oder Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?

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Transcript oder Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?

Univ. Prof. Dr. Andreas Scheil
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Christoph-Probst-Platz, Innrain 52
6020 Innsbruck
Steuerstrafrecht versus Zollstrafrecht:
Ungleichbehandlung von Finanzvergehen,
durch die Zollvorschriften verletzt worden sind,
sachlich gerechtfertigt?
Univ. Prof. Dr. Andreas Scheil
Finanzstrafrechtliches Symposion – Spital am Pyhrn
27.-29. September 2011
I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• § 53 Abs 1: Gerichtszuständigkeit, wenn bei vorsätzlichem stbWB
100.000 Euro übersteigt
• § 53 Abs 2: Gerichtszuständigkeit bei § 35 und bei der (vorsätzlichen)
Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1), wenn stbWB 50.000 Euro übersteigt
• Mit Gerichtszuständigkeit bei den zuletzt genannten Finanzvergehen
bereits ab einem stbWB von mehr als 50.000 Euro vielfältige,
unterschiedliche Konsequenzen, die sonst erst ab stbWB von mehr als
100.000 Euro einsetzen. Ab diesem stbWB sind die Konsequenzen
wieder gleich
• Die „Problemzone“ besteht also nur bei einem strafbestimmenden
Wertbetrag zwischen mehr als 50.000, aber nicht mehr als 100.000
Euro.
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• 1. Allgemeiner Teil des FinStrG
• § 15 Abs 3: Möglichkeit der Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten
• § 20 Abs 2: Möglichkeit der Ersatzfreiheitsstrafe von mehr drei Monaten
und der Ersatzfreiheitsstrafe bis zu eineinhalb Jahren im Falle des § 38
• § 23 Abs 4: Ausschluss der „ao Strafmilderung“ (Unterschreiten der
Mindestgeldstrafe von 1/10 des Höchstmaßes der Geldstrafdrohung)
• § 24: Anwendbarkeit diversioneller Sanktionen bei Jugendstraftaten
• § 26: Anwendbarkeit der (teil)bedingten Nachsicht der Geld-, Wertersatzund Freiheitsstrafen Strafnachsicht und der bedingten Entlassung aus
einer Freiheitsstrafe
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• § 27: Entzug von Berechtigungen
• § 28 Abs 1: Androhung einer Verbandsgeldbuße bis zum 1,5-fachen bei
general- oder spezialpräventivem Verbandsgeldbußbedürfnis
• § 31 Abs 5: Ausschluss der quasi-absoluten Verjährung der Strafbarkeit
nach 10 Jahren
• 2. Besonderer Teil
• § 35 Abs 4: Freiheitsnebenstrafe bis zu zwei Jahren (statt sonst bis zu
einem Jahr)
• § 38: Freiheitsnebenstrafe bis zu drei Jahren (sonst ein Jahr bzw zwei
Jahre)
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• § 38a Abs 2 lit a (Strafe bei Begehung als Mitglied einer Bande oder
unter Gewaltanwendung): Möglichkeit der Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren und einer Geldnebenstrafe bis zu 1,5 Millionen Euro, wenn keine
Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren verhängt wird; Möglichkeit der
Verbandsgeldbuße bis zum Dreifachen des stbWBs
• § 39 Abs 1, 2, 3 lit a (Abgabenbetrug): Möglichkeit der Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu einer Million Euro; der
Verbandsgeldbuße bis zu 2,5 Millionen Euro
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• 3. Strafverfahren
• Die Bestimmungen über das gerichtliche Finanzstrafverfahren, das
komplizierter ist und den Steuerzahler alleine wegen der Beteiligung
auch der Staatsanwaltschaft im Vor-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren
und der „Privatbeteiligung“ der Finanzstrafbehörde im Haupt- und
Rechtsmittelverfahren (vermutlich) mehr kostet, sind schon in der
„Problemzone“ anzuwenden.
• Zu den damit verbundenen zahlreichen Konsequenzen nur ein paar
Beispiele:
• Ausschluss des Wirtschaftstreuhänders (§ 77 Abs 1) als Verteidiger (§
48 Abs 1 Z 4 StPO)
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• notwendige Verteidigung in der Hauptverhandlung (§ 61 Abs 1 Z 4 StPO)
• Ausschluss der vollständigen Aussageverweigerung des Zeugen, der
Angehörigen bei Gefahr der finanzstrafbehördlichen Verfolgung wie in §
104 Abs 1 lit b (§ 157 Abs 1 Z 1 StPO; § 158 Abs 1 Z 1 StPO kein
wirklicher Ersatz)
• Möglichkeit bestimmter Ermittlungsmaßnahmen wie Observation (§ 130
StPO), verdeckte Ermittlung (§ 131 StPO), Auskunft über Daten einer
Nachrichtenüberwachung (§ 135 Abs 2 StPO) und Überwachung von
Nachrichten (§ 135 Abs 3StPO; „Telefonüberwachung“, Emails)
• Ausschluss der Bekämpfung der Beweiswürdigung der 1. Instanz
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• 4. Strafvollzug
• Möglichkeit gemeinnütziger Leistungen zur Verbüßung der
Ersatzfreiheitsstrafe (aber obiter dictum VwGH vom 5.4.2011,
2010/16/0279)
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• 5. Wie hat der Gesetzgeber die unterschiedliche
Zuständigkeitsregelung und damit all die Konsequenzen
gerechtfertigt?
• Was können zB der Schmuggel und die Hinterziehung von Eingangsoder Ausgangsabgaben wie der Einfuhrumsatzsteuer nach § 35 Abs 1
und 2 und ihre Täter im Bereich der „Problemzone“, was die
Abgabenhinterziehung von Umsatzsteuer nach § 33 Abs 1 und ihre
Täter nicht können, um all diese Unterschiede zu rechtfertigen, die sich
mit Ausnahme der bedingten Strafnachsicht und der gemeinnützigen
Leistungen zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen immer nachteilig für
den Beschuldigten auswirken?
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• Und was ändert sich daran ab einem stbWB von mehr als 100.000 Euro,
weshalb die diskutierten Finanzvergehen und Täter in jeder Beziehung
wieder gleich behandelt werden?
• Hinsichtlich all der mit der unterschiedlichen Zuständigkeitsregelung in
der „Problemzone“ verbundenen Konsequenzen habe ich rein gar keine
Äußerungen gefunden. Ob sie alle im Laufe der Jahre „mitbedacht“
worden sind, weiß ich nicht, bezweifle es aber.
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• Aber wie wird die unterschiedliche Zuständigkeitsregelung selbst
gerechtfertigt?
• a. RV FinStrG 1959 keine unterschiedliche Zuständigkeit vorgesehen
war (Gerichtszuständigkeit bei Übersteigen des stbWB von 200.000
ATS; § 53 Abs 1 lit a)
• b. AB FinStrG 1959: Auch beim Schmuggel, der Hinterziehung von
Eingangs- oder Ausgangsabgaben und bei der Abgabenhehlerei tritt an
die Stelle des stbWB von 200.000 der stbWB von 50.000 ATS, der
Schwellenwert für die Nichtzolldelikte ist also um das Vierfache höher.
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• „Da der in der Regierungsvorlage vorgesehene, für die gerichtliche
Zuständigkeit maßgebende Wertbetrag für bestimmte Abgaben als zu
hoch angesehen wurde, wird in der Neufassung eine Abgrenzung der
Zuständigkeit nach Abgabenkategorien dadurch erzielt, dass der
Wertbetrag nach diesen Abgabenkategorien unterschiedlich festgesetzt
wird“ (zu § 53, 3). Das waren die Abgabenkategorien Zölle, Einfuhr- und
Ausfuhrabgaben, Monopoleinnahmen und Verkehrssteuern.
• c. FinStrGNov 1975 Schwellenwerte für Gerichtszuständigkeit auf
500.000 bzw auf 200.000 ATS hinaufgesetzt (§ 53 Abs 2),
Schwellenwert für Nichtzolldelikte nur noch um das Zweieinhalbfache
höher
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• d. FinStrGNov 1985 nur noch das Zweifache das Maß, das über die
Zuständigkeit der Gerichte für die Nichtzolldelikte entscheidet – 1 Million
vs. 500.000 ATS, heute 100.000 vs. 50.000 Euro
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• Der typische Handlungsunwert, dem die Sanktionsdrohungen und die
Zuständigkeit des Gerichts Rechnung zu tragen haben, ist bei der
Verkürzung der Zölle, der Einfuhrumsatzsteuer und der
Verbrauchssteuern nicht höher als bei der Verkürzung von anderen
Abgaben
• Der typische Erfolgsunwert der gegenständlichen Zolldelikte genau so
wenig, dem die Strafdrohung und die Zuständigkeit des Gerichts
ebenfalls Rechnung zu tragen haben: Der Wert eines „Zolleuro“, eines
„Einfuhrumsatzsteuereuro“ zB, um den die Abgabengläubiger verkürzt
werden, entspricht selbst im „schlimmsten Fall“ nicht dem Wert von zwei
Euro anderer Abgaben.
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• Gründe für die schleichende, aber doch erkennbare Nivellierung der
Unterschiede für die Gerichtszuständigkeit werden in den
Gesetzesmaterialien nie erklärt
• Verdacht, dass hier der Zufall und die Magie der Zahlen die
entscheidende Rolle gespielt haben; nicht rationale Kriminalpolitik
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I. Ungleichbehandlung bei der Abgrenzung der gerichtlichen von
der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53)
• Problemlösung
• 1. Gleichbehandlung und Gerichtszuständigkeit für alle Finanzvergehen
bei einem stbWB von mehr als 100.000 Euro.
• 2. Das „Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU“
verlangt der Auslieferung bei der vorsätzlichen Verkürzung von mehr als
50.000 Euro. Geltendes Recht verlangt gerichtliche Zuständigkeit und
eine Freiheitsstrafdrohung von mehr als einem Jahr.
• Die intelligentere Lösung ohne all die Kollateralschäden: Änderung § 11
ARHG und § 4 EU-JZG, Auslieferung wegen § 35 auch bei
verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit ab einem Verkürzungsbetrag von
mehr als 50.000 Euro.
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II. Ungleichbehandlung Spruchsenatszuständigkeit im
verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§ 58 Abs 2 lit a)
• Für Schmuggel, Hinterziehung von Eingangs- und Ausgangsabgaben (§
35) und (vorsätzliche) Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1) Zuständigkeit des
Spruchsenats bereits bei einem stbWB von mehr als 15.000 Euro; und
nicht ab einem stbWB von mehr als 33.000 Euro.
• Bei Zolldelikten also auch innerhalb des verwaltungsbehördlichen
Finanzstrafverfahrens „Problemzone“ mit folgenden Konsequenzen:
• 1. Allgemeiner Teil
• § 20 Abs 2: Möglichkeit der Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs
Wochen, aber nicht mehr als drei Monaten
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II. Ungleichbehandlung Spruchsenatszuständigkeit im
verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§ 58 Abs 2 lit a)
• 2. Strafverfahren
• § 62 Abs 2: Durchführung der mündlichen Verhandlung und
Entscheidung über Rechtsmittel durch einen Berufungssenat
• § 77 Abs 3: Anspruch auf Verfahrenshilfe bei sonstiger Beeinträchtigung
des notwendigen Unterhalts
• § 124 Abs 2: Bestellung eines Amtsbeauftragten; dessen schriftliche
Stellungnahme zu den Ergebnissen des Untersuchungsverfahrens
• § 143 Abs 3 lit a: Ausschluss der Strafverfügung im vereinfachten
Verfahren
• § 148: Zwang zur mündlichen Verhandlung im selbständigen Verfahren,
wenn auf Verfall nach § 18 zu erkennen ist
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II. Ungleichbehandlung Spruchsenatszuständigkeit im
verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§ 58 Abs 2 lit a)
• § 170: Ausschluss der Aufhebung von Entscheidungen in Ausübung des
Aufsichtsrechts aus den Gründen des § 300 Abs 1 lit a bis d BAO durch
die Oberbehörde
• 3. Wie hat der Gesetzgeber die unterschiedliche
Zuständigkeitsregelung und damit all die Konsequenzen
gerechtfertigt?
• Zuständigkeit des Spruchsenats bereits ab einem stbWB von mehr als
15.000 Euro wirkt sich vor allem zu Lasten des Steuerzahlers aus
(Kosten alleine des Spruch- und des Berufungssenats usw).
• a. RV FinStrG 1959 sieht auch hier die Gleichbehandlung aller
Finanzvergehen vor (Senatszuständigkeit bei Übersteigen des stbWB
von 50.000 ATS; § 57 Abs 2)
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II. Ungleichbehandlung Spruchsenatszuständigkeit im
verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§ 58 Abs 2 lit a)
• b. Unterschiedliche Zuständigkeit erst durch die FinStrGNov 1975: Nach
§ 58 Abs 2 ist der Spruchsenat bei den Zolldelikten ab einem
Schwellenwert von über 100.000 ATS zuständig, sonst bei dem doppelt
so hohen Schwellenwert von über 200.000 ATS.
• Die RV FinStrGNov 1975 „erklärt“, liefert keine sachliche Begründung:
• „ … wobei die für die Zuständigkeit der Spruchsenate maßgeblichen
Wertbeträge annähernd mit der Hälfte“ der für die Abgrenzung der
gerichtlichen von der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit
maßgeblichen Wertbeträge „festgelegt werden sollen.“
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II. Ungleichbehandlung Spruchsenatszuständigkeit im
verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (§ 58 Abs 2 lit a)
• c. FinStrGNov 2010 geltende Regelung, wobei der Schwellenwert bei
den Nichtzolldelikten mit über 33.000 Euro jetzt das 2,2-fache des
Schwellenwerts für Zolldelikte ist. Keine Erklärung in
Gesetzesmaterialien.
• Vielleicht haben Sie Antworten parat, mit denen auch all diese
Dinge erklärt werden können.
• Eines gewiss: Gleichbehandlung der Zoll- und Nichtzolldelikte,
Zuständigkeit der Spruchsenat immer ab einem stbWB von mehr als
33.000 Euro, brächte mehr, als die durch FinStrG-Nov 2010 verfügte
Einschränkung der bedingten Strafnachsicht auf mindestens die Hälfte
der Geld- oder Wertersatzstrafe je bringen wird.
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III. Der Ausschluss der Strafaufhebung in besonderen Fällen
(Verkürzungszuschlag) bei der Verkürzung von Zöllen und
Abgaben, die von den Zollämtern zu erheben sind (§ 30a Abs 5)
• Begründung für Ausschluss der Strafaufhebung in besonderen Fällen in
RV FinStrGNov 2010, und zwar „Besonderheiten des Zolles und der
Verbrauchssteuern“ und mit den „andere(n) Vereinfachungsmaßnahmen
wie der Strafverfügung nach § 146 FinStrG oder der Abgabenerhöhung
nach § 108 ZollR-DG“, für mich nicht nachvollziehbar.
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IV. Die „de-facto-Abschaffung“ des Rücktritts vom Versuch beim
Schmuggel und bei der Hinterziehung von Eingangs- oder
Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?
• Seit FinStGNov 1985 Rücktritt vom Versuch ausgeschlossen, wenn
„anlässlich eines Zollverfahrens bereits eine Erklärung über ein- oder
auszuführende Waren abgegeben wurde“ (§ 14 Abs 2 lit b).
• RV FinStrGNov 1985 wollte „Zweifelsfrage“ negativ beantworten, ob eine
„zur Stellung von Waren verpflichtete Person, welche eine ausdrücklich
auf das Mitführen eingangsabgabepflichtiger Waren gerichtete Frage
des Abfertigungsbeamten verneint und damit das Finanzvergehen des
Schmuggels im Versuchsstadium begangen hat, nach einer
Aufforderung des Beamten, den Kofferraum zu öffnen, noch vom
Versuch zurücktreten kann oder ob bereits Betretung auf frischer Tat
vorliegt.“
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IV. Die „de-facto-Abschaffung“ des Rücktritts vom Versuch beim
Schmuggel und bei der Hinterziehung von Eingangs- oder
Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?
• Diese Frage war falsch gestellt, weil Ausschluss des Rücktritts nicht
wegen Betretung auf frischer Tat fraglich, sondern aus Mangel an
Aufgabe des Tatentschlusses gewiss.
• Hier liegt „subjektiv fehlgeschlagener“ Versuch vor, bei dem der Täter
zwiefach Pech hat:
• 1. Nimmt er zu Recht oder irrtümlich an, dass er die Tat nicht mehr so,
wie er sie geplant hat, vollenden kann – des Autofahrers Plan war, dass
ihn der Abfertigungsbeamte durchwinken und nicht aufhalten wird und
sogar noch einen Blick in den Kofferraum werfen will.
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IV. Die „de-facto-Abschaffung“ des Rücktritts vom Versuch beim
Schmuggel und bei der Hinterziehung von Eingangs- oder
Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?
• 2. Erkennt er im Zeitpunkt des Rücktritts (real oder irrtümlich), dass Tat
nicht, wie geplant, vollendbar , gibt er Tatausführung, im Speziellen den
„Tatentschluss nicht auf“ und verwirklicht damit schon die erste
Voraussetzung des strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch nicht.
• „Aufgeben“ kann begrifflich nur, wer die geplante Vollendung noch für
möglich hält. Das hat der OGH schon 1981 (13 Os 113/81 = SSt 52/59)
so gesehen, der VwGH ist im später gefolgt.
• Hier ist also eine falsch gestellte Zweifelsfrage beantwortet und eine
Lücke geschlossen worden, die so gar nie bestanden hat.
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IV. Die „de-facto-Abschaffung“ des Rücktritts vom Versuch beim
Schmuggel und bei der Hinterziehung von Eingangs- oder
Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?
• Meine Fragen an die zahlreichen Zollexperten lauten :
• Gibt es – sieht man vom Versuch des Schmuggels über die „Grüne
Grenze“ ab und vom (fast nie entdeckten) Versuchs durch Betätigung
des Tatenschlusses durch eine ausführungsnahe Handlung ab –
überhaupt noch einen Anwendungsbereich für den Rücktritt vom
Versuch des § 35?
• Oder ist der Rücktritt vom Versuch des § 35 mit der FinStrGNov 1985 de
facto abgeschafft worden, weil es zur Begehung des Versuchs des § 35
erforderlich ist, dass „anlässlich der Durchführung eines Zollverfahrens“
eine „Erklärung über ein- oder auszuführende Waren“ abgegeben
werden muss, die den Rücktritt ausschließt?
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IV. Die „de-facto-Abschaffung“ des Rücktritts vom Versuch beim
Schmuggel und bei der Hinterziehung von Eingangs- oder
Ausgangsabgaben (§ 14 Abs 2 lit b)?
• Und wenn ja, wie kann man diesen de-facto-Ausschluss gegenüber dem
Rücktritt vom Versuch der Hinterziehung veranlagter Abgaben durch
Berichtigung zB einer unrichtigen Einkommensteuererklärung
rechtfertigen?
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V. Ausschluss der Selbstanzeige wegen Darlegung der
Verfehlung bei unmittelbar bevorstehender Entdeckung der
Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung (§ 29 Abs 3 lit b)
• Keim für heute geltende Bestimmung hat FinStrGNov 1985 gelegt. Der
Der „Umstand, dass Entdeckung der Tat unmittelbar bevorstand“, soll
„der Tatentdeckung gleichhalten werden“. „Dem Täter eines
Finanzvergehens, dem die unmittelbar bevorstehende Entdeckung
bekannt ist, die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige zu
geben, ist nicht gerechtfertigt“ (RV 668 BlgNR XVI. GP Zu Art. 6 (§ 29),
12f).
• Die FinStrGNov 2010 hat dann klargestellt, was auch für mich immer
schon klar gewesen ist, und zwar dass sich die unmittelbar
bevorstehende Entdeckung nur auf die objektive Tatseite; und nicht auch
auf die subjektive Tatseite und die Person des Verdächtigen beziehen
muss (RV 874 BlgNR XXIV. GP, 7).
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V. Ausschluss der Selbstanzeige wegen Darlegung der
Verfehlung bei unmittelbar bevorstehender Entdeckung der
Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung (§ 29 Abs 3 lit b)
• Was ich in diesem Zusammenhang aber nie verstanden habe und was
auch nie in den Gesetzesmaterialien und in der Literatur begründet
worden ist, warum dieser Fall des Ausschlusses der Selbstanzeige auf
Finanzvergehen beschränkt ist, bei denen zollrechtliche Verpflichtungen
verletzt worden sind.
• Warum diese Einschränkung der Selbstanzeige zB bei der vorsätzlichen
oder fahrlässigen Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer, nicht aber bei
der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verkürzung der Umsatzsteuer sonst?
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V. Ausschluss der Selbstanzeige wegen Darlegung der
Verfehlung bei unmittelbar bevorstehender Entdeckung der
Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung (§ 29 Abs 3 lit b)
• Was haben Zollvorschriften, was andere Abgabenvorschriften nicht
haben, wenn die Selbstanzeige schon bei ihrer unmittelbar
bevorstehenden Entdeckung ihrer Verletzung und Kenntnis des Täters
davon ausgeschlossen ist; während die unmittelbar bevorstehende
Entdeckung der Verletzung anderer Abgabenvorschriften die
Rechtzeitigkeit der Darlegung der Verfehlung nicht hindert?
• In meiner Habilitationsschrift vor 16 Jahren allerlei Verrenkungen, um
diesen Ausschlussgrund auf ein für die Demokratie erträgliches Maß zu
reduzieren,
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V. Ausschluss der Selbstanzeige wegen Darlegung der
Verfehlung bei unmittelbar bevorstehender Entdeckung der
Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung (§ 29 Abs 3 lit b)
• insbesondere im Hinblick darauf, dass die Darlegung der Verfehlung bei
einem vorsätzlichen Finanzvergehen ja grundsätzlich anlässlich einer
finanzbehördlichen Nachschau, Beschau oder sonstigen Außenprüfung
zugelassen ist (§ 29 Abs 3 lit c), die es bekanntlich ja auch im
Zollverfahren gibt – Nachschau, Beschau (§ 24 ZollR-DG iVm §§ 144 bis
146 BAO), Abgabenbehördliche Prüfungen (§ 25 ZollR-DG iVm §§ 147
bis 151 BAO).
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V. Ausschluss der Selbstanzeige wegen Darlegung der
Verfehlung bei unmittelbar bevorstehender Entdeckung der
Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung (§ 29 Abs 3 lit b)
• Meine Bitte um Hilfe, was denn nun zu gelten habe, wenn zB der
„Schwärzer“ zu Beginn einer Nachschau seine Verfehlung darlegt, ob er
also den ersten Schritt zur Strafaufhebung nach § 29 Abs 3 lit c gesetzt
oder wegen § 29 Abs 2 lit b 2. Fall ) nur in den Genuss eines die Strafe
milderndes Geständnis komme, ist meines Wissens seit jetzt mehr als 16
Jahren unbeantwortet geblieben.
• Deshalb wiederhole ich diese Bitte und bedanke mich schon jetzt für Ihre
Antworten auch auf diese Frage.
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