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Ulrich Gabbert Ingo Raecke CD-ROM zum Buch Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure Eine PowerPoint Präsentation mit Animationen in Text und Bild zur Vermittlung und Veranschaulichung der Grundkenntnisse in der Technischen Mechanik Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Prof. Dr.-Ing. habil. Ulrich Gabbert Dr.-Ing. Ingo Raecke Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Institut für Mechanik e-mail: [email protected] www.uni-magdeburg.de/ifme Ende 2 Festigkeitslehre Seite: Startseite ‹#› Alle auf der beiliegenden CD-ROM enthaltenen Programme, Verfahren und Bilder wurden nach bestem Wissen erstellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grunde ist das vorliegende ProgrammMaterial mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung oder Garantie und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieses Programm-Materials oder Teilen davon entsteht. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag © 2003 Carl Hanser Verlag München Wien www.fachbuch-leipzig.hanser.de Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Schutzrechte Seite: ‹#› Hilfe (siehe auch Datei auf der CD-ROM: Hinweise.doc) Die PowerPoint-Präsentation kann mit den Funktionen, die das Programm PowerPoint bzw. PowerPoint-Viewer bietet, vorgenommen werden (siehe auch die Hilfefunktion zu PowerPoint, die während der Präsentation, z. B. über das Menü der rechten Maustaste, erreichbar ist). Für Nutzer von PowerPoint-Viewer (hier steht die Hilfe nicht zur Verfügung) sind die wichtigsten Funktionen nachfolgend aufgeführt: Animationsschritt vorwärts: Animationsschritt zurück: Seitenwechsel: Eine Seite anwählen: Präsentation beenden: Eingabetaste (), Leertaste, linke Maustaste, Nach-Rechts-, Nach-Unten-, Bild-Nach-Unten-Taste und „N“ Nach-Links-, Nach-Oben-, Bild-Nach-Oben-Taste und „P“ erfolgen bei der fortlaufenden Animation automatisch PowerPoint Foliennummer <n> und Eingabetaste (z. B. im gelben Feld des Inhaltsverzeichnisses angegeben) Esc Zum vereinfachten Navigieren ist auf jeder Seite eine Symbolleiste mit folgenden Funktionen, die mit dem Mauszeiger durch Anklicken aktiviert werden, angeordnet: ? Aufruf dieser Hilfe Ende zum Inhaltverzeichnisses ein Kapitel zurück. eine Seite zurück zurück zur letzten angesehenen Seite eine Seite vor ein Kapitel vor Präsentation beenden Weitere nützliche Funktionen: • Im Inhaltsverzeichnis kann man durch Positionierung des Mauszeigers auf eine Kapitelzeile und einem Klick (linke Taste) direkt zu der Seite mit dem angewählten Kapitel gelangen (gesetzter Sprung). Das aktuelle Hauptkapitel (1 Statik, 2 Festigkeitslehre bzw. 3 Dynamik) und die aktuelle Seite (bis auf die Statik nicht identisch mit der Foliennummer) erscheint immer unten rechts.. • Bestimmte Verweise auf Kapitel, Formeln usw. sind rot umrandet. Mit einem Mausklick (linke Taste) in den rot umrandeten Bereich wird ein gesetzter Sprung zu dem Ziel ausgeführt. Zurück kommt man innerhalb eines Hauptkapitels schnell mit • Beachte: Bei Präsentationen mit dem PowerPoint-Viewer erfolgt ein gesetzter Sprung in ein anderes Hauptkapitel (1 Statik, 2 Festigkeitslehre bzw. 3 Dynamik) programmbedingt immer nur auf die Startseite des Hauptkapitels. Über das Inhaltsverzeichnis bzw. die Foliennummer (in der Form: S <n>, F <n>, D <n> angegeben) gelangt man dann schnell an die gewünschte Stelle. Beachte: Beim erstmaligen Aufruf einer Seite (über das Inhaltsverzeichnis bzw. bei gesetzten Sprüngen oder der gezielten Anwahl einer Seite mit: PowerPoint Foliennummer <n> und Eingabetaste) erscheint nur der von den Autoren vorgesehene Startinhalt der Seite. Es kann somit das angewählte Kapitel oder das Ziel eines gesetzten Sprungs erst weiter unten auf der Seite nach einigen Animationen erscheinen. Hinweis: Die Nummerierungen der Kapitel, Gleichungen und Bilder sind mit den Nummerierungen im Buch identisch. Zusätzliche Bilder in dieser Präsentation sind nicht nummeriert. Die Seitenzahlen sind nicht identisch mit denen des Buches. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: Hilfe ‹#› Einführung Die CD-ROM enthält den kompletten1 Buchinhalt in Form einer PowerPoint-Präsentation, die so aufbereitet wurde, dass sich die Lehrinhalte – wie bei einer Vorlesung – Schritt für Schritt auf dem Bildschirm entwickeln, wobei Sie selbst das Tempo bestimmen können. Vor- und Rücksprünge zu Kapiteln, Gleichungen und Bildern, auf die bei der Ableitung eines Zusammenhangs oder beim Lösen von Beispielen Bezug genommen wird sowie ein einfaches Navigieren auf der CD-ROM unter Nutzung des Inhaltsverzeichnisses und der auf jeder Seite vorhandenen Symbolleiste (siehe unten), erleichtern die Arbeit mit der PowerPoint-Präsentation. Zeichnungen, Bilder, zusätzliche Fotos und Animationen in Farbe begleiten die Entwicklung eines Gedankenganges, lassen den Lösungsweg einer Aufgabe klarer hervortreten und unterstützen so den nicht immer einfachen Lernprozess und das Verstehen der Zusammenhänge. Allerdings können Sie weder das Buch noch die CD-ROM von der Notwendigkeit entbinden, sich den Stoff mit Bleistift und Papier zu erarbeiten und selbständig möglichst viele Beispiele zu rechnen. Die Mechanik erschließt sich nicht einfach nur durch das Lesen eines Buches oder das Abspielen einer CD-ROM, sondern erfordert die Bereitschaft und die Mühe, das Gehörte und Gelesene zu verstehen und das Verständnis an Hand von Beispielen zu überprüfen. Wir hoffen aber, dass das vorliegende Buch und die beigefügte CD-ROM das Lernen, das Verstehen und das Anwenden der vermittelten Lehrinhalte erleichtern und wirkungsvoll unterstützen. 1 Die Textpassagen sind auf der CD-ROM gegenüber dem Buch etwas umgestellt und um die Teile gekürzt, die nicht unmittelbar zur Herleitung eines Gedankenganges benötigt werden. Das war unserer Meinung nach deshalb notwendig, um zusammenhängende Ableitungen möglichst auf eine PowerPoint Seite bringen zu können und um unnötige Rücksprünge zu vermeiden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Einführung Seite: ‹#› PowerPoint Folien-Nr. Inhaltsverzeichnis Seite 12 1 STATIK 1.1 Grundlagen 15 S 15 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7 15 S 15 16 S 16 19 20 21 21 23 1.3 Starrer Körper Kraft Wechselwirkungsprinzip Schnittprinzip Reaktionskräfte und eingeprägte Kräfte Gleichgewicht Äquivalenz von Kräften Zentrales ebenes Kraftsystem 24 1.2.1 1.2.2 1.2.3 24 31 32 Resultierende Gleichgewicht von Kräften Lagerungsbedingungen S 12 identisch mit Seite 1.2 (Datei: TM-Wi-stat.ppt / Kennzeichnung der Folien-Nr. mit S <n> ) Allgemeines ebenes Kraftsystem 36 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 36 38 40 42 44 46 S 46 Ermittlung der Resultierenden zweier paralleler Kräfte Moment Versetzungsmoment Rechnerische Ermittlung der Resultierenden (Lösungskonzept) Gleichgewicht von Kräften und Momenten Bindungen, Freiheitsgrad und statische Bestimmtheit einer starren Scheibe Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 5 1.5 1.6 1.7 Ebene Tragwerke 49 S 49 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.3.1 1.4.3.2 1.4.4 49 50 55 55 57 59 Grundbegriffe Lagerung starrer Scheiben Streckenlasten Definition von Streckenlasten Ermittlung der Resultierenden einer Streckenlast Beispiele Scheibenverbindungen 62 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.4.1 1.5.4.2 1.5.4.3 62 67 72 75 80 81 83 Ermittlung der statischen Bestimmtheit Dreigelenkträger Gerberträger Ebene Fachwerke Überprüfung der statischen Bestimmtheit von Fachwerken Arten von Fachwerken Berechnungsmethoden für Fachwerke Schnittgrößen in ebenen Trägern und Trägersystemen 88 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 88 91 95 98 Definition der Schnittgrößen Berechnung und grafische Darstellung der Schnittgrößen Differentielle Beziehungen Anwendungen identisch mit Seite 1.4 Zentrales räumliches Kraftsystem 110 1.7.1 1.7.2 111 112 S 112 Ermittlung der Resultierenden Gleichgewicht einer zentralen räumlichen Kräftegruppe Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 6 1.9 Allgemeines räumliches Kraftsystem 114 S 114 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4 117 118 119 123 Zusammensetzung von Kräften und Momenten Gleichgewichtsbedingungen für Kräfte und Momente Räumlich gestützter Körper Schnittgrößen am räumlich belasteten Balken Schwerpunkt 127 1.9.1 1.9.2 1.9.3 1.9.4 1.9.5 1.9.6 127 129 129 131 132 133 Massenschwerpunkt Volumenschwerpunkt Flächenschwerpunkt ebener Flächen Linienschwerpunkt ebener Linien Schwerpunkt zusammengesetzter Gebilde Anmerkungen zur Berechnung von Schwerpunkten 1.10 Flächenträgheitsmomente 1.10.1 1.10.2 1.10.3 1.10.4 1.10.5 134 Definition der Flächenträgheitsmomente Satz von STEINER Flächenträgheitsmomente einfacher Querschnittsflächen Hauptträgheitsmomente Flächenträgheitsmomente zusammengesetzter Flächen 1.11 Haftung und Gleitreibung 1.11.1 1.11.2 1.11.3 1.11.3.1 1.11.3.2 148 Haftung (Zustand der Ruhe) Gleitreibung (Zustand der Bewegung) Seilhaftung und Seilreibung Seilhaftung Seilreibung Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? 134 137 140 141 146 identisch mit Seite 1.8 149 154 156 156 160 S 160 Ende 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 7 2 Festigkeitslehre 2.1 2.2 2.3 161 F 12 Grundlagen der Festigkeitslehre 162 F 13 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.4.1 2.1.4.2 2.1.4.3 162 168 171 174 175 181 182 F F F F F F Einleitung Spannungszustand Deformationszustand Elastizitätsgesetze (Materialgesetze) Elastizitätsgesetz für die Dehnung Elastizitätsgesetz für die Gleitungen Verallgemeinertes HOOKEsches Gesetz 13 19 22 25 26 32 F 33 Zug und Druck 184 F 35 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.2 184 184 188 198 Spannungen und Verformungen von Stabsystemen Berechnung der Spannung Berechnung der Verformungen Flächenpressung Biegung 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 (Datei: TM-Wi-fest.ppt / Kennzeichnung der Folien-Nr. mit F <n> ) F F F F 35 35 39 49 203 F 54 Voraussetzungen und Annahmen Spannungen bei gerader Biegung Verformungen bei gerader Biegung Schiefe Biegung 203 205 212 229 F F F F 54 56 63 80 Querkraftschub 234 F 85 2.4.1 2.4.2 234 F 85 238 F 89 Schubspannungen infolge Querkraftbelastung Abschätzung der Verformungen infolge Querkraftbelastung Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 8 2.5 Torsion 2.5.1 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.1.3 2.5.2 242 F 93 Torsion von Stäben mit Kreis- und Kreisringquerschnitten Annahmen und Voraussetzungen Berechnung der Torsionsspannung Berechnung der Verformung (Verdrehwinkel j) Hinweise zur Torsion allgemeiner Querschnitte 243 243 244 247 254 F 94 F 94 F 95 F 98 F 105 2.6 Scherbeanspruchung 258 F 109 2.7 Zusammengesetzte Beanspruchung 263 2.7.1 2.7.2 2.7.3 264 F 115 265 F 116 275 F 126 2.8 Überlagerung gleichartiger Spannungen Mehrachsige Spannungszustände Spannungshypothesen Stabilität 2.8.1 2.8.2 2.8.3 F 114 285 F 136 Einführung Ein einfaches Stabilitätsproblem EULER-Fälle 285 F 136 290 F 141 293 F 144 3 Dynamik 3.1 Kinematik des Punktes 304 D 14 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 304 305 307 309 311 313 (Datei: TM-Wi-dyn.ppt / Kennzeichnung der Folien-Nr. mit D <n> ) Definitionen Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung in kartesischen Koordinaten Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung in Bahnkoordinaten Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung in Polarkoordinaten Bewegung auf einer Kreisbahn Grundaufgaben der Kinematik Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 302 D 12 D 14 D 15 D D D D 17 19 21 23 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 9 3.2 3.3 Kinematik der ebenen Bewegung des starren Körpers 318 D 28 3.2.1 3.2.2 3.2.3 318 D 28 319 D 29 325 D 35 Kinetik der ebenen Bewegung von Punktmassen und starren Körpern 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 Grundlagen Momentanpol Kinematik von Systemen aus Punktmassen und starren Körpern D’ALEMBERTsche Prinzip für Punktmassen 330 D 40 330 D 40 337 D 47 349 D 59 Ebene Bewegungen von starren Körpern Aufstellung von Bewegungsgleichungen Energiebetrachtungen 356 D 66 3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.1.3 3.4.1.4 3.4.1.5 3.4.2 3.4.3 356 356 359 360 368 371 376 380 Arbeit, Energie, Leistung Arbeit Potentielle Energie Energieerhaltungssatz Leistung Kinetische Energie für die ebene Bewegung eines starren Körpers Verallgemeinerung des Energiesatzes LAGRANGEsche Bewegungsgleichungen 2. Art D D D D D 66 66 69 70 78 D 81 D 86 D 90 Schwingungen 389 D 99 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 389 394 407 417 424 Einführung Freie ungedämpfte Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Freie gedämpfte Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Erzwungene Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Systeme mit mehreren (n) Freiheitsgraden Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende D 99 D 104 D 117 D 127 D 134 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 10 3.5.5.1 3.5.5.2 Einführung Aufstellen der Bewegungsgleichungen bis Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 424 D 134 425 D 135 435 D 145 2 Festigkeitslehre Inhalt Seite: Seite: ‹#› 11 2 Festigkeitslehre Ziel der Festigkeitslehre Im Kapitel 1 Statik (S 12) wurden mechanische Systeme im Zustand der Ruhe und unter der Annahme starrer (undeformierbarer) Körper untersucht. Mit Hilfe des Schnittprinzips konnten so Lager- und Gelenkreaktionen sowie resultierende innere Belastungen (Schnittgrößen) berechnet werden. Da in der Realität die Körper aber deformierbar sind, kommt es zu Körperverformungen und zu inneren Beanspruchungen, den so genannten Spannungen (auf ein Flächenelement bezogene Kräfte). Mit der Berechnung dieser Verformungen und Spannungen wollen wir uns in der Festigkeitslehre beschäftigen. Das Ziel der Festigkeitslehre kann somit wie folgt zusammengefasst werden: In der Festigkeitslehre werden innere Beanspruchungen (Spannungen) und Verformungen von Körpern berechnet, um damit die Eignung des Körpers (Tragwerkes) hinsichtlich der Festigkeit, der Steifigkeit, der Stabilität, der Dauerfestigkeit usw. für den gedachten praktischen Einsatz einschätzen zu können. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Dimensionierung von Tragwerken, d. h. die Festlegung wichtiger geometrischer Größen (z. B. Querschnittsabmessungen von Stäben und Balken), die Auswahl geeigneter Werkstoffe usw., so dass die Tragwerke eine vorgegebene Funktion zuverlässig und sicher erfüllen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1 Grundlagen der Festigkeitslehre 2.1.1 Einleitung Die in der Statik getroffene Annahme eines starren Körpers, muss in der Festigkeitslehre durch die Annahme eines deformierbaren Körpers ersetzt werden (Bild 2.1). Statik Festigkeitslehre starr deformierbar Bild 2.1 Starrer und deformierbarer Körper unter der Wirkung von Kräften Aus den in der Statik ermittelten Lagerreaktionen und Schnittgrößen allein lassen sich keine Aussagen über die Beanspruchungen bzw. die Verformungen einer Konstruktion ableiten. Erst durch das Einführen geeigneter Beanspruchungsgrößen (Spannungen) und Deformationsgrößen (Verschiebungen bzw. Dehnungen und Gleitungen - die so genannten Verzerrungen) sowie deren Verknüpfung mit in der Regel experimentell gewonnenen Materialkenngrößen über ein Materialgesetz (Stoffgesetz) lassen sich die Beanspruchungen und Verformungen ermitteln. Beachte: Durch die Annahme eines deformierbaren Körpers wird jetzt auch die Berechnung statisch unbestimmter Probleme möglich. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Ausgehend von den Zielen der Festigkeitslehre lassen sich folgende typischen Grundaufgaben formulieren, wobei wir annehmen wollen, dass die Materialeigenschaften (in der Regel aus Experimenten in der Werkstofftechnik ermittelt) bekannt sind. 1. Festigkeitsnachweis (Spannungsnachweis): Gegeben: Geometrie, Material und Belastung Nachweis: Spannungen im Bauteil müssen kleiner sein als die für das Material zulässigen Spannungen (werden aus experimentellen Untersuchungen bestimmt). 2. Steifigkeitsnachweis (Verformungsnachweis): Gegeben: Geometrie, Material und Belastung Nachweis: Verformungen des Bauteils müssen kleiner sein als zulässige Verformungen. 3. Dimensionierung bezüglich Festigkeit: bezüglich Steifigkeit: 4. Belastbarkeitsrechnung Geometriefestlegung so, dass die maximalen Spannungen kleiner werden als die zulässigen Spannungen Geometriefestlegung so, dass die Verformungen an jeder Stelle des Bauteils kleiner werden als die zulässigen Verformungen bezüglich Festigkeit: Berechnung der max. äußeren Belastung so, dass die zulässigen Spannungen nicht überschritten werden bezüglich Steifigkeit: Berechnung der max. äußeren Belastung so, dass die zulässigen Verformungen an keiner Stelle des Bauteils überschritten werden Hinweis: Häufig müssen die Grundaufgaben 1. bis 4. kombiniert durchgeführt werden! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Allgemeine Annahmen Zur Lösung der oben aufgeführten Grundaufgaben werden im Rahmen dieses Lehrbuches folgende Annahmen eingeführt, die für viele Standardaufgaben der Ingenieurpraxis zu ausreichend genauen Ergebnissen führen: • Die Verformungen seien klein. Gleichgewicht kann am unverformten System aufgestellt werden (Theorie 1. Ordnung). Ausnahme: Stabilitätsuntersuchungen; dort wird das Gleichgewicht am verformten System aufgeschrieben (siehe Kapitel 2.8) • Die Verformungen gehen bei Wegnahme der Belastungen wieder vollständig zurück. ideal elastisches Materialverhalten • Die Verformungen und Spannungen sind linear voneinander abhängig. lineares Materialverhalten • Das Material ist homogen (an jeder Stelle gelten die gleichen Materialeigenschaften) und isotrop (Materialeigenschaften sind unabhängig von der Richtung ). • Weiterhin werden wir vorzugsweise Bauteile bzw. Systeme betrachten, bei denen die Längenabmessungen wesentlich größer als die Querschnittsabmessungen sind (Stab- und Balkensysteme). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 10 cm Dazu hier einige Beispiele: 10 cm Frage: Wie groß sind „kleine Verformungen“? Wann sind die Längenabmessungen wesentlich größer als die Querschnittsabmessungen? 20 cm (groß!) 100 m 20 cm (klein!) Bild 2.2 Maßverhältnisse („groß“, „klein“) von Bauteilen 1m Antwort: Absolute Werte lassen sich nicht angeben! Empfehlungen bzw. Richtwerte sind von der Bauteilgeometrie und den Anforderungen an die Genauigkeit der Ergebnisse abhängig. Hinweis: Falls obige Annahmen nicht erfüllt sind, kommen erweiterte Theorien zur Anwendung, z. B.: Theorie 2. und 3. Ordnung (für Stabilitätsuntersuchungen und für große Verformungen); Theorien für nichtlineares Materialverhalten (Plastizitäts-, Viskoelastizitätstheorie usw.); Theorien bzw. Berechnungsverfahren für Scheiben, Platten, Schalen usw. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beanspruchungsarten (Auswahl der technisch wichtigsten) Zug/Druck FL Ursache: Längskraft FL Typische Verformung: Längsdehnung (konst. über die Querschnittsfläche) Verlängerung/Verkürzung FL Mbx Reine Biegung Mbx Ursache: Biegemomente Mbx (vgl. Bild rechts) bzw.. Mby Typische Verformung: Längsdehnung (linear veränderlich über den Querschnitt Biegung der Längsachse z x y Torsion j Ursache: Torsionsmoment Mt Typische Verformung: Gleitung in der Querschnittsebene Verdrehung der Querschnitte um die Längsachse Stabilität (Knicken) Ursache: Kritische Druckkraft FK Typische Verformung: Knicken beim Erreichen von FK Biegung der Längsachse Mt •• j Mt FK F<FK Bild 2.3 Beanspruchungsarten Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Verformungsanteil aus der Biegung z Querkraftschub bei Biegung Ursache: Querkräfte FQx, FQy Typische Verformung: Gleitungen in der Querschnittsebene Krümmung der Längsachse wie bei der Biegung x y zusätzlicher Verformungsanteil aus Querkraftschub (meist gering!) Bild 2.4 Hinweis: Eine reine Querkraftschubbeanspruchung kommt praktisch kaum vor. Sie ist in der Regel an eine Biegebeanspruchung gekoppelt (vgl. Bild 2.4). Die Spannungen und Verformungen infolge des Querkraftschubs können bei Balken mit großer Länge gegenüber den Querschnittsabmessungen in der Regel vernachlässigt werden, da sie im Vergleich zu den Biegebeanspruchungen klein sind. klein! Scherbeanspruchung Ursache: Dicht (theoretisch unendlich dicht) nebeneinander liegende entgegengesetzt gerichtete parallele Kräfte Typische Verformung: sehr große Gleitungen in der Querschnittsebene Gefahr der Zerstörung durch Abscheren Resultierende aus Flächenpressung (Blech - Niet) Flächenpressung Flächenpressung im Blech infolge der Belastung durch den Niet Ursache: Druckbelastung einer ebenen oder Bild 2.5 gekrümmten Fläche (z. B. zwischen Niet und Scherbeanspruchung (oben); Flächenpressung zwischen Blech an der gemeinsamen Kontaktfläche) Niet und Blech (links) Gefahr der Oberflächenschädigung (insbesonders bei einer Relativbewegung der Kontaktflächen, siehe Kapitel 1.11, S 148) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.2 Spannungszustand Definition der Spannung Die Belastungen auf einen Körper werden über innere Kräfte zu den Lagern geleitet. Schneiden wir einen im Gleichgewicht befindlichen Körper, so muss auch jedes Teilsystem mit seiner Belastung und mit den in den Schnittflächen verteilten inneren Kräften im Gleichgewicht sein (Bild 2.6). Mit dA - differentielles Flächenelement in der Schnittfläche A im Punkt P P Schnitt n definiert man den Quotienten aus dF und dA als Spannung s im Punkt P: dF dA Einheit: dA P dF dF - Resultierende der auf dA angreifenden inneren Kräfte σ F Kraft N MPa z. B. : 2 Fläche mm F über A verteilte Kräfte (mit F im Gleichgewicht) Bild 2.6 Innere Kräfte (2.1) Für die Spannung s gilt: • Die Spannung ist wie die Kraft ein Vektor. • Die Spannung steht im Allgemeinen nicht normal (n = Normalenrichtung, vgl. Bild 2.6) auf dA. • Die Spannung ist ein Maß für die Beanspruchung des Bauteils. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Da die Spannung beliebig auf dA stehen kann, zerlegt man sie zweckmäßig in drei Komponenten bezogen auf ein kartesisches Koordinatensystem. z Legen wir die x-Achse z. B. in Normalenrichtung n zur Fläche dA, so kann s in drei Spannungskomponenten (Bild 2.7), in eine Normalpannung (normal zur Fläche dA) und in zwei Tangental- oder Schubspannungen (liegen in der Fläche dA) zerlegt werden. sx P sx txy , txz txz s txy y dA Fläche A x, n Bild 2.7 Spannungskomponenten Hinweis zur Indizierung der Spannungen: Der erste Index gibt an, in welche Richtung die Flächennormale n zeigt und der zweite Index beschreibt die Richtung des Spannungsvektors (bei der Normalspannung kann der zweite Index auch wegfallen, da es nur eine Normalspannung für eine Fläche dA gibt). Definition des positiven Schnittufers und der positiven Spannungen am Schnittufer: • Zeigen Flächennormale n und Achsenrichtung (z. B. x-Achse im Bild 2.7) in die gleiche Richtung, so liegt ein positives Schnittufer vor. Der Punkt P in Bild 2.7 liegt somit in einer Schnittfläche, die ein positives Schnittufer darstellt. Im umgekehrten Fall sprechen wir von einem negativen Schnittufer. • Am positiven Schnittufer sind alle Spannungskomponenten positiv in positiver Koordinatenrichtung definiert. Am negativen Schnittufer zeigen sie in die entgegengesetzte Richtung. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Wird aus einem Körper im Punkt P ein differentiell kleiner Würfel mit den Flächennormalen in (x,y,z)-Richtung herausgeschnitten, so wirken jetzt in jeder der drei senkrecht aufeinander stehenden Flächen eine Normalspannung s und zwei Schubspannungen t (vgl. Bild 2.8). z sz Hinweis: Es sind nur die Spannungen am positiven Schnittufer dargestellt. Am negativen Schnittufer wirken sie genau entgegengesetzt. tzy tzx txz sx tyz dz P txy sy tyx y dx x dy Bild 2.8 Räumlicher Spannungszustand Diese 9 Spannungsgrößen beschreiben den so genannten räumlichen Spannungszustand im Punkt P. Sie bilden die Komponenten eines Tensors 2. Stufe bzw. den räumlichen Spannungstensor S, der wegen Gleichung (2.49) symmetrisch wird. sx S t xy t xz t yx sy t yz t zx t zy s z Spannungstensor (2.2) Beachte: Für eine andere Orientierung des differentiell kleinen Würfels ergibt sich ein Spannungstensor mit anderen Komponenten. Dieser beschreibt aber den gleichen Spannungszustand. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.3 Deformationszustand Die Änderung der Gestalt und der Größe eines Körpers infolge einer äußeren Belastung (auch Temperaturänderung zählen dazu) heißt Formänderung bzw. Deformation. Die Formänderung bzw. Deformation kann durch die Angabe der Verschiebungen u, v und w in x-, y- und z-Richtung für alle Punkte P eines Körpers beschrieben werden (Bild 2.9). z P´ w P Sind die Verschiebungen aller Punkte eines Körpers gleich groß, so erfährt er nur eine Starrkörperverschiebung, d. h. seine Gestalt und Größe ändern sich nicht. y x Sind die Verschiebungen der Punkte P eines Körpers jedoch u v unterschiedlich groß, so kommt es zur Änderung der Gestalt und der Größe des Körpers (Deformationen) infolge örtlicher Bild 2.9 Definition der Verschiebungen Verzerrungen im Körper. Als charakteristische Verzerrungsgrößen führen wir folgende Größen ein: Dehnung e : Verlängerung einer Körperlinie bezogen auf die ursprüngliche Länge Gleitung g : Winkelverkleinerung eines ursprünglich rechten Winkels Hinweis: Bei gleich großen Verschiebungen aller Punkte erfährt der Körper eine Starrkörperverschiebung (siehe Bild 2.10, gestrichelte Zwischenlage) ohne dass dabei Verzerrungen (Dehnungen und Gleitungen) eintreten! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Dehnungen und Gleitungen Wir betrachten zunächst die (x,y)-Ebene. In Bild 2.10 ist ein Flächenelement dA = dx·dy im unbelasteten Zustand (Eckpunkte P1, P2, P3) dargestellt. Es erfährt unter einer Belastung Verzerrungen und nimmt eine verschobene und verzerrte (deformierte) neue Lage ein (Eckpunkte P1' ,P2 ' ,P3 ' ). Die in Bild 2.10 dargestellten Verformungen werden als klein2 vorausgesetzt (vergleiche Allgemeine Annahmen im Kapitel 2.1.1, Seite 164). Die Dehnung ex der Seite P1P2 in x-Richtung wird: u dx dx dx P1' P2 ' P1P2 u x ex x dx P1P2 Die Dehnung ey der Seite P1P3 in y-Richtung: Die Gleitung g im Punkte P1 wird: 2 cosg1 1, cosg2 1, tang1 g1, tang2 g2, Taylor-Reihe: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? P3 u dy y y verzerrte Fläche dA v dy y v P3 g2 y+dy u P2 dA P1 y v P1 v dx x g1 P2 u v u dx x u x x x + dx Bild 2.10 Verzerrung eines Flächenelements dA v dy dy P1' P3 ' P1P3 v y ey P1P3 y dy u v dy dx y v u g xy g 1 g 2 x u v x y dx dx dy dy x y 0 0 dy u 1 2u 2 u(x dx) u(x) dx 2 dx ... x 2! x 0 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hinweis: Im Nenner der Gleichung für die Gleitung kann der zweite Summand gegenüber dem ersten Summand vernachlässigt werden, da er das Produkt zweier differentiell kleiner Größen ist und damit im Vergleich zum ersten Summand sehr klein wird! Werden analoge Betrachtungen in der (x,z)-Ebene und in der (y,z)-Ebene angestellt, so erhält man die Dehnung ez und die Gleitungen gxz und gyz in diesen Ebenen. Zusammenfassend erhalten wir: u x Dehnungen εx Gleitungen g xy u v y x εy v y g xz u w z x εz w z g yz v w z y (2.3) (2.4) Die Gesamtheit der drei Dehnungen und drei Gleitungen in einem Punkt P eines Körpers bezeichnen wir als Verzerrungs- oder Deformationszustand. Diese 6 Verzerrungsgrößen bilden die Komponenten eines Tensors 2. Stufe, den so genannten räumlichen Verzerrungs- oder Deformationstensor D. Hinweis: Es gilt allgemein gi j= gji . Der Faktor ½ steht aus Gründen der Zweckmäßigkeit in D. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? ex D 21 g xy 1g 2 xz 1g 2 yx ey 1g 2 yz 1g 2 zx 1g 2 zy Ende (2.5) e z 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.4 Elastizitätsgesetze (Materialgesetze) Die Erfahrung zeigt, dass die Verformung eines Bauteils bei gleicher Geometrie, Lagerung und Belastung (d. h. auch gleicher Spannung) vom verwendeten Material abhängig ist (Bild 2.11). A, Stahl z F l A, Aluminium F sz A z F l lStahl lAluminium 3·lStahl Bild 2.11 Einfluss des Materials auf die Verformungen Es muss also einen Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen geben, der vom Material abhängt! Dieser Zusammenhang kann nur experimentell ermittelt werden. Es ist Aufgabe der Werkstofftechnik diese materialabhängigen Kennwerte zu bestimmen. Zum Ermittlung grundlegender Materialkennwerte dient der Zugversuch an einem genormten Zugstab (DIN 50145) mit Kreisquerschnitt d0, festgelegter Messlänge l0 und einer bestimmten Oberflächenbeschaffenheit (Bild 2.12). A0 (Querschnittsfläche) d0 F F l0 Der Index „0“ steht für die Maße des unbelasteten Zugstabes. Bild 2.12 Zugstab zur experimentellen Ermittlung von Materialkennwerten Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.4.1 Elastizitätsgesetz für die Dehnung Im Zugversuch wird die Belastung F bis zum Reißen des Zugstabes langsam gesteigert und die dabei in der Meßlänge l0 auftretende Dehnung e ermittelt. Mit F l s e (Nennspannung) und (2.6) A0 l0 folgt das so genannte Spannungs-Dehnungs-Diagramm, welches im Allgemeinen für jedes Material ein anderes Aussehen hat (z. B. Bild 2.13, typisch für Baustähle bei Raumtemperatur). s auf aktuelle Fläche A bezogen Rm Re sE sZ auf Ausgangsfläche A0 bezogen sP a elastischer Bereich tana = E e ez plastischer Bereich Es bedeuten: sp - Proportionalitätsgrenze sE - Elastizitätsgrenze Re - Streckgrenze (oft noch sS, sF) Rm - Zugfestigkeit (oft noch sB) sZ - Bruchnennspannung eZ - Bruchdehnung Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm zeigt bis zur Proportionalitätsgrenze sp einen lineares Verlauf. Es gilt dann das HOOKEsche Gesetz: s=E·e HOOKEsches Gesetz (2.7) Bild 2.13 Spannungs-Dehnungs-Diagramm Der Proportionalitätsfaktor E heißt Elastizitätsmodul (auch YOUNGscher Modul) und stellt den Anstieg - also E = tan a - der Geraden im Diagramm bis zur Proportionalitätsgrenze dar. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: Das Hookesche Gesetz in der Form s = E·e gilt für den einachsigen Spannungszustand und für Spannungen bis zur Proportionalitätsgrenze sP. Es verknüpft die Dehnung e in Achsenrichtung (hier Achse des Stabes) mittels des Proportionalitätsfaktors E mit der Normalspannung s in Achsenrichtung. Die Elastizitätsgrenze sE grenzt den Bereich des elastischen Materialverhaltens (bei Entlastung bleiben keine dauerhaften Dehnungen zurück) von dem des plastischen Materialverhaltens (bei Entlastung bleiben dauerhafte Dehnungen zurück) ab. Beim Erreichen der Bruchnennspannung sZ tritt der Bruch des Zugstabes ein. Auf Grund unserer allgemeinen Annahmen (vgl. Kapitel 2.1.1) bewegen wir uns bei allen folgenden Betrachtungen nur im elastischen Bereich und dort speziell nur bis zur Proportionalitätsgrenze. Der Elastizitätsmodul E ist eine wichtige Materialkenngröße. Bei Raumtemperatur Elastizitätsmodul z. B. folgende Größe (Richtwerte): hat der Tabelle 2.1 Elastizitätsmodul E für ausgewählte Werkstoffe Werkstoff E in Nmm-2 Werkstoff E in Nmm-2 Stahl / Stahlguss 2,1 105 Glas 0,72 105 Kupfer 1,2 105 Aluminium 0,7 105 Messing 0,9 105 Stahlbeton 0,4 105 Grauguss 0,8 105 Buchenholz 0,16 105 Gummi 2 ... 3 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Querdehnung Bei der Zugbelastung kann man neben der Längsdehnung e (Dehnung in Achsenrichtung des Stabes) auch eine Querdehnung beobachten (vgl. Bild 2.14). Definition der Querdehnung: F F d0 eq d l l0 d d0 d0 Querdehnung (2.8) Bild 2.14 Querdehnung bei Zugbelastung eines Stabes Mit Versuchen kann nachweisen werden, dass bis zur Proportionalitätsgrenze für alle Belastungen jeweils das gleiche Verhältnis aus Längsdehnung und Querdehnung gilt: eq e konst. (2.9) Aus (2.8) in Verbindung mit den eintretenden Durchmesseränderungen liest man ab, dass bei einer Zugbelastung eq < 0 wird und bei einer Druckbelastung eq > 0 wird. Mit (2.9) und der Definitionsgleichung (2.6) für die Längsdehnung e, die für eine Zugbelastung e > 0 und für eine Druckbelastung e < 0 liefert, folgt die Querdehnung in Abhängigkeit von der Längsdehnung zu eq e mit bzw. m Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.10) Querdehnung ? - Querkontraktionszahl 1 - POISSONsche Zahl Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: • Für homogenes isotropes Material ist die Querdehnung in allen Querrichtungen gleich groß. • Es gilt: 0 0,5 ( = 0 bedeutet keine Querdehnung und = 0,5 bedeutet inkompressibles Material). Die Querkontraktionszahl ist eine weitere wichtige Materialkenngröße. Einige Richtwerte sind in Tabelle 2.2 angegeben. Tabelle 2.2 Querkontraktionszahl für ausgewählte Werkstoffe Werkstoff Metalle (außer Grauguss) 0,3 Grauguss 0,1 ... 0,2 Beton 0,16 (in der Praxis wird häufig = 0 angenommen) Gummi 0,48 ... 0,5 (nahezu inkompressibles Material) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Temperaturdehnungen Wird ein Körper einer Temperaturänderung ausgesetzt, so dehnt er sich bezogen auf den Zustand der Ausgangstemperatur. Aus der Erfahrung wissen wir, dass er sich bei einer Temperaturerhöhung (T > 0) ausdehnt und bei einer Verringerung der Temperatur (T < 0) zusammenzieht (Bild 2.15). TA TE > TA (T > 0 ) TE < TA (T < 0 ) Bild 2.15 Temperaturdehnungen Beachte: Die Größe der Temperaturdehnung ist ebenfalls materialabhängig. Mit TA - Ausgangstemperatur (Einheit: K) TE - Endtemperatur (Einheit: K) T = TE -TA (Temperaturdifferenz) a - Wärmeausdehnungskoeffizient (Einheit: K-1) ergibt sich für die Temperaturdehnung gegenüber dem Ausgangszustand bei TE e = a T Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.11) Temperaturdehnung ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: • Die Temperaturdehnung infolge einer konstanten Temperaturerhöhung im Körper ist für homogenes isotropes Material in allen Richtungen gleich groß, d. h. es gibt in diesem Fall keine Gleitungen. • Eine konstante Temperaturerhöhung im Körper führt nur bei Behinderung der Verformungen (z. B. bei statisch unbestimmten Systemen) zu Spannungen. In der Tabelle 2.3 ist für einige Werkstoffe die für die Temperaturdehnung typische Materialkenngröße – der Wärmeausdehnungskoeffizienten a – aufgeführt. Tabelle 2.3 Wärmeausdehnungskoeffizient a für ausgewählte Werkstoffe Werkstoff a in K-1 Aluminium 23 10-6 Kupfer 16 10-6 Stahl 12 10-6 Grauguss 9 10-6 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.4.2 Elastizitätsgesetz für die Gleitung Wird ein differentielles Element außer durch Normalspannungen s in Achsenrichtung noch durch Schubspannungen t beansprucht, so kommt es neben der Dehnung e in Achsenrichtung noch zu Gleitungen g (vgl. Kapitel 2.1.3, Seite 171), die auch als Schubverzerrungen bezeichnet werden (Bild 2.16). Analog zum HOOKEschen Gesetz für die Dehnung gibt es eine lineare Beziehung zwischen der Schubspannungen t und der Gleitung g : t y t ½g t t x Bild 2.16 Gleitung infolge t t=G·g (2.12) mit dem Proportionalitätsfaktor G, der Gleitmodul genannt wird. Der Gleitmodul G kann für homogenes und isotropes Material aus dem Elastizitätsmodul E und der Querkontraktionszahl berechnet werden. Es gilt (auf eine Herleitung wird hier verzichtet): G E 2(1 ) (2.13) Die Tabelle 2.4 enthält Werte für den Gleitmodul G, die mit der Gleichung (2.13), dem Elastizitätsmodul E aus Tabelle 2.1 und der Querkontraktionszahl nach Tabelle 2.2 ermittelt wurden. Werkstoff Stahl / Stahlguss Kupfer Messing Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure G in Nmm-2 0,81 105 0,46 105 0,35 105 ? Werkstoff Grauguss Aluminium Gummi G in Nmm-2 0,33 ...0,36 105 0,27 105 0,67 ... 1,01 Ende Tabelle 2.4 Gleitmodul G für ausgewählte Werkstoffe 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.1.4.3 Verallgemeinertes HOOKEsche Gesetz Liegt ein Spannungszustand mit allen Spannungskomponente s und t vor (räumlicher Spannungszustand, vgl. Kapitel 2.1.2, Bild 2.8), dann kann das Elastizitätsgesetz (auch verallgemeinertes HOOKEsches Gesetz genannt) durch Superposition der oben beschriebenen Dehnungen gewonnen werden. Aus den Gleichungen (2.7), (2.10) und (2.11) ergeben sich die Dehnungen in allen drei Koordinatenrichtungen infolge der drei Normalspannungen und einer Temperaturdifferenz zu: ex 1 s x s y s z aT E ey 1 s y s z s x aT E ez 1 s z s x s y aT E (2.14) Aus Gleichung (2.12) folgen die Gleitungen in den drei Koordinatenebenen infolge der drei Schubspannungen zu: g xy t xy g yz G t yz G g zx t zx G (2.15) Die Gleichungen (2.14) und (2.15) lassen sich nach den Spannungen auflösen und man erhält: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› sx E E e e aT x 1 1 2 1 2 sy E E e e aT y 1 1 2 1 2 E E sz e e aT z 1 1 2 1 2 t xy G g xy und t yz G g yz (2.16) t zx G g zx mit der Volumendehnung e e ex ey ez Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.17) ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.2 Zug und Druck 2.2.1 Spannungen und Verformungen von Stabsystemen Das Ziel dieses Kapitels ist die Berechnung der Spannungen und Verformungen in geraden Stäben, Balken und Seilen infolge einer Längskraft FL in z-Richtung. 2.2.1.1 Berechnung der Spannungen Die Längskraft FL ist die resultierende Kraft in z-Richtung der über den Querschnitt verteilten Normalspannungen sz. Es gilt folglich FL (z) σ z (z)dA (2.18) (A(z)) Annahme: In hinreichender Entfernung von diskreten Lastangriffsstellen (auch Lagern) kann angenommen werden,7 dass in allen Punkten einer Querschnittfläche die Normalspannungen sz gleich groß sind. Damit folgt aus Gleichung (2.18): FL (z) σ z (z) dA σ z (z)A(z) (A(z)) sz(z) 7 FL(z) A(z) (2.19) Prinzip von DE SAINT VENANT; A. J. C. BARRE DE SAINT VENANT (1797-1886), französischer Physiker Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die Gleichung (2.19) sz(z) FL(z) A(z) (2.19) ist die allgemeine Spannungsgleichung für die Zug/Druck Belastung eines Stabes bzw. Balkens, die auch für Seile gilt, wenn wir negative Längskräfte ausschließen. Da nur eine Normalspannung in Richtung der z-Achse auftritt, wird der Spannungszustand auch als einachsiger Spannungszustand bezeichnet. Hinweis: FL und A können „schwach“ veränderlich sein (vgl. Bild 2.17). FL(z)=F+FE(z) r F+FE(z) A(z) A(z) z V(z) l-z A(z) l-z l sz(z)= FE(z)= V(z)rg F F FE(z) F Bild 2.17 Berechnung von Längskraft und Spannung in einem Stab Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Bohrungen, Kerben, Absätze Dicke h Sind in den Stäben oder Balken Bohrungen (Bild 2.18), Kerben (Bild 2.19), Absätze und dergleichen vorhanden, so verursachen diese ungleichmäßige Spannungsverteilungen über den Querschnitt bzw. Spannungsspitzen, die die rechnerisch ermittelten Spannungen (Nennspannungen) nach Gleichung (2.19) wesentlich überschreiten können. FL FL Die Berechnung der Spannungsspitzen (Kerbspannung) erfolgt in diesen Fällen über so genannte Formzahlen aK, deren Größe von der Form und Größe der Störung (Kerbe) abhängig ist. Mit der Nennspannung nach Gleichung (2.19) sn FL b d FL sn = FL/([b-d]·h) sK = aK·sn Bild 2.18 Kerbspannungen bei Bohrung in einem Flachstab unter Zugbeanspruchung (Annahme: sn ist über Avorhanden konstant) A vorhanden wird die Spannungsspitze (Kerbspannung) sK aK sn (2.20) Kerbspannung Die Werte für die Formzahlen aK findet man in Diagrammen (z. B. Bild 2.19) und Vorschriften. Ihre Berechnung erfordert erweiterte Theorien und ist im Allgemeinen kompliziert. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Als Beispiel ist in Bild 2.19 ein Rundstab mit Umlaufkerbe unter Zugbelastung dargestellt. FL r t • 2,6 r FL aK r/r = 0,1 2,2 0,3 1,8 sn = FL/(pr2) FL sK = aK· sn 0,6 1,4 1,0 0 1,5 1 2 3 4 t/r Bild 2.19 Kerbspannung für Rundstab mit Umlaufkerbe; Diagramm für aK als Funktion der Kerbgeometrie In Abhängigkeit von der Kerbgeometrie kann aus dem Diagramm für diesen Fall die Formzahl aK bestimmt werden. Für eine Kerbe mit r = 10 mm, t = r = 3 mm folgt mit t/r = 1 und r/r = 0,3 aus dem Diagramm von Bild 2.19 für die Formzahl aK 1,85 Die Kerbspannung sK im geschwächten Querschnitt ergibt sich dann mit der Nennspannung sn (siehe Bild 2.19) aus Gleichung (2.20) zu F sK aK sn 1,85 L2 pr Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.2.1.2 Berechnung der Verformungen Bei Annahme der Gültigkeit des HOOKEschen Gesetzes und eines einachsigen Spannungszustandes in z-Richtung (sx = sy = 0) folgt aus dem verallgemeinerten HOOKEschen Gesetz (3. Gleichung von (2.14)) und der Spannung sz(z) nach Gleichung (2.19) für die Zug/Druck Beanspruchung die Dehnung in z-Richtung zu s z F z e z z aT L aT E EA z Das Produkt EA ist die so genannte Dehnsteifigkeit. w Mit der Dehnung e z nach Gleichung (2.3), Seite 173 folgt z dw F z e z z L aT dz EA z (2.21) Gleichung (2.21) ist eine Differentialgleichung 1. Ordnung für die Verschiebung w. Die Integration von (2.21) liefert die Verschiebung w der Querschnittspunkte eines Stabes in z-Richtung. F z w z L aT dz C EA z (2.22) Hinweis: C ist eine Integrationskonstante, die für jede spezielle Aufgabe aus einer Randbedingung (bekannte Bedingung für die Verschiebung w) bestimmt werden kann. Zum Beispiel muss für den Stab von Bild 2.20 die Randbedingung w(z=0) = 0 erfüllt sein. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› l z Die häufig benötigte Gesamtverlängerung l eines Stabes der Länge l (siehe Bild 2.20) ergibt sich nach Integration der Gleichung (2.21) zu F w=0 l w(z=l) = l w(z) F z dw wz l wz 0 ez zdz EAL z aT dz z l l z 0 0 Bild 2.20 Zugstab mit Verformungen l (2.23) 0 Für den in der Praxis häufig vorkommenden Fall einer konstanten Längskraft (FL = konst.), einer konstanten Dehnsteifigkeit (EA = konst.) und einer konstanten Temperaturbelastung (aT = konst.) vereinfachen sich die Gleichungen (2.21), (2.22) und (2.23) wie folgt: dw F e z L aT dz EA (2.24) w z (2.25) FL z aT z C EA l e z l FL l aT l EA Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? (2.26) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.1 Abgesetzter Stab mit Längsbelastung Geg.: E, A1, A2, l1, l2, F1, F2 Ges.: Spannungen, Verschiebungen z1 Schnittgrößen: Nach Definition der Längskoordinaten für die zwei Bereiche folgt aus den Schnittbildern rechts (hier gibt es nur Längskräfte): 1. Bereich: 0 z1 l1: FL1 = - F1 + F2 2. Bereich: 0 z2 l2: FL2 = F2 σ z (z1) EA2 z2 l1 l2 F1 FL1 F2 F2 z1 F2 FL2 Normalspannungen: Die Spannungen folgen aus Gleichung (2.19) zu: 1. Bereich: F1 EA1 FL1 F1 F2 A1 A1 Bild 2.21 Abgesetzter Stab mit Längsbelastung 2. Bereich: z2 σ z (z2 ) FL2 F2 A2 A2 Verschiebungen: Wegen FL = konst. können wir die Verschiebungen aus (2.25) berechnen: w1(z1) FL1 -F F z1 C1 1 2 z1 C1 (1) EA1 EA1 Randbedingungen: 1. w1(z1=0) = 0 w 2 (z2 ) FL2 F z2 C2 2 z2 C2 (2) EA 2 EA 2 2. w1(z1=l1) = w2(z2=0) Einsetzen von C1 und C2 in (1) und (2) die Verschiebungen: w1(z1) - F1 F2 z1 EA 1 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure und ? w 2 (z2 ) F2 -F F z2 1 2 l1 EA 2 EA 1 Ende mit (1) und (2) C1 = 0 und -F F C2 1 2 l1 EA 1 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.2 Masse an einem dünnen Draht (Kreisquerschnitt) Gegeben: m = 30 kg, l = 36 m, g = 9,81 m/s2 Materialparameter: E = 1,9 105 N/mm2, r = 7,8510–6 kg/mm3 d, E, Rm = 2000 N/mm2, szul = 1/4Rm r, Rm Diese Materialparameter entsprechen einem hochfesten Stahldraht im federhart gezogenen Zustand (z. B. X 12 CrNi 177). g Gesucht: 1. Durchmesser d des Drahts 2. Maximale Länge des Drahts bis zum Reißen 3. Verschiebung und Gesamtverlängerung des Drahts mg + rgAl FL(z) + z z l FL(z) l-z rgA(l-z) m mg FK Bild 2.22 Masse an einem dünnen Draht Die Rechnung wird zunächst allgemein (mit Eigengewicht des Drahts) durchgeführt, damit aus den Ergebnissen noch allgemeingültige Rückschlüsse gezogen werden können. Für die Lösung wird die Längskraft im Draht benötigt. Wir schneiden an einer allgemeinen Stelle z und ermitteln die Längskraft FL aus dem Kräftegleichgewicht am Teilsystem. FL wird: FL(z) = mg+rgA(l - z) (dieser Verlauf von FL ist in Bild 2.22 grafisch dargestellt) Daraus folgt mit Gleichung (2.19) der Normalspannungsverlauf im Draht zu mg F (z) mg rgA( l - z) smax rgl bei z = 0 (vgl. Bild 2.22) s z (z) L mit A A A Beachte: Für mg = 0 wird smax unabhängig von der Querschnittsfläche A des Drahts. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 1. Erforderlicher Drahtdurchmesser d: Der Drahtdurchmesser d muss so gewählt werden, dass die folgende Bedingung erfüllt wird: mg 4 mg 1 smax szul rgl s zul und mit A pd2 derf (1) A ps zul rgl 4 Beachte: • Für mg = 0 kann A beliebig sein (wegen smax unabhängig von A für mg = 0; vgl. auch oben) s • Für (szul - rgl) 0, d.h. für l zul ist die Bedingung nicht mehr erfüllbar, da bei dieser rg Länge smax = szul allein durch das Eigengewicht erreicht wird. 2. Maximale Drahtlänge bis zum Reißen Der Draht wird reißen, wenn die maximale Spannung die Zugfestigkeit Rm erreicht. Aus der Bedingung smax = Rm folgt dann: smax mg rglmax Rm A lmax Rm mg rg rgA (2) 3. Verschiebung und Gesamtverlängerung des Drahts Die Verschiebung berechnen wir wegen der von z abhängigen Längskraft aus der allgemeinen Verschiebungsgleichung (2.22) für die Zug/Druck Beanspruchung. w z FL z mg rg mg rg l z2 C dz C l z dz C z EA z EA 2E EA E Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die Integrationskonstante C in w(z) berechnen wir aus der Randbedingung rg 2 rg 2 C l w (z=0)=0 l C0 2E 2E Damit ergibt sich für die Verschiebung der Drahtpunkte in Abhängigkeit von z: w(z) mg rg z (2lz z 2 ) EA 2E (3) Aus (3) erhalten wir die Gesamtverlängerung des Drahts, indem wir für z = l setzen: w max w(z l ) mg rg 2 l l EA 2E (4) Nachfolgend werden für die oben gegebene Zahlenwerte die Ergebnisse angegeben (die Zahlenrechnung sollte der Leser zur Übung selbst durchführen). 1. Erforderlicher Seilquerschnitt A: Aus Gleichung (1) folgt derf 0,868 mm. Da man einen Draht mit diesem erforderlichen Querschnitt kaum finden wird oder herstellen lassen kann, wählt man ein verfügbaren oder herstellbaren Draht mit dem nächst größeren Querschnitt aus, z. B. mit dem Durchmesser dgew 0,9 mm (das entspricht einer Querschnittsfläche von Avorh 0,636 mm2) Beachte: Mit diesem gewählten Wert dgew = 0,9 mm (bzw. mit Avorh = 0,636 mm2) müssen alle nachfolgenden Rechnungen durchgeführt werden! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2. Maximale Drahtlänge bis zum Reißen Aus Gleichung (2) folgt mit Avorh lmax 19,96 km Hinweis: Für mg = 0 (frei hängender Draht) wird die maximale Länge, bei der der Draht reißt, lmax = 25,97 km ! 3. Verschiebung und Gesamtverlängerung des Seiles Aus Gleichung (3) folgt mit Avorh die Verschiebung in Abhängigkeit von z zu w(z) 24,501 104 z 2,0265 1010 mm 1z2 Aus (4) erhalten wir die Gesamtverlängerung des Drahts der Länge 36 m zu w max 87,94 mm Hinweis: Für mg = 0 (frei hängende Draht) wird die maximale Verlängerung bei der maximalen Drahtlänge lmax wmax = w(z = lmax = 25,97 km) = 136,7 m ! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.3 Eingespannter Stab mit Einzellast und Temperaturbelastung Gegeben: F = 6105 N, l1 = 1200 mm, l2 = 800 mm, A = 2000 mm2, E = 2,1105 N/mm2, a =1210–6 K–1, Ausgangstemperatur TA = 20 C, Endtemperatur TE = 50 C, (Annahme: Eigengewicht vernachlässigbar, d. h. es werden nur Längsbelastungen berücksichtigt) A, E, a, TA, TE Gesucht: 1. Lagerreaktionen an den Einspannstellen A und B 2. Normalspannungen im Stab F z1 z2 A B 3. Endtemperatur TE , für die die Normall1 l spannung s am Lager B Null wird. FA 1. Lagerreaktionen: : FA + F - FB = 0 F 2 F B FB = FA + F (1) FA FL1 = FA Hinweis: Mit (1) liegt eine Gleichung für zwei unbekannte Lagerreaktionen FA und FB vor. Allein daraus z1 FA F FL2 = FA+F lassen sich die Lagerreaktionen also nicht berechnen! Das bedeutet Das Problem ist statisch unbestimmt! z2 Zur Lösung muss das Verformungsverhalten Bild 2.23 Eingespannter Stab mit Einzellast und Temperaturbelastung des Stabes betrachtet werden! Mit den Schnittgrößen, die in Bild 2.23 bereits als Zwischenergebnis eingetragen sind und mit T = TE - TA (siehe Seite 179) können wir die Verschiebungen in den zwei Bereichen des Stabes mit Hilfe von Gleichung (2.25) aufschreiben. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› FL1 F z1 aT z1 C1 A z1 aT z1 C1 EA EA F F F w 2 (z2 ) L2 z 2 aT z 2 C2 A z 2 aT z 2 C2 EA EA w1(z1) 1. Bereich 0 z1 l1: 2. Bereich 0 z2 l2: Die Verschiebungen müssen noch folgende Rand- und Übergangsbedingungen erfüllen: 2. w1(z1=l1)=w2(z2=0) 1. w1(z1=0)=0 3. w2(z2=l2)=0 Mit der Gleichung (1) und den Bedingungen 1. bis 3. liegen vier Gleichungen für die vier Unbekannten FA, FB, C1 und C2 vor. Wir erhalten aus 1.: aus 2.: FA l1 aTl1 C1 C2 EA aus 3.: FA F l2 aTl2 C2 0 EA 0 C1 = 0 F C2 A l1 aTl1 EA FA F F l2 aTl2 A l1 aTl1 0 EA EA In der letzten Gleichung ist nur noch FA unbekannt und es folgt durch Auflösen nach FA Fl2 FA aT EA (2) l1 l2 Aus (1) FB = FA + F folgt mit (2): Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? FB Fl1 aT EA l1 l2 (3) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2. Normalspannungen: Mit der Lagerreaktion FA nach Gleichung (2) sind die Schnittgrößen (siehe Bild 2.23) berechenbar. Damit erhalten wir aus Gleichung (2.19) die Normalspannungen zu: F F l F sz z1 L1 A 2 aT E 1. Bereich: 0 z1 l1 A A l1 l2 A sz z2 2. Bereich: 0 z2 l2 FL2 FA F l F 1 aT E A A l1 l2 A (4) (5) 3. Endtemperatur TE , für s = 0 am Lager B l F T TE TA 1 Aus (5) folgt mit der Bedingung s(z2=l2) = 0: l1 l2 aEA l1 F TE TA l1 l2 aEA (6) Mit den gegebenen Zahlenwerten erhalten wir aus (2) bis (6): 1.Lagerreaktionen: FA 2,40 15,12 105 N 17,52 105 N FB 3,60 15,12 105 N 11,52 105 N 2. Spannungen: sz z1 120 756 N mm 2 876 N mm 2 sz z2 180 756 N mm 2 576 N mm 2 3. Endtemperatur: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure TE 20 7,14 C 27,14 C ? Ende Hinweis: Man beachte die stark überwiegenden Anteile (jeweils zweites Glied in den Klammern) bei den Lagerreaktionen und bei den Spannungen aus der Temperaturbelastung T ! 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.2.2 Flächenpressung Als Flächenpressung p bezeichnet man die Druckbeanspruchung normal zur Berührungsebene zweier Körper (Berührungsspannung). Die sich berührenden Flächen können dabei eben oder gekrümmt sein. • m mg mg A • g reale Verteilung p=konst. von p (Annahme) p Bereich der Flächenpressung Bild 2.24 Flächenpressung in ebenen Berührungsflächen a) A FN b) c) d) Beachte: Die reale Verteilung der Flächenpressung p (Bild 2.24 c zeigt eine realitätsnahe Verteilung) ist von der Geometrie und den Steifigkeiten der sich berührenden Körper abhängig und kompliziert zu berechnen. Um eine für die praktische Anwendung handhabbare Berechnungsmöglichkeit zu erhalten, arbeitet man mit vereinfachenden Annahmen über die Verteilung der Flächenpressung in der Kontaktebene (vgl. Bild 2.24 d). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Ebene Berührungsflächen Annahme: Die Flächenpressung p sei konstant über die Berührungsfläche A verteilt. Diese Annahme würde richtig sein, wenn man ideal starre Körper mit ideal ebenen Berührungsflächen A voraussetzen könnte, was in der Praxis natürlich nie zutrifft. Trotzdem kann in der Anwendung oft die obige Annahme getroffen werden. Für die Flächenpressung p in ebenen Berührungsflächen (vgl. Bild 2.24 b und d) gilt dann p FN A (2.27) mit FN - Druckkraft senkrecht zur Berührungsfläche A Für einen Spannungsnachweis, eine Dimensionierung oder eine Belastbarkeitsrechnung bezüglich der Flächenpressung muss die Bedingung p pzul erfüllt werden. Aus dieser Ungleichung lässt sich dann die gesuchte Größe ermitteln. Hinweis: Zulässige Werte für pzul werden in der Regel durch das „weichere“ Material der Materialpaarung bestimmt. Absolute Größen können allgemein nicht angegeben werden, da spezielle Einsatzbedingungen wie Verschleiß, Dauerfestigkeit usw. die Größe wesentlich bestimmen. Der Maximalwert für p ist theoretisch die Bruchspannung des Materials. pzul in N/mm2 0,25 0,75 100 Material gewachsener Boden Mauerwerk Stahl Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Tabelle 2.5 Richtwerte für pzul Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.4 Flächenpressung zwischen Stahlträger und Stützpfeiler Ein Doppel-T-Träger liegt auf zwei Stützpfeilern auf. Die Belastung F wird symmetrisch eingeleitet. Schnitt an der Kontaktfläche F FN=F/2 F p L L B B Bild 2.25 Flächenpressung zwischen Stahlträger und Stützpfeiler Für die Flächenpressung zwischen Stahlträger und Stützpfeiler folgt mit (vgl. Bild 2.25) 1 FN F (Normalkraft) und A = B L (Auflagefläche) 2 aus Gleichung (2.27) p FN F A 2 B L Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Gekrümmte Berührungsflächen (Zapfenlagerung, Gleitlager, Bolzen und Niete in Bohrungen usw.) Annahme: Die Komponente der Flächenpressung in Richtung der resultierenden Druckkraft FD sei konstant über die zu FD senkrechte Projektionsfläche AProj verteilt. Mit dieser Annahme gilt: F p D mit FD - Druckkraft senkrecht zur Projektionsfläche AProj AProj (2.28) Beispiel 2.5 Flächenpressung zwischen Welle und Gleitlager F b Für die Flächenpressung zwischen Welle und Gleitlager folgt mit (vgl. Bild 2.26): FD = 2F p F AProj r aus Gleichung (2.28) p tatsächlich belastete Fläche Bild 2.26 Flächenpressung zwischen Welle und Gleitlager Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure FD = 2F (Druckkraft) AProj = 2rb (Projektionsfläche) ? FD F AProj r b Die Flächenpressung zwischen einer Welle bzw. einem Bolzen und der Gleitlager- bzw. Bohrungswand heißt auch Lochleibungsdruck. Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hinweis: Die obige Annahme einer konstanten Verteilung der Flächenpressung über die projizierte Fläche AProj liefert die gleiche resultierende Druckkraft FD wie die Annahme einer konstant verteilten Flächenpressung p senkrecht zur Berührungsfläche. Mit der folgenden Rechnung soll diese Aussage für das Beispiel 2.5 bewiesen werden. r FD Tiefe der Bohrung b j dAProj = dAsinj j dFV = pdAsinj dF = pdA p dA = brdj dA Bild 2.27 Resultierende für p = konst. über Halbkreisfläche Es gilt (vgl. Bild 2.27): dFV = p sinj dA = p sinj brdj Hinweis: Die reale Verteilung von p ist von der Geometrie und den Steifigkeiten abhängig und kompliziert zu berechnen. Für eine Welle in einem Lager (ohne FD Spiel) könnte der Verlauf beispielsweise wie folgt j aussehen: Bild 2.28 Realitätsnaher Lochleibungsdruck pmax p(j) = pmaxsin j Die Integration über den Halbkreis liefert: p dFv pbr sinj dj pbr- cosj 0 p FV = pbr2 = pAProj = FD (Was zu beweisen war!) 0 Bedeutung hat die Flächenpressung bei der Auslegung von Gewinden, Klemm- und Presssitzen, Kupplungen, Passfedern und Keilen, Stiftverbindungen usw. Hier sind häufig auch spezielle Berechnungsvorschriften zu beachten. Hinweis: Genauere Untersuchungen der Flächenpressung können nach der Theorie von H. HERTZ vorgenommen werden. Man spricht dann auch von HERTZscher Pressung. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.3 Biegung Das Ziel in diesem Kapitel ist die Berechnung der Spannungen und Verformungen in geraden Balken infolge der Biegemomente Mbx und Mby. 2.3.1 Voraussetzungen und Annahmen • Wir betrachten zunächst einen geraden, prismatischen Balken mit der Balkenachse z und den Querschnittsachsen (x,y), der auf reine Biegung um die x-Achse (Mbx = konst., Mby = 0, FQy = 0, FL = 0) belastet ist (Bild 2.29, links). Eine endgültige Festlegung der Lage und der Orientierung des Koordinatensystems relativ zum Querschnitt ergibt sich aus den Annahmen und Schlussfolgerungen des Kapitels 2.3.2. Beispiel für reine Biegung und Querkraftbiegung: a a F F Beispiel für reine Biegung: Balkenachse x M0 x • z y • z y F Balkenachse + - F FQ reine Biegung + Querkraftbiegung y + Fa Mbx Bild 2.29 Reine Biegung und Querkraftbiegung Hinweis: Die im Folgenden hergeleiteten Formeln lassen sich auch mit guter Näherung für schwach gekrümmte Balken, Balken mit stetig veränderlichen Querschnitten und Balken mit Querkraftbiegung (Mbx = Mbx(z), FQy 0, siehe Bild 2.29, rechts) anwenden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› • Durch die Biegemomentenbelastung Mbx entstehen im Querschnitt Normalspannungen sz senkrecht zur Querschnittsfläche, die bei reiner Biegung keine resultierende Kraftwirkung haben und deshalb in einem Teil des Querschnitts positiv (Zugspannungen) und im anderen Teil negativ (Druckspannungen) sein müssen (siehe Bild 2.30 weiter unten). • Diejenige Balkenachse, für die die Normalspannungen sz (und damit auch die Dehnungen ez) Null sind, bezeichnen wir als neutrale Faser oder als neutrale Schicht. • Die positiven und negativen Normalspannungen sz erzeugen Dehnungen ez in z-Richtung, die zu einer Krümmung (Biegeverformung) der ursprünglich geraden Balkenachse führen. • Zur Berechnung der Normalspannungen sz und der Biegeverformungen ist eine Annahme von J. BERNOULLI, die so genannte BERNOULLI-Hypothese oder auch Normalenhypothese, Grundlage der elementaren Biegetheorie. Balkenachse . . . . x z • . y Mbx Druckspannungen . . . Zugspannungen Mbx . verformte Balkenachse neutrale Faser (Spannung sz = 0 und Dehnung ez = 0) . Bernoulli-Hypothese: Eine im unverformten Zustand senkrecht zur Balkenachse stehende ebene Querschnittsfläche, bleibt bei einer reinen Biegeverformung eben und steht senkrecht zur verformten Balkenachse (Bild 2.30). Bild 2.30 Verformungen nach der BERNOULLI-Hypothese Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hinweis: Die BERNOULLI-Hypothese trifft für die Querkraftbiegung nicht zu, da es infolge von Schubspannungen t zu Gleitungen g und damit zu einer Verwölbung des Querschnitts kommt. Mit der Annahme der BERNOULLI-Hypothese vernachlässigen wir also die Wirkung der Schubspannungen. Das hat sich in der Praxis jedoch bewährt, da bei Balkentragwerken der Schubeinfluss im Verhältnis zu den Biegenormalspannungen gering ist. 2.3.2 Spannungen bei gerader Biegung Definition: Man spricht von gerader Biegung, wenn es bezüglich der (x,y)-Achsen nur ein Biegemoment Mbx mit daraus folgender Biegeverformung in der (y,z)-Ebene bzw. nur ein Moment Mby mit Biegeverformung in der (x,z)-Ebene gibt. Mit den Voraussetzungen (vgl. Bild 2.31), dass Mb • nur Mbx wirkt und damit die Biegeverformung in der (y,z) -Ebene erfolgt, x • die Dehnungen und die Spannungen unabhängig von x sind, • die Balkenachse z in der neutralen Faser liegt, z • die Querdehnung in x- und y-Richtung unbehinderte sind x y (sx = 0, sy = 0), P neutrale Faser • T = 0 ist, szd (Schicht) gilt nach dem HOOKEschen Gesetz für die Spannung sz infolge dA A eines Biegemomentes Mbx für einen beliebigen Punkt P im Bild 2.31 Normalspannung sx infolge Mbx Querschnitt z (siehe Bild 2.31) s z y,z E e z y,z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? (2.29) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Infolge dieser Spannungen (2.29) krümmt sich ein ursprünglich gerades Balkenelement der Länge dz. Die Endquerschnitte bleiben wegen der Annahme der BERNOULLIschen Hypothese eben und stehen senkrecht zur gekrümmten Balkenachse (neutrale Faser, siehe Bild 2.32). Alle Fasern mit y 0 erfahren dadurch eine Dehnung. Die Dehnung ez einer Faser im Abstand y von der neutralen Faser (diese dehnt sich nicht!) wird ds dz r ydj rdj y e z y,z dz rdj rz mit r(z) - Krümmungsradius. dz neutrale Faser dj Mbx r Mbx y y P dz ds P Bild 2.32 Verformung eines differentiellen Balkenelements dz Setzen wir diese Dehnung in die Gleichung (2.29) ein, so folgt für die Normalspannung sz (y, z) E e z y, z E y rz (2.30) Den in Gleichung (2.30) noch unbekannten Krümmungsradius r(z) und die Lage der neutralen Faser erhalten wir aus den folgenden Äquivalenzbedingungen zwischen der Spannung sz und den Schnittgrößen im Querschnitt z. Da nur das Biegemoment Mbx wirken soll, gibt es keine resultierende Längskraft FL und kein resultierendes Moment Mby. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Daraus folgt: FL z s z y,zdA rz ydA 0 E A erfüllt für A ydA S x 0 A Folgerung: Sx ist genau dann Null, wenn die x-Achse durch den Flächenschwerpunkt S verläuft (vgl. Kapitel 1.9.3, S 129). Das bedeutet, die neutrale Faser und damit die Balkenachse z muss durch den Flächenschwerpunkt S verlaufen. Mby z s z y,z xdA rz xy dA 0 E A A erfüllt für xy dA Ixy 0 A Folgerung: Ixy ist genau dann Null, wenn die x-Achse und die y-Achse durch den Flächenschwerpunkt S verlaufen und Hauptachsen des Querschnitts sind (vgl. Kapitel 1.10.4, S 141 ff.). Mbx z E 2 s z y,z ydA rz y dA A A mit (vgl. Kapitel 1.10.1, S 134) M z 1 bx rz EIxx Ixx y 2 (2.31) dA A Setzen wir (2.31) in (2.30) ein, so erhalten wir die Normalspannung sz für die gerade Biegung um die x-Achse infolge eines Biegemomentes Mbx zu M z sz y,z bx y (2.32) Ixx Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Zusammenfassung: • Ist (x,y,z) ein Hauptzentralachsensystem, so berechnen sich die Spannungen sz(y,z) infolge einer Biegemomentenbelastung Mbx um die x-Achse (Biegeachse) aus der Gleichung (2.32) Hinweis: Die Spannung ist unabhängig vom Elastizitätsmodul E des Materials! • Die Normalspannungen sz(y,z) infolge Mbx sind sz2 linear über den Querschnitt verteilt und werden für Mbx y=0 (neutrale Faser) Null. • Die größten Normalspannungen treten in Punkten mit den größten Abständen von der x-Achse auf. So sind z. B. in Bild 2.33 bei einem Biegemoment Mbx > 0 die größten positiven Spannungen (sz1 > 0) bei y = e1 und die größten negativen Spannungen (sz2 < 0) bei y = e2 vorhanden. Allgemein gilt für die Randspannungen: I M z M z mit Wbx1 xx σ z1z bx e1 bx e1 Ixx Wbx1 M z M z I mit Wbx2 xx σ z2z bx e2 bx e2 Ixx Wbx2 e2 S x e1 y sz1 Bild 2.33 Normalspannungsverteilung Wbx1 und Wbx2 sind die so genannten (Biege-) Widerstandsmomente (rein geometrische Querschnittskenngrößen), die für genormte Querschnitte in Tabellenform verfügbar sind (siehe z. B. Tabelle 2.6). Mit diesen Biegewiderstandsmomenten kann man den in der Praxis oft benötigten Betrag der maximalen Normalspannung im Querschnitt z schnell angeben. Es wird: M z I σ z (z) max bx mit Wbx min xx (2.33) Wbx min emax Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.6 Träger mit Streckenlast und Einzellast (vgl. Beispiel 1.17, S 99) Gegeben: q = 20 N/cm, a = 0,5 m, b = 2 cm, h = 3 cm Gesucht: Ort und Größe der maximalen Biegespannung Den Schnittgrößenverlauf für das Biegemoment Mbx übernehmen wir vom Beispiel 1.17, S 103. Die größten Biegespannung im Träger treten an der Stelle des vom Betrag größten Biegemomentes Mbx = -q0a2 am Lager B auf. Im Querschnitt an diesem Lager ergeben sich die maximalen Spannungen am Rand y = emax = h/2. q F = qa x B A z1 y1 y1 a z1 2a 1 qa 820 _ q0a2 h y b Mbx-Verlauf B Bild 2.34 Träger mit Streckenlast und Einzellast Mit den Querschnittsgrößen eines Rechteckquerschnitts (siehe Kapitel 1.10.3, Tabelle 1.5, S 97) Ixx bh3 12 und Wbx min Ixx bh2 emax 6 (1) folgt für den Spannungsverlauf über den Querschnitt am Lager B (Stelle z1 = 2a oder z2 = 0) aus (2.32) Mbx z 2 0 12qa2 s z y, z 2 0 y y 3 Ixx bh Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? (2) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die größten Spannungen am Lager B erhält man aus (2) für y = ±h/2 am unteren bzw. am oberen Rand. h 12qa2 h 6qa2 Unterer Trägerrand bei B: s z y , z 2 0 3 2 2 bh bh2 h N s z y , z 2 0 166,7 2 mm 2 Oberer Trägerrand bei B: h N s z y , z 2 0 166,7 2 mm 2 Die vom Betrag größte Spannungen am Lager B folgt auch aus Gleichung (2.33) mit dem Widerstandmoment Wbxmin aus Gleichung (1) zu: σ z z 2 0 max Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Mbx z 2 0 6qa2 N 166,7 Wbx min bh2 mm 2 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.7 Dimensionierung eines T-Trägers (vgl. Beispiel 1.16, S 98) Gegeben: F = 2000 N, a = 0,5 m, szul = 240 N/mm2 Gesucht: Hochstegiger T-Träger nach DIN 1024 Den Biegemomentenverlauf Mb übernehmen wir vom Beispiel 1.16, S 98. Für die vier Bereiche mit konstantem Querschnitt werden an der Stelle des größten Biegemomentes Mbmax (vgl. Bild 2.35) die Spannungen maximal. Diese maximale Spannung muss die folgende Bedingung erfüllen: σ z max Wbx min M 7Fa b max σ zul 2σ zul Wbx min 14,58 cm3 Tabelle 2.6 Auszug aus DIN 1024 b A [cm2] e [cm] Ix [cm4] Wx [cm3] Iy [cm4] Wy [cm3] ... 80 90 ... ... 13,6 17,1 ... ... 2,22 2,48 ... ... 73,7 119 ... ... 12,8 18,2 ... ... 37,0 58,5 ... ... 9,25 13,0 ... Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? y b=h [mm] e x y x h y1 z a1 z2 a z3 a z4 a nach DIN 1024 + Mb - Verlauf 7 Mb max= 2 Fa Bild 2.35 Dimensionierung eines T-Trägers Aus der Ungleichung (1) kann Wbxmin bzw. ein typischer Querschnittswert des vorgegebenen Querschnitts bestimmt werden. Bei genormten Quer(1) schnitten findet man Wbx in entsprechenden DIN-Tabellen (Tabelle 2.6). Auszug aus DIN 1024 T 90 B A Hinweis: Das ist eine in der Praxis häufig vorkommende Dimensionierungsaufgabe bezüglich Festigkeit, d. h. der Querschnitt muss so bestimmt werden, dass |sz|max< szul wird. M b max σ zul Wbx min 2F 2F F Aus der Tabelle 2.6 wählen wir einen T-Träger, für den wegen (1) Wx Wbx min 14,58 cm3 gilt. Das ist der T-Träger T 90, der die Bedingung (1) erfüllt: Wx 18,2cm3 14,58 cm3 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.3.3 Verformungen bei gerader Biegung Für die Berechnung der Verformungen sollen die in den Kapiteln 2.3.1 und 2.3.2 getroffenen Annahmen und Voraussetzungen ebenfalls gelten. Sie sollen hier wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung nochmals angegeben werden: • Das HOOKEschen Gesetz und die BERNOULLI-Hypothese sollen gelten. • Es liegt reine Biegung vor (Biegemoment ist konstant). Eine Anwendung auf veränderliche Biegemomente kann mit ausreichender Genauigkeit vorgenommen werden. • Die Biegung erfolgt um eine Hauptzentralachse des Querschnitts. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit nehmen wir zunächst an, dass dies die x-Achse sei. Wir definieren die Biegeverformung v(z) als die Verformung der neutralen Faser in y- Richtung infolge eines Biegemomentes Mbx(z). Die Funktion der Biegeverformung v(z) wird auch Biegelinie genannt (siehe Bild 2.36). Die neutrale Faser eines differentiellen Elementes dz des Trägers erfährt infolge der Biegebelastung eine Krümmung k Bild 2.37 links, die der Kehrwert des Krümmungsradius r(z) ist. Nach Kapitel 2.3.2, Gleichung (2.31), folgt damit für die Krümmung M z 1 (2.34) k bx ρz EI xx Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? x Mb x • v(z) F y verformte Balkenachse (Biegelinie) Bild 2.36 Definition der Biegeverformung v(z) z . z unverformte Balkenachse dz dz v(z) dj x . r(z) Mbx y dz dx y(x) y r Definition der mathematisch positive Krümmung: dj Bild 2.37 Krümmung infolge Mbx (links) und mathematische Definition einer positiven Krümmung (rechts) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die mathematische Definition der positiven Krümmung einer Funktion y(x) ist in Bild 2.37 rechts dargestellt und berechnet sich aus 1 v(z) k (2.35) rz 2 3 1 v(z) Der Vergleich der beiden Krümmungen in Bild 2.37 zeigt, dass nach unseren Definitionen der positiven Verformung v(z) und des positiven Biegemomentes Mbx ein positives Biegemoment eine negative Krümmung k der Biegelinie v(z) erzeugt. Das bedeutet, dass beim Einsetzen von Gleichung (2.35) in (2.34) – wobei für y(x) v(z) zu setzen ist – dieses unterschiedliche Vorzeichen in der Krümmung berücksichtigt werden muss. Es folgt: M z vz bx (2.36) EIxx z 2 3 1 vz Hinweis: Mit dieser nichtlinearen Differentialgleichung (2.36) muss bei der Berechnung von großen Verformungen im elastischen Bereich gerechnet werden! Setzen wir nachfolgend kleine Verformungen v(z) voraus (vgl. Kapitel 2.1.1), so wird v(z) sehr klein, so dass [v(z)]2 gegenüber der „1“ im Nenner der Gleichung (2.36) vernachlässigt werden kann. Wir erhalten für kleine Verformungen aus Gleichung (2.36) die so genannte Differentialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung in der Form M z (2.37) vz bx EI xx z v z Mbx z bzw. EIxx z Das Produkt E·Ixx nennt man auch Biegesteifigkeit. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Wird die Differentialgleichung 2. Ordnung (2.37) zweimal differenziert, so folgt EIxx z vz Mbx z Mit den differentiellen Beziehungen zwischen den Schnittgrößen und der Linienlast qy (vgl. Kapitel 1.6.3, S 95) qy z FQy Mbx FQy z z FQy z qy z Mbx erhält man die Differentialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung in der Form EIxx z vz qy z (2.38) und für den häufigen Fall konstanter Biegesteifigkeit EIxx = konst. EI xx vz qy z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.39) ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Lösung der Differentialgleichung (DGL) Die relativ einfache gewöhnliche DGL 2. Ordnung (2.37) bzw. die DGL 4. Ordnung (2.38) oder (2.39) lässt sich in der Regel wie folgt lösen: • Die DGL wird bereichsweise (Bereichseinteilung wie bei der Schnittgrößenberechnung) durch zweimalige bzw. viermalige Integration gelöst. Veränderliche Biegesteifigkeiten EI bringt man zweckmäßig auf die rechte Seite der DGL. • Die Lösung enthält bei n Bereichen: 2n Integrationskonstanten (DGL 2. Ordnung) bzw. 4n Integrationskonstanten (DGL 4. Ordnung). • Die Integrationskonstanten werden aus Rand- und Übergangsbedingungen (RB) an den Bereichsgrenzen ermittelt (siehe z. B. Tabelle 2.7 auf der nächsten Seite): - v und v (v = tanj, wobei j der Winkel von der z-Achse zur Tangente an die Bieglinie ist und auch Biegewinkel genannt wird) bei der DGL 2. Ordnung (auch als geometrische RB bezeichnet), - Mbx = -EIv und FQy = Mbx = -(EIv ) bei der DGL 4. Ordnung (auch als dynamische RB bezeichnet). Frage: Welche der beiden Differentialgleichungen (2. oder 4. Ordnung) verwendet man zur Berechnung der Biegeverformung (oder kurz der Verschiebung)? Empfehlung: • Die DGL 2. Ordnung wird dann benutzt, wenn der Biegemomentenverlauf bereits bekannt ist bzw. in einfacher Weise berechenbar ist. • Die DGL 4. Ordnung wird benutzt, wenn der Biegemomentenverlauf schwierig zu berechnen ist (z. B. bei komplizierten Belastungsfunktionen qy(z)). Jedoch erhält man in jedem Bereich vier Integrationskonstanten, so dass entsprechend mehr Rand- und Übergangsbedingungen aufgeschrieben werden müssen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Tabelle 2.7 Beispiele für Rand- und Übergangsbedingungen F z y,v M Biegelinie DGL 2. Ordnung DGL 4. Ordnung v (z=0) = 0 v (z=0) = 0 v (z=0) = 0 v (z=0) = 0 Mbx (z=a) = - M0 FQy (z=a) = F v1(z1=0) = 0 v1(z1=a) = 0 v2(z2=0) = 0 v1 (z1=a) = v2 (z2=0) RB wie DGL 2. Ordnung und zusätzlich noch Mbx1(z1=0) = 0 Mbx1(z1=a) = Mbx2(z2=0) Mbx2 (z2=b) = 0 FQy2 (z2=b) = 0 0 a FQy(z=a) Mbx(z=a) F M 0 dz Biegelinie z2 z1 a y1,v1 b y2,v2 Beachte: • Bei statisch bestimmten Systemen ist die Anzahl der Randbedingungen gleich der Anzahl der Integrationskonstanten. • Bei statisch unbestimmten Systemen gibt es in Abhängigkeit vom Grad der statischen Unbestimmtheit entsprechend mehr Randbedingungen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.8 Verformungen eines Trägers auf zwei Stützen (statisch bestimmt) Gegeben: q, a, b, EI = konst. Gesucht: Biegelinie, Verschiebung vC bei C und Neigung jB (Biegewinkel) bei B Mit den Definitionen der Lagerreaktionen und der Bezugssysteme nach Bild 2.38 folgt nach kurzer Rechnung für die Lagereaktionen und für die Schnittgrößen in den beiden Bereichen: FAH 0 FAV b qb 2a b2 Mbx z1 FAVz1 qz1 2a 1 Mbx z 2 qb - z 2 2 2 b FB 1 qb 2a q Biegelinie A B EI C jB a vC b Schnittbild für Lagerreaktionen und Biegemomente: FAH A FAV B z1 a y1,v1 FB q C z2 b y2,v2 Bild 2.38 Träger auf zwei Stützen, Biegelinie, Lagerreaktionen, Bezugssysteme Hinweis: Da hier der Biegemomentenverlauf in den zwei Bereichen bekannt ist (siehe oben), bietet sich die Berechnung der Verformungen mit der Differentialgleichung 2. Ordnung (2.37) an. Die Differentialgleichung 2. Ordnung schreiben wir nachfolgend für beide Bereiche auf und ermitteln die Verschiebungsfunktion (Biegelinie) durch zweimalige Integration. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Es folgt: 1. Bereich (0 z1 a): b2 EI v1(z1) Mbx z1 qz1 2a b2 EI v1 (z1) qz12 c1 4a b2 EI v1(z1) qz13 c1z1 c 2 12a 2. Bereich (0 z2 b): (1) (2) 1 EI v2 (z2 ) Mbx z 2 qb - z 2 2 2 1 EI v2 (z2 ) qb - z 2 3 c 3 6 1 EI v 2 (z2 ) qb - z 2 4 c 3 z 2 c 4 24 (3) (4) Die vier Integrationskonstanten c1 bis c4 folgen für diese statisch bestimmte Aufgabe aus vier Randbedingungen (siehe auch zweites Beispiel in Tabelle 2.7). Es ergibt sich mit den Gleichungen (1) bis (4): 1. v1(z1=0) = 0 mit (2): c2 0 qab2 b2 3 c1 2. v1(z1=a) = 0 mit (2): 12a qa c1a 0 12 1 qb4 4 qb c 0 3. v2(z2=0) = 0 c4 mit (4): 24 4 24 2 b 1 qa2 c1 qb3 c 3 4. v1(z1=a) = v2(z2=0) mit (1) und (3): 4a 6 1 3 a c qb 1 3 Aus (5) folgt mit c1 noch die Konstante c3 zu b 6 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende (5) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Mit diesen Integrationskonstanten lassen sich jetzt die Biegelinien aus (2) bzw. (4) aufschreiben. Wir erhalten für die Biegelinien: 1. Bereich: 3 qa2b2 z1 z1 v1(z1) 12EI a a (6) 2. Bereich: 4 3 2 qb4 z2 a z 2 z2 z2 v 2 (z2 ) 4 6 4 24EI b b b b b (7) Die Verschiebung vc bei C folgt aus der Biegelinie (7) zu: qb 4 a v C v 2 (z2 b) 3 4 24EI b (8) Der Biegewinkel j(z) kann aus der ersten Ableitung der Biegelinie ermittelt werden, denn es gilt allgemein v(z) tanj(z) Für die allgemein vorausgesetzten kleinen Verformungen sind auch die Biegewinkel klein und es kann tanj j gesetzt werden. Damit folgt für den Biegewinkel j(z) tanj( z ) v ( z ) (2.40) Mit der Ableitung der Biegelinie (1) folgt für den Biegewinkel bei B aus Gleichung (2.40) qab2 1 b2 2 jB v1 (z1 a) qa c1 EI 4a 6EI Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? (9) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hinweis: Wegen der 4. Randbedingung gilt natürlich auch jB tan jB v 2 z2 0 Frage: Welches System entsteht, wenn die Länge a des 1. Bereichs gegen Null geht? Für a = 0 verbleibt von den zwei Bereichen nur der zweite Bereich der Länge b mit einer Biegelinie, die sich aus (7) ergibt. Die Verschiebung vC bei C kann aus (8) mit a = 0 oder aus der neuen Biegelinie mit z2 = b ermittelt werden. Wir erhalten für a = 0: qb 4 z 2 z z v 2 z 2 4 2 6 2 b b 24EI b 4 3 B 4 qb v C v 2 z2 b 8EI q C 2 EI Bild 2.39 y2, v2 z2 vC b Biegelinie Für den Biegewinkel bei B erhält man mit a = 0 aus (9) den Wert Null. Die Verschiebung ist natürlich wegen der 3. Randbedingung nach wie vor Null. Diese Ergebnisse entsprechen genau den Ergebnissen eines bei z2 = 0 eingespannten Trägers (Kragträger) der Länge b mit einer konstanten Linienlast (Bild 2.39). Begründung: Der 1. Bereich wird für kleiner werdende Werte a immer „steifer“, bis er bei a = 0 in eine Einspannung übergeht. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.9 Abgewinkelter Träger (statisch unbestimmt) a Gegeben: F, a, b, EI=konst. Gesucht: Lagerreaktionen, Biegelinie, Verschiebung bei B, Biegewinkel bei B und C A a F B FAH A z b=3 MA EI b F B y1,v1 1 FAV y2,v2 z2 b Hinweis: Freiheitsgrad f = 3 - b = 3 - (3+1) = -1 FB 1-fach statisch unbestimmt! C C b=1 D. h., Lagerreaktionen und Schnittgrößen sind Bild 2.40 Abgewinkelter Träger nicht allein aus den Gleichgewichtsbedingungen berechenbar. Es werden Verformungsbetrachtungen, z. B. mit Hilfe der Biegelinie, notwendig. Gleichgewichtsbedingungen (vgl. Schnittskizze in Bild 240): : FAH = FB : (1) FAV = F (2) A : MA = Fa-FBb (3) In den 2 Gleichgewichtsbedingungen (1) und (3) sind noch 3 Unbekannte enthalten. Ihre Größe ist von den Steifigkeiten bzw. Verformungen des Systems abhängig. Wir betrachten die Verformungen (Biegelinie) des Systems, um eine zusätzliche Gleichung zur Berechnung aller Unbekannten zu erhalten. Dazu benötigen wir den Biegemomentenverlauf. Biegemomentenverlauf (vgl. Schnittbilder von Bild 2.41): Bereich 1: FAH Mbx(z1) = - MA + FAVz1 Mbx(z1) = - F(a - z1) + FBb MA FAV A z1 y1,v1 Mbx(z1 ) y2,v2 Bereich 2: b-z2 Mbx(z2) = FB(b - z2) ? FB C Bild 2.41 2.Bereich Bild 2.41 1.Bereich Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure z2 Mbx(z2 ) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus der DGL 2. Ordnung (2.37) folgt mit den Biegemomenten und nach zweimaliger Integration: 1. Bereich: 2. Bereich: EI v1(z1) Mbx z1 Fa z1 FBb EI v 2 (z2 ) Mbx z 2 FB b - z 2 1 1 (6) EI v2 (z2 ) FB b - z 2 2 c 3 (4) EI v1 (z1) Fa z1 2 FBbz1 c1 2 2 1 1 1 EI v 2 (z2 ) FB b - z 2 3 c 3 z 2 c 4 (7) EI v1(z1) Fa z1 3 FBbz12 c1z1 c 2 (5) 6 6 2 Für diese statisch unbestimmte Aufgabe lassen sich die folgenden fünf Randbedingungen angeben. Diese ergeben zusammen mit den drei Gleichgewichtsbedingungen acht Gleichungen für die acht Unbekannten FAH, FAV, MA, FB und c1 bis c4. Bei dieser Aufgabe ist aus der Gleichgewichtsbedingung (2) FAV bereits bekannt, so dass sich die Anzahl der Unbekannten auf sieben reduziert. 1 3 1 Fa c 2 0 c 2 Fa3 1. v1 (z1=0) = 0 mit (5): 6 6 1 2 1 2 Fa c 0 c Fa 2. v1(z1=0) = 0 mit (4): 1 1 2 2 1 1 3 c FBb3 F b c 0 3. v2 (z2=0) = 0 4 mit (7): B 4 6 6 1 1 c 3b c 4 0 c 3 c 4 FBb2 4. v2 (z2=b) = 0 mit (7): b 6 1 2 (8) 5. v1(z1=a) = v2(z2=0) mit (4) und (6): FBba c1 FBb c 3 2 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus der Gleichung (8) folgt mit den Konstanten c1 und c3 die Lagerreaktion FB zu: 3F FB Mit FB folgen aus den Gleichgewichtsbedingungen (1) und (3) die 2 b b restlichen Lagerreaktionen FAH und MA, und es lassen sich noch die 2 6 a a Konstanten c3 und c4 berechnen. Wir erhalten FAH FB a b Fa MA a 26 b 23 3F 2 b b 2 6 a a und sowie c 3 Fa2 a 4 12 b c4 und Fa2b 4 12 a b Mit FB und den Integrationskonstanten lassen sich jetzt die Biegelinien (5) und (7) aufschreiben. Wir erhalten für die Biegelinien (qualitative grafische Darstellung siehe Bild 2.42): 1. Bereich: 2 3 z 2 2z 3 Fa3 a z1 a z1 1 1 v1z1 2 3 2 a a 3 a b a b a 4 12 EI b z Fa3 az a z v 2 z2 2 2 3 2 2 b a a a b a 4 12 EI b 2 2. Bereich: 2 3 a 4 3 Fa b vB v1z1 a a 3EI 4 12 b 3 Die Verschiebung bei B (vgl. Bild 2.42) folgt mit z1 = a aus der Biegelinie des 1. Bereichs zu: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Für den Biegewinkel gilt allgemein die Gleichung (2.40) j @ v . Damit folgt aus (4) und (6) nach dem Einsetzen von FB und der Integrationskonstanten der Verlauf der Biegewinkel (die Biegewinkel lassen sich auch aus der ersten Ableitung von v1(z1) und v2(z1) berechnen): z z Fa2 az z j1z1 v1 z1 2 1 1 3 1 3 1 a a b a b a 2 6 EI b 2 Fa2 z2 z2 j2 z2 v 2 z2 2 6 3 b b a 4 12 EI b a 2 1. Bereich: 2. Bereich: Die Biegewinkel bei B und C werden damit (vgl. Bild 2.42): jB j1z1 a j2 z 2 0 F B Biegelinie vB= v1(z1=a) j Fa a 2 6 EI b Hinweis: Für b wird der 2. Bereich so „biegeweich“, dass sein Einfluß auf den 1. Bereich praktisch verschwindet. Aus dem 1. Bereich ergeben sich damit die Lösungen für einen Kragträger (Bild 2.43) mit Einzellast bei B. ? 2 Fa2 jC j2 z 2 b a 4 12 EI b Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure A 2 b jc B C vB Bild 2.42 Verformtes System a Bild 2.43 Kragträger mit Einzellast Ende Biegelinie 3 Fa vB 3EI F B vB jB Fa2 jB 2EI 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.10 Träger mit quadratischem Verlauf der Linienlast Gegeben: q0, a, EI=konst. Gesucht: Lagerreaktionen, Schnittgrößenverläufe, Biegelinie, Biegewinkel A Wegen der komplizierteren Belastungsfunktion q(z) (vgl. Bild 2.44) soll hier die Lösung mit Hilfe der DGL der Biegelinie 4. Ordnung (2.39) erfolgen. Wir setzen die Belastungsfunktion q(z) in (2.39) ein und integrieren viermal. z 2 EI v(z) q(z) q0 1 a z 1 z 3 EI v(z) q0a c1 a 3 a 1 z 2 1 z 4 EI v(z) q0a c1z c 2 2 a 12 a 2 1 z 3 1 z 5 1 2 EI v(z) q0a c1z c 2z c 3 6 a 60 a 2 3 z 2 q(z) q0 1 a B z z 2 q(z) q0 1 a B FAH A FAV (1) (2) a z FB a y,v Bild 2.44 Träger mit quadratischem Verlauf der Linienlast (oben); Definition der Lagerreaktionen (unten) Randbedingungen: c4=0 1. v(z=0)=0 (3) 2. Mbx(z=0)=-EIv(0)=0 c2=0 6 3. Mbx(z=a)=-EIv(a)= 0 1 z 4 1 z 1 3 1 2 EI v(z) q0a c1z c 2z c 3 z c 4 24 a 360 2 a 6 4. v(z=a)=0 (4) 4 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 5 1 1 q0a2 c1a 0 c1 q0a 12 2 12 1 1 1 c1a3 c 3a 0 Aus der 4. Randbedingung folgt mit (4): q0a4 24 360 6 11 c3 q0a3 und mit c1 360 Mit den Integrationskonstanten folgt aus (4) nach einigen Umformungen die Biegelinie und durch Differentiation der Biegelinie der Biegewinkel, der auch aus (3) berechnet werden könnte. Aus der 3. Randbedingung folgt mit (2): 6 4 3 q0a 4 z z z z v(z) 15 25 11 a a a 360EI a Biegelinie 5 3 2 q0a3 z z z j(z) v (z) 6 60 75 11 a a 360EI a Biegewinkel Die Biegelinie und der Biegewinkel sind qualitativ in Bild 2.45 dargestellt. q(z) Beachte: Die Biegelinie und der Biegewinkel konnten ohne Berechnung der Schnittgröße Mbx(z) ermittelt werden. Darin besteht unter anderem der Vorteil der Anwendung der Differentialgleichung 4. Ordnung. Bei der Anwendung der DGL 2. Ordnung hätte man zunächst das Biegemoment Mbx(z) berechnen müssen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? A z B v(z) y, v j(z) v(z) Bild 2.45 Biegelinie und Biegewinkel Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Für die Berechnung der Schnittgrößen und Lagerreaktionen werden noch die höheren Ableitungen der Biegelinie benötigt. Die zweite und dritte Ableitung der Biegelinie lautet: 4 2 q0a2 z z z v z 6 5 a a 12EI a (5) 3 q0a z z v z 4 12 5 a 12EI a (6) Der Biegemomentenverlauf kann bei bekannter Biegelinie und deren Ableitungen sofort aus der Differentialgleichung 2. Ordnung berechnet werden. Aus Gleichung (2.37) folgt mit Gleichung (5): 4 2 q0a2 z z z Mbx (z) 6 5 a a 12 a Mbx(z)= - EIv(z) Die Querkraft folgt aus der differentiellen Beziehung zwischen dem Biegemoment und der Querkraft (siehe Kapitel 1.6.3, Gleichung (1.25), S 95) und (6) zu: FQy(z)= Mbx(z)= - EIv(z) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? 3 q0a z z FQy (z) 4 12 5 a 12 a Ende (7) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Zur Berechnung der Lagerreaktionen führen wir in einem differentiellen Abstand dz vom Lager einen Schnitt und schreiben die Gleichgewichtsbedingungen am jeweiligen freien Teilsystem (Bild 2.46) auf. Schnitt im differentiellen Abstand dz von A: mit (7): : FAV = FQy(z=0) q(z) FAV 5 q0a 12 FAH A FAV dz FQy(z=0) Schnitt im differentiellen Abstand dz von B: y,v mit (7): : FB = - FQy(z=a) FB 1 q0a 4 FQy(z=a) q(z) B dz FB z=a y,v Bild 2.46 Schnitt bei A (oben); Schnitt bei B (unten) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.3.4 Schiefe Biegung Definition: Schiefe Biegung liegt vor, wenn der resultierende Biegemomentenvektor Mb nicht mit einer der beiden Hauptzentralachse x bzw. y des Querschnitts zusammenfällt. Wir zerlegen den Biegemomentenvektor Mb in seine Komponenten in x- und y-Richtung, wobei wir die positive Definition der Schnittgrößen (siehe Kapitel 1.8.4, S 123) benutzen. Damit lässt sich die schiefe Biegung als Überlagerung zweier gerader Biegungen um die Hauptzentralachsen x und y behandeln (vgl. Gleichung (2.41) und Bild 2.47 weiter unten). Deshalb wird sie auch als Biegung um zwei Achsen bezeichnet. Mb Mby Für den in Bild 2.47 dargestellMbx ten Fall der Überlagerung zweier x x x S S S + = gerader Biegungen ergibt sich folgende Spannungsformel, die sich additiv aus der Gleichung y y (2.32) für die Biegung um die xy Achse und der analogen Gleischiefe Biegung gerade Biegung gerade Biegung (Biegung um die xchung für die Biegung um die yum die y-Achse um die x-Achse und die y-Achse) Achse zusammensetzt: Bild 2.47 Überlagerung zweier gerader Biegungen zur schiefen Biegung (Biegung um zwei Achsen) M z s z x,y,z bx y Ixx z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure Mby z ? Iyy z x (2.41) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: Aus der Gleichung (2.41) liest man ab, dass die Biegespannung sz sowohl in x- als auch in y-Richtung linear über den Querschnitt verteilt ist (vgl. Bild 2.48). + Mbx S x Mby S Mby = Mbx x x y S y Spannungsnullinie y Biegung um die x-Achse Biegung um die y-Achse schiefe Biegung Bild 2.48 Überlagerung der Spannungen bei schiefer Biegung Beachte: Die vom Betrag größte Biegespannung im Querschnitt z = konst. wirkt in dem Punkt, der die größte senkrechte Entfernung von der Spannungsnulllinie hat (siehe Bild 2.48). Mit der Bedingung sz = 0 folgt aus der Spannungsgleichung (2.41) für die schiefe Biegung eine Geradengleichung, die so genannte Spannungsnulllinie Mby Ixx y x Mbx Iyy Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.42) Spannungsnulllinie ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Verformungen bei schiefer Biegung: Wie bei der Spannungsberecha nung lässt sich die Verformungsberechnung bei schiefer Biegung als geometrische Überlagerung qy zweier gerader Biegungen bez rechnen (vgl. Bild 2.49). Sind x u(z) und y Hauptzentralachsen mit v(z) x, u S qx den Verschiebungen u in x- und f(z) v in y-Richtung, so gelten für die u(z=a) y, v Verformungen in beiden Ebenen v(z=a) die DGL 2. Ordnung (2.37) bzw. 4. Ordnung (2.38) unabhängig Bild 2.49 Verformung bei schiefer Biegung voneinander. f(z=a) Es gilt somit für die Verschiebungen u und v: Biegung um die x-Achse: Biegung um die y-Achse: (Verformung v in der yz-Ebene) (Verformung u in der xz-Ebene) EI xx v(z) Mbx (z) EIyyu(z) Mby (z) DGL 2. Ordnung (2.43) EIxx z v(z) qy (z) DGL 4. Ordnung EIxx z u(z) qx (z) (2.44) Die geometrische Addition von u(z) und v(z) liefert die resultierende Gesamtverschiebung f(z) (vgl. auch Bild 2.49): (2.45) f z u2 z v 2 z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Sonderfall : Kreis- und Kreisringquerschnitt x Jede Achse durch den Schwerpunkt des Kreis- bzw. Kreisringquerschnitts ist eine Hauptzentralachse. Deshalb sind für diese Achsen die axialen Flächenträgheitsmomente und die Widerstandsmomente gleich. Die Biegespannung und unter bestimmten Voraussetzungen (siehe unten) auch die Verformung kann nach der Theorie der geraden Biegung berechnet werden. x Mbres d y, v Legt man in Richtung des resultierenden Momentenvektors Mbres eine x -Achse, dann gilt: y Bild 2.50 Biegung eines Kreisquerschnitts sz y, z Mbres y Ixx mit 2 2 Mbres Mbx Mby (2.46) pd4 und Ixx 64 Die vom Betrag maximale Normalspannung infolge Biegung ergibt sich aus szmax d M sz y , z bres 2 Wb mit pd3 Wb 32 (2.47) Bleibt die Richtung von Mbres über z konstant, dann gilt die DGL 2. Ordnung in der Form v (z) Mbres(z) EIxx (2.48) (ansonsten Berechnung wie bei der schiefen Biegung - siehe vorige Seite) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: Sind die (x,y)-Achsen keine Hauptzentralachsen, sondern beliebige rechtwinklige Achsen durch den Schwerpunkt S, so gelten folgende Formeln zur Berechnung der Spannungen und Verformungen in einem Querschnitt bei z=konst. infolge einer Biegebeanspruchung. Biegespannung: sx,y,z DGL 2. Ordnung zur Verformungsberechnung: u (z) v (z) Resultierende Gesamtverschiebung f(z): Mbx Ixy Mby Ixx Ixx Iyy I2xy x Mbx Iyy Mby Ixy Ixx Iyy I2xy y Mbx Ixy Mby Ixx E Ixx Iyy I2xy Mbx Iyy Mby Ixy E Ixx Iyy I2xy f z u2 z v 2 z Hinweis: In diesen Gleichungen sind die Gleichungen für Hauptzentralachsen und für die gerade Biegung als Sonderfälle enthalten. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.4 Querkraftschub Das Ziel dieses Kapitels ist die Berechnung der Spannungen (Schubspannungen t) und Verformungen in geraden Balken infolge der Querkraft FQ. Annahmen • Die Querkraft FQ wirkt in Richtung einer Hauptzentralachse des Querschnitts (ohne Einschränkung der Allgemeinheit sei dies hier die y-Achse). • Der Querschnitt sei konstant. • Die aus der Querkraft folgenden Schubspannungen t seien parallel zu FQ. • Über die Breite des Querschnitts (senkrecht zu FQ bzw. in x-Richtung) sind die Schubspannungen konstant. 2.4.1 Schubspannungen infolge Querkraftbelastung Aus einem auf Biegung und Querkraftschub beanspruchten Balken schneiden wir ein Element dz heraus und betrachten eine Schicht im Abstand y mit den Abmessungen dy, b(y), dz und tragen die aus den Spannungen resultyz tzydA ( tyz dy)dzb(y) szdA tierenden Schnittgrößen an y dz tyzdzb(y) (Bild 2.51). FQy b(y) Momentengleichgewicht um die Mbx S Achse a-a liefert (Vernachläsa dz dA sigung der Größen, die von y x b(y) höherer Ordnung klein sind): y z s z dy dA=dyb(y) Bild 2.51 y Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? dy a ( tzy tzy z (s z z dz)dA tzydAdz tyzdzb(y)dy = 0. dz)dA Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Mit dA=dyb(y) folgt tzy = tyz Gesetz von der Gleichheit zugeordneter Schubspannungen (2.49) Gesetz von der Gleichheit zugeordneter Schubspannungen: Schubspannungen in senkrecht aufeinander stehenden Flächen sind gleich groß und entweder auf die gemeinsame Kante zugerichtet oder von ihr weggerichtet (vgl. Bild 2.51). Zur Berechnung der Schubspannungen führen wir am Element dz einen Schnitt bei y = konst. und betrachten das untere abgeschnittene Teilsystem mit der Querschnittsfläche Ay. An den Schnittstellen des abgeschnittenen unteren Teils werden wieder die aus den Spannungen resultierenden Schnittgrößen angetragen (siehe Bild 2.52). Kräftegleichgewicht in z-Richtung am x S abgeschnittenen Teilsystem liefert: z t dA zy szdA σ z dz (σ dz)dA z t yzdz b(y) z (A y ) y FQy Mbx σ z dA t yzb(y)dz . dz S x z b(y) h y dh Ay y,h ( tzy Bild 2.52 Schnitt bei y = konst.; Teilsystem mit Belastungen Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (A y ) Ay ? tzy z dz)dA b(h b(y) Mit dem Gesetz über die zugeordneten SchubspandA= b(hdh nungen (2.49) folgt: σ s (σ z z dz)dA z zz dA (A y ) t zy (y, z) t yz(y, z) b(y) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Mit der Spannungsgleichung (2.32) und der differentiellen Beziehung zwischen dem Biegemoment und der Querkraft (vgl. Kapitel 1.6.3, S 95) M z dMbx (z) FQy z sz(h,z) bx h und dz Ixx folgt für die Schubspannung bei Annahme eines konstanten Querschnitts s zz dA Mbx (z) FQy (z) (A y ) z t zy (y, z) h dA hdA b(y) Ixxb(y) (A ) Ixxb(y) (A ) y y yRand yRand h dA h b( h) dh ySA y (y) A y (2.50) Ay y b(y) wird die Schubspannung: t zy (y, z) y ySAy(y) SA h y (A y ) S x Mit dem auf die x-Achse bezogenen statischen Moment Sx(y) der bei y abgeschnittenen Fläche Ay (siehe Bild 2.53) S x (y) FQy Bild 2.53 Berechnung von Sx(y) FQy (z) S x (y) (2.51) Ixx b(y) Beachte: Die im Querschnitt bei y = konst. ermittelte Schubspannung tzy in y-Richtung ist auch in einem Längsschnitt in z-Richtung des Balkens in gleicher Größe vorhanden (wegen tyz = tzy). Diese Schubspannungen verhindern das gegenseitige Verschieben der Trägerschichten. Bei geklebten, geschweißten, genieteten usw. Schichten müssen die Schubspannungen durch diese Verbindungselemente aufgenommen werden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.11 Querkraftschubspannungen für Kragträger mit Rechteckquerschnitt Für den Kragträger (Bild 2.54) gilt: bh3 FQy = F Ixx 12 Das statische Moment Sx(y) wird nach Gleichung (2.50) z t zy (y, z) Ixx b(y) 3 y 1 4 h 2 S x y 2 1 h h bh y S x (y) y SA y (y) A y y y b 1 4 2 2 2 8 h Damit ergibt sich aus (2.51) für die Schubspannung der folgende quadratische Verlauf (siehe Bild 2.55): 2 FQy (z) S x (y) b F Bild 2.54 Kragträger h y 1 h y 2 2 SA Ay FQyy t=0 2 F bh x Bild 2.55 Schubspannungsverlauf aus FQy im Rechteckquerschnitt tmax mit den markanten Werten h 3 F t zy (y , z) 0 und tmax t zy (y 0, z) t=0 y 2 2 bh Beachte: Die Schubspannung tmax muß vom Material des Trägers in der Schicht y=0 übertragen werden. Würde der Träger aus zwei lose übereinanderliegenden Teilen bestehen (t0 in der Kontaktebene), so würden sich diese bei der Biegung gegeneinander verschieben. tmax t0 F F Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.4.2 Abschätzung der Verformungen infolge Querkraftschub Mit dem HOOKEschen Gesetz (siehe Kapitel 2.1.4.3, Gleichung (2.15)) lässt sich mit der Schubspannung tzy nach Gleichung (2.51) für einen auf Querkraftschub beanspruchten Balken die Gleitung (Winkeländerung) wie folgt berechnen: t zy (y, z) FQy (z) S x (y) g zy (y, z) (2.52) G GIxx b(y) Da das statische Moment Sx und gegebenenfalls auch die Breite b Funktionen von y sind, ist die Gleitung ebenfalls von y abhängig, und es kommt deshalb zu einer Verwölbung des Querschnitts (siehe Bild 2.57 a). Die Gleitung gzy hat nach Gleichung (2.52) den gleichen funktionellen Verlauf wie die Schubspannung tzy. a) Verformtes Element infolge der Querkraftschubspannungen F gzy=0 z y,v z y,v tzy(y,z) dz b) Annahme im Querschnitt z: tzy=tm(z), gzy=gm(z) gzy max dz gm(z) z v(z) dv(z) y,v tzy(y,z)+dtzy gzy=0 tm(z) gm(z) v(z) dv(z) tm(z)+dtm dz Bild 2.57 Gleitungen infolge Querkraftschubbelastung Um eine Abschätzung der Verschiebung infolge der Schubspannungen aus den Querkräften zu erhalten, wird für jeden Querschnitt z eine mittlere Winkeländerung gm(z) und eine mittlere Schubspannung tm(z) angenommen (vgl. Bild 2.57 b). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus dem Bild 2.57 b) ergibt sich der folgende Zusammenhang zwischen der Verschiebung v(z) und der mittleren Gleitung gm: dv(z) v (z) g m (z) dz Mit dem HOOKEschen Gesetze für den reinen Schub (2.15) infolge der mittleren Schubspannung tm folgt daraus t (z) (2.53) v (z) g m (z) m G Ist tm(z) bekannt, kann aus dieser DGL 1. Ordnung eine Näherungslösung für die Verschiebung v(z) infolge Querkraftschubbelastung ermittelt werden. Im einfachsten Fall bestimmt man die mittlere Schubspannung aus dem Quotienten von Querkraft FQy und der Querschnittsfläche A und korrigiert den Wert mit einem Korrekturfaktor k (Schubverteilungszahl), der den Einfluss der speziellen Querschnittsgeometrie auf die mittlere Schubspannung berücksichtigt. Hinweis: Eine genauere Berechnung der mittleren Schubspannung tm kann dadurch erfolgen, dass die Gleichheit der Formänderungsenergie des realen und des gemittelten Schubspannungszustandes gefordert wird. Ohne weitere Herleitung soll hier das Ergebnis angegeben werden. FQy (z) v (z) k GA mit 2 S x (y) A k 2 Schubverteilungszahl dA Ixx (A) b(y) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende (2.54) (2.55) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die Integration von Gleichung (2.54) liefert die gesuchte Verschiebung. FQy (z) v(z) k dz c GA A - Querschnittsfläche c - Integrationskonstante, die aus einer Randbedingung bestimmt werden muss. (2.56) Beachte: • Die Gleichung (2.56) zur Berechnung von v(z) infolge der Querkraftschubspannungen gilt nur für reine Querkraftbelastung (die es streng genommen nicht gibt) und konstanten Querschnitt. Für kleine Verformungen und schwach veränderliche Querschnitte kann diese Gleichung aber auch für Querkraftbiegung mit ausreichender Genauigkeit verwendet werden. • Die Schubverformungen können für lange Träger (Querschnittsabmessungen sehr viel kleiner als die Länge des Trägers) gegenüber den Biegeverformungen im Allgemeinen vernachlässigt werden (siehe das folgende Beispiel). Beispiel 2.12 Verformungen infolge Querkraftschubbeanspruchung Gegeben: F, l, b, h, E, G Gesucht: Maximale Schubverformung vSmax durch die Querkraft und Vergleich mit der maximalen Biegeverformung vBmax Es gilt (vgl. Bild 2.58 und Beispiel 2.11): A = bh , FQy = F , Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ixx bh3 , 12 F Querschnitt: z x l y, v bh2 y S x (y) 1 4 8 h y dA=bdy 2 b Bild 2.58 Kragträger Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› h Damit ergibt sich für die Schubverteilungszahl nach Gleichung (2.55) 2 2 A S x (y) 144 ba 1 6 bh2 y k 2 dA 1 4 b dy h 8 5 Ixx (A) b(y) b2h6 y h/2 b2 2 h/2 und wir erhalten aus Gleichung (2.56) FQy (z) 6F v S (z) k dz c zc GA 5Gbh Die Integrationskonstante folgt aus der Randbedingung vS(z=0) = 0 c = 0 Damit wird die reine Schubverformung vS(z) und die maximale Schubverformung vSmax am Trägerende bei z = l (siehe Bild 2.59): F v S (z) 6F z 5Gbh und v Smax v S (z l ) 6Fl 5Gbh Die durch F hervorgerufene maximale Biegeverformung (siehe Beispiel 2.9, Hinweis am Ende) hat die Größe vB,max Fl 3 4Fl 3 3EI Ebh3 Gesamtverformung am Trägerende: v max vBmax v Smax Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? 2 4Fl 3 3E h 1 Ebh3 10G l v S,max Bild 2.59 Schubverformung Beachte: Der Faktor (h/l)2 in der Gesamtverformung vmax macht für lange Träger den zweiten Klammerausdruck (das ist der Schubverformungsanteil) sehr viel kleiner als 1, so dass dieser Anteil gegenüber der „1“ (Biegeanteil) vernachlässigt werden kann. Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.5 Torsion Das Ziel dieses Kapitels ist die Berechnung der Spannungen und Verformungen in geraden Stäben infolge eines Torsionsmomentes Mt. Bei einer Torsionsbeanspruchung werden die Stäbe um ihre Stabachse z verdreht. Abhängig von der Querschnittsgeometrie kann es dabei auch Verformungen (Verwölbungen) in Richtung der Stabachse geben. Das folgende Bild 2.60 zeigt drei typische Fälle der Torsionsverformungen in Abhängigkeit von der Querschnittsgeometrie. Mt A P Mt •• •• • • • Verwölbung verhindert j j B • B a) z b) Mt Mt z Kreis- und Kreisringquerschnitte: Querschnitte bleiben eben (Punkt P vor und nach Verformung in der gleichen Ebene; keine Verwölbung)! c) A z • • • • B verformte (verwölbte) Profilmittellinie Mt Allgemeine offene und geschlossene Querschnitte: Querschnitte verwölben sich im Allgemeinen (Punkte A verschieben sich in z-Richtung; Punkte B entgegen der z-Richtung)! Bild 2.60 Torsion eines: a) Kreisquerschnitts, b) dünnwandigen offenen Querschnitts, c) Rechteckquerschnitts Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› A Hinweis: Der Aufwand zur Berechnung der Spannungen und Verformungen infolge Torsionsbeanspruchung hängt wesentlich von der Querschnittsgeometrie des Stabes ab. Wir beschränken uns nachfolgend auf den einfachsten Fall der in der Praxis häufig vorkommenden Kreis- und Kreisringquerschnitte (z. B. Wellen, Achsen, Rohre). 2.5.1 Torsion von Stäben mit Kreis- und Kreisringquerschnitten 2.5.1.1 Annahmen und Voraussetzungen In diesem Kapitel sollen folgende Annahmen und Voraussetzungen gelten: • Die Balkenachse (z-Achse) ist gerade und die Querschnittsgeometrie unabhängig von z. • Es liegt reine Torsionsbeanspruchung vor. Das Torsionsmoment Mt ist konstant und die Resultierende der in tangentialer Richtung verlaufenden Schubspannungen tzj = t (siehe auch Bild 2.62). • Die Querschnittsform bleibt bei der Torsion erhalten. • Die Querschnitte verdrehen sich wie starre Scheiben gegeneinander und bleiben eben. • Die Torsionsverformung wird durch den Verdrehwinkel j beschrieben, der im gleichen Drehsinn wie das Torsionsmoment Mt am positiven Schnittufer positiv gezählt wird (siehe Bild 2.61). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.5.1.2 Berechnung der Torsionsspannung verformte Mantellinie Mt r •• jz jzdj dj • • •• • R dz r z differentielles Element aus dem Stab links: •• jz jz g •• • z dz Bild 2.61 Verformungen eines auf Torsion beanspruchten Kreisquerschnitts An dem differentiellen Element in Bild 2.61 kann für kleine Verformungen der folgende Zusammenhang zwischen der Gleitung g und dem Verdrehwinkel j abgelesen werden: r dj g r dz Mit der Drillung folgt aus dieser Formel dj g r Drillung (Verdrehwinkel pro Längeneinheit) dz r (2.57) Aus dem HOOKEschen Gesetz (2.12) folgt mit Gleichung (2.57) für die Torsionsschubspannung tr g r G G r (2.58) Beachte: Wir erkennen aus (2.58) bereits, dass die Schubspannung t(r) linear von r abhängig ist. Sie wird bei r = 0 Null und hat für r = R ihren größten Wert (siehe auch Bild 2.62). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› dA t(r) t(r)dA tma r R x Die noch unbekannte Drillung kann aus einer Äquivalenzbedingung zwischen dem Torsionsmoment Mt und dem resultierenden Moment der Schubspannungen tzj = t bestimmt werden. Es muss gelten (vgl. Bild 2.62): Mt Mt t(r) r dA G r (A) Bild 2.62 Torsionsschubspannung IP r 2dA 2 dA (2.59) (A) Mit der Abkürzung (2.60) polares Flächenträgheitsmoment (A) folgt aus Gleichung (2.59) Mt GIP bzw. nach der Drillung aufgelöst Mt GIP (2.61) (2.61) in (2.58) eingesetzt liefert die Torsionsschubspannung für Kreis- und Kreisringquerschnitte tr Mt r IP (2.62) Hinweis: Zum polaren Flächenträgheitsmoment siehe Kapitel 1.10.1, S 134. Danach gilt: Kreisquerschnitt (Durchmesser d): Kreisringquerschnitt (Außendurchmesser D, Innendurchmesser d): Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? p d4 IP 32 p IP D 4 d4 32 Ende (2.63) (2.64) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die maximalen Torsionsschubspannungen für Kreis und Kreisringquerschnitte treten am Außenrand auf und betragen (siehe dazu auch Bild 2.62): M tmax t (2.65) mit Wt = Torsionwiderstandsmoment Wt Das Torsionswiderstandsmoment folgt aus Gleichung (2.62) mit r = rmax zu Wt = IP/rmax. Für Kreis und Kreisringquerschnitte erhalten wir damit: IP p d3 Wt für Kreisquerschnitt (Durchmesser d) (2.66) rmax 16 Wt p D 4 d4 16 D (2.67) für Kreisringquerschnitt (Außendurchmesser D, Innendurchmesser d). Hinweis: Man beachte die “schöne” Analogie zur Berechnung der Biegespannungen: Torsion: M tr t r IP M tmax t Wt Biegung: sz (y, z) s z (z) Mbx z y Ixx max Mbx z Wbx min Beachte: Die Gleichungen zur Berechnung der Torsionsschubspannung (2.62) und (2.65) gelten streng genommen nur, wenn gilt: Mt = konst. und It = konst. Auch bei einer schwachen Veränderlichkeit dieser Größen können die Gleichungen mit ausreichender Genauigkeit für praktische Berechnungen verwendet werden. Es gilt: M z M z (2.68) tz, r t r tmax z t bzw. IP z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Wt z Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.5.1.3 Berechnung der Verformung (Verdrehwinkel j) Aus den Gleichungen (2.57) und (2.61) erhalten wir den folgenden Zusammenhang zwischen der Drillung , dem Verdrehwinkel j und dem Torsionsmoment Mt: dj Mt mit GIP = Torsionssteifigkeit (2.69) dz GIP Aus Gleichung (2.69) kann durch Integration der Verdrehwinkel j berechnet werden (vgl. die Analogie zur Verformungsberechnung bei der Zug/Druck-Beanspruchung (Kapitel 2.2.1.2): jz Mt M dz C t z C GIP GIP (2.70) Die Integrationskonstante C in (2.70) kann aus einer Randbedingung berechnet werden. j jz l jz Mt l GIP (2.71) j(z) j j(z) Relativer Verdrehwinkel j Der relative Verdrehwinkel zweier Querschnitte im Abstand l ist wie folgt definiert (vgl. Bild 2.63): Mt z M l t Bild 2.63 Relativer Verdrehwinkel Beachte: Die Gleichungen zur Berechnung der Torsionsverformungen (2.70) und (2.71) gelten streng genommen nur, wenn gilt: Mt = konst. und It = konst. Aber auch bei einer schwachen Veränderlichkeit dieser Größen können sie mit ausreichender Genauigkeit für praktische Berechnungen verwendet werden. Es gilt z z l dann: Mt Mt z j j z l j z dz (2.72) jz dz C bzw. GIP z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? z z Ende GIP 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.13 Abgesetzter Torsionsstab Gegeben: D = 60 mm, d = 40 mm, l1 = 1 m, l2 = 1,5 m MB = 3 kN m, MC = 0,6 kN m G = 0,8·105 N/mm2 Gesucht: Betragsmäßig größte Torsionsschubspannung und Verlauf des Verdrehwinkels Torsionsmomentenverlauf: Aus den Gleichgewichtsbedingungen für die Momente um die Längsachse am jeweils rechten Teilsystem folgt: Mt(z1) = MB - MC = 2,4 kN m Mt(z2) = - MC = - 0,6 kN m B A Mt(z1) D z1 d MB Mt(z2) C MC z2 l2 l1 2,4 kN m + Mt-Verlauf - 0,6 kN m Bild 2.64 Torsionsstab mit Momentenverlauf Maximale Schubpannungen: Mit der Gleichung (2.66) für das Torsionswiderstandsmoment und der Gleichung für die maximale Torsionsspannung (2.65) ergeben sich die in den zwei Bereichen auftretenden maximalen Torsionsschubspannungen zu: M z M MC 16 p D3 N t1 max t 1 B 56,6 1. Bereich: Mit Wt1 folgt Wt1 16 mm 2 p D3 M z MC 16 p d3 N t2 t 2 2. Bereich: Mit Wt2 folgt 47,7 max Wt2 16 p d3 mm 2 Damit tritt die vom Betrag größte Torsionsschubspannung im 1. Bereich auf und beträgt t max t1 max 56,6 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure N mm 2 ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Verlauf des Verdrehwinkels: Mit der Gleichung (2.63) für das polare Flächenträgheitsmoment und der Gleichung (2.70) für den Torsionswinkel erhalten wir für die zwei Bereiche: Mt z1 32MB MC j z z C z1 C1 1. Bereich: 1 1 1 1 4 GIP1 GpD 2. Bereich: j2 z2 Mt z2 32MC z2 C2 z2 C2 GIP2 Gpd4 Die Integrationskonstanten bestimmen wir aus den folgenden zwei Randbedingungen: C1 0 j1z1 0 0 j1z1 l1 j2 z2 0 32 MB MC l1 C2 GpD Einsetzen der Integrationskonstanten in die Funktionen für die Torsionswinkel liefert: 1. Bereich: 2. Bereich: j1z1 4 32MB MC j2 z2 GpD 32MC Gpd4 4 z2 z1 B A 32 MB MC GpD4 D l Die Werte an den Bereichsenden ergeben sich zu: Der Verlauf des Verdrehwinkels j ist in Bild 2.64 dargestellt. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? C l2 l1 1,35º + j-Verlauf Bild 2.64 Torsionsstab mit Verlauf des Torsionswinkels Ende MC z2 z1 j1z1 l1 0,0236 1,35 , j2 z2 l2 0,0448 0,0236 0,0212 1,21 d MB 1,21º 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.14 Vergleich von Voll- und Rohrquerschnitt bei Torsionsbelastung Gegeben: Mt = 2 kN m, tzul = 160 N/mm2 Material und Stablänge sind für beide Stäbe gleich! Gesucht: 1. Durchmesser DV und DR 2. Verhältnis des Materialeinsatzes 3. Verhältnis der relativen Verdrehwinkel Mt Mt DV 9 DR 10 Bild 2.65 Voll- und Rohrquerschnitt 1. Bestimmung von DV und DR (Dimensionierung): a) Vollquerschnitt: Mt tzul Wt,V Aus (2.65) tmax folgt DV 3 mit (2.66) Wt,V 16Mt 39,9 mm . pt zul p D3V 16 Wir wählen: DV = 40 mm b) Rohrquerschnitt: Mt t zul Wt,R Aus (2.65) tmax folgt DR 3 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure mit (2.67) 16Mt pt zul(1 0,9 ) 4 ? Wt,R 56,7 mm . 4 p 4 9 DR DR 16 DR 10 Wir wählen: DR = 57 mm Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› D R 2. Verhältnis des Materialeinsatzes: Das Verhältnis des Materialeinsatzes ist gleich dem Verhältnis der Querschnittsflächen. Wir erhalten: 2 A R DR 1 0,92 0,386 AV D2V Bei dem Rohrquerschnitt werden nur 38,6% Material gegenüber einem Vollquerschnitt bei gleicher maximaler Torsionsschubspannung benötigt. 3. Verhältnis der relativen Verdrehwinkel: Mit dem relativen Verdrehwinkel nach Gleichung (2.71) und den polaren Flächenträgheitsmomenten nach den Gleichungen (2.63) und (2.64) p p D4V Mt 4 IP,R DR 0,9 DR 4 IP,V und j l 32 32 GIP erhalten wir für das gesuchte Verhältnis der relativen Verdrehwinkel Mt p D 4V l IP,V jR GIP,R D 4V 32 Mt p 4 j V I 4 DR4 1 0,9 4 DR 0,9 DR l P,R 32 GIP,V 0,705 Bei dem Rohrquerschnitt beträgt der Verdrehwinkel nur 70,5 % des Verdrehwinkels des Vollquerschnitts bei gleicher Länge, gleicher Belastung, gleichem Material und bei gleicher maximaler Torsionsschubspannung. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.15 Welle-Rohr-Verbindung (statisch unbestimmt) A Zwei Torsionsstäbe (Welle, Rohr) sind bei A eingespannt und bei B mit einer starren Scheibe, über die das Gesamtmoment MC eingeleitet wird, verbunden. Da Die Momentengleichgewichtsbedingung um die Längsachse am Schnittbild liefert: : MC - MW - MR = 0 d Di C MC Welle Gesucht: 1. Aufteilung des Momentes MC auf Welle und Rohr 2. Verdrehwinkel bei B Wir schneiden die Welle und das Rohr. An der Schnittstelle der Welle wird das Torsionsmoment mit MW und an der Schnittstelle des Rohres mit MR (siehe Bild 2.66) bezeichnet. B Rohr starr a B MR MW C MC z Bild 2.66 Welle-Rohr-Verbindung (1) Beachte: In der Gleichgung (1) sind die beiden Schnittgrößen MW und MR unbekannt. Die Aufgabe ist einfach statisch unbestimmt! Zur Lösung des Problems müssen Verformungsbetrachtungen angestellt werden. Mit dem Torsionsmoment in der Welle MW und im Rohr MR werden die Verdrehwinkel von Welle und Rohr nach Gleichung (2.70) berechnet. Wir erhalten: MW M z C1 (2) (3) Welle: jW z Rohr: jR z R z C2 GIP,W GIP,R Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Für die Ermittlung der vier Unbekannten MR, MW, C1 und C2 benötigen wir neben der Gleichung (1) noch drei weitere Gleichungen, die wir aus den folgenden Randbedingungen erhalten: 1. jW(z=0) = 0 C1 = 0 2. jR(z=0) = 0 3. jR(z=a) = jW(z=a) C2 = 0 I MR P,R MW IP,W 4 Mit den Gleichungen (1) und (4) haben wir zwei Gleichungen zur Berechnung der unbekannten Schnittgrößen in der Welle und im Rohr. Die Auflösung der Gleichungen liefert: MW MC MC 4 4 IP,R D D a i 1 1 IP,W d4 MR MC MC 4 IP,W d 1 1 4 IP,R Da Di4 Der Verdrehwinkel bei B kann mit den jetzt bekannten Schnittgrößen MW bzw. MR aus (2) oder (3) berechnet werden. Wir erhalten: jB jW z a jR z a Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? MC a G IP,W IP,R 32 MC a Gp d4 Da4 Di4 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.5.2 Hinweise zur Torsion allgemeiner Querschnitte • Die im Kapitel 2.5.1 vorgestellten Formeln für Torsionspannungen und Torsionsverformungen gelten nur für Kreis- und Kreisringquerschnitte. • Für andere Querschnittsformen müssen spezielle Formeln hergeleitet werden, wobei zwischen SAINT-VENANTscher Torsion (Verwölbungen können sich frei ausbilden) und Wölbkrafttorsion (Verwölbungen sind behindert) unterschieden werden muss. • Eine besondere praktische Bedeutung kommt den dünnwandigen offenen Querschnitten zu. Die Torsionsschubspannungen und die Verformungen sind hier wesentlich größer als bei anderen Querschnittsformen. Infolge erheblicher Querschnittsverwölbungen, die bei einer Torsionsbeanspruchung auftreten (siehe Bild 2.60, b), ergeben sich bei einer Behinderung der Verwölbung (z. B. infolge einer Einspannung) sehr großen Normalspannungen in z-Richtung. Unter der Voraussetzung einer SAINT-VENANTschen Torsion lassen sich die für Kreis- und Kreisringquerschnitte hergeleiteten Formeln für die Berechnung der maximalen Torsionsschubspannungen und der Verdrehwinkel auch für allgemeine Querschnittsformen verallgemeinern: Mt Wt mit Wt - Torsionwiderstandsmoment (2.73) dj Mt dz GIt mit It - Torsionsträgheitsmoment (2.74) tmax Beachte: Das Produkt GIt ist die Torsionssteifigkeit. It und Wt sind in Abhängigkeit von der Querschnittsgeometrie zu berechnen (siehe Tabelle 2.8 auf der folgenden Seite). Nur für Kreis- und Kreisringquerschnitte gilt It IP. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Tabelle 2.8 Berechnung von It und W t in Abhängigkeit von der Querschnittsgeometrie Querschnittsart Berechnung von It und Wt allgemeine It und Wt aus einer Torsionsfunktion , für die eine POISSONsche Differentialgleichung zu lösen ist. dünnwandig, einzellig BREDTsche Formeln: Am s Am = von Profilmittellinie eingeschlossene Fläche 2 4A m It ds s Wt 2A m min dünnwandig, mehrzellig Modifizierte BREDTsche Formeln. dünnwandig, offen Näherungsformeln: i dünnwandig, einoder mehrzellig und offen Teile Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure l0 ? l0 li It @ 1 lii3 3 i Wt @ It max Im Allgemeinen Vernachlässigung der offen Teilabschnitte l0. Begründung: siehe folgendes Beispiel. Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.16 Torsion dünnwandiger offener und geschlossener Querschnitte Für einen dünnwandigen Stab mit geschlossenem bzw. in Längsrichtung aufgeschlitztem Kreisringquerschnitt (Bild 2.67) sollen die maximalen Torsionsschubspannungen und die relativen Verdrehwinkel der Endquerschnitte allgemein ermittelt und für R/ = 10 miteinander vergleichen werden. a) Geschlossener Kreisringquerschnitt: Die Berechnung des Torsionsträgheitsmomente It und des Torsionswiderstandsmomentes Wt soll hier mit Hilfe der BREDTschen Formeln (siehe Tabelle 2.8) erfolgen. Es wird: Mt Mt l R R a) b) Bild 2.67 Geschlossener und geschlitzter Kreisringquerschnitt bei Torsion 2 2 4A m 4 pR2 Wt,a 2Am min 2pR2 und It,a 2pR3 ds 2pR s Die maximale Schubspannung folgt aus Gleichung (2.73) und der relative Verdrehwinkel aus Gleichung (2.71), in die bei Kreisquerschnitten GIP = GIt eingesetzt wird. Wir erhalten: M Mt Mtl Mtl tmax,a t und j a Wt,a 2pR2 GIt,a 2GpR3 Hinweis: Die Berechnung für den geschlossenen Kreisring kann natürlich auch wie in Kapitel 2.5.1 für Kreisund Kreisringquerschnitte durchgeführt werden. Zur Übung sollte man die Vergleichsrechnung einmal durchführen. Je geringer die Wandstärke des Kreisringes wird, um so besser stimmen die Ergebnisse mit den hier nach den BREDTschen Formeln berechneten Ergebnissen überein. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› b) Geschlitzter Kreisringquerschnitt: Die Berechnung des Torsionsträgheitsmomentes It und des Torsionswiderstandsmomentes Wt erfolgt nach den Näherungsformeln aus Tabelle 2.8 für dünnwandige offene Querschnitte. Für die maximale Schubspannung und den relativen Verdrehwinkel erhalten wir: It,b 2 1 2 3 3 W @ pR2 und It,b @ lii pR t,b max 3 3 i 3 tmax,b Mt 3Mt Wt,b 2pR2 und jb Mt l 3Mtl GIt,a 2GpR3 Wir vergleichen die Ergebnisse am anschaulichsten miteinander, wenn wir das Verhältnis der maximalen Spannungen und der relativen Verdrehwinkel aufschreiben. Wir erhalten: jb R2 3 2 300 ja und tmax ,b R 3 30 tmax ,a Wir erkennen, dass für dieses Beispiel die maximale Spannung im Torsionsstab mit offenem Querschnitt (ansonsten aber identischen Werten) 30-mal größer ist und der Verdrehwinkel sogar 300-mal größer ist als im geschlossenen Kreisringquerschnitt. Schlussfolgerung: Das Ergebnis ist typisch und zeigt das geringe Vermögen dünnwandiger offener Querschnitte Torsionsmomente zu übertragen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.6 Scherbeanspruchung Das Ziel dieses Kapitels ist die Berechnung der Scher- oder Abscherspannungen ta infolge von unendlich dicht nebeneinander liegenden parallelen und entgegengesetzt gerichteten Querbelastungen, die eine Querschnittsfläche (Scherfläche) auf Schub belasten (Verformungsberechnungen werden bei Scherbeanspruchungen in der Regel nicht durchgeführt). Scherbeanspruchungen trete bei entsprechender Belastung vorrangig bei Schneidvorgängen, Niet-, Bolzen-, Schweiß- und Klebeverbindungen auf. Einige typische Scherbeanspruchungen sind in Bild 2.68 dargestellt. FS FS d FS FS AS=pdh d FS h AS FS Schneiden, Stanzen AS=Schweißnahtfläch e bzw. Klebefläche Schweiß- bzw. Klebeverbindung AS=1/4pd 2 FS Nietverbindung Bild 2.68 Beispiele für typische Scherbeanspruchungen Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Bevor wir die Berechnung der Scherspannung behandeln, soll die Frage geklärt werden, was die Scherbeanspruchung von der Querkraftschubbeanspruchung (vgl. Kapitel 2.4) unterscheidet. Der Unterschied soll an Hand des folgenden Beispiels (siehe Bild 2.69) verdeutlicht werden. a) System mit vorrangiger Biege- und Querkraftschubbeanspruchung: Biegeeinfluss >> Querkrafteinfluss (Querkrafteinfluss meist vernachlässigbar) A A F z l F MA= Fl y FA= F b) System mit vorrangiger Scherbeanspruchung: Schereinfluss >> Biegeeinfluss (Biegeeinfluss meist vernachlässigbar! z 0 A z 0 A F l MA= Fz MA 0 F Gefahr der Zerstörung durch Abscheren! Bild 2.69 Querkraftschub und Scherbeanspruchung FA= F Hinweis: Eine reine Scherbelastung liegt nach unserer Definition nur für z = 0 vor (vgl. Bild 2.69 b). Praktisch ist dieser Fall aber kaum zu realisieren, so dass immer ein kleiner Biegeanteil vorhanden ist und auch Querkraftschubbelastungen auftreten werden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Näherungsweise Berechnung der Scherschubspannungen Zur näherungsweisen Berechnung der Scherschubspannungen machen wir noch folgende Annahmen: • Es wird eine reine Scherbeanspruchung angenommen (Abstand der Scherkräfte ist Null, z. B. z = 0 im Bild 2.69 b). Der in Wirklichkeit komplizierte räumliche Spannungszustand bleibt unberücksichtigt, da die Scherbeanspruchung überwiegt. • Ist der Abstand zwischen den Scherkräften nicht Null (aber klein), so kann der Biegeeinfluss im Allgemeinen vernachlässigt werden. • Die über eine Scherfläche AS übertragene Scherkraft FS verursacht konstante Scherspannungen ta. Das ist ein angenommener Mittelwert einer tatsächlich komplizierter verteilten Schubspannung (vgl. z. B. Kapitel 2.4 Querkraftschub). Es folgt damit für die Scherschubspannung ta bzw. für den Spannungsnachweis gegen Abscheren: ta Fs ta, zul As Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure (2.75) ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.17 Scherbeanspruchung einer Bolzenverbindung Die Scherkraft FS und die Scherfläche AS in der Bolzenverbindung betragen jeweils (siehe Schnittdarstellung in Bild 2.70) F pd2 FS und A S 2 4 F/2 F/2 FS=F/2 d AS=1/4pd Damit erhalten wir für die Scherschubspan nung bzw. für einen Spannungsnachweis gegen Abscheren aus Gleichung (2.75): ta F/2 F/2 F F 2 Bild 2.70 Scherbeanspruchung einer Bolzenverbindung FS 2F 2 tazul A S pd Beispiel 2.18 Klebe- bzw. Lötverbindung von Rohren F F d Scherkraft: FS = F Scherfläche: AS = pd·l Mit Gleichung (2.75) folgt für die Scherschubspannung l AS = pd·l Bild 2.71 Klebe- bzw. Lötverbindung von Rohren Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? ta FS F tazul A S pd l Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.19 Stanzen eines Blechteils Welche Schnittkraft ist zum Stanzen des abgebildeten Blechteils (Bild 2.72) notwendig? 6 11 6 Gegeben: Blechdicke 0,8 mm, taB = 200 N/mm2 10 6 Scherfläche: AS = lS ·h mit lS - Schnittlänge 10 AS = (2·23 + 2·26 + 4·10)·0,8 mm2 AS = 110,4 mm2 Bild 2.72 Blechteil Eine Abschätzung der erforderlichen Schnittkraft erhalten wir aus Gleichung (2.75), indem wir für tzul die gegebene Bruchspannung taB einsetzen und die Gleichung nach FS auflösen. Es wird: F ta S taB FS A S taB 110,4 mm 2 200 N/mm 2 AS Schnittkraft: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? FS 22,1 kN Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.7 Zusammengesetzte Beanspruchung Bisher haben wir immer angenommen, dass nur jeweils eine Grundbeanspruchung (Zug/Druck, Biegung, Torsion, Querkraftschub oder Abscherung) vorliegt. Bei den meisten praktischen Problemen treten jedoch mehrere Grundbeanspruchungen gleichzeitig im Bauteil auf. Wir sprechen dann von zusammengesetzter Beanspruchung. Die Spannungen müssen in geeigneter Weise überlagert werden. Die zu überlagernden Spannungen können dabei „gleichartige“ Spannungen (z. B. nur Normalspannungen in einer Richtung oder nur Schubspannungen in einer Ebene) oder „ungleichartig“ Spannungen (z. B. Normalspannungen und Schubspannungen oder Normalspannungen, die in unterschiedlichen Richtungen wirken usw.) sein (vgl. auch Tabelle 2.9). Tabelle 2.9 Grundbeanspruchungen bei Stäben und Balken Grundbeanspruchung Schnittgröße Spannung Zug/Druck FL sz Biegung Mbx, Mby sz Querkraft Torsion Scherung FQx, FQy Mt FS tzx, tzy t tzx, tzy t tzx, tzy siehe Kapitel gleichartige Spannungen gleichartige Spannungen 2.2.1.1 2.3.2 und 2.3.4 2.4.1 2.5.1.2 2.6 In diesem Kapitel wollen wir die Berechnung und Beurteilung der Spannungen vornehmen, wenn mehrere (in der Regel „ungleichartige“) Beanspruchungsarten gleichzeitig im Bauteil auftreten. Im Folgenden werden Spannungswerte (Vergleichsspannungen sV) ermittelt, die mit im Zugversuch ermittelten zulässigen Spannungen szul eine Beurteilung des Bauteils erlauben. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.7.1 Überlagerung gleichartiger Spannungen Satz: Gleichartige Spannungen in gleichen Schnittflächen lassen sich an einem Punkt wie Kräfte zu Resultierenden addieren. FL Mb x x z Mb y y + sz z FL z A z + sz y, z Mbx z y Ixx z = s z x, z Mby z Iyy z x sz x, y, z Bild 2.73 Überlagerung gleichartiger Normalspannungen aus Zug/Druck und Biegung Mit sz für die Zug/Druck-Beanspruchung nach Gleichung (2.19) und sz für die zweiachsige Biegung nach Gleichung (2.41) ergibt sich die Gesamtnormalspannung somit zu: s z x,y,z Mby z FL z Mbx z y x A z Ixx z Iyy z (2.76) Hinweis: Analog können auch gleichartige Schubspannungen (z. B. aus Torsion und Querkraftschub) überlagert werden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.7.2 Mehrachsige Spannungszustände Sind nicht nur Normalspannungen in einer Richtung (vgl. z. B. Kapitel 2.7.1) sondern in mehreren Richtungen vorhanden, oder treten Normalspannungen und Schubspannungen gemeinsam auf, so sprechen wir von einem mehrachsigen Spannungszustand (vgl. Bild 2.8; dort ist ein räumlicher bzw. dreiachsiger Spannungszustand dargestellt). Frage: Wie beurteilt man den Spannungszustand beim gleichzeitigen Auftreten verschiedener Spannungen? Problem: Die im Zug- bzw. Torsionsversuch ermittelten Materialparameter (szul und tzul) gelten nur für den reinen einachsigen Zug- bzw. Torsionslastfall. Bei der Wirkung eines mehrachsigen Spannungszustandes zeigt die Praxis, dass ein Tragwerk auch dann zerstört werden kann, wenn die Einzelspannungen die Bedingung svorhanden szul und tvorhanden tzul erfüllen! Lösung des Problems: Aus dem mehrachsigen Spannungszustand wird mit Hilfe von Spannungshypothesen (siehe Kapitel 2.7.3) eine so genannte Vergleichsspannung sv berechnet, die dann mit der im Zugversuch ermittelten zulässigen Spannung szul verglichen wird. Für den Spannungsnachweis eines mehrachsigen Spannungszustandes muss dann die folgende Bedingung erfüllt sein: sv szul (2.77) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Im Folgenden beschränken wir uns auf den ebene (zweiachsigen) Spannungszustand, der wie folgt gekennzeichnet werden kann: Beim ebenen Spannungszustand gibt es nur Spannungen in einer Ebene (z. B. in der (x,y)-Ebene die Spannungen sx, sy, txy, tyx - vgl. Bild 2.75). Eine kleine Auswahl typischer Bauteile, in denen näherungsweise ein ebener Spannungszustand bei entsprechender Belastungen und Geometrie entsteht, ist in Bild 2.74 dargestellt. Scheiben y y dA x x Dicke h Dicke h F Balken und Träger y Dicke h dA x dA Dünnen Platten und Schalen dA dA qy y x y Mt dA Platte x Schale Bild 2.74 Bauteile mit näherungsweise ebenen Spannungszuständen Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Wir betrachten von den Bauteilen mit einem ebenen Spannungszustand ein differentielles Flächenelement dA (siehe Flächenelemente dA in den Beispielen von Bild 2.74) und der Dicke h. Die an diesem Element angreifenden Schnittgrößen und Belastungen sind für den ebenen Spannungszustand im Bild 2.75 dargestellt. (sy+dsy)dxdz y,v dy dA (tyx+dtyx )dxdz YdV sx dydz txy dydz y XdV (txy+dtxy)dydz (sx+dsx )dydz Dicke h Beachte: sz=0 tyx dxdz txz=tzx=0 sy dxdz z Es gilt für Bild 2.75 : X, Y Volumenkräfte dA = dx·dy dV = h· dA = h·dx·dy u, v - Verschiebungen in x- bzw. y-Richtung x dx x,u tyz=tzy=0 Bild 2.75 Ebener Spannungszustand Das Momentengleichgewicht um die zur z-Achse parallele Achse durch den Mittelpunkt des Elements liefert (bei Vernachlässigung der Größen, die von höherer Ordnung klein sind) das bereits bekannte Gesetz (siehe Kapitel 2.4.1, Gleichung (2.49)) t xy t yx Gesetz von der Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende (2.78) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Durch weitere Gleichgewichts- und Verformungsbetrachtungen am differentiellen Element lassen sich die Differentialgleichungen des ebenen Spannungszustandes ableiten. Aus diesen lassen sich dann unter Beachtung der Randbedingungen u u , v sx σ sy t xy und ex ε ey g xy berechnen. Hinweis: Für unterschiedliche Lagen des Bezugssystems (x,y) in Bild 2.75) ergeben sich unterschiedliche Spannungen für sx, sy und txy. Es wird aber in allen Fällen dadurch der gleiche Spannungszustand beschrieben! Wenn unterschiedliche Lagen des Bezugssystems unterschiedliche Spannungen ergeben, dann stellt sich sofort die Frage, wie groß die Spannungen unter einem beliebigen Winkel j sind und für welchen Winkel j die Spannungen Maximalwerte annehmen? Diese Frage soll zunächst an einem einfachen Beispiel - dem Zugversuch mit einem einachsigen Spannungszustand (Bild 2.76, siehe nachfolgende Seite) - geklärt werden. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Dicke h y y Dicke h Schnittführung sxAsinj l sA l l sjAj tjAj j x j x sx sx sxAcosj sx A = l·h j x sjAj sx Bild 2.76 Zugstab mit herausgeschnittenem Element Aj tjAj slx A h cosj cosj sx Wir schneiden aus einem Zugstab ein keilförmiges Element heraus (siehe Bild 2.76) und schreiben dafür die Kraftgleichgewichtsbedingungen auf: 1 (2.79) sj s x cos2 j s x 1 cos 2j : s x A·cos j sj A j 0 2 1 (2.80) s x A· sin j t j A j 0 t j s x sin j cos j s x sin 2j : 2 Aus den Gleichungen (2.79) und (2.80) lassen sich für jede Winkellage j die Normalspannung sj und die Schubspannung tj berechnen. Die Maximalwerte dieser Spannungen ergeben sich aus den Bedingungen für Extremwerte dieser Spannungen dsj j dj 0 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure und ? dtj j dj 0 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus der ersten Bedingung für die Normalspannung folgt mit Gleichung (2.79) dsj j p 1 und j j 0 sx 2 sin 2j 0 2 1 2 dj 2 Die beiden Lösungen in (2.79) eingesetzt liefern für j1 = 0 die maximale Normalspannung und für j2 = p/2 die minimale Normalspannung sj: p sj,min sj j 0 sj,max sj j 0 s x und 2 Für diese Winkel (j1 = 0, j2 = p/2) wird nach Gleichung (2.80) die Schubspannung tj = 0. Aus der zweiten Bedingung für die Schubspannung folgt mit Gleichung (2.80) dtj j p 1 j 45 sx 2 cos 2j 0 1,2 4 dj 2 Die beiden Lösungen in (2.80) eingesetzt liefern für j1 = +p/4 und für j2 = -p/4 bis auf das Vorzeichen die gleiche Schubspannung tj. Es ergibt sich: p 1 tj,max tj j s x 4 2 und p 1 tj,min tj j s x 4 2 Feststellung: Die maximale Schubspannung tritt unter einem Winkel von 45° gegenüber der maximalen Normalspannung auf. Wo die Normalspannung einen Extremwert hat, ist die Schubspannung Null. Die obigen zwei Feststellungen gelten allgemein auch für den mehrachsigen Spannungszustand (siehe nachfolgende Verallgemeinerung). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Verallgemeinerung auf den ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand: Wir betrachten für den ebenen Spannungszustand zwei keilförmige Elemente (Bild 2.77) mit einer um den Winkel j (bzw. j + p/2) geneigten Schnittebene und schreiben für beide Elemente wieder zwei Kräftegleichgewichtsbedingungen auf, um daraus die Spannungen in den geneigten Schnittebenen zu ermitteln. y h Fläche A j sxAcosj thA y h Fläche A shA sA thA txyAcos j j j txy = tyx th = th x txyAsinj txyAsinj j txyAcos j syAsin j sxAsinj x syAcosj Bild 2.77 Spannungstransformation für den ebenen Spannungszustand Es folgt (die Rechnung sollte der Leser zur Übung selbst einmal durchführen): s sh sx sy 2 sx sy 2 t h t h Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? sx sy 2 sx sy 2 sx sy 2 cos2j t xysin2j (2.81) cos2j t xysin2j (2.82) sin2j t xycos2j Ende (2.83) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Frage: Für welchen Winkel j nehmen die Spannungen Extremwerte an und wie groß sind diese? Die Extremwerte für die Spannungen s, sh und th können formal mit Hilfe ihrer ersten Ableitungen ds ds h dth 0 und 0, 0. dj dj dj aus den Gleichungen (2.81) bis (2.83) berechnet werden. Wir wollen hier die Lösung des Problems vereinfachen, indem wir den nachfolgenden Hinweis ausnutzen. Hinweis: Die Transformationsformeln (2.81) bis (2.83) für die Spannungen sowie die Extremwertbedingungen entsprechen genau denen für die Flächenträgheitsmomente. Deshalb können die dort gewonnenen Ergebnisse analog übertragen werden (vgl. Kapitel 1.10.4, S 141). Wir erhalten als Extremwerte der Spannungen die so genannten Hauptspannungen (Hauptnormalspannungen) s1 und s2 in Richtung der Hauptspannungsachsen „1“ und „2“, die gegenüber dem Ausgangssystem (x,y) um j01 bzw. j02 gedreht sind und die Hauptschubspannungen tI und tII in Richtung der Hauptschubspannungsachsen „I“ und „II“ (vgl. Gleichungen (2.84) bis (2.89) und Bild 2.78 sowie Bild 2.79). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hauptspannungen s1 und s2: s2 s1 s1 smax y 2 sx sy 2 2 sx sy t2xy 2 (2.84) 1 s1 j02 j01 s2 smin s2 x Bild 2.78 Hauptspannungen mit sx sy 2 2 sx sy t2xy 2 (2.85) th j01 th j02 0 Beachte: Da die Spannungen vorzeichenbehaftet sind, ist s1 = smax nicht automatisch der vom Betrag maximale Spannungswert, sondern der nach der reellen Zahlenfolge größte Wert (z. B.: s1 = smax = -50 N/mm2, s2 = smin = -90 N/mm2)! Richtungen j01 und j02 der Hauptspannungen : tan2j01 tanj01 2t xy und sx sy j02 j01 p 2 oder s1 s x s y s2 t xy t xy Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? (2.86) (2.87) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Hauptschubspannungen tI und tII: y 45 45 j02 p tI,II tmax,min th j01 4 1 j01 45 2 j01- 45 2 tI tmax sx sy s s2 2 t xy 1 2 2 tII tmin sx sy s s2 2 t xy 1 2 2 (2.88) x Bild 2.79 Hauptschubachsenlage 2 (2.89) Beachte: Die Hauptschubspannungen treten in Schnitten auf, die um die Winkel -45° bzw. +45° gegenüber der Hauptspannungsrichtungsachse „1“ gedreht sind (Bild 2.79) und unterscheiden sich nur im Vorzeichen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.7.3 Spannungshypothesen Der mehrachsige Spannungszustand wird mit Hilfe der folgenden Spannungshypothesen (Festigkeitshypothesen) auf eine so genannte Vergleichsspannung sV zurückgeführt, die dann mit der im Zugversuch ermittelten zulässigen Spannung szul verglichen werden kann (vgl. einführende Bemerkungen zum Kapitel 2.7.2). Nachfolgend wird die Berechnung der Vergleichsspannung sV für drei der bekanntesten Hypothesen vorgestellt. Dabei beschränken wir uns auf den ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand. Hauptspannungshypothese Annahme: Der Bruch des Materials tritt ein, wenn die vom Betrag größte Normalspannung (deshalb auch die Bezeichnung Normalspannungshypothese) die zulässige Spannung szul überschreitet. Mit den Hauptnormalspannungen nach den Gleichungen (2.84) und (2.85) gilt für die Vergleichsspannung nach der Hauptspannungshypothese: sV1 = Maximum(|s1|, |s2|) szul (2.90) Anwendungsbereich: Für Spröde Werkstoffe (z. B. Grauguß) Nachteil: Für zähe Werkstoffe liefert die Hauptspannungshypothese im Allgemeinen zu kleine Werte, d. h. man liegt auf der „unsicheren“ Seite! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Schubspannungshypothese Annahme: Es wird angenommen, dass die größte Schubspannung für den Bruch verantwortlich ist. Die größte Schubspannung für einen ebenen Spannungszustand ist nach (2.88) 2 tmax sx sy s s2 2 t xy 1 2 2 Um diese maximale Schubspannung mit einer zulässigen Normalspannung vergleichen zu können, ermitteln wir die maximale Schubspannung für einen Zugstab, der nur durch die Normalspannung sx = sV2 belastet ist. Den Zusammenhang zwischen sx und tmax haben wir bereits im Kapitel 2.7.2 am Beispiel des Zugversuchs kennen gelernt. Er folgt natürlich auch aus der allge-meinen Gleichung (2.88) für den ebenen Spannungszustand mit sy = 0 und txy = 0. sx sV2 s V 2 2tmax t Es wird: max 2 2 Setzen wir hier die maximale Schubspannung für den ebenen Spannungszustand ein, so folgt für die Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypothese: s V2 sx sy 2 4t2xy s1 s2 s zul (2.91) Anwendungsbereich: Für spröde Werkstoffe bei überwiegender Druckbelastung, in der Bodenmechanik (Sand), für sehr zähe metallische Werkstoffe mit ausgeprägtem Fließverhalten. Nachteil: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure Liefert oft zu große Werte! ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Gestaltänderungshypothese (nach R. VON MIESES) Annahme: Der Bruch ist von der Größe der Gestaltänderungsenergie abhängig. Ohne Herleitung soll hier das Ergebnis für die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungshypothese angegeben werden: s V3 s2x s2y s x s y 3t 2xy s zul (2.92) sV3 s12 s22 s1 s2 szul (2.93) für Hauptspannungen: sV3 s2 3t2 szul Spezialfall für den einachsigen (2.94) Spannungszustand (sx = s, sy = 0, txy= t Der Spezialfall nach (2.94) trifft in der Regel für Träger und Balken immer zu, wobei sich die Normalspannung s aus der Überlagerung der gleichartigen Spannungen aus Zug/Druck und zweiachsiger Biegung ergeben kann und die Schubspannung t ebenfalls die Resultierende der gleichartigen Schubspannungen aus Querkraftschub und Torsion sein kann (vgl. Kapitel 2.7.1). Anwendungsbereich: für zähe Werkstoffe mit ausgeprägter Fließgrenze (z. B. Stahl), auch für Nichteisenmetalle, auch anwendbar bei dynamischer und wechselnder Beanspruchung, hat auch Bedeutung in der Plastizitätstheorie. Beachte: Die Gestaltänderungshypothese hat die größte Bedeutung von allen Hypothesen erlangt. Sie liefert in der Regel die besten Ergebnisse für die gebräuchlichsten Materialien im Maschinenbau (siehe Anwendungsbereiche und nachfolgenden Vergleich der Hypothesen). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Vergleich der Spannungshypothesen Wir wollen für den Spezialfall sx = s, sy = 0 und txy = t, der z. B. bei der Überlagerung von Biegung und Torsion in einem Träger auftritt, die Vergleichsspannungen nach den drei oben angegebenen Spannungshypothesen miteinander vergleichen. Es folgt für diesen Spezialfall: 1 s s 2 4t2 2 Hauptspannungshypothese nach (2.90) mit (2.84): s V1 Schubspannungshypothese nach (2.91): sV2 s2 4t2 Gestaltänderungshypothese nach (2.94): sV3 s2 3t2 Allgemein gilt in diesem Spezialfall für t 0: sV1 sV3 sV2 und natürlich für t = 0: sV1 = sV2 = sV3 Feststellung: Die Vergleichsspannung sV3 nach der Gestaltänderungshypothese liegt zwischen den beiden anderen Hypothesen. Sie stimmt für die meisten Werkstoffe am besten mit den praktischen Erfahrungen überein. Die Gestaltänderungshypothese ist die am häufigsten benutzte Hypothese! Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.20 Getriebewelle mit einem schrägverzahnten Zahnrad Geg.: a = 80 mm, b = 120 mm, r = 40 mm M0 = 120 Nm, szul = 120 N/mm2 Nach der Verzahnungsgeometrie gilt: Fa = Futanb, Fr = (Futana)/cosb, a = 20, b = 10° Annahme: Die Querkraftschubspannungen seien vernachlässigbar klein! Ges.: Durchmesser d der Welle nach der Gestaltänderungshypothese. Fr Fu Fa M0 r B b C a A Fa Fr M0 Fur Fu Aus 6 Gleichgewichtsbedingungen lassen sich die FAx unbekannten Lagerreaktionen und Fu berechnen: z Far M0 FAz Fa 529 N , Fu 3000 N , x FAz Fa = 529 N r y FAy bF rFa b FAx Fu 1800 N , FAy r 771 N , ab ab aFr rFa a FBx Fu 1200 N , FBy 338 N . M0 = 120 N m ab ab Damit lassen sich die Schnittgrößenverläufe ermitteln (siehe Bild 2.80). Wir können daraus zwei gefährdete Querschnitte erkennen: rechts von C (Maximum für Mby, Mt und großes Mbx ) FBy FAxa = 144 N m FL Mt Mby Mbx + + links von C (Maximum für FL, Mbx, Mby) FBx FByb = 40,6 N m Far FAya = 61,7 N m Bild 2.80 Getriebewelle mit Zahnrad Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beachte: Da es zwei gefährdete Querschnitte gibt, müssen wir zunächst für beide Querschnitte eine Dimensionierung durchführen. Mit den Ergebnissen kann dann entschieden werden, welcher Durchmesser d gewählt werden muss, damit in keinem der beiden Querschnitten die Vergleichsspannung die zulässige Spannung szul überschreitet. Dimensionierung für den Querschnitt rechts von C: Mit den Schnittgrößen unmittelbar rechts von C (vgl. Bild 2.80) Mt = -120 Nm Mbx = 40,6 Nm Mby = 144 Nm nach Gleichung (2.46) 2 2 Mbres Mbx Mby 149,6 N m ergeben sich die maximalen Spannungen, die in zwei Punkten auf dem Umfang des Querschnitts auftreten aus den Gleichungen (2.47) bzw. (2.65) und (2.66) zu: Mbres pd3 smax mit Wb (1) Wb 32 pd3 tmax (2) mit Wt 2Wb 16 Nach der Gestaltänderungshypothese (2.94) muss gelten: Mit (1) und (2) ergibt sich daraus: M t Wt 2 2 s V 3 smax 3 tmax s zul Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? sV3 sV3 s2 3t2 szul 1 3 Mb2res M2t s zul Wb 4 Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus der letzten Gleichung folgt mit der Abkürzung MV3 sV3 MV 3 szul Wb mit 3 MV 3 Mb2res M2t 4 (2.95) Hinweis: Das Zwischenergebnis in Form von Gleichung (2.95) ist eine nützliche allgemeine Formel für die Berechnung von Wellen nach der Gestaltänderungshypothese unter Biege- und Torsionsbelastung. Die Gleichung (2.95) kann nach dem Widerstandsmoment (bei Dimensionierungsproblemen als erforderliches Widerstandsmoment bezeichnet), aufgelöst werden. Mit Wb nach (1) folgt: Wberf M p 3 derf V 3 32 σ zul Die Auflösung nach derf liefert: derf 3 32 MV 3 24,9 mm p s zul Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Dimensionierung für den Querschnitt links von C: Mit den Schnittgrößen unmittelbar links von C (vgl. Bild 2.80) FL = -529 N Mbx = 61,7 Nm Mby = 144 Nm nach Gleichung (2.46) 2 2 Mb res Mbx Mby 156,7 Nm erhalten wir eine maximalen Normalspannung aus der Überlagerung der Zug/Druck- und der Biegespannung nach (2.76) mit (2.19) und (2.47) zu: pd3 FL Mbres pd2 (3) Wb und A smax mit 32 4 A Wb Schubspannungen treten an dieser Stelle nicht auf, da das Torsionsmoment Mt Null ist. Nach der Gestaltänderungshypothese (2.94) muss wieder gelten: sV3 s2 3t2 szul Wegen der hier fehlenden Schubspannung erhalten wir daraus mit (3) die einfache Bedingung 2 2 sV3 smax 3tmax smax FL Mbres szul A erf Wberf Mit A und Wb aus (3) ergibt sich eine kubische Gleichung für den Durchmesser derf: 4 FL pd2erf 32 Mbres pd3erf Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure s zul ? d3erf 4 FL 32 Mbres derf 0 ps zul ps zul Ende (4) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus der Gleichung (4) erhält man die reelle Lösung20 derf 23,77 mm Schlussfolgerung: Da derf rechts von C größer ist als links von C, muss die Getriebewelle nach dem größeren Durchmesser derf 24,9 mm dimensioniert werden. Den Durchmesser, mit dem man die Getriebewelle tatsächlich fertigt, wird man in der Praxis nach bestimmten Gesichtspunkten (Vorzugsdurchmesser, einzuhaltende Normen, verfügbare Materialabmessungen, Sicherheiten usw.) etwas größer wählen, z. B. dgew 25 mm Hinweis: Will man die etwas aufwendigere Lösung der kubischen Gleichung (3) für derf vermeiden, so kann man auch einen Spannungsnachweis nach der Gestaltänderungshypothese mit einem angenommenen Durchmesser führen. Wählt man zweckmäßig den rechts von C ermittelten erforderlichen Durchmesser dgew = derf = 24,9 mm, so liefert der Spannungsnachweis für die Stelle links von C: s V 3,vor smax,vor FL A gew F Mbres M N 2L b3res s zul 120 Wb,gew pdgew pdgew mm 2 4 20 32 Die Lösung einer kubischen Gleichung kann nach der Cardanischen Lösungsformel (siehe [2]) oder näherungsweise erfolgen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› s V 3,vorh 529 N 156,7 103 Nmm p 24,92 mm 2 p 24,93 mm 3 4 32 N N N s V3,vorh 1,09 102,91 104,0 s 120 zul mm 2 mm 2 mm 2 (5) Das Ergebnis (5) des Spannungsnachweises besagt, dass die Welle links von C immer kleinere Spannungswerte nach der Gestaltänderungshypothese haben wird als rechts von C. Die Stelle rechts von C ist somit für die Dimensionierung maßgeblich, wie wir es mit der exakten Berechnung oben bereits festgestellt hatten. Hinweis: Der Anteil der Längskraft (in (5) der erste Summand in der Klammer) ist in diesem Beispiel sehr klein. Diese Feststellung kann dahingehend verallgemeinert werden, dass die Spannungen aus der Längskraft in vielen Fällen vernachlässigt werden können. Der hier nicht berücksichtigte Einfluss der Querkraftschubspannungen ist ebenfalls klein. Die Vernachlässigung dieser beiden Anteile wird durch das Wählen von dgew > derf in der Regel „abgefangen“. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.8 Stabilität 2.8.1 Einführung Ein auf Druck belasteter gerader Stab Bild 2.81 kann seine Funktion (Gleichgewicht mit gerader Stabachse) verlieren, auch wenn die im Stab vorhandene Druckspannung sd noch wesentlich kleiner als die zulässige Druckspannung ist, d. h. wenn gilt s d s d zul Der Stab verliert seine Funktion, indem er bei einer bestimmten kritischen Kraft F = FK plötzlich instabil wird und eine neue Gleichgewichtslage mit gekrümmter Stabachse annimmt. Wir bezeichnen diesen Vorgang als das Knicken eines Stabes oder kurz als Stabknickung. F=FK F<FK Bild 2.81 Stabknickung Solche Instabilitäten treten auch bei anderen Tragwerken unter Druckbelastungen auf und sind sehr gefährlich! Einige Beispiele sind in Bild 2.82 zusammengestellt. q=qK q=qK F=FK F<FK Platte Schale q=qK Kippen eines brettartigen Balkens Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? q=qK Beulen von Flächentragwerken (Platte, Schale) Ende Bild 2.82 Kippen und Beulen 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die beim Stabilitätsverlust eintretenden Verformungen können auch wesentlich komplexere Formen haben, wie z. B. in Bild 2.83 und Bild 2.83/1 (mit Animation) dargestellt. x2 x1 x3 Schale x2 x1 x2 x3 x1 x3 Radialdruck p Schale mit konstantem Radialdruck Gebeulte Schale in zwei Ansichten Bild 2.83 Beulen einer schräg abgeschnittenen Schale (konstanter radialer Druck p von Außen) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die folgende Animation (Bild 2.83/1, nicht im Lehrbuch) zeigt das Beulen einer Zylinderschale unter axialem Druck (vgl. Schale in Bild 2.82) bei Laststeigerung bis zur kritischen Axiallast und bei Rücknahme der Axiallast bis auf den Wert Null. In dem Diagramm ist der zum Verformungsbild gehörende aktuelle Zusammenhang zwischen Axiallast und Verkürzung der Schale dargestellt. Animation Zur Ansicht der Animation auf das Bild klicken oder Datei schalenbeulen.avi mit geeignetem Media-Player öffnen. Ein weiterer Klick auf das Video stoppt dieses bzw. setzt die Wiedergabe fort oder wiederholt sie. Bild 2.83/1 Animation: Beulen einer Schale (konstanter axialer Druck) Mit freundlicher Genehmigung von Martin Srubar (Dissertation, Universität Hannover, Institut für Baustatik, 1999) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die Stabilität von komplexen Bauwerke, z. B. von Brücken, Kränen, Dachkonstruktionen usw. aus Fachwerkstäben, ist durch eine ausreichende Sicherheit gegen Knicken der auf Druck belasteten Stäbe zu gewährleisten. Das Versagen (Knicken) eines Druckstabes (vgl. Bild 2.84 und 2.84/1 auf der folgenden Seite) kann zum Versagen der gesamten Konstruktion führen. Versagen durch Knicken! Bild 2.84 Versagen einer komplexen Struktur (Fachwerkbrücke) durch Knicken eines Stabes Die große Bedeutung der Stabilität wird dadurch unterstrichen, dass der Nachweis der Stabilität für viele Bereiche der Technik durch Normen und Vorschriften verbindlich geregelt ist! Das Nichtbeachten von Stabilitätsproblemen hat schon zu großen Katastrophen geführt! Ein klassisches Beispiel dazu wird auf der folgenden Seite vorgestellt (nicht im Lehrbuch). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Das Nichtbeachten von Stabilitätsproblemen führte in der Bauphase der Québec-Brücke in Kanada gleich zweimal zum Einsturz. Sie konnte dadurch erst 3.12.1917 dem Verkehr übergeben werden. 1. Einsturz: 1907 Ein Mensch! 2. Einsturz: 1916 Bild 2.84/1 Québec-Brücke, Kanada Längste Auslegerbrücke der Welt mit einer Spannweite von 549 m Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.8.2 Ein einfaches Stabilitätsproblem Wir betrachten einen auf Druck belasteten Stab, der an seinem Fußpunkt gelenkig gelagert ist und durch eine Spiralfeder im Gleichgewicht gehalten wird (Bild 2.85, links). Wir wollen untersuchen, bei welcher Belastung F = FK (richtungstreue Kraft F vorausgesetzt) die Gleichgewichtslage mit vertikaler Stabachse in eine um den Winkel j ausgelenkte Stabachse übergeht (Bild 2.85, rechts). Für derartige Untersuchungen ist das Aufschreiben der Gleichgewichtsbedingungen am ausgelenkten System erforderlich, wobei die Auslenkungen noch als klein angenommen werden dürfen (Theorie 2. Ordnung). v F F j starr l l c A A MA FA Bild 2.85 Ein einfaches Stabilitätsproblem Aus der Momentengleichgewichtsbedingung A : F·v - MA = 0 mit MA = c·j und v = l·sinj folgt die Bedingung für das Gleichgewicht mit ausgelenkter Stabachse: (2.96) F·l·sinj - cj = 0 Wir wollen nur kleine Winkel j betrachten (Theorie 2. Ordnung), d. h. wir dürfen sinj j setzen (diese Vereinfachung bezeichnen wir als Liniearisierung). Es folgt: F· lj - cj = 0 bzw. (F· l - c) j = 0 (2.97) Gleichung (2.97) ist eine so genannte Eigenwertgleichung (homogene Gleichung für die Auslenkung j). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Die Eigenwertgleichung (2.97) (F· l - c) j = 0 hat folgende Lösungen: a) triviale Lösung für j = 0 (also mit senkrechter Stabachse) und b) nichttriviale Lösung für (F· l - c)=0. Aus der nichttrivialen Lösung b) folgt die so genannte kritische Kraft FK c l bei der das System plötzlich eine Gleichgewichtslage mit ausgelenkter Stabachse annimmt, wobei die Größe der Auslenkung wegen der Liniearisierung sinj j unbestimmt bleibt. Hinweis: Will man wissen, welche Auslenkung das System für Kräfte F > FK besitzt, so muss die nicht liniearisierte Gleichung (2.96) ausgewertet werden. Aus der grafischen Darstellung von Gleichung (2.96) in der Form y(j) Fl j c sinj folgen anschaulich für beliebige Winkel j die möglichen Gleichgewichtslagen dieses Systems (vgl. nächste Seite). Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Aus Bild 2.86 lassen sich folgende möglichen Gleichgewichtslagen in Abhängigkeit vom Winkel j erkennen: - labil sein, wenn j = 0 ist oder - stabil mit einer Auslenkung nach rechts oder links, wobei schon kleine Lasterhöhungen große Ausschläge hervorrufen, wie man aus Bild 2.86 ablesen kann. 1,5 1 stabil • Vom so genannten Verzweigungspunkt (kritischer Punkt, F = FK bzw. Fl/c = 1) an kann das Gleichgewicht F l c labil 2 • Für F < FK (bzw. Fl/c < 1) liegt immer stabiles Gleichgewicht vor. 0,5 0 -90 -60 -30 0 Verzweigungspunkt 30 60 90 j in [ ] Bild 2.86 Gleichgewichtslagen Die labile Gleichgewichtslage mit j = 0 (gestrichelte Kurve in Bild 2.86) ist praktisch nicht von Bedeutung, da immer kleine Störungen vorhanden sind, so dass das System im Verzweigungspunkt bei einer weiteren Laststeigerung in eine stabile Gleichgewichtslagen mit ausgelenkter Stabachse (ausgezogenen Zweige in Bild 2.86) übergehen wird. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› 2.8.3 EULER-Fälle Typische Stabilitätsprobleme stellen auf Druck belastete Stäbe dar. Wir wollen zunächst einen beidseitig gelenkig gelagerten Stab mit einer richtungstreuen Druckkraft F betrachten (Bild 2.87) und die kritische Kraft ermitteln, bei der der Stab instabil wird (ausknickt). Beachte: Bei allen Stabilitätsuntersuchungen müssen die Gleichgewichtsbetrachtungen am verformten System aufgeschrieben werden. Soll nur die kritische Belastung ermittelt werden, so darf liniearisiert werden (Theorie 2. Ordnung, siehe auch Kapitel 2.8.2). EI F l A B F FA FBH = F und FA = FBV = 0 FBV y, v F verformter, ausgeknickter Stab z Mb v(z) y, v Das Gleichgewicht am verformten Gesamtsystem liefert zunächst die Lagerreaktionen: FBH z S FL FQ Bild 2.87 Knickstab (2. EULER-Fall), Gleichgewicht am verformten System Das Gleichgewicht am freigeschnittenen verformten Teilsystem liefert das Biegemoment Mb(z) = Fv(z) Unter der Voraussetzung kleiner Verformungen in der (y,z)-Ebene folgt nach der Differentialgleichung 2. Ordnung (2.37) mit diesem Biegemoment EI v z Mb z F v z Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? v z F v z 0 EI (2.98) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› F EI wird Gleichung (2.98) mit k2 (2.99) v (z) k 2v(z) 0 (2.100) Diese homogene Differentialgleichung hat die Lösung v(z) c1cos(k z) c 2sin(k z) (2.101) Die Integrationskonstanten folgen aus den Randbedingungen: 1. v(0) = 0 c1 = 0 2. c2·sin(kl) = 0 v(l) = 0 c2 = 0 (d. h. mit c1 =0 bleibt die Stabachse gerade) sin(kl) = 0 für c2 0 (d. h. gekrümmte Stabachse) Die 2. Randbedingung wird somit bei gekrümmter Stabachse für (2.102) sin(kl) = 0 erfüllt. Die Gleichung (2.102) ist die so genannte Eigenwertgleichung dieses Stabilitätsproblems mit den Eigenwerten kl : kl = 0, p, 2p, 3p, ... (2.103) Der kleinste von Null verschiedene Eigenwert (kl = 0 würde nach (2.99) F = 0 ergeben) kl = p liefert mit Gleichung (2.99) die kleinste kritische Kraft FK p2EI l (2.104) 2 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Der Stab wird beim Erreichen dieser Druckkraft plötzlich ausknicken, wobei die Biegelinie nach Gleichung (2.101) mit c1 = 0 und k = p/l die Form einer sin-Funktion annimmt (vgl. Bild 2.87). Die Größe der maximalen Auslenkung, die durch die Integrationskonstante c2 bestimmt wird, bleibt unbestimmt. Wir erhalten für die Biegelinie des ausgeknickten Stabes p v z c 2 sin z l Verallgemeinerung Der oben vorgestellte Lösungsweg kann analog für andere Lagervarianten angewandt werden. Für drei weitere, in der Praxis häufig anzutreffende Lagerungen von Knickstäben lassen sich die Ergebnisse für die dazugehörenden kritischen Kräfte einheitlich darstellen. Diese insgesamt vier Lagerungsarten werden auch EULER-Fälle genannt. Für die kritische Kraft dieser vier EULER-Fälle gilt mit EI = konst. als Biegesteifigkeit bezüglich der Biegeachse beim Knicken: FK 1 F F 2 3 F 4 F l lK = 2·l lK = l lK @ 0,6992·l lK = ½·l Bild 2.88 Knicklängen lK für die vier EULER-Fälle mit Biegelinie für die kritische Kraft p 2EI lK2 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure mit ? lK = Knicklänge nach Bild 2.88 (2.105) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Knickspannung Kurz bevor ein Stab ausknickt, ist die Stabachse noch gerade. Es herrscht daher im Moment des Ausknickens eine reine Druckbeanspruchung und für die kritische Druckspannung gilt: FL FK p 2EI (2.106) sK 2 A A lK A Bei der Berechnung von FK nach EULER haben wir elastisches Materialverhalten vorausgesetzt (Anwendung der Differentialgleichung 2. Ordnung). Das bedeutet: Die EULER-Formeln gelten nur für elastisches Knicken ! Die Bedingung dafür ist: sK p2EI lK 2 A sP mit sP = Proportionalitätsgrenze im Druckbereich (2.107) Diese Bedingung (2.107) für elastisches Knicken wird auch oft wie folgt umgeformt: p 2EI lK2 A sP Mit den Abkürzungen lK2 lK p 2EI sP A A lK I i Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? E sP A E p I sP Schlankheitsgrad (reine geometrische Größe) mit P p lK i I A Trägheitsradius Grenzschlankheitsgrad (reiner Materialparameter) Ende (2.108) (2.109) (2.110) 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› nimmt die Bedingung für das elastische Knicken die folgende einfache Form an: G (2.111) Hinweis: Der Vorteil der Gleichung (2.111) liegt darin, dass mit der geometrischen Größe des Schlankheitsgrades sofort entschieden werden kann, ob elastisches Knicken eintritt oder nicht, da die Grenzschlankheitsgrade P für die gebräuchlichen Materialien in Tabellen verfügbar sind. Falls die Bedingung für elastisches Knicken nicht erfüllt ist, muss geprüft werden, ob eventuell ein Knicken im plastischen Bereich auftritt. Dafür gelten die so genannten TETMAJER -Formeln, die hier aber nicht behandelt werden sollen. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.21 Gelenkig gelagerter Druckstab Ein Stab wird über einen Hebel auf Druck beansprucht. Gesucht wird die kritische Last F = Fkrit, bei der der vertikale Stab knickt. Die gelenkige Lagerung des Stabes sei so konstruiert, dass sie für jede Biegeachse gilt. Gegeben: l = 400 mm l1 = 115 mm l2 = 230 mm a = 1,48 mm b = 17,85 mm E = 2·105 N/mm2 P= 92 l2 l1 l2 l1 A A FS F F FS b a l 2. EULER - Fall lK l A ba Knickachse: Achse mit Imin Imin ba3 12 l Bild 2.89 Gelenkig gelagerter Druckstab Das Momentengleichgewicht um den Punkt A am freigeschnittenen Hebel liefert den Zusammenhang zwischen F und der Druckkraft FS des Stabes (vgl. Bild 2.89): l A : Fl1 l2 Fsl1 0 (1) F 1 FS l1 l2 Bei gelenkiger Lagerung für jede Biegeachse knickt der Stab zuerst um die Achse Imin (siehe Bild 2.89). Wir prüfen, ob elastisches Knicken eintreten wird. Mit der Knicklänge K = l (2. EULER-Fall) wird der vorhandene Schlankheitsgrad nach (2.108) vorh lK A Imin Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure l 12ba ba ? 3 936,2 P (2) Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Das Ergebnis von Gleichung (2) zeigt, dass Knicken im elastischen Bereich eintreten wird und wir deshalb die EULER-Formel (2.105) anwenden dürfen. Aus dieser folgt die kritische Druckbelastung des Stabes FS krit p2Elmin p2E ba3 p2 2 105 17,85 1,483 N 59,5 N 2 2 2 lk 12 l 12 400 (3) Aus (1) folgt mit FS = FS krit nach (3) die gesuchte kritische Belastung zu: Fkrit l1 115 FS krit 59,5 N = 19,8 N l1 l2 115 230 Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Beispiel 2.22 Dimensionierung von Fachwerkstäben bezüglich der Stabilität Das Fachwerk in Beispiel 1.13; S 84 , das aus einheitlichen Stäben mit T-Querschnitt (DIN 1024, vgl. Tabelle 2.6) bestehen soll, ist so zu dimensionieren, dass keine Knickgefahr besteht. Die Fachwerkknoten seien ideale räumliche Gelenke. Gegeben: F = 50 kN, a = 2 m, a = 30 °, E = 2,1105 N/mm2, sP = 240 N/mm2 Die Stabkräfte liegen für dieses Fachwerk in der Tabelle 1.1; S 85 bereits vor. Die knickgefährdeten Druckstäbe sind die Stäbe 1, 3, 8, 9 und 12. Für alle Druckstäbe gilt: Stablänge: lS = a/cosa Knicklänge: lK = lS = a/cosa (2. EULER-Fall für das Knicken in jeder Richtung) Die Druckstäbe werden bei einer Belastung FSi > FK zuerst um die Achse ihres kleinsten Flächenträgheitsmomentes ausknicken, wobei natürlich der Stab mit der größten Druckbelastung zuerst ausknickt. Das ist der Stab 1 mit der Stabkraft (vgl. Tabelle 1.1; S 85) 7F FS1 4 sin a Um ein Ausknicken dieses Stabes zu vermeiden, muss nach Gleichung (2.105) gelten (wir setzen dabei stillschweigend zunächst elastischen Knicken voraus, was wir aber erst nach Festlegung des Querschnitts prüfen können): FS1 7F p2EI p2EImin p2EImin cos2 a FK 2 4 sin a lK lS2 a2 Diese Ungleichung lösen wir nach der Querschnittsgröße Imin auf und erhalten (nächste Seite) Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Imin 7Fa2 4p E sin a cos a 2 2 7 50 103 N 4 106 mm 2 4p 2,1 10 Nmm 2 5 2 2 sin 30 cos 30 45,0 10 4 mm 4 Der gesuchte T-Querschnitt muss diese Bedingung erfüllen. Aus Tabelle 2.6 folgt, dass der Querschnitt T90 (grau unterlegt) mit Imin = Iy = 58,5 cm4 = 58,5104 mm4 und der Querschnittsfläche A = 17,1 cm2 diese Bedingung erfüllt. Es muss jedoch für diesen Querschnitt auch die Bedingung für elastisches Knicken (2.111) erfüllt sein, denn nur dann war unsere Rechnung zulässig. Es folgt mit dem vorhandenen Schlankheitsgrad nach (2.108) und dem Grenzschlankheitsgrad P nach (2.110) aus der Bedingung (2.111) P : a A 2 103 mm 17,1 102 mm 2 124,9 P p 4 4 cos a Imin cos 30 58,5 10 mm E 92,9 sP Die Bedingung für elastisches Knicken ist erfüllt, d. h. die obige Berechnung war zulässig, und der Querschnitt T90 ist insofern geeignet, dass damit ein Ausknicken der Fachwerkstäbe vermieden wird. Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#› Ende der Festigkeitslehre Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure ? Ende 2 Festigkeitslehre Seite: ‹#›