Arbeit und Liebe bei Charles Fourier – Vortrag

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Transcript Arbeit und Liebe bei Charles Fourier – Vortrag

Arbeit und Liebe bei Charles
Fourier
Eine Einführung von Nemetico
(Pedro Kreye)
Aus der „Ode an Charles Fourier“
Andre Breton
Fourier
hell hebt sich ab
vom trüben Grau des heutigen Denkens und Trachtens
dein Licht
Es klärt den Durst nach einem besseren Dasein
und birgt ihn vor allem was seiner Reinheit schaden könnte
auch wenn ich's (was der Fall ist) für erwiesen hielte
daß die Verbesserung des menschlichen Schicksals
nur sehr langsam und in Schüben sich vollzieht
um den Preis von platten Forderungen und kalten Kalkulationen
so bleibt doch ihr wahrer Hebel
die Kraft des aberwitzigen Glaubens
an den Aufbruch in eine paradiesische Zukunft
und letztlich ist sie auch die einzige Hefe der Generationen
deine Jugend
Gliederung
• 1. Leben und Werk Charles Fouriers
• 2. Grundgedanken
• 3. Die Wirkungsgeschichte Charles
Fouriers
• 4. Die Liebe in der Harmonie
• 5. Über die Freiheit in der Arbeit
• 6. Fourierismus und Marxismus
1. Leben und Werk Charles Fouriers
• Der utopische Sozialist
•
•
Fourier war einer der
sogenannten
„Frühsozialisten“.
Scharfer Kritiker der
Sitten und Gesellschaft
seiner Zeit.
Entwarf als Gegenbild zur
„Zivilisation“ die
Zukunftsgesellschaft der
„Harmonie“
Fourier, François Marie Charles
(1772 - 1837)
• Kritik der Gesellschaft „Zivilisation“ - Gegen•
•
•
überstellung der Vision der Harmonie, der höchsten und
zukünftigen Stufe der Menschheitsentwicklung.
Fourier kritisiert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch
die Sitten und Moralvorstellungen seiner Zeit.
Verspottet als „durchgeknalltester aller Utopisten“,
verehrt und bewundert als kühnster aller Visionäre.
Er ist Schöpfer des Begriffes „freie Liebe“ (liberte
amoureuse), eigentlich „liebende Freiheit“.
Die Utopie der Harmonie
• Bildung von großen
•
•
•
Kommunen (Phalangen),
in denen die Menschen
zusammen leben und in
ProduktionsGenossenschaften die
Arbeit organisieren.
Die Arbeit wird zum
Vergnügen werden.
Ein Phalansterium ist
auch eine Liebesgemeinschaft.
Freie Liebe wird die Regel
sein.
Der „durchgeknallteste“ aller
Utopisten
Ich bin gekommen, um die Menschheit von
dem Chaos der Zivilisation, der Barbarei
und der Wildheit zu befreien, um ihr mehr
Glück zu verschaffen, als sie je zu hoffen
wagte, um ihr alle Geheimnisse der Natur
zu enthüllen.
(Charles Fourier)
Lebensdaten 1771-1837
• 7.4.1771 geboren in Besancon als Sohn eines Tuchhändlers
• 1772-1791 Gymnasium; Lehrling bei Kaufleuten in Lyon und
•
•
•
•
•
•
•
•
Rouen
1791-1794 Übersiedlung nach Lyon; Revolution; Verwicklung in
den Bürgerkrieg Föderierte – Konvent; Beerbung des Vaters;
Militärdienst; Verlust seines gesamten Vermögens
1799 Als Kaufmannsgehilfe in Marseille. Beginn der Arbeiten an
„der Berechnung der sozialen und erotischen Anziehung“.
1800. Geldmangel, lebt in Lyon als Makler ohne Lizenz.
1803-1804 erstmals Erwähnung der „universellen Harmonie“ in
einer Artikelserie
1808 Veröffentlichung „Theorie der vier Bewegungen“.
1821 Erscheinen der „Abhandlung über häusliche und
landwirtschaftliche Assoziation“, gekürzt um die erotischen
Passagen.
Ab 1824 -1829 Lebt als kleiner Angestellter. Wartet auf einen
Sponsor für sein erstes Phalansterium.
1837 Fourier stirbt und wird auf dem Montmatre begraben.
Aktualität Charles Fouriers
• Auf ihm basierten explizit Marx und
•
•
Engels Vorstellungen vom
Kommunismus als
Zukunftsgesellschaft, wenn auch
modifiziert. Sie erklärten ihn zu einem
Genie, der das „Axiom“, das „Ei des
Kolumbus“ der Sozialphilosophie in der
„anziehenden Arbeit“ gefunden hätte.
Er war Vordenker einer sexuellen
Revolution, neben dem Freud, Reich
und Kinsey schüchtern wirken.
Er entwickelte die Konzepte der
„anziehenden Arbeit“ als Gegensatz
zum Arbeitszwang und des
bedingungslosen Grundeinkommens
für die besitzlose Klasse.
2. Grundgedanken
• Fourier ist Gegner jeder
•
•
•
•
Vereinheitlichung durch Zwang.
Seine Vorstellungen von der
Zukunftsgesellschaft Harmonie sind
weit weg von der rigiden Monokultur
vieler anderer sozial-revolutionärer
Modelle (nicht nur) seiner Zeit.
Er geht von einem progressivem
(ansteigenden) Geschichtsverlauf aus,
der in der Harmonie mündet.
Die „Zivilisation“ (bürgerliche
Gesellschaft) ist nur ein
Zwischenstadium mit höchst
verachtenswerten Merkmalen.
„In der Harmonie ist alles frei“ – die
Zukunft basiert auf der Freiwilligkeit
und der Kultivierung der
Leidenschaften
Anziehung und Leidenschaften
• Gesellschaftliche Harmonie entsteht nicht durch
•
•
Unterdrückung von Leidenschaften, sondern
durch das Ausleben der verschiedenen, in jedem
Individuum anders konzentrierten Anziehungsoder Assoziationskräfte.
Fourier sieht den glücklichen Menschen als ein
durch Leidenschaften bewegtes und gesteuertes
Wesen.
Fourier sagt, dass die Leidenschaften durch
"gegenlaufende" Leidenschaften integriert
werden können. Sie können zu sozialen
Triebfedern in einem harmonischen, förderlichen
Ganzen integriert werden (Orchester – Bild).
Gegengewichte und Gegenläufer
• Unterdrückung von Leidenschaften ist sinnlos
•
•
und schädlich, sie müssen vielmehr orchestriert
und gelenkt werden.
Jeder Leidenschaft kann eine ihr gegenlaufende
und damit sie zurücknehmende entgegengesetzt
werden.
„Der Hang zu Greueltaten ist nichts anderes als
das Ergebnis angestauter Leidenschaften“
Verfechter der Rechte der Frau
• "Die Harmonie entsteht nicht, wenn wir die
Dummheit begehen, die Frauen auf Küche und
Kochtopf zu beschränken. Die Natur hat beide
Geschlechter gleichermaßen mit der Fähigkeit zu
Wissenschaft und Kunst ausgestattet."
• „Kann man nur einen Schimmer von
Gerechtigkeit in dem Los erblicken, das den
Frauen beschieden ist?“
• „Allgemein läßt sich die These aufstellen: der
soziale Fortschritt vollzieht sich entsprechend
den Fortschritten in der Befreiung der Frau“.
Gegen die Kleinfamilien - Ehe
• „Das heutige System, das den Zusammenschluß
der Menschen infolge der Isolierung der
Haushalte auf ein Minimum beschränkt, hat die
Menschheit auf den Gipfel der Verderbtheit
geführt“
• „Die Zivilisation bewirkt, daß der Mensch in
ewigem Kriegszustand mit seinesgleichen lebt
und jede Familie der geheime Feind aller
anderen Familien ist“.
• In der Zivilisation kann die Liebe (…) keinen
freien Aufflug nehmen, denn sie ist in der Ehe
gefangen“.
Fouriers gedankliche Methoden
Fourier offenbart seine Methoden (die Friedrich
Engels als „meisterlich gehandhabte Dialektik“
bezeichnet) als die des »absoluten Abstands«
und des »absoluten Zweifels«.
• Der absolute Abstand bezeichnet die Distanz, die
ihn, den Seher einer neuen Ordnung, von seiner
Zeit und ihren Anschauungen trennt.
• Das Prinzip des absoluten Zweifels (die
Cartesianische Methode nachvollziehend), d.h.
die Notwendigkeit der Herleitung aller Theorie
aus ersten Prinzipien (induktiv statt deduktiv).
Wichtige Grundbegriffe in Fouriers
Werk
Fourier erfindet zum Teil
neue Begriffe oder
definiert bekannte
Begriffe auf
eigenwillige Weise
neu. Daher ein kurzes
Glossar seiner
„Kennworte“
•
•
•
•
•
•
•
Attraktion
Aufflug
Serie
Gott
Phalansterium
Liebeshof
usw.
Anziehung „attraction“
• Zwischen Leidenschaften
•
und der Arbeit der
Menschen wirken
berechenbare
Anziehungskräfte (analog
Newtons physikalischen
Anziehungskräften).
Der Mensch kann nur
kraft vielfacher
Beziehungen seine
Bestimmung finden. Als
Einzelner ist er nicht in
der Lage, sich zu
entfalten.
Aufflug „essort“
• Entwicklung bzw Entfaltung einer
Leidenschaft.
• Jede Leidenschaft hat eine Triebfeder
(ressort), der Raum gegeben werden muß,
damit sie „auffliegen“ kann.
• Der Aufflug aller Leidenschaften ist erst in
der Gesellschaftsstufe der Harmonie
vollständig zu verwirklichen.
Celadonische Liebe
• Fouriers Begriff für „spirituelle, romantische
•
•
•
Liebe“, nach dem Helden Celadon des
Schäferromans Astee.
In der Zivilisation scheinbar hochgehalten, in
Wirklichkeit aber verachtet.
Gegenbegriff zur „materiellen Liebe“
(=Kopulation).
In der Harmonie erst wird sie gleichberechtigt
mit der materiellen Liebe sein und ihren
wirklichen Aufflug erleben.
Drehpunkt (pivot)
Bezeichnet bei Fourier das wichtigste Element eines
Systems. Den Newtonschen Bewegungsgesetzen
entlehnt.
So ist
• die Sonne der Drehpunkt im Sonnensystem
• die Familie in der Zivilisation
• das Phalansterium in der Harmonie
• der Unitismus ist die Drehpunkt-Leidenschaft in der
Harmonie
• So gibt es Drehpunktliebe auch bei Polygamen, etc.
Hebel (levier)
• Von Fourier gern gebrauchter Begriff, um
Methoden zu bezeichnen, ein Vorhaben
zur Entfaltung zu bringen.
• Insbesondere für die „anziehende Arbeit“
ist ein System von Hebeln zu
verwirklichen, die in „zum Aufflug
gebrachten“ Leidenschaften bestehen.
Serie
• Organisationsform, die auch in der Natur
anzutreffen ist. Sie ist nach Fourier die
natürliche Organisationsform des
Menschen: Sorgfältig zusammengestellte
Einheit von Gruppen unterschiedlichen
Alters, Besitzes, Intelligenz, die eine mehr
oder weniger starke gemeinsame Neigung
für eine bestimmte Leidenschaft haben.
Leidenschaft (passion)
• Nach Fourier läßt sich die Bestimmung des
•
•
Menschen in seine Leidenschaften auflösen, die
wiederum Anziehungskräfte zwischen Menschen
bewirken.
Leidenschaften ersetzen in der Harmonie den
Zwang durch Not oder Gewalt.
Leidenschaften verzweigen sich baumartig,
ausgehend von drei Ästen, sich „in eine Fülle
von Nuancen verzweigend“.
Die 12 + 1 Leidenschaften
• Fourier entwickelte ein ausgefeiltes System von
•
•
Leidenschaften, das aus heutiger Sicht überholt
und unzureichend erscheinen mag, aber in sich
und insgesamt schlüssig ist.
Sein Grundgedanke war, die Leidenschaften und
ihre Antriebe grundsätzlich anzunehmen und zu
einer Einheit zu bringen durch ihren „Aufflug“.
Keines dieser Bedürfnisse sei in seiner Triebfeder
schlecht.
Die 12 + 1 Leidenschaften
Fouriers System der
Leidenschaften
Luxurismus: die 5 Sinne
1. Sehen
2. Hören
3. Berühren
4. Schmecken
5. Riechen
Gruppismus:
6. Familiensinn (Fürsorge)
7. Ehrgeiz
8. Freundschaft
9. Liebe
Seriismus:
10. Flatterlust
11. Streitlust (Wettstreit)
12. Übereinstimmungs-Lust
(auch: Begeisterung)
Unitismus
• Die „13. Leidenschaft“ nach Fourier ist die
•
•
•
Drehpunkt – Leidenschaft (Pivotale).
Gegenleidenschaft zum Egoismus (zerstückelte
sonstige Leidenschaften).
Es ist die Neigung des Individuums, sein Glück
mit dem Glück aller anderen in Einklang zu
bringen.
Verwirklichung des Unitismus bedeutet
„kollektiven Aufflug aller Leidenschaften“.
Gott (dieu)
• Fourier ist kein Atheist, sondern Pantheist.
• Entgegen christlichem Verständnis ist sein Gott aber kein
•
•
Gott der Moral, sondern ein sozialer, triebbejahender
Gott und Schöpfer des sozialen Codes (manifestiert sich
gewissermassen in den Leidenschaften).
Wie für viele christliche Ketzer der Geschichte ist für
Fourier die sexuelle Vereiniguung von Gott gewollter
Weg zur Vollendung des Menschen (das Heilige ist
unauflöslich mit dem Erotischen verbunden)
Die religiösen Kulte müssen die Liebe zu Gott mit der
Liebe zu den Vergnügungen verbinden (Kultus der
wollüstigen Leidenschaften)
Phalansterium (phalanstere)
• Die aus rund 1620 Personen bestehende Phalanx ist für
Fourier die Basiseinheit der Harmonie, ein Drehpunkt des
sozialen Mechanismus. Es handelt sich um Großgemeinschaften, die sowohl Landwirtschaft als auch
Manufakturproduktion betreiben. Eine Phalanx besteht
aus einer nicht festgelegten Anzahl von Serien, die
ihrerseits wieder aus Neigungsgruppen bestehen.
Liebeshof (court d‘amour)
• Die Liebe in der Harmonie ist – auf Grundlage
•
•
der Freiwilligkeit – institutionalisiert und eine
öffentliche Angelegenheit.
Menschen sind Mitglieder in sogenannten
Liebesklassen, die ihren Neigungen entsprechen.
Der Liebeshof registriert jeden Wechsel in den
Beziehungen oder von Liebesklasse zu
Liebesklasse und wird von einer Hohepriesterin
geleitet. Wechsel ist jederzeit möglich.
Zerstückelte Arbeit (travail morcele)
• „Die Zerstückelung der Arbeit ist eines der
Hauptlaster der Zivilisation“
• Die Konzentration auf einen einzigen Beruf
entspricht nicht der menschlichen Natur.
• Das daraus resultierende Streben nach
individueller Bereicherung und
Abkapselung ist verderblich.
• Auch: „zerstückelter Haushalt“
Geschichtsepochen nach Fourier
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Ungeordnete Serien
Wildheit
Patriarchat
Barbarei
Zivilisation (Fouriers HEUTE, bürgerliche Ges.)
Garantismus (genossenschaftliche Ordnung)
Soziantismus (Unvollständige Serien)
Harmonie
3. Die Wirkungsgeschichte Charles
Fouriers
• Der geniale Einzelgänger warf in deinen Schriften bis
•
•
1837 alle Moralbegriffe über den Haufen, die zu seiner
Zeit galten, und entwarf die Grundzüge einer
gesellschaftlichen und sexuellen Revolution.
Er wurde (sowieso) vom etablierten System, aber auch
von anderen Frühsozialisten (Proudhon, Leroux, Cabet)
erbittert angegriffen.
Gleichwohl fand er begeisterte Anhänger, auch unter
Ausländern: zum Beispiel Heinrich Heine, Georg
Herwegh, vor allem aber Karl Marx und Friedrich Engels.
Verrat durch seine Schüler
• Nach seinem Tod zensierten ihn auch seine Schüler und
•
•
unterschlugen seine Vorstellungen von der Freiheit der
Liebe als „soziale Unschicklichkeit“ in seinen
veröffentlichten Texten („notwendige Auslassungen“).
Seine Schüler unterdrückten die Teile seiner Lehre, die
von den „harmonischen Sitten“ handelt.
„Notgedrungen“ würde die „Arbeit darunter leiden“,
wenn der „Grundsatz der Freiheit der Liebe“ verkündet
würde.
Die sich auf ihn berufene Richtung der Fourieristen
degenerierte zur Sekte, blieb auf bürgerliche
Philanthropen beschränkt und verschwand bis zum Ende
des 19. Jahrhunderts.
Fourier und der Marxismus
Wie aber, wenn die Schriften Fouriers »nur«
literarischen Wert hätten, wäre es zu erklären,
daß wissenschaftlich-analytische Denker wie
Marx und Engels ihn durchaus ernstgenommen
haben, daß Marx ihn in die Ahnenreihe des
wissenschaftlichen Sozialismus aufnimmt und
daß Engels schreibt, Fourier bediene sich der
Dialektik mit der gleichen Meisterschaft wie
Hegel?
• Elisabeth Lenk in Einleitung zur deutschen Ausgabe
der „Theorie der vier Bewegungen“ von Charles
Fourier 1966
Begeisterte Zustimmung bei Marx
und Engels
• Die jungen Hegelianer Marx und Engels beschäftigten sich ab 1842 mit den
•
•
•
•
•
Schriften des großen Utopisten.
Fourier ist für sie ein „Genie“, der „grösste Satiriker aller Zeiten“, hat das „Ei
des Kolumbus der Sozialphilosophie“ gefunden.
Sie begannen auch seine Verachtung gegenüber der „reinen Philosophie“ zu
übernehmen (was letztlich in den Thesen über Feuerbach mündete).
Besonders Engels studierte das Gesamtwerk Fouriers und verteidigte ihn
engagiert und sogar wütend gegen seine Kritiker (z.B. Eugen Dühring).
Fouriers Vision von der „Harmonie“ wurde zum Bezugspunkt ihrer
Vorstellungen von einer kommunistischen Zukunftsgesellschaft.
Sie benannten aber auch seine unbestreitbaren zeitbedingten
Unzulänglichkeiten und Inkonsequenzen: keine Abschaffung der sozialen
Klassen, vorindustrielle Produktionsformen usw, mahnten aber ausdrücklich
an, das „Gold“ in seiner Soziologie nicht zu übersehen, sondern
aufzugreifen und zu übernehmen.
Engels über Fouriers Thesen zur
anziehenden Arbeit
„Fourier weist nach, daß jeder mit der Neigung für
irgendeine Art von Arbeit geboren wird, (…) daß das
Wesen des menschlichen Geistes darin besteht, selber
tätig zu sein (…), und daß daher keine Notwendigkeit
besteht, Menschen zur Tätigkeit zu zwingen, wie im
gegenwärtig bestehenden Gesellschaftszustand, sondern
nur die, ihren natürlichen Tätigkeitsdrang in die richtige
Bahn zu lenken. Er (…) zeigt die Vernunftwidrigkeit
der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, die
beide voneinander trennt, aus der Arbeit eine
Plackerei und das Vergnügen für die Mehrheit der
Arbeiter unerreichbar macht; weiter zeigt er, wie (….) die
Arbeit zu dem gemacht werden kann, was sie eigentlich
sein soll, nämlich zu einem Vergnügen, wobei jeder
seinen eigenen Neigungen folgen darf. (…)“
(Friedrich Engels: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent“)
Theorie der freien Arbeit
„Ich kann natürlich nicht Fouriers gesamte Theorie der
freien Arbeit durchgehen, und ich denke, dies wird
genügen, um den englischen Sozialisten zu zeigen, daß
der Fourierismus eine Sache ist, die durchaus ihre
Aufmerksamkeit verdient.
Es ist außerdem Fouriers Verdienst, die Vorteile, oder
besser gesagt die Notwendigkeit des
Zusammenschlusses gezeigt zu haben. Es dürfte
genügen, dieses Thema lediglich zu erwähnen, da ich
weiß, daß die Engländer sich seiner Wichtigkeit durchaus
bewußt sind.
(Friedrich Engels: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent“)
Engels Kritik an Fourier
Es gibt jedoch im Fourierismus eine sehr schwerwiegende
Inkonsequenz, und zwar die Beibehaltung des Privateigentums. In
seinen Phalanstères oder genossenschaftlichen Gemeinden gibt es
Reiche und Arme, Kapitalisten und Arbeiter. Das Eigentum aller
Mitglieder wird in einen gemeinsamen Fundus eingebracht, das
Unternehmen betreibt Handel, landwirtschaftliche und gewerbliche
Tätigkeit, und der Ertrag wird unter die Mitglieder verteilt: ein Teil
als Arbeitslohn, ein zweiter Teil als Prämien für Fachkenntnis und
Begabung, ein dritter als Verzinsung des Kapitals. (...) Dabei können
wir natürlich nicht stehenbleiben, und auch die Franzosen haben
hierbei nicht haltgemacht.
(Friedrich Engels: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent“)
Fourier geriet in Vergessenheit
• Noch August Bebel schrieb 1869 eine Monographie des großen Utopisten, dessen
•
•
•
•
•
•
Visionskraft er bewunderte.
Noch Rosa Luxemburg kannte ganz offensichtlich seine Schriften und zitierte
geflügelte Worte daraus (etwa in ihrer Polemik gegen Eduard Bernstein).
Auch Lenin waren die Theorien Charles Fouriers ganz offenkundig bekannt, da er
1923 den Begriff der „genossenschaftlichen Ordnung“ von Fourier gebrauchte, als
anstehende Aufgabe des sowjetischen Arbeiterstaates.
Der Surrealist und Trotzkist Andre Breton schrieb 1945 seine geradezu
hymnische „Ode an Charles Fourier“, nachdem er das Werk des nur noch dem
Namen nach bekannten großen Utopisten gelesen hatte.
Im Bereich des „offiziellen“ Marxismus (=Stalinismus) allerdings wurde Fourier und
seine Vision von der Harmonie zunächst vergessen und totgeschwiegen.
Stalin verstieg sich zu der Behauptung, Marx wäre ein „Feind der utopischen
Sozialisten“ und mithin Charles Fouriers gewesen (eine Geschichtsfälschung, wenn
auch nicht die schlimmste).
Sogenannte „kommunistische“ Staaten, die sich auf Marx und Engels beriefen, waren
strukturell als Zwangssysteme das glatte Gegenteil von Fouriers Harmonie, die
für Marx und Engels hinsichtlich der Organisation der Arbeit das Leitbild von einer
kommunistischen Zukunftsgesellschaft war.
4. Die Liebe in der Harmonie
• Vorbedingung der
•
•
•
•
Harmonie: eine neue
Erziehung („kein Kind
ist schlecht“).
Wohltaten der
Harmonie („Alles für
das Vergnügen“)
Kanzlei des
Liebeshofes
Liebesdienste im Alter
Über die Orgie
Fourier und die Liebe in der
Harmonie
Wenn es auch schwerfallen dürfte, den Ausführungen
Fouriers mit eben dem Ernst und der Naivität zu folgen,
die zweifellos den Autor beseelten, so wird doch nur der
einen Text wie den vorliegenden mit Gewinn lesen, dem
es ergeht wie einem der ersten Rezensenten Fouriers,
der im >Mercure de France< vom 9. Januar 1830
schreibt, er habe bei der Lektüre eines eben
erschienenen Fourier-Buchs an seiner eigenen Vernunft
mindestens ebenso sehr gezweifelt wie an der Fouriers.
Elisabeth Lenk in Einleitung zur deutschen Ausgabe der „Theorie der vier Bewegungen“ von Charles
Fourier 1966
Fouriers Auffassungen von der
Liebe in der Harmonie
• „Seit nunmehr dreitausend Jahren besudelt man
die Erde mit den abgeschmacktesten Faseleien
über die Leidenschaften. Wir müssen dem
Übel ein Ende setzen, methodisch vorgehen in
jedem Bereich, der das schmerzliche Rätsel der
Leidenschaften berührt“
• „Wenn wir in der Harmonie alle
Schattierungen der Liebe erfaßt haben
werden, wird diese bei uns so verachtete
Triebfeder unzählige Quellen der
Begeisterung erschließen“
Fouriers Auffassungen von der
Liebe in der Harmonie
• „Die Liebe ist die mächtigste Triebkraft der
leidenschaftlichen Annäherung, selbst bei
antipathischen Charakteren. Darum ist die Liebe
diejenige Leidenschaft, die am geeignetesten
ist, Beziehungen zwischen Menschen zu
knüpfen“
• „In der Harmonie, wo niemand arm und für
jedermann bis ins hohe Alter die Liebe
zugänglich ist, widmet ein jeder dieser
Leidenschaft einen bestimmten Teil des Tages;
die Liebe wird zur Hauptbeschäftigung“
Gesetzmässigkeiten der
Leidenschaften
• „Jede Leidenschaft bringt ihr Gegenstück hervor,
das ebenso schädlich ist, wie die natürliche
Leidenschaft heilsam gewesen wäre“.
• „(…) der menschlichen Vernunft hätte es besser
angestanden, jene unbezwingbaren Kräfte, die
man Leidenschaften nennt, nicht zu kritisieren,
sondern deren Gesetze zu studieren“.
Liebesordnungen
Sind in der Harmonie Neigungsklassen, die jederzeit
freiwillig gewechselt werden können
Beispiele (in der Reihenfolge wachsender sexueller
Vieltfalt):
• Vestalen und Vestalinnen (keine körperliche Liebe)
• Damoiseaux, Damoiselles (monogame Treue)
• Odalisken (ab hier ansteigend polygam)
• Fakiressen
• ….
• Bacchanten und Bacchantinnen
• Bayaderen (reisende Priesterinnen und Priester der Lust)
Zugehörigkeit zu Liebesordnungen
„Jeder Mann und jede Frau werden völlig
frei sein, nach eigenem Gutdünken zu
handeln und ihren Geschmack zu
wechseln, wann immer es ihnen gefällt;
aber sie sind verpflichtet, sich der Gruppe
anzuschließen, die ihre vorherrschende
Leidenschaft pflegt“.
Merkmale der Liebe in der
Harmonie
•
•
•
•
•
•
Alles für das Vergnügen.
Freie Frauen.
Der Harmonische Ball.
Nichts ist anstößig.
Kein Monogamiegebot.
Überwindung der
Eifersucht (u.a. durch ihre
„Kultivierung“)
• Nicht nur Paare, sondern
auch Quartette, Sextette
etc.
• Hörner aufsetzen für alle,
•
•
•
•
die darauf „stehen“.
Kein Konflikt mehr
zwischen Zärtlichkeit und
sexuellem Begehren.
Das „Fiasko“ ist nicht
mehr beschämend.
Unbeständigkeit wird zur
Tugend.
Versöhnung von
Unbeständigkeit und
Treue.
Alles für das Vergnügen
• „Bei der Berechnung der Anziehung muß sich
alles um das Vergnügen drehen, alles muß auf
die Garantie der Vergnügungen zielen“
• „In der Harmonie, wo großer Überfluß und eine
ungeheure Vielfalt von Vergnügungen herrscht
und wo das harmonische Leben allgemeine
Eintracht verlangt, muß der religiöse Kult die
Liebe zu Gott mit der Liebe zur Lust verbinden,
die keine Gefahren mehr bergen wird“
Polygamie
• „Die Polygamie, bei den Zivilisierten und Barbaren ein
Auswurf der Leidenschaft, wird in der Harmonie eine
hochherzige Beziehung sein (….)“.
• „Mit gutem Grund darf ich verheißen, daß die Harmonie
Keime der freiheitlichen Liebe hervorbringen wird, die
in der entgegengesetzten Richtung wie unsere
(heutigen) Bräuche und (….) eine hochherzige und
heilige Trunkenheit, eine erhabene Wohllust
bescheren wird, die unserem heutigen Egoismus weit
überlegen ist“
Laster und Tugend in der Harmonie
• „Laster heißt vor dem Gesetz der
Attraktion alles, was die Zahl der
Beziehungen vermindert, Tugend alles,
was sie vermehrt“
Auch die Monogamie ist erlaubt….
• „Jedem Paar steht es frei, den Ehebund
einzugehen; er wird sogar begünstigt und
gefestigt durch die Einführung von Ehe-Pausen,
d.h. der Aufhebung der Treuepflicht für eine
vereinbarte Zeitspanne, sofern diese Aufhebung
in der Kanzlei des Liebeshofs registriert
wird“.
• „In der Harmonie wird es keine Fallstricke mehr
geben. Die Paare erlangen die höheren
Liebesgrade erst im Laufe der Zeit; anfangs
haben sie keinen anderen Titel als den des
Favoriten oder der Favoritin“.
Unbeständigkeit wird zur Tugend
• „Wir werden (….) zeigen, daß die unbeständige
Liebe in der Harmonie die höchsten sozialen
Tugenden hervorbringt“
• „Die Unbeständigkeit birgt keine Gefahren mehr
und ist nützlich, wenn sie freundschaftliche
Beziehungen hinterläßt“
• „Die offen geübte Unbeständigkeit hat nichts
Lasterhaftes an sich, zumal dann nicht, wenn sie
auf gegenseitigem Einverständnis beruht“.
„Drehpunktliebe“
• Polygyne haben die „Eigenart, sich einen oder
mehrere Drehpunkte in der Liebe zu schaffen,
(…) eine Neigung, die sich durch alle Stürme der
Unbeständigkeit erhält“.
• „Bei dieser Liebe handelt es sich also um eine
zusammengesetzte Beständigkeit, die (…)
den Titel einer transzendenten Treue verdient“.
• „Die Drehpunktliebe ist wahrlich eine
transzendente Treue, und umso erhabener,
als sie die Eifersucht überwindet, welche die
gewöhnliche Liebe verunstaltet“.
Die „Zwiespältigkeiten“
• Weit entfernt von einer durch Zwänge und Verbote
•
•
reglementierten Sexualität erweist sich Fourier als
Kenner vielfältiger Spielarten der Sexualität (Homo- und
Bisexualität, „Perversionen“, Sado-Masochismus usw.).
Sogenannte „Zwiespältigkeiten“ oder
„Absonderlichkeiten“ werden „in der Harmonie den
Aufflug der sozialen Tugenden ungemein begünstigen“,
sie sind „unendlich kostbar“, „für die Einheit des Systems
der Bewegung wahrhaft unerläßlich“, „wie die Zapfen
und Fugen in einem Gebälk“.
„Die Natur will in den Vergnügungen eine ungeheure
Vielfalt“.
Zwiespältigkeiten: Homosexualität
• Homosexualität bezeichnet Fourier als
•
•
„unisexuell“, allerdings nicht wie später
Siegmund Freud als „Abirrung“.
Gegenüber der „Knabenliebe“ verhehlt er seine
„Nachsicht“ nur schlecht. Er weiß um die
Homosexualität bei antiken Autoren wie Lykurg,
Sokrates, Platon, Cäsar (kennt Plutarch sehr
gut), aber auch um das antike Lesbiertum und
heißt es gut.
In der Harmonie werden „unisexuelle Orgien“
ihren Raum bekommen.
Die Harmonie und die
Zwiespältigkeiten
• Selbst wenn nur vierzig Menschen auf der ganzen Welt
einer speziellen Neigung nachgehen, „dann wird man
sich bemühen, diese 40 Sektierer zusammenzubringen“,
•
deren Zusammenkünfte eine „Pilgerfahrt“ sein würden,
die „ebenso heilig ist wie die Reise nach Mekka“.
Es ist die Aufgabe der Harmonie, deren Anhänger „zum
Schutze dieser Art von Lustbarkeit
zusammenzuschließen“.
• In der Harmonie wird man sich „des Zwiespältigen
bedienen“, die zweispältigen Neigungen werden sich „in
Tugenden wandeln“, das Zwiespältige dient, wie alle
anderen Leidenschaften auch, dem guten Fortgang des
„gesellschaftlichen Konzerts“.
Freiheit und Zwiespältigkeiten
• Die Betrachtung der Zwiespältigkeiten in den
•
•
erotischen Leidenschaften führt Fourier aber
nicht zur Beliebigkeit und zur Gleichgültigkeit
gegenüber Zwang und Gewalt.
Insbesondere die Sklaverei und die
Erniedrigung der Frau werden von Fourier
angeklagt und verdammt.
Freiwilligkeit und der Zusammenschluß von
Menschen nach ihren Neigungen in Serien
ist prinzipielle Grundlage seines Konzepts.
Die harmonische Orgie
• „Die Natur treibt uns zur Liebesorgie“, sie ist „ein
natürliches Bedürfnis des Menschen“ und es
muß lediglich „die Ausübung dieses Vergnügens
geregelt werden“.
• „Sie verstärkt die Sympathien jedes Einzelnen
durch eine gemeinsame, kollektive Leidenschaft,
die für alle Beteiligten eine neue Beziehung
bedeutet“.
• Fourier beschreibt bis ins einzelne zahlreiche
Spielarten der „harmonischen Orgie“.
Liebesrechte alter Menschen
• In der Zivilisation ist das Alter verachtet, die
•
alten Menschen haben kein Recht auf die
Wohltaten der Liebe.
In der Harmonie dagegen werden Knaben reife
Frauen lieben können und Mädchen reife
Männer.
• „Jeder Greis wird aufgrund seiner Erfahrung ein
wertvoller Gefährte der Serien sein“.
5. Über die Freiheit in der Arbeit
• Nach der Bibel ist Arbeit eine Strafe für den Menschen.
• Für Fourier ist nur „Zivilisierte Arbeit“ ein Unglück für die
•
•
•
Menschen.
Die Arbeit ist in der Zivilisation bei Reichen verpönt.
Arme müssen arbeiten.
Wie ist so Liebe zur Arbeit möglich? Das ist in der
Gesellschaftsstufe der Zivilisation nicht möglich, sondern
erst in den „leidenschaftlichen Serien“ der künftigen
Gesellschaftsepochen.
Dazu muss die Menschheit bewusst und zielbewusst
Übergangsphasen schaffen und gestalten.
Andre Breton zu Charles Fourier
Mag auch die Soziologie mit wichtiger Miene und
mit leicht übertriebenem Nachdruck verkünden,
daß sie nunmehr erwachsen sei, ich sehe nicht,
mit welchem Recht sie Werken wie dem Ihren
den Stempel des Unstimmigen und Lächerlichen
aufdrückt, Werken, in denen eine Kühnheit, die
noch keine Grenzen kennt, wirklicher Humanität
dienstbar wird.
(Andre Breton)
Überflüssige, vergeudete Arbeit
• „Nichts ist lächerlicher als das
Durcheinander, das in der Arbeit der
Zivilisierten herrscht, die doch unzählige
ökonomische Abhandlungen verfaßt
haben“
• Zwei Drittel der Bevölkerung gehen nach
Fourier (gestorben 1837) keinen oder
sogar negativen Beschäftigungen nach.
Parasiten der Arbeit
Parasiten der Arbeit sind für Fourier zum Beispiel:
• an den Haushalt gefesselte Frauen;
• alle Angestellten, „deren Tätigkeiten nur infolge der
zerstückelten Arbeit nötig sind und darum in der
Assoziation überflüssig werden“;
• Militärapparate;
• Staatsbeamte;
• Arbeiten für die Regierung, die „jeder zu betrügen
sucht“;
• „neun Zehntel“ der Kaufleute und Handelsagenten
Recht auf Arbeit
„Gebt dem Zivilisierten eine Arbeit, die ihm
unwiderruflich gehört und die er ausüben kann,
wie und wann es ihm gefällt, ohne daß er von
einem ungerechten Aufseher abhängig ist und
sich mit Leuten einlassen muß, deren Sitten ihn
abstoßen. Gebt dem Zivilisierten die gleichen
Rechte wie dem Wilden, dem keine Macht
der Welt das Recht streitig machen kann, die
gleichen Arbeiten auszuführen wie die
Häuptlinge seiner Horde“.
Anziehende Arbeit
• Viele Geschöpfe im Tierreich arbeiten mit Lust, obwohl
•
•
•
•
sie doch faul sein könnten.
Zugrunde liegt ein „Sozialer Mechanismus“, der bewirkt,
daß sie (die Tiere) ihr Glück in der Arbeit finden: „…bei
ihnen hat die Anziehung alle Mühsal in Lust verwandelt“.
Dieser soziale Mechanismus ist auch dem Menschen
zueigen.
Leidenschaften müssen als die Triebfedern der Arbeit, als
„Hebel“ eingesetzt werden.
Statt Organisationen und Systeme des Arbeitszwangs
Oganisationen und Systeme der anziehenden Arbeit.
Bedingungsloses Grundeinkommen
In La Fausse Industrie (1836) begründet
Fourier, dass das Verbot fundamentaler
Naturrechte – wie jagen, fischen, Früchte
sammeln oder das Vieh auf dem
Gemeinschaftsbesitz zu weiden – darauf
hindeutet, dass die „Zivilisation“ jedem,
der keine Möglichkeit hat, seine
Bedürfnisse zu decken, einen
Lebensunterhalt schuldet.
Bedingungsloses Grundeinkommen
Grundeinkommen plus anziehende
Arbeit
»Da andererseits die Vielzahl, der ein reichliches
Minimum garantiert wird, nur wenig oder
überhaupt nicht arbeiten möchte, sollte ein zur
Arbeit anreizendes Industriesystem geschaffen
und organisiert werden, das den Arbeitswillen
des Volkes trotz seines Wohlbefindens weiterhin
wachhält.«
Charles Fourier, Die falsche Industrie, Paris 1836
Friedrich Engels über Fouriers
Theorie von der Arbeit
„Fourier war es, der zum ersten Male das große Axiom der
Sozialphilosophie aufstellte: Da jedes Individuum eine Neigung
oder Vorliebe für eine ganz bestimmte Art von Arbeit habe, müsse
die Summe der Neigungen aller Individuen im großen ganzen eine
ausreichende Kraft darstellen, um die Bedürfnisse aller zu
befriedigen.
Aus diesem Prinzip folgt: wenn jeder einzelne seiner persönlichen
Neigung entsprechend tun und lassen darf, was er möchte, werden
doch die Bedürfnisse aller befriedigt werden, und zwar ohne die
gewaltsamen Mittel, die das gegenwärtige
Gesellschaftssystem anwendet.
Diese Behauptung scheint kühn zu sein, und doch ist sie in der Art,
wie Fourier sie aufstellt, ganz unanfechtbar, ja fast selbstverständlich - das Ei des Kolumbus“.
(Engels in Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent
1843)
Bedingungen für anziehende
genossenschaftliche Arbeit
• Jeder Arbeiter ist Assoziierter, Dividende statt Lohn.
• Bezahlung entsprechend drei Fähigkeiten: Kapital,
•
•
•
•
•
Arbeit, Talent.
Arbeitsperioden müssen (bis zu 8 mal) wechseln, denn
„Begeisterung für eine Sache kann in Landwirtschaft /
Manufaktur nicht länger als 2 Stunden anhalten“.
Arbeit in Gesellschaft von Freunden.
Werkstätten und Anbauflächen müssen durch Eleganz
und Sauberkeit bestechen.
Arbeitsteilung so fortgeschritten, daß jeder Mensch sich
den Arbeiten widmen kann, die ihm zusagen.
Volles Recht auf Arbeit (sofern Aufrichtigkeit und
Befähigung unter Beweis gestellt worden ist).
Fouriers genossenschaftliche
Vorstellungen
• Fourier ging also nicht von einer Aufhebung der Klassen
•
•
•
•
aus, sondern im Grunde von der Aussöhnung von
Klasseninteressen.
Die meisten seiner ökonomischen Vorstellungen
diesbezüglich sind und waren daher angreifbar.
Fourier schrieb aus der Perspektive des vorindustriellen
Frankreich, kannte noch nicht das moderne
Industrieproletariat und war der politischen Sphäre
gegenüber gleichgültig (Politik war für ihn Ausdruck der
verhassten „Zivilisation“).
An der im Grunde an Aktiengesellschaften orientierten
Genossenschaftskonzeption scheiterten auch die
Versuchsphalanxen seiner Schüler (Fourieristen).
Bleibender wertvoller Kern seines Systems ist aber das
Konzept der anziehenden Arbeit.
Die Arbeit beflügelnde
Leidenschaften
• Die wichtigsten Leidenschaften für die Arbeit sind nach
•
•
•
Fourier Flatterlust, Streitlust, Übereinstimmungslust
Aber auch alle anderen Leidenschaften sind geeignet, die
Arbeit zu beflügeln.
Er beschreibt ausführlich die „Aufstellung von Armeen
(der Arbeit) mit Hilfe der Galanterie“ in der
harmonischen Zukunft.
Die „Arbeitsbörse“ ist die Institution der Harmonie zur
Verteilung und Organisation der anziehenden Arbeit
(Vermittlung von Arbeitsbedarf und Leidenschaften)
6. Fourianismus und Marxismus
• Warum verschwanden
die Fourierschen
Beiträge zum
wissenschaftlichen
Sozialismus, explizit
hereingenommen
durch Marx und
Engels, fast
vollständig aus dem
Bewusstsein der
„Marxisten“?
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
An Marx und Engels jedenfalls lag es nicht;
sie verehrten Fourier geradezu hymnisch.
Fourier, wie man sieht, handhabt die
Dialektik mit derselben Meisterschaft wie
sein Zeitgenosse Hegel.
(Friedrich Engels: "Die Entwicklung des
Sozialismus von der Utopie zur
Wissenschaft„)
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Zentrale Kategorien des wissenschaftlichen
Sozialismus („Marxismus“) stammen von Charles
Fourier.
Und der Charakter dieser Krisen ist so scharf
ausgeprägt, daß Fourier sie alle traf, als er die
erste bezeichnete als: crise pléthorique, Krisis
aus Überfluß.
(Friedrich Engels: "Die Entwicklung des
Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft„)
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
In diesen beiden Erscheinungsformen des ihr
durch ihren Ursprung immanenten Widerspruchs
bewegt sich die kapitalistische Produktionsweise,
beschreibt sie auswegslos jenen "fehlerhaften
Kreislauf", den schon Fourier an ihr entdeckte.
Aber "der Oberfluß wird Quelle der Not und des
Mangels" (Fourier), weil er es gerade ist, der die
Verwandlung der Produktions- und Lebensmittel
in Kapital verhindert.
(Friedrich Engels: "Die Entwicklung des
Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft„)
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Fourier nimmt die Bourgeoisie, ihre begeisterten Propheten von vor
und ihre interessierten Lobhudler von nach der Revolution beim
Wort. Er deckt die materielle und moralische Misere der bürgerlichen
Welt unbarmherzig auf; er hält daneben sowohl die gleißenden
Versprechungen der frühern Aufklärer von der Gesellschaft, in der
nur die Vernunft herrschen werde, von der alles beglückenden
Zivilisation, von der grenzenlosen menschlichen
Vervollkommnungsfähigkeit, wie auch die schönfärbenden
Redensarten der gleichzeitigen Bourgeois-Ideologen; er weist nach,
wie der hochtönendsten Phrase überall die erbärmlichste
Wirklichkeit entspricht, und überschüttet dies rettungslose Fiasko
der Phrase mit beißendem Spott.
(Friedrich Engels: "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur
Wissenschaft„)
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Fourier ist nicht nur Kritiker, seine ewig heitre Natur macht ihn zum Satiriker,
und zwar zu einem der größten Satiriker aller Zeiten. (...)
Noch meisterhafter ist seine Kritik der bürgerlichen Gestaltung der
Geschlechtsverhältnisse und der Stellung des Weibes in der bürgerlichen
Gesellschaft. Er spricht es zuerst aus, daß in einer gegebnen Gesellschaft
der Grad der weiblichen Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen
Emanzipation ist.
Am großartigsten aber erscheint Fourier in seiner Auffassung der Geschichte
der Gesellschaft. Er teilt ihren ganzen bisherigen Verlauf in vier
Entwicklungsstufen: Wildheit, Patriarchat, Barbarei, Zivilisation, welch
letztere mit der jetzt sogenannten bürgerlichen Gesellschaft, also mit der
seit dem 16. Jahrhundert eingeführten Gesellschaftsordnung
zusammenfällt, und weist nach, "daß die zivilisierte Ordnung jedes Laster,
welches die Barbarei auf eine einfache Weise ausübt, zu einer
zusammengesetzten, doppelsinnigen, zweideutigen, heuchlerischen
Daseinsweise erhebt“.
(Friedrich Engels: "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur
Wissenschaft„)
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Ich beabsichtigte anfangs, die brillante Kritik der Zivilisation, die sich in
den Werken Charles Fouriers zerstreut vorfindet, neben diejenige
Morgans und meine eigne zu stellen.
Leider fehlt mir die Zeit dazu.
Ich bemerke nur, daß schon bei Fourier Monogamie und
Grundeigentum als Hauptkennzeichen der Zivilisation gelten und
daß er sie einen Krieg des Reichen gegen den Armen nennt.
Ebenfalls findet sich bei ihm schon die tiefe Einsicht, daß in allen
mangelhaften, in Gegensätze gespaltenen Gesellschaften
Einzelfamilien (les familles incohérentes) die wirtschaftlichen
Einheiten sind.
(Friedrich Engels: "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats")
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
.... so machte Morgan das Maß übervoll, indem er nicht nur
die Zivilisation, die Gesellschaft der Warenproduktion, die
Grundform unserer heutigen Gesellschaft, in einer Weise
kritisierte, die an Fourier erinnert, sondern von einer
künftigen Umgestaltung dieser Gesellschaft in Worten
spricht, die Karl Marx gesagt haben könnte.
(Friedrich Engels: "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats")
Die subjektive Konkurrenz, der Wettstreit von Kapital gegen Kapital,
Arbeit gegen Arbeit usw., wird sich unter diesen Umständen auf den
in der menschlichen Natur begründeten und bis jetzt nur von Fourier
erträglich entwickelten Wetteifer reduzieren, der nach der
Aufhebung der entgegengesetzten Interessen auf seine
eigentümliche und vernünftige Sphäre beschränkt wird.
(Friedrich Engels: "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie")
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Von allen Systemen, die heutzutage noch von Bedeutung
sind, ist das einzige nicht kommunistische das von
Fourier, der seine Aufmerksamkeit mehr auf die soziale
Organisation der menschlichen Tätigkeit als auf die
Verteilung ihrer Erzeugnisse richtete. Alle diese
Tatsachen rechtfertigen den Schluß, daß eine zukünftige
soziale Revolution mit der Durchführung des
kommunistischen Prinzips endigen werde, und lassen
kaum eine andere Möglichkeit zu.
(Friedrich Engels: "Zwei Reden in Elberfeld")
Engels will hier sagen, dass der Gütergemeinschaft die Zukunft gehört,
lässt aber keinen Zweifel daran, dass Fouriers Konzeptionen der
sozialen Organisation der menschlichen Tätigkeit – trotz der nichtkommunistischen Ausrichtung seines Systems - unabdingbar zu
einer sozialistischen Zukunft gehören.
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Zu den problematischen und kritikwürdigen Aspekten des Fourierismus (Keine Aufhebung
der Klassen, Fouriers Hang zur pantheistischen Mystik) schreibt Friedrich Engels
1843:
...aber das kann man wegschneiden und beiseite werfen,
und es wird etwas bleiben, was bei den Saint-Simonisten
nicht zu finden ist: wissenschaftliche Forschung, kühles,
vorurteilsfreies, systematisches Denken, kurzum
Sozialphilosophie, während man den Saint-Simonismus
nur Sozialpoesie nennen kann.
(Friedrich Engels: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent")
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Betrachteten Marx und Engels Fouriers Konzept der anziehenden Arbeit als Phantasterei?
Keineswegs, im Gegenteil.
Über Fourier und Owen schreibt Engels:
Bei beiden soll der Mensch sich universell entwickeln durch universelle praktische
Betätigung und soll die Arbeit den ihr durch die Teilung abhanden gekommnen Reiz
der Anziehung wieder erhalten, zunächst durch diese Abwechslung und die ihr
entsprechende kurze Dauer der jeder einzelnen Arbeit gewidmeten »Sitzung«, um
Fouriers Ausdruck zu gebrauchen.
Beide sind weit hinaus über die dem Herrn Dühring überkommne Denkweise der
ausbeutenden Klassen, die den Gegensatz von Stadt und Land für der Natur der
Sache nach unvermeidlich hält, die in der Borniertheit befangen ist, als müßte eine
Anzahl von »Existenzen« unter allen Umständen zur Erzeugung eines Artikels
verdammt sein, und die die sich nach der Lebensweise sondernden »ökonomischen
Spielarten« von Menschen verewigen will, die Leute, die Freude an der Ausübung
grade dieser und keiner andern Sache haben , die also so weit heruntergekommen
sind, daß sie sich über ihre eigne Knechtung und Vereinseitigung freuen.
(Friedrich Engels: „Anti-Dührung")
Fouriers Beitrag zum
wissenschaftlichen Sozialismus
Gegenüber den Grundgedanken selbst der
tollkühnsten Phantasien des »Idioten« Fourier,
gegenüber selbst den dürftigsten Ideen des
»rohen, matten und dürftigen« Owen steht der
selbst noch ganz unter die Teilung der Arbeit
geknechtete Herr Dühring da wie ein vorlauter
Zwerg.
(Friedrich Engels: „Anti-Dühring")
Friedrich Engels greift sogar zur rhetorischen Keule, wenn
jemand wie Dühring das von ihm verehrte Genie Fourier
beleidigen will.
Engels über Fourier, aktuell bis
heute
„Wenn sich unsere deutschen halb und ganz
kommunistischen Dozenten nur die Mühe gegeben
hätten, die Hauptsachen von Fourier, die sie doch so
leicht haben konnten wie irgendein deutsches Buch,
etwas anzusehen, welch eine Fundgrube von Material
zum Konstruieren und sonstigen Gebrauch würden sie da
entdeckt haben! Welche Masse von neuen Ideen - auch
heute noch neu für Deutschland - hätte sich ihnen da
dargeboten!“
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846“
Dass Fourier heute leicht zu haben wäre, stimmt gleichwohl nicht
mehr; alle seine Werke sind vergriffen und werden nicht mehr
aufgelegt.
Engels über Fourier, aktuell bis
heute
Die guten Leute wissen bis auf die heutige Stunde der jetzigen
Gesellschaft gar nichts vorzuwerfen als die Lage des Proletariats,
und auch davon wissen sie nicht über die Maßen viel zu sagen.
Allerdings ist die Lage des Proletariats der Hauptpunkt, aber ist
damit die Kritik der heutigen Gesellschaft abgemacht?
Fourier, der außer in späteren Schriften diesen Punkt kaum berührt,
liefert den Beweis, wie man auch ohne ihn die bestehende
Gesellschaft als durchaus verwerflich anerkennen, wie man allein
durch die Kritik der Bourgeoisie, und zwar der Bourgeoisie in ihren
inneren Beziehungen, abgesehen von ihrer Stellung zum Proletariat,
zur Notwendigkeit einer sozialen Reorganisation kommen kann. Für
diese Seite der Kritik ist Fourier bis jetzt einzig.
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846“
Engels über Fourier
Fourier deckt die Heuchelei der respektablen Gesellschaft, den
Widerspruch zwischen ihrer Theorie und ihrer Praxis, die Langeweile
ihrer ganzen Existenzweise unerbittlich auf; er verspottet ihre
Philosophie, ihr Streben nach der perfection de la perfectibilité
perfectibilisante und der auguste vérité , ihre "reine Moral", ihre
einförmigen sozialen Institutionen, und hält dagegen ihre Praxis,
den doux commerce , den er meisterhaft kritisiert, ihre liederlichen
Genüsse, die keine Genüsse sind, ihre Organisation der
Hahnreischaft in der Ehe, ihre allgemeine Konfusion.
Alles das sind Seiten der bestehenden Gesellschaft, von denen in
Deutschland noch gar nicht die Rede gewesen ist. Freilich, man hat
hier und da von der Freiheit der Liebe, von der Stellung, der
Emanzipation des Weibes gesprochen: aber was hat man zustande
gebracht?
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846"
Engels über Fourier und die
„Philosophen des Sozialismus“
Ich will diesen weisen Herren ein kleines Kapitel von Fourier vorhalten,
woran sie sich ein Exempel nehmen können. Es ist wahr, Fourier ist
nicht aus der Hegelschen Theorie hervorgegangen und hat deshalb
leider nicht zur Erkenntnis der absoluten Wahrheit, nicht einmal zum
absoluten Sozialismus kommen können; es ist wahr, Fourier hat sich
durch diesen Mangel leider verleiten lassen, die Methode der Serien
an die Stelle der absoluten Methode zu setzen, und dadurch ist er
dahin gekommen, die Verwandlung des Meeres in Limonade, die
couronnes boréale und australe <nördlichen und südlichen Korona>,
den Anti-Löwen und die Begattung der Planeten zu konstruieren,
aber wenn es so sein muß, will ich doch lieber mit dem heitern
Fourier an alle diese Geschichten glauben, als an das absolute
Geisterreich, wo es gar keine Limonade gibt, an die Identität von
Sein und Nichts und die Begattung der ewigen Kategorien.
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846"
Engels über Fourier, aktuell bis
heute
Der französische Unsinn ist wenigstens lustig, wo der
deutsche Unsinn morose und tiefsinnig ist. Und dann hat
Fourier die bestehenden sozialen Verhältnisse mit einer
solchen Scharfe, einem solchen Witz und Humor
kritisiert, daß man ihm seine auch auf einer genialen
Weltanschauung beruhenden, kosmologischen
Phantasien gerne verzeiht.
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846"
Engels über Fourier, aktuell bis
heute
Die gelehrten Herren Deutschen, die so eifrig auf dem
"wilden Lebermeer" der grundlosen Theorie umhersegeln
und vor allem nach "dem Prinzip" des "Sozialismus"
fischen, mögen sich an dem commis marchand
<Kaufmannsgehilfen> Fourier ein Exempel nehmen.
Fourier war kein Philosoph, er hatte einen großen Haß
gegen die Philosophie und hat sie in seinen Schriften
grausam verhöhnt und bei dieser Gelegenheit eine
Menge Sachen gesagt, die unsere deutschen
"Philosophen des Sozialismus" wohltäten, sich zu Herzen
zu nehmen. Sie werden mir freilich entgegnen, daß
Fourier ebenfalls "abstrakt" war, daß er mit seinen Serien
Gott und die Welt trotz Hegel konstruierte, aber das
rettet sie nicht.
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846"
Engels über Fourier, aktuell bis
heute
Die immer noch genialen Bizarrerien Fouriers entschuldigen nicht die
ledernen sogenannten Entwicklungen der trockenen deutschen
Theorie. Fourier konstruiert sich die Zukunft, nachdem er die
Vergangenheit und Gegenwart richtig erkannt hat; die deutsche
Theorie macht sich erst die vergangene Geschichte nach ihrem
Belieben zurecht und kommandiert dann ebenfalls der Zukunft,
welche Richtung sie nehmen soll.
Man vergleiche z.B. Fouriers Epochen der sozialen Entwickelung
(Wildheit, Patriarchat, Barbarei, Zivilisation) und ihre
Charakterisierung mit der Hegelschen absoluten Idee, wie sie sich
mühsam durch das Labyrinth der Geschichte durcharbeitet und trotz
der vier Weltreiche am Ende doch noch mit Ach und Krach den
Schein einer Trichotomie zustande bringt - von nachhegelschen
Konstruktionen gar nicht zu sprechen.
Friedrich Engels in "Deutsches Bürgerbuch für 1846„
Trichotomie (aus griechisch tri- „drei“ und tome „Schnitt“) bezeichnet allgemein eine
Dreiteilung. Im übertragenen Sinn kann das Wort auch wie hier die Bedeutung
"Haarspalterei", "Spitzfindigkeit" annehmen.
Marx/Engels über den
Kommunismus
„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen
bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm
aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann (… ) - während in
der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen
ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem
beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine
Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies,
morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen,
abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich
gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu
werden“.
(Marx/Engels in „Die deutsche Ideologie“)
Wer in diesem humorvollen Satz nicht die explizite Würdigung der Ideen und
des Werkes von Charles Fourier erkennt, der hat von Marxismus nicht die
geringste Ahnung, hat sie niemals gehabt und wird sie niemals haben.
Chimären-“Marxismus“
„Marxismus“ ohne die fourieristische Sozialphilosophie der Organisation
menschlicher Tätigkeit als ein Kern ist „Chimären-Marxismus“.
Das völlige Verschweigen der Fourierschen Beiträge zum wissenschaftlichen
Sozialismus war eine wesentliche ideologische Voraussetzung für die
stalinistische Entstellung des Marxismus („Arbeitslager-Kommunismus“)
Jede Vorstellung einer auf „anziehender Arbeit“ beruhenden
Gesellschaftsordnung wäre eine offene Infragestellung des stalinistischen
Regimes gewesen, das sich bis 1991 so selbst verewigen wollte.
Selbst die von Lenin 1923 propagierte „genossenschaftliche Ordnung“ wurde
durch die Stalinsche Zwangskollektivierung ab 1929 in ihrem Wesen
deformiert, da Lenin diese auch als „Kulturrevolution“ angesehen hatte.
Es ist auch falsch, die Rolle des „genossenschaftlichen Zusammenschlusses der
gesamten Gesellschaft“ bei Lenin auf die Bauernschaft beschränken zu
wollen. Vielmehr zeigt sich gerade darin, dass Lenin in jeder Hinsicht ein
„klassischer Marxist“ war und seine Verwendung einer zentralen
fourieristischen Kategorie voll und ganz dem von Marx und Engels
begründeten wissenschaftlichen Sozialismus entsprach.
Marxismus und Kommunistische
Zukunftsgesellschaft
Ohne die Fourierschen Komponenten des wissenschaftlichen Sozialismus kann
es weder eine klare antizipierende Vorstellung von Sozialismus noch von
Kommunismus geben.
Dass es unstatthaft wäre, solche Vorstellungen zu entwickeln, ist stalinistischer
Unsinn.
Weder Sozialismus noch Kommunismus waren für Marx und Engels bloße
Abstraktionen einer obskuren Zukunft, entgegen allen bürgerlichen,
stalinistischen und vulgärmarxistischen Behauptungen.
Es kann aus der Tatsache, dass Marx und Engels zu ihrer Zeit die
Grundkomponenten der Fourierschen Geschichtskonzeption und seiner
„Sozialphilosophie“ als allgemein bekannt voraussetzten, nicht
geschlussfolgert werden, dass sie diese jemals obsolet angesehen hätten.
Die völlig eindeutige Quellenlage beweist das Gegenteil.
Der Schwerpunkt der Arbeit beider ab 1848 (Juni-Insurrektion in Paris) lag
historisch völlig folgerichtig in der Analyse der Gesetzmässigkeiten des
Kapitalismus („Das Kapital“) und in der praktischen Organisierung der
„realen Bewegung, die den bestehenden Zustand aufhebt“, nämlich der
Arbeiterbewegung, dem als Klasse organisierten Proletariat.
Stalinistischer Chimären“Marxismus“
Für den „Marxismus“ der stalinistischen Bürokratie konnte und durfte es keine
Zukunft im Sinne von Fourier, Marx und Engels geben, noch nicht einmal als
Utopie. Von daher „Verpönung“ des utopischen Sozialismus.
Der Stalinismus benötigte indes keine explizite Zensur zur Vertuschung dieser
Tatsachen, sondern verliess sich darauf, dass nach Lenins Tod ohnehin
kaum noch jemand diese Zusammenhänge darzustellen in der Lage war.
Nur verbreitetes profundes Unwissen über diese Kernkomponenten des
wissenschaftlichen Sozialismus machte es der konterrevolutionären
Bürokratie möglich, in den 30er Jahren das Erreichen des „Kommunismus“
in der UdSSR zu verkünden. Im Gegenteil war damit aber die Phase des
Thermidor beendet und vollendet (Restauration dann 1991/1993 durch die
stalinistische Bürokratie selbst).
Auch trotzkistische Strömungen wurden geistig – aus welchen Gründen auch
immer – in den Sog der stalinistischen Verkürzung und Verunstaltung des
„Marxismus-Leninismus“ hineingezogen.
Stalinistischer Chimären“Marxismus“
Und nun besehe man sich die kindliche Vorstellung des Herrn Dühring, als
könne die Gesellschaft Besitz ergreifen von der Gesamtheit der
Produktionsmittel, ohne die alte Art des Produzierens von Grund aus
umzuwälzen und vor allem die alte Teilung der Arbeit abzuschaffen; als sei
alles abgemacht, sobald nur »den Naturgelegenheiten und den persönlichen
Fähigkeiten Rechnung getragen« - wobei dann nach wie vor ganze Massen
von Existenzen unter die Erzeugung eines Artikels geknechtet, ganze
»Bevölkerungen« von einem einzelnen Produktionszweig in Anspruch
genommen werden, und die Menschheit sich nach wie vor in eine Anzahl
verschieden verkrüppelter »ökonomischer Spielarten« teilt, als da sind
»Karrenschieber« und »Architekten«.
(Friedrich Engels: „Anti-Dühring")
Nichts anderes hätte Engels zu stalinistischen
Wirtschaftskonzepten geschrieben, wenn er sie denn
gekannt hätte.
Forderungen der Kommunistischen
Partei in Deutschland 1848
....
17. Errichtung von Nationalwerkstätten. Der
Staat garantiert allen Arbeitern ihre
Existenz und versorgt die zur Arbeit
Unfähigen.
....
(Garantismus nach Charles Fourier)
Abschlussthesen
• Die Rekonstruktion eines authentischen revolutionären
•
•
Marxismus führt notwendigerweise über die
Rehabilitierung der Beiträge Charles Fouriers zum
wissenschaftlichen Sozialismus.
Dies führt auch erst zur Klarheit über die
bevorstehenden revolutionären Umwälzungen und die
Aufgaben der kommenden Epochen: Garantismus
/Sozialismus, Soziatismus, Harmonie/Kommunismus.
Das schützt auch nachhaltig vor stalinistischen und
poststalinistischen Verirrungen, aber auch vor ReformIllusionen in den Kapitalismus.
Aus der „Ode an Charles Fourier“
Andre Breton
Ich grüße dich aus dem Versteinerten Wald
der menschlichen Kultur
In dem alles am Boden liegt
Durch den aber große kreisende Lichter streifen
Sie rufen dazu auf das Laubwerk und den Vogel zu erlösen
Aus deinen Fingern quillt der Saft der blühenden Bäume
weil du im Besitz des Steins der Weisen
Nur deiner ersten Regung folgtest
die dir eingab
ihn den Menschen hinzustrecken
Doch zwischen dir und ihnen kein Vermittler
Kein Tag verging an dem du nicht eine Stunde lang
voller Vertrauen
In den Gärten des Palais-Royal auf ihn gewartet hättest
Aus der „Ode an Charles Fourier“
Andre Breton
Die Anziehungen
sind proportional
den Bestimmungen
Weswegen ich heute
zu dir komme
Ich grüße dich