Wie nachhaltig lässt sich eine systemtherapeutisch erweiterte

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Transcript Wie nachhaltig lässt sich eine systemtherapeutisch erweiterte

Dr. med. Markus Haun
Klinik für Allg. Innere Medizin & Psychosomatik
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Wie nachhaltig lässt sich eine
systemtherapeutisch erweiterte
Behandlungspraxis
in allgemeinpsychiatrischen Kliniken
implementieren?
Systemisch-familientherapeutische
Psychiatrie
•
Fokus nach von Sydow et al. (2010) und Retzlaff et al. (im Druck):
– Psychische Beschwerden im Kontext der sozialen, beruflichen und
lebensgeschichtlichen Situation des Patienten z. B. Simon 1993; Ruf 2005
– Rekursiver Zusammenhang zwischen Beschwerden und
interpersonellem Geschehen sowie damit verbundenen
Wirklichkeitskonstruktionen z. B. Butzlaff & Hooley 1998 Arch Gen Psychiatry
•
“Angehörige von Patienten mit Schizophrenie sind von der Erkrankung
mitbetroffen. Gleichzeitig sind Angehörige langfristig die wichtigste Quelle
der sozialen Unterstützung für die Patienten. Angehörige sollten daher in
allen Phasen der Erkrankung in die Behandlung einbezogen werden.“
S3-Leitlinie Schizophrenie der DGPPN
Systemtherapeutische Methoden
psychiatrischer Akutversorgung (SYMPA)
• Multizentrisches Projekt in drei dt. Allgemeinpsychiatrien
(Gummersbach, Paderborn, Wunstorf) (2003-2007)
Schweitzer et al. 2007 J Fam Ther, Crameri et al. 2009 Psych Prax
• Gemeinsam geteiltes Fallverständnis und systemische
Interventionen als Teil der Behandlungsroutine auf sechs
Stationen (Erstdiagnose: ICD-10 F2, F3, F4 oder F6)
• 27tägige multiprofessionelle Weiterbildung (Grundkurs
DGSF/SG) der Mitarbeiter (N=100) Vieten et al. 2009 Kontext
• Klinische Studie (RCT) zur Behandlungseffektivität (N=187):
ebenbürtige Wirksamkeit (BPRS-Score als primary endpoint)
Das Dissertationsthema:
• Wie nachhaltig können die einzelnen
Interventionen angewandt werden? Welche
eignen sich besonders? Ginap 2006; Grebe et al. 2007; Twardowski 2005
• Wie beeinflusst der Ansatz Mitarbeiterbelastung
& Organisationskultur? Zwack & Schweitzer 2008 Psych Prax
Rahmenmodell
ANWENDUNGSEBENE:
KLINISCHE PRAXIS AUF STATION
um systemische Beratungsmethodik erweiterte
Behandlungsroutine
„patientenbezogenes Problemsystem als
Kooperationspartner“
• Zugang:
Klinisch-anwendungbezogene
Forschungsperspektive
Zentraler Faktor: konsensfähiger Therapieplan
• Evaluationsmethode: quantitativ
 Fragebögen (CSA, SIFB)
VERBINDUNGSELEMENT
Kommunikationen der
Mitarbeiter
ORGANISATIONSEBENE:
DIE KLINIK
Spannungsfeld zwei zentraler Faktoren:
Kontextvariablen einer systemischpsychiatrischen Organisationskultur
vs
psychiatriespezifische Systemrationalität
als Hindernis
RELEVANTE UMWELTEBENE:
ANGEHÖRIGE UND PSYCHIATRISCHES
VERSORGUNGSNETZWERK
Zentraler Faktor: umweltspezifische Salienz
der Klinik
• Zugang: Forschungsperspektive der
Organisationsentwicklung
• Evaluationsmethode: qualitativ
 leitfadengestützte Experteninterviews
Methodik
„At sunset, when the sky over a Wisconsin field is rosy and glowing,
•cows
Verbindung
qualitativen
(Experteninterviews)
einerthe
are pink.einer
At that
moment and
in that particular mit
context,
quantitativen Methode (Fragebogenerhebung)
description of pink for cows is really true.
Denzin 1989; Flick 1992 Journal for the Theory of Social Behaviour; Ochs 2009 Psychotherapeutenjournal
•This
zunächst
selbstentwickelter
Systemischer
Interventionsis phenomenology.
True knowledge
is relative.”
fragebogen (SIFB) zur Einschätzung der Anwendungshäufigkeit und Durchführung von vierCarla
Kerninterventionen
M. Dahl & Pauline Boss
–
–
–
–
Auftrags- und Therapiezielklärung
Genogramminterview
systemisches Familiengespräch
Reflecting Team
Methodik
• hauptsächlich deskriptive sowie varianzanalytische
Auswertung
• in einem zweiten Schritt halbstrukturierte Mitarbeiterinterviews zu Veränderungen in der Organisationskultur sowie
strukturellen Hindernissen (N=56, mean duration: 42 min)
• Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring software-gestützt mit
ATLAS.ti 5.0
– Textanalyse unter Anwendung eines Kategoriensystems
Ergebnisse: Nachhaltigkeit von drei
systemischen Kerninterventionen
Haun et al. 2013 J Fam Ther
Auftrags- und Therapiezielklärung
„Die Auftragsklärung hat mehr Zufriedenheit geschaffen. Wir müssen
nicht jeden überzeugen, dass Medikamente das Allheilmittel sind. Wir
müssen nicht jeden zwangsuntergebrachten Patienten überzeugen,
dass das jetzt eine gute Sache ist. Wir können uns
mal mit dem
Patienten in ein Boot setzen und sagen, er ist gezwungen hierher zu
kommen, und wir sind gezwungen dem Richter eine Antwort zu geben.
Das hat viel Erleichterung geschaffen und auch Zufriedenheit.“
• flächendeckende Integration in die Dokumentation
• auch im Langzeitverlauf zentral zur schnellen
Informationssammlung über das Problemsystem
[Ärztin]
Genogramminterview
„Wir erstellen Genogramme, um die dann auch nachhaltig nutzen zu
können. Da hat man immer gleich einen Überblick, wenn der Patient
kommt. Holt man das Genogramm raus, hat man einen kurzen Ablauf
von seiner ‚Psychiatriekarriere‘. Das ist auch im Aufnahmegespräch
sehr hilfreich, weil man da auch verschiedene Anknüpfungspunkte
findet.“
[Gesundheits- und Krankenpfleger]
• besonders geeignet bei immer wieder aufzunehmenden
„Drehtür-Patienten“
• Anknüpfungspunkt für neueinsetzende bzw. weiterführende
Therapien
Reflecting Team
„Wir hatten in einer Intervision eine Patientin, bei der ich wirklich auch
selbst gedacht habe: Ist das frustrierend! Sie war so schwierig. Wir
hatten sie schon zwei Malbesprochen als Fall. Dann war die Patientin in
der Teamsitzung, und wir hatten die andere Station als Reflecting
Team anwesend. Da kamen wirklich wunderbare Sachen raus. Das
fand ich ziemlich positiv.“
[Gesundheits- und Krankenpflegerin]
• hoher Organisationsaufwand
• Höhepunkt im subjektiven Arbeitsalltag der Mitarbeiter
(„hautnahes“ Feedback)
Organisationskultur: Bedürfnisorientierung
Strukturelle Hindernisse:
•
unklare Rolle der in
Rotation befindlichen
Assistenzärzte
•
der weitläufige
Personalmangel
•
tendenzielle Überbelegung
der Stationen
Exkurs: Diplomarbeit
Dipl.-Psych. Henrike Kordy (jetzt Bremen)
“Bei höherem Kompetenzerleben der Pflege und uneinheitlicher
Teamklimaentwicklung zeigen sich für 2 Burnout-Dimensionen
weiterhin signifikant positive Effekte.“
Ausblick
• Erfolgreiche Implementierung im Regelbetrieb von drei Kliniken mit
regionalem Versorgungsauftrag (ohne zusätzl. Personal)
• Therapeutische Arbeit vor dem Hintergrund intensivierter
Bedürfnisorientierung und Verhandlungskultur
• weiterhin Bedarf an klinischen Studien im kassenärztlichen Kontext
(Störungsfelder Angst & Somatoforme S., Moderatorvariablen,
Operationalisierung von therapeutischen Foci/Outcomes, z. B. per
EXIS
Aguilar Raab in prep.
oder SCORE Stratton et al. 2010 J Fam Ther)
• Anknüpfungspunkte auch für andere Kontexte (home treatment
team Ansatz, Psychosomatik, KJP u. a.)
Tiefer Dank an
• die Kliniken in Gummersbach, Paderborn und Wunstorf
sowie ihren Leitungen
• Prof. Dr. Jochen Schweitzer, Heidelberg
• Dr. Matthias Ochs, Wiesbaden
• Dipl.-Psych. Henrike Kordy, Bremen
• Dr. Julika Zwack, Heidelberg
• Dr. Volkmar Aderhold, Greifswald
• meine Eltern und Uwe Loda
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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