Transcript Die Zukunft der Pflegevorsorge in Vorarlberg
Die Zukunft der Pflegevorsorge in Vorarlberg
Univ. Prof. Mag. Dr. Anton Amann Mag. Christian Bischof (Vortrag vom 16.10.2012)
1. Ausgangslage
Die Bedarfszuwächse in den nächsten Jahren werden uns vor neue, aber auch bewältigbare Aufgaben stellen, z. B. Lösungen zu finden für: eine ausreichende Datenerfassung, eine zentrale Steuerung für die Planung der Pflegevorsorge und praktikable Instrumente der Qualitätskontrolle.
Optimierung
Es braucht eine Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einrichtungen der Pflegevorsorge, den Gemeinden und dem Land (Sozialverwaltung), wobei hier die zentrale Steuerungskompetenz zu liegen hat.
Die Fakten
Die demographischen Veränderungen (Altersstrukturwandel) sind unumkehrbar.
Aus ihnen ergeben sich direkte und indirekte Effekte für die Pflegevorsorge.
Sie werden in Prognosewerten ausgedrückt.
Wir legen die „Kompressionshypothese“ zugrunde.
2. Zur demographischen Veränderung
gesamt: 0 - 19 gesamt: 20 - 39 gesamt: 40 - 59 gesamt: 60 - 69 gesamt: 70- 79 gesamt: 80 - 89 gesamt: 90 +
gesamt
2010
87.598
100.126
106.711
36.745
24.355
12.262
1.540
369.337
2015
84.382
100.421
111.469
37.884
28.834
13.614
2.659
379.263
2020
82.536
101.698
111.371
41.624
31.656
16.000
3.324
388.209
2025
82.170
99.521
108.586
48.272
33.137
19.620
3.930
395.236
2030
82.008
98.165
104.371
53.258
36.779
22.002
5.014
401.597
Tab 1: Bevölkerungsentwicklung
Wichtigste Veränderungen
Die Gruppe der 70- bis 79-Jährigen wächst um 51 Prozent von 24.355 auf 36.779 Personen. Die 80- bis 89-Jährigen nehmen um 79 Prozent von 12.262 auf 22.002 Personen zu. Die über 90-Jährigen und darüber steigen um mehr als das Dreifache von 1.540 auf 5.014 an, das entspricht einer Steigerung um 226 Prozent.
3. Die Situation der Planungsregionen
Für die einzelnen Planungsregionen gilt die generelle Vorhersage: dass die Bevölkerung in den Ballungsräumen zunehmen wird, in abgelegenen Regionen stagniert oder sogar abnimmt. Das hat z. B. Auswirkungen auf das private Pflegepotenzial.
Das zeigt das Beispiel des sogenannten Altersquotienten.
Altersquotienten nach Planungsregionen
Blumenegg/ Großes Walsertal Bregenz Bregenzerwald
Bregenzerwald-Vorderwald Bregenzerwald-Mittelwald Bregenzerwald-Hinterwald
Dornbirn Feldkirch Hofsteig Hohenems Kleinwalsertal Klostertal/ Arlberg Kummenberg Leiblachtal Lustenau Montafon Rankweil/ Vorderland Raum Bludenz Rheindelta Unterer Walgau Vorarlberg 2010
20,7 27,0 24,0 23,6 24,2 24,4 25,5 23,8 24,0 25,1 24,2 25,3 22,0 29,0 25,5 28,2 22,9 27,4 22,5 24,3 24,8
2015
23,2 30,3 26,0 26,3 25,3 26,4 27,9 26,0 26,9 27,3 26,3 26,6 24,0 30,7 27,7 31,3 25,9 30,0 25,1 26,4 27,2
2020
26,3 32,6 28,7 28,9 27,7 29,5 30,0 28,4 30,1 29,1 29,3 29,1 26,4 31,9 29,6 35,3 28,6 32,5 27,2 28,9 29,7
2025
31,4 36,0 33,3 33,7 32,6 33,6 33,0 31,9 33,8 31,4 32,6 33,7 30,1 35,4 32,2 40,1 32,5 36,7 31,3 32,8 33,3
2030
38,1 40,4 39,6 40,5 39,0 39,2 37,7 36,9 39,4 36,1 35,7 40,0 35,5 41,0 37,4 46,5 38,3 42,3 37,3 38,9 38,8 Tab. 2 Altersquotient Planungsregionen (Verhältnis Altersgruppe 65+ zu 20 bis 64 in Prozent)
Extremwerte
Regionen mit den ungünstigsten/günstigsten Verhältnissen im Jahr 2010: Das Leiblachtal mit 29 Prozent, Montafon mit 28,2 Prozent, der Raum Bludenz mit 27,4 Prozent und Bregenz mit 27 Prozent. In der Region Montafon tritt bis zum Jahr 2030 der stärkste Anstieg auf, den geringsten Anstieg zeigt Hohenems: hier steigt der Altersquotient von 25,1 Prozent auf 36,1 Prozent an.
4. Direkte Effekte auf die Pflegevorsorge
Gruppen
PflegegeldbezieherInnen PatientInnen KPV KundInnen MoHi BewohnerInnen Pflegeheime BezieherInnen Kurzzeitpflege Betreute 24h-Betreuung
2010
15.121
4.392
4.104
2.048
830 502
2015
973 616 Tab. 3 Veränderungen in den Zahlen der LeistungsbezieherInnen
2020
17.085
5.074
4.761
2.423
18.717
5.655
5.258
2.685
1.090
688
Steuerungsnotwendigkeit
Es ist sehr wichtig, die Steuerung der weiteren Gestaltung der Pflegevorsorge an solchen Richtwerten zu orientieren, wie das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt.
Zwischen 1999 und 2005 wurde die Zahl der Pflegeheime um 25 % auf 11.029 erhöht.
2008 war die Auslastung weit unter dem erwarteten Wert.
Je mehr Indikatoren bei der Planung kontrolliert werden, desto geringer ist die Gefahr von Fehlentwicklungen.
5. Indirekte Effekte für die Pflegevorsorge
Gruppen
Personal KPV Personal in Pflegeheimen Personal MoHi
2010
164 1.208
2015
188 1.429
Tab. 4 Personalbedarf – Grobschätzung (in VZÄ)
2020
210 1.583
6. Komplexere Beziehungen Potentiale
Privates Pflegepotential:
Das private Pflegepotential wird zurückgehen, wir haben aber nur ganz grobe Schätzungen. Es wird einer gezielten Strategie des Auffindens und Aktivierens solcher Potentiale bedürfen.
Personalpotential MoHi:
Hauptsächlich Neue Selbständige und Geringfügig Besch. Verhältnisse. Ehrenamtlichkeit spielt hier nicht die vorrangige Rolle, im Vergleich zu
Potentiale
Personalpotential KPV:
Mit hauptsächlich voll Beschäftigten, aber fast 600 ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
7. Potentiale-Strukturfragen:
Heim-/Wohnpopulationen:
Bei Pflegeheimen besteht eine beträchtliche „Wanderung“ über die Grenzen der Planungsregionen. In ganz Vorarlberg stammen 73 % der BewohnerInnen aus der eigenen Planungsregion. Die höchste „Deckung“ haben das Kleinwalsertal mit 97 % und Dornbirn mit 94 %; die niedrigste haben Hohenems mit 46 % und Leiblachtal mit 48 %.
Steuerungsfrage
Die Frage ist: Ist das ein Problem und was soll sich ändern? Wenn sich etwas ändern soll, kann das wohl nur über zentrale Planung und Steuerung durch das Land erfolgen.
Achtung: Struktureffekte
Wir müssen hier allerdings auch Struktureffekte beachten: Das ungünstige Verhältnis im Leiblachtal ist u. a. auch darauf zurückzuführen, dass Lochau seit langem die Versorgung von Menschen mit Handicaps für das ganze Land übernimmt.
Notwendige Koordination zwischen Gesundheits und Sozialbereich.
Potentiale suchen
Krankenpflegevereine und Mobile Hilfsdienste:
Hier kommen große organisatorische Anforderungen des Arbeitskräfteproblems auf uns zu. Zu den wichtigen Fragen zählen:
Fragen KPV
Wie sehen die Muster der Personalrekrutierung aus (KPV: direkt von der Ausbildung, aus Spitälern, aus Pflegeheimen, WiedereinsteigerInnen)?
Welche Motive führen zur Tätigkeit in den MoHi (Erwerb/Zuerwerb, sinnvolle Tätigkeit, Tätigkeit im eigenen Ort, nach eigener Zeiteinteilung etc.)?
Welche der Beschäftigungsformen ist bei Frauen besonders günstig für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Kann erwartet werden, dass die Vereine bzw. Träger imstande sein werden, die für die gesamte Pflegedokumentation des Landes nötigen Daten in der dann erforderten standardisierten Weise regelmäßig zu liefern?
8. Einige Zukunftsorientierungen
Planungsziele und Planungswerte Umfassende Datendokumentation zum Zwecke eines Monitoring Feststellung des Aus- und Weiterbildungsbedarfs aller Pflege- und Betreuungskräfte Gesundheitsförderung im Pflege- und Betreuungsbereich – Grundlagenforschung und Evaluierung bisheriger Maßnahmen – Erforschung des tatsächlichen Bedarfs Pflege und Betreuung –Entwicklung der Demenzen
9. Ausblick
Wir halten es für unabdingbar, die Grundlagen für eine rationale Planung nicht nur zu schaffen, sondern sie auch laufend weiter zu entwickeln.
Komplexe Verhältnisse brauchen rationale Analysen auf der Basis möglichst vollständiger Information.