Datierung - Lehrstuhl für Geomorphologie

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Transcript Datierung - Lehrstuhl für Geomorphologie

Datierung
Methoden der
geowissenschaftlichen
Zeitbestimmung
Vorlesung „Methoden der geowissenschaftlichen Zeitbestimmung“
L. Zöller
Inhalt:
0: Keine Zeit für Geomorphologie…
1) Einleitung
Vorüberlegungen
Terminologie
Radioaktivität: Zerfalls- und Strahlungsarten und Gleichungen
A: Physikalische Methoden auf Grundlage der Radioaktivität
2) Radiogene Edelgase
Kalium-Argon
Uran-Helium
3) Kosmogene Radionuklide
Radiokohlenstoff (14-C)
10-Be, 26-Al, 36-Cl u.a.
Tritium (3-H), 3-He
4) Strahlendosimetrische Methoden
Lumineszenz (TL, OSL, IR-OSL)
Elektronen-Spin-Resonanz (ESR)
Partikelspuren: Spaltspuren und Alpha-Rückstoßspuren
5) Uranreihen
230-Th/234-U, 231-Pa/235-U, u.a.
6) Radiocäsium
B: Chemische Methoden
7) Aminosäuren-Racemisierung
8) Andere chemische Methoden
C: „Absolute“ Methoden der Jahreszählung
9) Dendrochronologie
10) Warwenchronologie und Eislagenzählung (Eisbohrkerne)
D: Nicht-numerische Methoden (Magnetismus, Stabile Isotope)
11) Archäo- und Paläomagnetismus
12) Magnetische Suszeptibilität und abgeleitete Parameter
13) Stabile Isotope
Sauerstoffisotope (δ18-O) und orbitales Tuning
Kohlenstoffisotope (δ13-C)
E: Paläobiologische Methoden
14) Pollenanalyse
15) Groß- und Kleinsäugerstratigraphie
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
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Grundlegende Literatur:
Aitken, M.J.: Thermoluminescence Dating. London 1985
Aitken, M.J.: An Introduction to Optical Dating. Oxford
1998.
Geyh, M.A.: Handbuch der physikalischen und chemischen Altersbestimmung. Darmstadt 2005 (WBG).
Wagner, G.A.: Altersbestimmung von jungen Gesteinen
und Artefakten. Stuttgart 1995.
Wagner, G.A.: Age Determination of Young Rocks and
Artifacts. Berlin 1998 (Springer).
Keine Zeit für
Geomorphologie?
Wie Geomorphologen mit der Zeit
umgehen
Ludwig Zöller
Lehrstuhl Geomorphologie
Geoökologie…das Konzert 1. Satz
Geomorphologie
Keine Zeit!
Geographie…das Konzert 2. Satz
Geomorphologie
Keine Zeit!
Gesunde Konkurrenz?

Relevanz unserer Forschungs- und Lehrinhalte

Dimensionen des Zeitbegriffs
(geologisch-geomorphologischer versus
geoökologischem und humangeographischem)
…und seine Vermittelbarkeit
…
Gibt es Berührungspunkte?
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Dualismus der Geomorphologie


Aktualistisch:
- Beobachtbare Prozesse
- Abstraktion,
Gesetzmäßigkeiten,
Zusammenhänge,
Kausalketten,…
- Extrapolation+Projektion,
Risikoabschätzung


Historisch-genetisch
-
Werden der Landschaft
„Vorzeitinfluenz“
(rapide) Änderungen
ihre Ursachen und
Auswirkungen
- Projektion,
Risikoabschätzung
Synchroner Ansatz: Wie sah die Umwelt (Landschaft, Umgebung) der
Fundstelle während der Besiedlungszeit aus?
stelle vor, während und nach der Besiedlungszeit ausgesetzt?
Krems-Wachtberg
Diachroner Ansatz: Welchen Veränderungen war die Fund-
Zum Beispiel
Geoarchäologie…
Exkurs Krems-Wachtberg
© Thomas Einwögerer
About the archaeology…….
~5 m
Since 2005 an Lower Gravettian cultural layer is
excavated at this site.
The project is led by the Praehistoric
Commission
of the
Calendric
Age calBP:
Austrian Academy of Sciences.31.108 +/- 129
CalPal Online
Project leader: Dr. Christine Neugebauer-Maresch
Leader of excavation: MA Thomas Einwögerer
C-14 Datum;
The work presented here is part of this project.
Poz-12920: 26580 +/- 160 BP
Vergleich vom Archiven (diachron)
20
21
 low - intensity of 'pedogenesis' - high 
5
laminated sediments
from Maar-lakes,
Eifel, Germany
 cooler - temperature - warmer 
20
?
North GRIP
isotopic record
4
22
22
GI 2
23
3
height in m
24
25
age in ka
21
26
27
magnetic susceptibility
of loess at
Krems-Wachtberg,
Austria
2
24
25
26
27
1
GI 3
28
29
23
Heinrich event 2
0
archaeological
horizon
28
GI 4
Heinrich event 3
30
29
30
-1
31
31
32
32
GI 5
-2
33
33
GI 6
34
0.9
0.8
0.7
greyscale values
200
400
magnetic susceptibility in 10
600
-6
800
SI-units
-46
-44
-42

18
O in ‰
-40
34
-38
age in ka
 high - wind born loess and sand - low 
Geomagnetic Events and Excursions of the last 50 ka
Lavas from Hawaii
A: Hilina Pali Event ca. 20 ka
B: Mono Lake Event ca. 32-34 ka
C: Laschamp Event ca. 40 ka
Teanby et al. 2002
Dank an Dr. Ulrich Hambach!
There is only one Geomagnetic Event between ca. 25 – 35 ka :
>Mono Lake Event (MLE)
Das Zeit-Problem…
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
Meinen Geomorphologen, Geologen, Geografen, Geoökologen,…
dasselbe mit dem Begriff „Zeit“?
Zunächst: Was verstehen eigentlich wir Geomorphologen unter
„Zeit“?
Nehmen wir uns etwas Zeit, um über die Zeit nachzudenken…
Zeitbegriff in der Geomorphologie
(nach Ahnert 1996, S. 21 ff)
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
Funktionale Geomorphologie:
Geschwindigkeiten und Prozessraten oder
Angabe der Zeitdauer
Prozessrate = Arbeit / Zeiteinheit [z.B. mkg s-1]
Gesamtarbeit = Prozessrate x Zeitdauer
"Es ist nicht eine Zeit des Zustandes, sondern die
Zeit des Ablaufes physikalischer Prozesse und
damit ein systeminterner Bestandteil dieser
Prozesse. Mit anderen Worten, die Zeit der
funktionalen Geomorphologie ist physikalische
Zeit".
Zeitbegriff in der Geomorphologie 2
(nach Ahnert 1996, S. 21 ff)


Historisch-genetische Geomorphologie:
"Im Gegensatz dazu ist die Zeit der historischgenetischen Geomorphologie ein Mittel zur
Einordnung des Eintretens und der Dauer
erdhistorischer Ereignisse. ...Wie diese Ereignisse
ist auch diese Zeit systemextern und wird durch
ihre Bezeichnung als historische Zeit von der
systeminternen physikalischen Zeit unterschieden."
Für dt → 0 bei „Wiggles“:
Alle denkbaren Steigungen
Steigung: Prozessrate
dn/dt
Konsequenzen
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
Nicht-lineare Prozesse können bei zu großem Δt
nicht erfasst werden.
Das eigentliche Ziel eines umweltorientierten
geomorphologischen Ansatzes (z.B. im Sinne
von William L. Graf) kann völlig verfehlt werden.
Interesse der Geomorphologie an weiteren
qualitativen Sprüngen der Datierungsmethoden!
„Prozessrate“
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
Was meinen wir mit „Prozessrate“…
- bei „Steady State“ oder „Reaction Time“,
- bei „Relaxation Time“,
- in der Prozessgeomorphologie,
- in der historisch-genetischen Geomorphologie?
Wie können wir sie jeweils sinnvoll bestimmen
(d.h., wie groß wählen wir Δt)?
Bestimmung der Prozessrate
(Herausforderung an Geomorphologie, Geoökologie,
Geographie)
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
1) Datierung von Anfangs- und Endpunkt des Prozesses
und Berechnung der Veränderung/Zeiteinheit Δn/Δt
- Aber: „historische Zeit“ wird zur Annäherung an
„physikalische Zeit“ genutzt!
- Statistische und systematische Fehler der Datierungen
verstärken sich bei Berechnung der Steigung Δn/Δt
Geeignet für großes Δt (z.B. „zyklische Zeit“),
ungeeignet bei „Wiggles“
2) Ist direkte Bestimmung der Prozessrate möglich?
Zu 1) Bestimmung über Datierungen

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
Fragen:
Was wird eigentlich datiert (welches Ereignis, Kontext)?
Was datiert welche Methode (z.B. Holzkohle und
Bodenbildung)?
Können verschiedene Methoden kombiniert werden (im
Prinzip erwünscht) und wie?
Welche Beschränkungen haben die Datierungsmethoden
(Anwendungsbereich, Zuverlässigkeit, Materialien…)
Momentaufnahme oder Film; Beispiel Vulkan


Datierung des
Ausbruchs durch
Ar/Ar oder TL
oder…
La Corona,
Lanzarote
Dynamik der Hänge und Böden
unter sich wandelndem Klima,
geänderter Nutzung…???
Bei präzisem Gebrauch der „Zeit“-Begriffe:
Überzeugende Vermittlung geomorphologischer Anliegen und Ergebnisse,
Diskussion des Zeitbegriffes in verschiedenen Disziplinen.
Wichtige physikalische und chemische
Datierungsmethoden im Quartär
Zu 2) Direkte Bestimmung von Prozessraten

Fragen:
Wie repräsentativ sind aktuelle Messungen?
(personal- und/oder geräteintensiv: teuer!)
Upscaling/Downscaling-Problem

Sind direkte Messungen für die Vergangenheit möglich?

Über welchen Zeitraum soll gemittelt werden?

Sind vorzeitliche Änderungen der Prozessraten messbar?

Methoden



Nutzung von
A) Erstmaligem (u. U. letztmaligem) Eintrag chemischer
Stoffe oder Radionuklide (RN) („Tracer“, s.u.)
B) Radioaktivem Zerfall


Z.B. 10Be (HWZ 1,5 Ma) u.a.
Voraussetzungen: bekannte Produktionsrate, „Halbwertsdicke“,
Zerfallsgleichgewicht, chemisch geschlossenes System.
Resultat: i) Mittlere Abtragsrate über mehrere HWZ.
ii) Alternativ Expositionsalter.
Bei mehreren kosmogenen RN mit sehr unterschiedlicher HWZ:
Zeitliche Variation der mittleren Abtragsraten.
C) Thermochronometrie
(Spaltspuren, U-Th-He: Datierung der letzten Erhitzung auf
Schließungs-T, z.B. 110°C oder 60°C, Temp.-Hebungspfade)
Zeitliche Variation der mittleren Abtragsraten.
Thermochronometrie, Beispiel U-Spaltspuren
Abkühlungsmodelle Fichtelgebirge-Steinwald
Intrusion?
Nach Hejl & Wagner 1990, Naturwiss.
Neuere Tracermethoden

Radiocäsium (137Cs)
Eintrag: 1. Max. 1962/63 (Bomben), 2. Max. 1986 (Tschernobyl)
Quantifizierung von Bodenerosion seit 1963 in kleinen Einzugsgebieten (bis ca. 1 ha). In der BRD fast nicht angewandt
(s. Schimmack et al. 2002, Zöller et al. subm.)
 Plutonium (239,240Pu), Americium
(241Am)
Eintrag fast nur durch Bomben. Wegen langer HWZ von 241Am (ca.
400 a) und von Pu-gestütztem weiterem radiogenen Aufbau ist
241Am zukunftsträchtiger Tracer. Analytik schwieriger als für 137Cs. In
der BRD fast nicht angewandt (s. Schimmack et al. 2002, Schleich
2006)
 Radioberyllium (7Be)
Tracer: 7Be
7Be:
- Bildung kosmogen in Atmosphäre
- Nasse Deposition, Adsorption v.a. an Ton- und
Humuspartikel
- HWZ nur 55 d (5 HWZ=275 d)
- Nachweis mittels HP-Ge-Gammaspektrometer
- Verlagerung bei erosionswirksamen Starkregen oder
Schneeschmelze
→ ereignisbezogene retroperspektive Messung des
Abtrages in kleinen Einzugsgebieten möglich,
besonders geeignet für Gebiete mit stark
saisonaler Erosionstätigkeit
In BRD m.W. noch nicht angewandt
Probleme




Homogenität des Eintrages (bes. 7Be, 137Cs)
Fixierung bzw. Mobilität (Translokation) des
Tracers, z.B. pH-Abhängigkeit, Art der Bindung…
weitere Grundlagenforschungen zur Geoökologie
des Tracer-Verhaltens bis auf Mikroskalen nötig
(s. Schleich 2006)
Länger zurückreichende Prozessraten nur über
längere Zeiträume zu mitteln
Perspektiven von radiometrischen Methoden zur
direkten Ermittlung von Prozessraten…
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
Reihe von Methoden
Decken zeitlich 8 Zehnerpotenzen ab
(von 100 bis 108 a)
Kombination verschiedener Methoden kann
grundlegende Änderungen bzw. Konstanz der
Prozessraten über mehrere Zeit-Dimensionen
detektieren. Dabei Analogie zu „Intenstitäts-AuslesePrinzip“ überlieferter Formen (H. Rohdenburg)
Sowohl für historisch-genetische Geomorphologie
(dynamische bis zyklische Zeit) als auch für aktualistische G. (Statische bis Steady State-Zeit) einsetzbar
Einige Methoden (z.B. 10Be) zur Bestimmung historischer
wie auch physikalischer Zeit geeignet
…Perspektiven der Geomorphologie
Mithilfe der neuen Methoden große neue Zeit für Geomorphologie?!
Es wird aber Zeit,
- sich vehement für den zeitigen Ausbau neuer
Methoden der Zeitmessung einzusetzen,
- dabei Risiken nicht zu scheuen,
- dass ich zeitig aufhöre!
Danke für Ihre Zeit zum Zuhören!