Ruthard Stachowske - Bundesverband Katholischer Ehe

Download Report

Transcript Ruthard Stachowske - Bundesverband Katholischer Ehe

Patchwork und andere Lebensformen
Jahrestagung des Bundesverbandes Katholischer Ehe-,
Familien- und Lebensberaterinnen und -berater e.V.
4.-7. Mai 2011, Ringberg-Resort-Hotel Suhl
Freitag, 6. Mai 2011
Patchwork-Familien
und ihr System
der Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -1-
Danke für die Einladung
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -2-
Patchwork-Familien
und ihr System der Generationen …
ein spannendes,
interessantes und bewegendes,
komplexes Thema
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -3-
… ich spreche über …
 Familie
 Patchwork
 Generationen
 und das System der
Generationen dahinter
 Paarbildung Familienentwicklung Mehrgenerationenperspektive
 Patchwork-Familien und das
System der Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -4-
Definition des Themas
 Familie
 Patchwork
 Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -5-
Der Begriff Familie
Familie – etymologisch - Begriff "familiär"

"eng verbunden, vertraut, allzu vertraulich, mit der
französischen Endung familière, aus dem älteren
familiar entwickelt, das auf lateinisch familiaris = zur
Familie gehörig, vertraut, vertraulich zurückgeht. "
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -6-
Familie - ein Begriff, den wir alle kennen

Familien erleben wir …
– indem wir sie „als Kind erlebt haben"
– indem wir mit dieser tiefen Lebenserfahrung des
Erlebens von Familie als Kind später selber
Familien gründen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -7-
Familie ist aber der Ort …





… in dem sich die Seele entwickelt
in dem das Gefühl vom Leben, von Liebe, von
Beziehung, von inneren Werten und Normen gelernt
wird
und so tief gelernt wird, dass wir dieses Erlebte in
das erwachsene Leben mitnehmen
die Art des erwachsenen Lebens ist auch eine
Reproduktion des ursprünglich Erlebten, des Lebens
in „meiner Herkunftsfamilie“
das erwachsene Leben eines Menschen erzählt so
etwas wie die Geschichte der Kindheit, die Geschichte
der eigenen Herkunftsfamilie
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -8-
Definition des Themas
 Familie
 Patchwork
 Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -9-
Nun zu dem nächsten Begriff der Überschrift:
„Patchwork“.




die Welt hinter dem alltagssprachlichen Begriff
„Patchwork-Familien“…
… Patchwork bedeutet zuerst einmal Flickwerk
Flickwerk in der alltagssprachlichen Begrifflichkeit
immer etwas von ungenügend, nicht vollkommen
der Duden: „Technik zur Herstellung von
Kleiderstoffen, Decken, Wandbehängen o.ä., bei der
Stoff- oder Lederflicken in den verschiedensten
Formen, Farben und Mustern zusammen gesetzt
werden“.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -10-



es sagt aus, dass etwas Neues entsteht
die vielen wunderschönen Patchwork-Decken, die ich
kenne, geben ja Anlass zu der Hoffnung, dass
Patchwork etwas Schönes, Neues, Interessantes,
Individuelles ist
und wenn es dann eine Decke oder eine Jacke ist,
dann ist es auch noch etwas, das gut tut
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -11-
hier drängt sich der aristotelesche Satz auf,
„das Ganze ist mehr als die Summe seiner
Teile.“
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -12-


die Geschichte von Patchwork-Familien ist manchmal
eine andere ist als die, sich „nur“ über das neu
entstandene zu freuen
Familien, die aufgrund von Veränderungen,
Trennungen, und das bedeutet immer auch in der
Folge von schmerzvollen Erfahrungen, sich neu
gefunden haben und versuchen, neue Familien zu
gründen, sich neu zu formieren
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -13-

„Der Begriff der Stieffamilie, welcher die Erfahrung
des Verlustes der alten Familie herausschreit, teilt
diese Zuversicht nicht; er klingt, als sei es nicht
möglich, diesen Verlust zu verkraften“.
(Bliersbach, 2010, 20)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -14-



„In einer Patchwork-Familie verläuft die
Beziehungsgeschichte des Paares zu den Kindern
asymmetrisch. […]
Damit ist ein Ungleichgewicht im
Beziehungsverhältnis Elternpaar zu den Kindern
etabliert – wenn der leibliche Elternteil seiner
Beziehung zu seinen Kindern sicher ist, ist der
Stiefelternteil verunsichert[…]
Für die Kinder ist das Problem ähnlich: auch sie
müssen in der asymmetrischen Beziehung erst
zurechtkommen.“
(Bliersbach, 2010, 20)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -15-
„Unsere Märchen erzählen von „PatchworkFamilien“ als Teil des Lebens




Schneewittchen verlor seine Mutter und hatte nach
der erneuten Heirat ihres Vaters mit einer Stiefmutter
zu tun
Aschenputtel verlor ihre Mutter. Ihr Vater heiratete
erneut und sie wurde von ihrer Stiefmutter und ihrer
Stiefschwester ins Abseits der Familie gedrängt.
Hänsel und Gretel werden von ihrem Vater und ihrer
Stiefmutter in mörderischer Absicht im Wald
ausgesetzt
und im Märchen Tischlein deck dich hat die
Stiefmutter die Gestalt einer tückischen Ziege, die
nicht zufriedenzustellen ist“
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -16-
Zeitdimension
Gesellschaft
Großelterngeneration
Elterngeneration
Individuum
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -17-
Die Familie
Mutter
Vater
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -18-
Die Familie
Großeltern
Großeltern
Mutter
Vater
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -19-
Trennung der Eltern
Vater
Mutter
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -20-
Die Mutter hat einen neuen Partner
ein Kind wird geboren
Vater
Mutter
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -21-
Der Vater hat eine neue Partnerin
ein Kind wird geboren
Vater
Mutter
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -22-
Vater
Mutter
Kind
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -23-
Definition des Themas
 Familie
 Patchwork
 Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -24-
die etymologische Erklärung des Begriffs
Generationen …



ist eng mit dem griechischen Begriff genesis und dem
römischen generatio verbunden.
Dem griechischen Wort liegt das Verb genistai
zugrunde, es meint, to come into existence, ins
Dasein gelangen und umschreibt das Überschreiten
der – sich stets verschiebenden – Schwelle zu Leben.
In der römischen Antike meint der aus dem
Griechischen übersetzte Begriff generatio Entstehung,
Erzeugung, Zeugung. Dabei bringt das Erzeugende
etwas hervor, das ihm der Form nach ähnlich ist
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -25-

„So wird das Über-Ich des Kindes eigentlich nicht nach dem
Vorbild der Eltern, sondern des elterlichen Über-Ichs aufgebaut;
es erfüllt sich mit dem gleichen Inhalt, es wird zum Träger einer
Tradition, alter zeitbeständigen Wertungen, die sich auf diesem
Wege über Generationen fortgepflanzt haben. […]

Die Menschheit lebt nie ganz in der Gegenwart, in Ideologien des
Über-Ichs lebt die Vergangenheit, die Tradition der Rassen, des
Volkes fort, die den Einflüssen der Gegenwart, neuen
Veränderungen nur langsam erreicht und solange sie durch das
Über-Ich wirkt, eine mächtige, von ökonomischen Verhältnissen
unabhängige Rolle im Menschsein spielt.“
(Sigmund
Freud)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -26-


im Sinne der Mehrgenerationen-Familientherapie ist
es genau dieses System der Generationen, das
unsere Lebensentwicklung beeinflusst
individuelles Leben ist heute immer auch Ausdruck
eines Mittragens der familiären und kulturellen
Identität, die ich als Kind erlebt habe – und wiederum
meine Eltern und wiederum die Eltern, die die Kinder
erziehen, leben in diesen die Kinder in ihrem Leben
begleiten, das, was sie wiederum selber als Kinder in
ihrer Familie erlebt haben.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -27-

„In sehr verkürzter Form ausgedrückt geht es dabei
darum, dass Eltern ihren Kindern Konflikte vermitteln,
die sie in ihrer Geschichte mit ihren eigenen Eltern
erlebt und nicht verarbeitet haben.

Es geht nicht mehr nur um die horizontale
Interaktionsstruktur in der Familie, also die
Beachtung der familiären Situation dieser Familie,
sondern es geht darum, in diesem familiären Jetzt die
Beziehungsstrukturen auch in vertikaler Richtung zu
verstehen und zu bearbeiten“
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -28-

In der Mehrgenerationen-Familientherapie wird davon
ausgegangen, „dass das Früher im heute wirksam
ist“. Dies geschieht durch vielfache interfamiliäre
Übertragungsprozesse.

Eine der wichtigen theoretischen Aussagen der
Mehrgenerationen-Familientherapie ist: Wir nehmen
an, dass sich in Familien über Generationen im
Wesentlichen immer wieder dieselben Konflikte
abspielen, dass also ein intrafamiliärer
Wiederholungszwang besteht.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -29-
Die mehrgenerationale
Perspektive
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -30-
Die individualzentrierte Perspektive verstellt den Blick auf das
Mikrosystem Familie und das Makrosystem Gesellschaft und
Kultur, die die Entwicklung individueller Lebensentwürfe
nachhaltig beeinflussen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -31-
Ruthard Stachowske,
Prof. Dr. phil., Diplom-Sozialpädagoge
 Ausbildung im pädagogischen Rollenspiel,
Gestalttherapie
 Familientherapie, Systemische Beratung, Psychotherapeut
 Leiter der Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch
(Stationäre Langzeittherapie für drogenabhängige Eltern
und ihre Kinder)
 Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
ImFT
 Honorarprofessur ehs-Dresden
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -32-

Ich möchte mich Ihnen gerne auch durch eine
biographische Reflexion vorstellen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -33-
Mein Genogramm = meine Herkunftsfamilie
Mein Vater
Paul
1921
geb. in
Wolhynien
Meine Mutter
Alma
1927
geb. in
Wolhynien
Martin
1955
Andreas
1957
Ruthard
geb. 1957 in Deutschland
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -34-
Dies ist ein Teil meiner Lebensgeschichte…
… nun der andere:

Ich bin auch Kind von Russland-Deutschen Eltern, die 1945
auf der Flucht vor dem Krieg aus dem heutigen Polen nach
Westdeutschland geflohen sind.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -35-
2. Flucht 1945
1. Flucht 1941
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -36-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -37-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -38-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -39-


Mein Vater hat selten über diese Zeit gesprochen und
ich habe ihn selten weinen sehen – nur, ich trage ein
tiefes Gefühl der Trauer in mir, wenn ich an meinen
Vater, seine Jugend und das Grauen denke, das er
erlebt hat….
und das er als Teil der deutschen Kultur wie viele
andere miterlebt hat.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -40-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -41-

Ich bin in Westdeutschland groß geworden – jedoch „als
Flüchtlingskind inmitten der Einheimischen“.

Dies hat mein Leben geprägt, das Gefühl, als „Polacke“
beschimpft zu werden und wie ein „Untermensch“
behandelt zu werden.

Denn der Nationalsozialismus war 1945 nicht zu Ende, er
hat viel zu oft in den Seelen der Menschen weitergelebt.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -42-

Dies ist meine Familie – dies ist aber auch eine
extrem traumatisierte Familie, die mich auf meinem
Weg ins Leben begleitet hat.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -43-

[…] Unsere Familienepochen zeigen nun immer
wieder, dass die politisch-militärischen Geschehnisse
der Nazi-Zeit diese Voraussetzungen für die Erfüllung
der elterlichen Aufgaben beeinträchtigt.

[…] Diese Geschehnisse entziehen sich der Kontrolle
des einzelnen, überwältigen uns, greifen schicksalhaft
in unser Leben ein und lassen uns als Opfer, Leidende
oder Überlebende in einem historischen Drama
erscheinen, das sich außerhalb unseres Willens und
unserer Verantwortlichkeit abspielt.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -44-

Die frühe Kindheit, die entscheidenden Lebensjahre unserer
Patienten, sind psychoanalytisch nur dann richtig zu
verstehen, wenn dieser Zusammenhang bewusst wird und
nicht der Versuch unternommen wird, davon abzusehen,
wie es häufig geschieht.“
Speyer 1992,25
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -45-
„Was ist aus den Polen geworden, die in den Häusern
gelebt haben, in denen ihr dann gelebt habt?“
Und meine Familie erklärte mir:
„Man schickte sie ins Protektorat.“
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -46-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -47-
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -48-

„Unsere Lebensform ist mit der Lebensform unserer
Eltern und Großeltern verbunden durch ein schwer
entwirrbares Geflecht von familialen, örtlichen,
politischen, auch intellektuellen Überlieferungen –
durch ein geschichtliches Milieu also, das uns erst zu
dem gemacht hat, was und wer wir heute sind “
(Habermas 1986/1, zit. N. Heimannsberg 1992, 18)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -49-
Nun zur
wissenschaftlichen Erklärung des
Themas
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -50-

„Werden die Missetaten der Väter
heimgesucht bis ins dritte und vierte Glied“
(Römer II)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -51-

„Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne zum
Reden und oft fand ich den Sohn als des Vaters
entblößtes Geheimnis“.
(Friedrich Nietzsche 1883)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -52-
Mehrgenerationale
Familientherapie
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -53-

„Das offensichtliche Störungsbild des Einzelnen ist
somit nur Ausdruck eines mehrgenerational
gewachsenen Prozesses, in dem dieser ‚Einzelpatient‘,
der therapeutische Hilfe sucht, einen historischen
Prozess einer spezifischen Subkultur nicht mehr allein
bewältigen kann“
(Massing 1992, S.47)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -54-

„Es ereignet sich im Prinzip immer wieder dasselbe.
[...] [Da] das Früher im Heute wirksam ist, dass
verschiedene Entwicklungsepochen der
Vergangenheit in der Gegenwart noch wirken.“
(Massing et. Al. 1992, S.21)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -55-

„Die Gesellschaft als Ganzes kann in jeder neu
heranwachsenden Generation mit einer von dieser
nicht selbst verursachten Schuld vorbelastet sein“
(Boszormenyi-Nagy/Spark 1990, 88
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -56-
Rückkoppelungsprozesse
im System der Generationen
eine Einführung
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -57-

Das Beispiel des Holocaust und seine Folgen für die
Generationen danach ebenso wie das kollektive
Verdrängen des Nationalsozialismus lehren uns, die
existenzielle Dimension mehrgenerationaler Prozesse
zu verstehen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -58-

„Dass die Kinder der Täter und Mitläufer oft von
Angst und Grauen getriebene Lebensläufe hatten,
konnte ein anderes, schier unerträgliches Paradox
nicht mildern: Die Generation der Täter scheint kaum
gebüßt zu haben. Viele ließen ihre Frauen büßen und
dann ihre Kinder, da sie weiterhin ‚ihre‘ Opfer
brauchten; und da wiederum ist es, ganz ähnlich wie
in jüdischen Familien, oft nur eines aus der Reihe der
Geschwister, das durch Beunruhigung und Leid die
verborgene Geschichte ans Licht bringt. Man könnte
darin ein Stück transgenerationaler historischer
Gerechtigkeit sehen“
(Moser 1997, S.10)
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -59-
Der Faktor Zeitgeschichte
im System der Generationen
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -60-
Zeitdimension
Gesellschaft
Großelterngeneration
Elterngeneration
Individuum
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -61-
Paarbildung in der
Mehrgenerationenperspektive
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -62-

Aus familiendynamischer Sicht erscheint die
Paarbeziehung nicht nur, wie traditionell konzipiert als
„Zweierbeziehung“, sondern als Begegnung zweier
Familiensysteme.

Die Partnerwahl ist nicht nur das „am meisten
charakteristische Symptom eines Individuums“, […]
sondern des Familienverbandes, aus dem dieses
stammt.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -63-

Der Paarbildungsprozess hat dabei eine ganze Reihe
offen auftretender oder „stiller“ Teilhaber: die
Herkunftsfamilien der Partner, die Schwiegerfamilien,
die evtl. geplanten, gezeugten oder bereits
geborenen Kinder, die Peers der Partner sowie der
jeweiligen mikro- und makrosozialen Normen und
Entwicklungen.

Das Paar hat zu seiner Konstituierung zwei
Individuationsleistungen zu erbringen – gegenüber
dem sozialen Umfeld und den Erwartungsmustern
und gegenüber den Herkunftsfamilien.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -64-

Partner wollen einerseits mit Hilfe des Anderen bisher
unbewältigte Konflikte lösen, in der eigenen
Herkunftsfamilie erfahrene Defizite ausgleichen, dort
herrschende Beziehungsmuster verändern.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -65-

Während nun die skizzierten Veränderungswünsche
eher bewusstseinsnah sind, setzt sich gleichsam unter
der Hand der Beteiligten eine Tendenz zur
Fortsetzung der bisherigen Konflikt- und
Beziehungsmuster, zur Reinszenierung des Vertrauten
durch

wobei sich Partner auch aktiv unbewusst
dahingehend manipulieren, dass der Andere sich so
verhält, wie es den Mustern der eigenen
Herkunftsfamilie entspricht.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -66-

Trennungen von Paaren stellen so immer auch den
Versuch dar, alte Auftragskonflikte mit der
Herkunftsfamilie ohne den Partner, der sich als
insuffizient erwiesen hat, dennoch zu lösen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -67-

Beziehungskonstellationen und Konfliktmuster
wiederholen sich in Familien über die Generationen,
werden tradiert, sodass wir in Erweiterung des
Freudschen Begriffs von einem interfamiliären
Wiederholungszwang sprechen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -68-

So wiederholen sich im ehelichen Projektionssystem
die mit der Vorgeneration und in der Vorgeneration
erlebten Beziehungskonstellationen, also die von den
Partner von früh an internalisierten Beziehungen zu
deren Eltern und deren Paarbeziehungen, die die
Entwicklung begleitenden Beziehungsmodelle.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -69-
Patchwork- und
Mehrgenerationen-Familie
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -70-

Wenn wir Lebens- und Familienentwicklung vor dieser
Matrix betrachten, dann wird deutlich, dass

im sich neu gebildeten Familiensystem es gelingen
muss (oder sollte), dass die eigene
Familiengeschichte so verarbeitet wird, dass die
Neubildung dieser Familie gelingt

dies bedeutet immer auch, dass in der Paarbeziehung
eine Integration der Unterschiedlichkeit der
Familiengeschichte gelingt, das etwas Neues entsteht.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -71-

So herum gesehen ist bereits jede Familie eine
„unbewusste Patchwork-Familie“, indem sie eben die
Familiengeschichten der in dieser Paarbeziehung zu
etwas Neuem verbindet.

Das Komplizierte bei getrennt lebenden Familien und
hier insbesondere bei der Betrachtung der Kinder in
getrennt lebenden Familien oder sich neu gebildeten
Patchwork-Familien ist, dass hier eine sehr viel
komplexere Dynamik entsteht.

Auch in getrennt lebenden Familien haben die Kinder
und das ehemalige Paar ihre Familiengeschichte in
sich und müssen eine Lösung, eine Antwort auf diese
Familiengeschichte finden.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -72-

Wenn ich nun im Sinne der MehrgenerationenFamilientherapie davon ausgehe, dass Patchwork-Familien
immer auch hypothetisch als Familien anzusehen sind, in
denen genau nicht die Bewältigung der Konflikte im System
der Generationen dieses Paares gelungen ist, dann bedeutet
das, dass sich mit der Neugründung einer Patchwork-Familie
ja noch eine sehr viel höhere Dynamik abspielt, dass es eben
nicht nur um die Integration der Werte des vorherigen
Familiensystems geht, sondern dass es darum geht, die alte
Familiengeschichte mit den hypothetisch angenommenen,
nicht gelungenen Integration in die neue Patchwork-Familie zu
integrieren

und dieses neue Familiensystem verlangt nun wiederum, auch
die Familiengeschichte der Beteiligten zu integrieren
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -73-

Komplexität des Anspruches wird deutlich, den
Patchwork-Familien an sich stellen – und der damit
zwangsläufig auch an Berater gestellt ist.

Es geht eben nicht nur darum, in der Horizontale
Konflikte im Familiensystem aufzulösen

sondern es geht darum, die durch die Gründung der
Patchwork-Familie sehr viel höhere vertikale Dynamik
zu verstehen und sie mit zu integrieren
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -74-

Wenn auch Erwachsene ob ihrer Möglichkeit, sich für
oder gegen etwas zu entscheiden, vielleicht die
Chance haben, mit dieser Dynamik durch bewusste
Lebensentscheidungen anders umzugehen, so bleibt
für die Kinder dieser Familien, dass sie an Loyalitäten
gebunden sind und dass sie eine hohe Komplexität
bedienen müssen.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -75-

Zumindest ist es notwendig, allen Beteiligten ihre
Geschichte aufzuzeigen und ihnen allein durch das
Deutlichmachen dieses Zusammenhanges die Chance
zu geben, die emotionale Ankoppelung an die
verschiedenen Familiensysteme einen Platz und eine
Raum in der Therapie zu geben.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -76-

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle gerne von einer
Familientherapie berichten, die ich vor einigen Jahren
geleitet habe. Dies war „eigentlich keine klassische
Patchwork-Familie, aber es war doch eine klassische
Patchwork-Familie
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -77-
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -78-
ImFT – Institut für mehrgenerationale Forschung
und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Schlesienstr. 2, 21391 Reppenstedt
Tel.: 0 41 31 / 67 11 44
Fax: 0 41 31 / 67 11 45
Mobil: 0160 / 7 24 57 84
E-Mail: [email protected]
www.stachowske.de
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -79-
Ruthard Stachowske
"Sucht und Drogen im
ICF-Modell"
Ruthard Stachowske Hrsg.
"Drogen, Schwangerschaft
und Lebensentwicklung
der Kinder"
ImFT
ImFT -- Institut
Institut für
für mehrgenerationale
mehrgenerationale Forschung
Forschung und
und Therapie
Therapie
Prof.
Dr.
Ruthard
Stachowske
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -80-
Literatur zum Thema
www.stachowske.de
Arnhild Sobot
"Kinder Drogenabhängiger Pränatale und frühkindliche Entwicklung"
Ruthard Stachowske
"Mehrgenerationentherapie und
Genogramme in der Drogenhilfe"
Ruthard Stachowske
"Familienorientierte stationäre
Drogentherapie"
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -81-
Literatur zum Thema
www.stachowske.de
Heidrun Girrulat, Elisabeth Christa Markert, Almute
Nischat, Thomas Schollas, Ruthard Stachowske
"Systemische Erinnerungs- und Biographiearbeit"
Ruthard Stachowske
"Sucht und Drogen – Generationen und Zeitgeschichte
Drogenabhängigkeit im Kontext des ICF"
Ruthard Stachowske Hrsg.
"Drogen, Schwangerschaft und
Lebensentwicklung der Kinder "
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -82-
Drogenabhängigkeit und Familiengeschichte.
Autor: Dr. Ruthard Stachowske
€ 24,Asanger Verlag, 2002 und
beim Autor – heute und hier.
ImFT - Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Patchwork und andere
Lebensformen -83-