Hawk - Universität Passau

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Transcript Hawk - Universität Passau

Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2010/11
Mittwoch, 19.1.2011
Beitrag zur Ringvorlesung im
Bachelor Governance
– eine interdisziplinäre Einführung
"Zur Evolution von Eigentum und
Staatlichkeit - eine volkswirtschaftliche
Sichtweise"
Literatur
Stearns, Stephen (2009), “Principles of Evolution,
Ecology and Behavior: Lecture 33”
http://www.youtube.com/watch?v=aP25rlgwD54
Fortgeschrittene Literatur
Maynard-Smith, John (1982). Evolution and the
Theory of Games, Cambridge: Cambridge University
Press.
Gintis, Herbert (2007), “The Evolution of Private
Property,” Journal of Economic Behavior and
Organization.
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• Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, die Natur zu
beherrschen und sich dienstbar zu machen. Sie
analysieren die, teilweise sehr komplexen,
Regelsysteme der Physik, Chemie bis hin zur
Meteorologie, um hieraus verwertbares Wissen zu
generieren.
• Die Biologie und die Sozialwissenschaften
unterscheiden sich hiervon: Menschen entwickeln dort
Strategien nicht nur gegen die Natur, sondern gegen
andere Lebewesen. Andere Lebewesen können sich
dynamisch entwickeln oder bewusst ihre Strategie
gegen die eigene setzen.
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• Die beste Strategiewahl hängt davon ab, welche
Strategie der Gegner wählt.
• Um diese wechselseitige Dynamik zu verstehen ist
die Spieltheorie entwickelt worden.
• In der evolutionären Spieltheorie wird insbesondere
untersucht, welche biologischen Varianten von Arten
(einer Spezies wie z.B. Löwen oder Vögel) sich
durchsetzen.
• Bezüglich menschlichem Verhalten wird der Frage
nachgegangen, welche Strategiewahl sich durchsetzt.
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• Eine zentrale Frage ist: Können sich Alternativen
(biologische Varianten oder menschliche Strategien)
durchsetzen?
• Falls ja, liegt keine evolutionär stabile Strategie
(ESS) vor.
• Eine ESS ist eine Strategie, gegen die sich andere
Strategien nicht durchsetzen können.
• Wir sprechen hierbei auch von einem NashGleichgewicht. Damit meinen wir, dass jeder Spieler
die beste Strategie auswählt unter der Annahme, dass
andere auch eine beste Strategie wählen.
• Beispiel: Das Hawk-Dove-Spiel, auch bekannt als
Chicken-Game (Chicken engl. für Angsthase).
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Das Hawk-Dove-Spiel
• Zwei Tiere sind in Konkurrenz um eine Ressource
mit Wert V. Wir nehmen an V=2. Jedes Tier kann zwei
Strategien verfolgen.
• Hawk (Falke): Streit eskalieren lassen und Gegner
attackieren bis einer verletzt ist oder aufgibt.
• Dove (Taube): Posieren, Aufgeben falls Gegner Streit
eskalieren lässt.
• Bei gleichem Verhalten erhält jeder die Beute mit
50% Wahrscheinlichkeit.
• Bei zwei Hawks verletzt sich jeder mit 50%
Wahrscheinlichkeit im Ausmaß C=4.
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Auszahlungsmatrix im Hawk-Dove-Spiel
Ertrag
Tier 1
Hawk
½ (V-C)
Hawk ½ (V-C)
V
V
Dove 0
½.V
Tier 2
Dove
0
½.V
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Auszahlungsmatrix im Hawk-Dove-Spiel
Ertrag
Tier 1
Tier 2
Dove
0
Hawk
-1
Hawk -1
2
2
Dove
0
1
1
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• Wird eine ESS von allen Mitgliedern der Art verfolgt,
so kann sich keine andere Strategie hiergegen
durchsetzen.
• Dove ist keine ESS. Spielen alle Dove so erzielt ein
Hawk eine höhere Auszahlung. In der Biologie wird er
eine höhere Reproduktionschance erhalten. Bei
menschlichem Verhalten wird die Strategie bewusst
bevorzugt werden.
• Hawk is auch keine ESS. Ein Dove kommt mit einer
Auszahlung von 0 besser weg.
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• Es wird sich eine gemischte Strategie (bzw.
Population) durchsetzen. Aber mit welcher
Wahrscheinlichkeit (Anteil an der Population) für
Hawks, h?
• Der Ertrag aus einem Verhalten als Hawk ist
-1*h+2*(1-h)=2-3*h.
• Der Ertrag aus einem Verhalten als Dove beträgt:
0+1*(1-h)=1-h.
• Diese beiden Auszahlungen müssen im ESS gleich
sein, sonst würde sich der Anteil h ändern:
2-3*h=1-h  h=0.5.
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• Biologisch könnte die Population aus gleich vielen
Hawks und Doves bestehen. Beide Verhaltensweisen
führen dann zur gleichen Auszahlung. Dies bewirkt,
dass ein Nachkomme keinen Vorteil daraus zieht, als
Hawk oder Dove geboren zu werden.
• Menschen werden bewusst Hawk und Dove mit der
gleichen Wahrscheinlichkeit wählen. Eine
Entscheidung für eine höhere Gewichtung einer
Strategie führt zu keiner höheren Auszahlung.
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• Stellen wir uns nun aber besonders grausame Hawks
vor mit C=-10. Wie wirkt sich dies auf den Anteil an
Hawks aus? Der Ertrag aus einem Verhalten als Hawk
ist nun -4*h+2*(1-h)=2-6*h. Die Auszahlung
gegenüber Dove muss erneut gleich sein, denn sonst
würde sich der Anteil h ändern, es folgt: 2-6*h=(1-h)
 h=0.2.
• Ein grausamer Herrscher, denken wir an Iwan IV.,
den Schrecklichen (1530-1584), kann ein
Herrschaftsmonopol einnehmen, er ist dann der einzige
Hawk (h ist sehr klein). Aber selbst bei einem sehr
kleinen h könnte ein zweiter Hawk geboren werden,
der einen grausamen Kampf initiiert.
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• Es könnte nun eine weitere Verhaltensweise erwogen
werden: der Bourgeois.
• Er entscheidet sich situationsspezifisch und beachtet
für alle sichtbare Signale. Er beobachtet z.B., wer als
erster bei der Beute war oder in wessen Territorium er
sich bewegt.
• So könnte er in Abhängigkeit dieses Signals nach
folgender Strategie handeln: Befindet er sich in seinem
eigenen Territorium, so verhält er sich als Hawk.
Außerhalb des eigenen Territoriums verhält er sich als
Dove.
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Auszahlungsmatrix im Hawk-Dove-Bourgeois Spiel
Ertrag
Tier 1
(Besitzer)
Tier 2 (Rivale)
BourHawk
Dove
geois
-1
0
0
Hawk
-1
2
2
2
1
1
Dove
0
1
1
-1
0
0
Bourgeois -1
2
2
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• Der Vorteil des Bourgeois besteht darin, dass er mit
anderen Bourgeois Kämpfe vermeidet.
• Unterstellen wir eine 100-prozentige Population von
Bourgeois. Wir können dann zeigen, dass dies eine
(evtl. nicht die einzige) ESS ist.
• Ein Hawk kann sich dort nicht durchsetzen. In seinem
eigenen Territorium verhält er sich identisch zu einem
Bourgeois und erzielt keinen Vorteil. Auf fremdem
Territorium wird er von anderen Verletzungen beziehen und
schlechter abschneiden als der Bourgeois.
• Die Doves schneiden auf fremdem Territorium genau so ab,
wie die Bourgeois. Aber sie verteidigen nicht ihr eigenes
Territorium und müssen dort ihre Beute mit dem Bourgeois
teilen. Ein einzelner Dove schneidet also schlechter ab.
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Takehome points
• Eigentum wird zumeist verstanden als soziale Norm,
als Ergebnis bewusster Gestaltung menschlicher
Interaktion, z.B. durch Gesetze.
• Aber es gibt natürliche Selektionsprozesse, welche
die Herausbildung einer Norm des Eigentums mit sich
bringen können (100% Bourgeois kann ein ESS sein).
• Notwendig für solche Prozesse sind öffentlich
erkennbare Signale (z.B. Territorium).
• Solche Signale helfen Populationen von Akteuren,
ihre Handlungen zu koordinieren, um damit Konflikte
zu vermeiden (die Bourgeois verletzten sich nicht
gegenseitig).
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Die FTD berichtet am 13.08.2007:
„...Dänemark schickte in der Nacht zum Sonntag von Norwegen aus ein
Forschungsschiff zum Nordpol ... 45 Wissenschaftler aus Dänemark und
Schweden sollen in den kommenden vier Wochen mit seismografischen
Messungen Belege für die Kopenhagener Auffassung suchen, dass der
Kontinentalsockel am Pol mit der zu dem skandinavischen Land gehörenden
halbautonomen Insel Grönland verbunden ist. Zur Bekräftigung der
Moskauer Besitzansprüche begannen dagegen russische Forscher mit der
Untersuchung des Lomonossow-Gebirges im Nordpolarmeer. Das berichtete
die Agentur Itar-Tass gestern aus Murmansk. Die Wissenschaftler hätten eine
Unterwassersonde mit Videokameras abgesenkt, um den Grund zu
erforschen. Russland will beweisen, dass das Unterwassergebirge mit dem
russischen Festlandsockel verbunden ist.“
• Was hat das mit unserem Modell zu tun?
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Mancur Olson (1993: American Political Science
Review: 568) schreibt:
„ In the 1920s, China was in large part under the control of various warlords.
They were men who led some armed band with which they conquered some
territory and who then appointed themselves lords of that territory. They
taxed the population heavily and pocketed much of the proceeds. The
warlord Feng Yu-hsiang was noted for the exceptional extent to which he
used his army for suppressing bandits and for his defeat of the relatively
substantial army of the roving bandit, White Wolf. Apparently most people in
Feng's domain found him much preferable to the roving bandits. “
• Was hat das mit unserem Modell zu tun?
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Anhang: Beispielhafte Klausur
Frage 1.
a)
b)
c)
d)
Mit einer ESS wird das Folgende bezeichnet
eine einseitig stabile Selektion
eine evolutionär stabile Strategie
eine evolutionär substitutive Selektion
eine evolutionär selektive Strategie
Frage 2. Im Rahmen des Hawk-Dove-Bourgeois-Spieles wird der Eigentumsbegriff
hergeleitet
a) aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und ähnlichen, international gültigen
Gesetzeswerken.
b) aus sichtbaren Signalen, die von allen Tieren oder Menschen akzeptiert werden und
indizieren, wann gekämpft wird und wann nicht.
c) aus der Vormacht eines Hawk gegenüber anderen, die ihm ihren Anteil an der Beute
überlassen.
d) aus der Kooperationsbereitschaft der Doves, die ihr Eigentum ohne Kampfhandlung
miteinander teilen.
Frage 3. Wieso kann im Hawk-Dove-Spiel in einer ESS auch ein Anteil an Doves vorhanden
sein?
a) Die Strategie des Hawk ist bei vielen Hawks ungünstig, da diese sich durch zugefügte
Verwundungen schwächen.
b) Die Doves erhalten immer 50% der Beute und verwunden sich nicht gegenseitig.
c) Die Doves kämpfen immer und erzielen damit einen Anteil an der Beute.
d) Die Doves werden immer seltener, ihr Anteil konvergiert gegen Null, wird diesen
Wert aber nie erreichen.
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Frage 4. Wieso kann ein Bourgeois besser abschneiden als ein Hawk?
a) Ein Bourgeois kämpft auf fremdem Territorium und erhält damit eine höhere
Auszahlung als ein Hawk, der dort nicht kämpft.
b) Ein Bourgeois zieht sich zurück bei Kämpfen auf eigenem Territorium und vermeidet
damit Verwundungen.
c) Ein Bourgeois kann im Vergleich zu einem Hawk auf seinem eigenen Territorium
einen höheren Ertrag erzielen.
d) Im Gegensatz zu einem Hawk vermeidet der Bourgeois Verletzungen außerhalb seines
Territoriums.
Frage 5. Lesen Sie den folgenden Text von Olson (1993: 568):
„In the 1920s, China was in large part under the control of various warlords. They
were men who led some armed band with which they conquered some territory and
who then appointed themselves lords of that territory. They taxed the population
heavily and pocketed much of the proceeds. The warlord Feng Yu-hsiang was noted
for the exceptional extent to which he used his army for suppressing bandits and for
his defeat of the relatively substantial army of the roving bandit, White Wolf.
Apparently most people in Feng's domain found him much preferable to the roving
bandits. “
Wie interpretieren Sie diese Darstellung im Lichte des Hawk-Dove-Bourgeois-Spieles?
a) Feng You-hsiang wird von der Bevölkerung bevorzugt, weil er zwar ein Hawk ist,
aber seine Kämpfe ohne Grausamkeiten durchführt.
b) Feng You-hsiang wird von der Bevölkerung bevorzugt, weil er seine Bevölkerung
verteidigt in der Art, wie ein Bourgeois sein Territorium verteidigt.
c) Feng You-hsiang wird von der Bevölkerung bevorzugt, weil er ein Dove ist.
d) Feng You-hsiang wird von der Bevölkerung bevorzugt, weil White Wolf ein Bourgeois
ist.
Lösung:
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Frage 1.
Frage 2.
Frage 3.
Frage 4.
Frage 5.
b)
b)
a)
d)
b)