zwischen contrainte und Axiom,
sowie den jeweiligen Strukturbegriffen
• Übereinstimmung in jeweiligen erkenntnistheoretischen
Grundbedingungen
 Verhältnis zur Realität für beide Bereiche problematisch
geworden
Georges Perec
• geboren am 07. März 1936 in Paris
• Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen
• Vater starb 1940 an einer Kriegsverletzung
• Mutter 1943 nach Auschwitz deportiert
• bereits als Schüler beschlossen, Schriftsteller zu werden
• 1967 als jüngstes Mitglied bei Oulipo
aufgenommen
• am 03. März 1982 an Lungenkrebs verstorben
Georges Perec
Vier Aspekte seiner Literaturkonzeption:
• Die Soziologie des Alltäglichen
• Die Autobiographie
• Wortspielereien und formale Herausforderungen
• Die Lust am Erfinden
La Vie mode d‘emploi
• erstmals erschienen: 1978 in Paris im Hachette Verlag
• weitere Auflagen auch im Verlag France loisirs
(sieben Auflagen bis zum Jahr 2004)
• französische Theateraufführung La vie mode d'emploi. Parcours
puzzle
(42. Festival d'Avignon, 1988)
Der internationale Erfolg des Romans
Deutsche Übersetzungen:
(Verlag: Zweitausendeins, übersetzt von Eugen Helmlé)
1. Auflage, März 1982
2. Sonderausgabe, September 1986
3. Auflage, April 1998
4., um Beiheft und Puzzle erweiterte Auflage, Februar 2002
5. Auflage, Oktober 2002
6. Auflage, März 2006
7. (1.) Auflage, Dezember 2009
8. (2.) Auflage, Juni 2011
im Rowohlt Verlag erschienen: 1. Auflage 1991
Der internationale Erfolg des Romans
Weitere Übersetzungen:
Italienisch:
La vita istruzioni per l'uso
(1984)
Englisch:
Life A User‘s manual
(1987)
Spanisch:
La vida instrucciones de uso
(1988)
Niederländisch: Het leven een gebruiksaanwijzing (1995)
Katalanisch:
La vida, manual d'ús
(1998)
Dänisch:
Livet en Brugsanvisning
(1999)
Türkisch:
Yasam Kullanma Klavuzu
(2001)
Polnisch:
Życie instrukcja obsługi
(2002)
Finnisch:
Elämä Käyttöohje
(2006)
Der Romanentwurf
• 1967 von Claude Berge Vorschlag, Paare orthogonaler
lateinischer Quadrate der Ordnung zehn literarisch zu verwerten
• 1969 Entwicklung zentraler Handlungsstrang um das
Lebensprojekt Bartlebooth’
• 1972 auf Oulipo-Treffen Plan für diesen Roman vorgestellt
• 1974 Überlegungen zum Roman in espèces d’espaces
• 1976-1978 Arbeit am Manuskript
Die Struktur des Romans
Die Struktur des Romans
Die Struktur des Romans
Die Struktur des Romans
Die Struktur des Romans
Zusammenfassung
• Beim oulipotischen Schreiben ist die contrainte das Mittel, der literarische
Text das Produkt, die Potentialität das Ziel.
•
Dem Roman Das Leben Gebrauchsanweisung liegen zwar mathematische
Objekte zugrunde, diese haben allerdings nur den Zweck, Wortlisten zu
erstellen.
•
Für den Erfolg von Das Leben Gebrauchsanweisung sind nicht die
zugrundegelegten contraintes ausschlaggebend, sondern Perecs Lust am
Erfinden.
Diskussion
Sie haben selbst ein Gedicht und eine Kurzgeschichte unter dem Prinzip der
écriture sous contrainte verfasst.
1) Wie sind Sie beim Bearbeiten dieser Aufgabe vorgegangen?
2)
Reflektieren Sie, welche Erfolge oder Schwierigkeiten bei Ihrer
literarischen Tätigkeit aufgetreten sind.
3) Diskutieren Sie, inwiefern sich die formalen Einschränkungen auf den
literarischen Schöpfungsprozess auswirken.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Quellen
• Perec, Georges, Das Leben Gebrauchsanweisung. Romane, 5. Aufl.,
Frankfurt a. M 2002.
• Perec, Georges, Cahier des charges de La Vie mode d‘emploi, Paris
1993.
Internetquellen
• Audin, Michèle, L‘Oulipo et les mathématiques. Une description, in:
http://www-irma.u-strasbg.fr/~maudin/ExposeRennes.pdf, letzter
Zugriff: 03.10.2013.
• http://www.oulipo.net/, letzter Zugriff: 30.10.2013.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur
• Audin, Michèle, Mathématiques et littérature. Un article avec des
mathématiques et de la littérature, in: Mathematical Social
Sciences 2/2007, S. 63-86.
• Brotchie, Alastair/Mathews, Harry (Hrsg.), Oulipo Compendium,
London 1998.
• Gelz, Andreas, Postavantgardistische Ästhetik. Positionen der
französischen und italienischen Gegenwartsliteratur, Tübingen
1996.
• Miller, Anita, Georges Perec. Zwischen Anamnese und Struktur,
Bonn 1996.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur
• Overbeck, Renate, Georges Perec. Das Leben Gebrauchsanweisung.
Der Roman als Puzzle, Annweiler am Trifels 2003.
• Poier-Bernhard, Astrid. Texte nach Bauplan. Studien zur
zeitgenössischen ludisch-methodischen Literatur in Frankreich und
Italien, Heidelberg 2012.
• Schleypen, Uwe, Schreiben aus dem Nichts. Gegenwartsliteratur
und Mathematik. Das Ouvroir de littérature potentielle, München
2004.
• Steiner, Ariane, Georges Perec und Deutschland. Das Puzzle um die
Leere, Würzburg 2001.