Transcript Zusammenfassung der Hauptempfehlungen
Kurze Präsentation der Resultate des Audits (Organisationsanalyse der Walliser Strafanstalten)
Benjamin F. Brägger, Geschäftsführer CLAVEM GmbH Crêtelongue, 23. September 2011
CLAVEM GmbH, Industriestrasse 37, CH 3178 Bösingen, Tel. +41 31 740 97 63, [email protected], www.clavem.ch
Die verschiedenen Haftarten
Zivilrechtliche Haft: Fürsorgerischer Freiheitsentzug (FFE) (397a ff. ZGB) Strafprozessuale Haft = Zwangsmassnahme Strafrechtliche Haft = Sanktionenvollzug Administrative Haft = Zwangsmassnahme Polizeihaft (217f. StPO) Strafvollzug (75ff. StGB) Verlängerte Polizeihaft Massnahmenvollzug (90 StGB) Untersuchungshaft (226 StPO) Sicherheitshaft (229 StPO) Auslieferungshaft (47ff. IRSG) Vorzeitiger Straf-/ Massnahmenantritt (236 StPO) Vorbereitungshaft (75 AuG) Ausschaffungshaft (76 AuG) Durchsetzungshaft (78 AuG)
Schweizerische Normenhierarchie im Bereich des Freiheitsentzuges und der Vollzugsmedizin Recht des Freiheitsentzuges Aufgabe der Kantone (123 BV) Recht der med. Versorgung Aufgabe der Kantone (118 BV) Hierarchiestufe Bundesverfassung
1
EMRK UNO-Pakte I & II Anti-Folter-Konvention (CPT) REC(2006)2 & 13 StGB (Art. 74 ff., 320, 372 ff.) Verordnung zum StGB
Strafvollzugskonkordate (3x)
Kantonsverfassung Gesetz zum Freiheitsentzug Verordnung zum Freiheitsentzug Hausordnung – Weisungen – Merkblätter Ethische Grundsätze EMRK Anti-Folter-Konvention (CPT) REC(2006)2 & 13
REC (1998)7
StGB (Art. 84 III, 85 II, 321) Epidemiegesetz Kantonsverfassung Gesetz zum Freiheitsentzug & VO Gesundheitsgesetz & VO Regelung zur Gefängnismedizin Weisungen des Katonsarztes SAMW Richtlinie vom 28.11.2002
Völkerrecht:
Staatsverträge Empfehlungen des Europarates
Bundesrecht:
Gesetze, Verordnungen
2 3 Interkantonales Recht:
Verträge zwischen den Kt.
Richtlinien & Empfehlungen
4 Kantonales Recht:
Gesetze Verordnungen Regierungsratsbeschlüsse Weisungen
5 Soft Law 6
Gemäss Art. 48 der Bundesverfassung haben sich die Kantone im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzuges in
3 Konkordate
zusammengeschlossen Konkordat der Lateinischen Schweiz: FR, GE, JU, NE, VD, VS & TI Ostschweizer Konkordat: AI, AR, GL, GR, SH, SG, TG & ZH Konkordat der Nordwest- und Innerschweizer Kantone: AG, BS, BL, BE, LU, OW, NW, SZ, SO, UR & ZG
Vollzugsstufen des progressiven Strafvollzuges nach StGB
Besondere Sicherheitsmassnahmen: für Vollzugsort, Urlaub, bedingte Entlassung 75a StGB Delikt – Verhaftung Vorzeitiger Strafantritt Strafantritt 5 Bedingte Entlassung 86 Probezeit 1 - 5 Jahre Untersuchungs & Sicherheits haft (220 StPO) 236 StPO
0
1 Einzel haft 78 Max. 1 Woche
1 ½ 2/3 VE
2 Normal vollzug 77 3 Vollzugsende Arbeitsexternat 77a I & II 4 Arbeits- & Wohnexternat 77a III
Vollzug:
Grundsatz: offene Anstalt Ausnahme: geschlossene Anstalt, bei Flucht gefahr und Wiederholungsgefahr
Heutige Nutzung der Anstalten:
Martigny: Prison préventive Pramont: Centre éducatif Brigue: Prison préventive Sion: Prison préventive Crêtelongue: Colonie pénitentiaire Crêtelongue: La Bergerie
Détention administrative
Heutige Situation:
Anstalt Vollzugsregime
Martigny Sion Brigue Crêtelongue Pramont U-Haft/ ASH/HF/AE U-Haft/ ASH/HF/AE U-Haft/ ASH/HF/AE Offener Strafvollzug Massnahmen für junge Erwachsene und Judgendliche La Bergerie
Total:
ASH
Anzahl Haftplätze
48 121 24 40 34 18
285 VZS
10 30 4 21 37 10
112
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
1. Haftbedingungen:
• • • • • Generell wird ein Mangel an Personal festgestellt. Zudem seien die Haftbedingungen zu sehr auf die Sicherheit fokussiert. Der gesetzlich verankerte Wiedereingliederungsauftrag (Resozialisierung) und die vorgeschriebene Fürsorge und Betreuung der Gefangenen wurden bisher und werden teilweise immer noch als sekundär betrachtet. Körperliche Aktivitäten generell, sportliche Betätigungen oder Arbeit für die Insassen kämen grundsätzlich zu kurz. Des Weiteren würde die Bewegungsfreiheit der Insassen in Gegenüberstellung mit vergleichbaren Anstalten in anderen Kantonen sehr stark, manchmal gar zu stark, eingeschränkt.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
2. Infrastruktur:
• Alle bestehenden Anstaltsbauten weisen mehr oder weniger grosse Defizite und Mängel auf: • im Bereich der baulich/technischen Sicherheit (der sog. passiven Sicherheit) (Ausnahmen: Sion und Martigny bieten eine sehr hohe Sicherheit), • Im Bereich der baulichen Vollzugsstandards oder • beim Unterhaltszustand auf.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
3. Heutige Anzahl Haftplätze:
• zu viele Untersuchungshaft-Plätze (ca. 50% zu viel); • zu viele Plätze für die Halbgefangenschaft und das Arbeitsexternat (ca. 85% zu viele); • Nicht genügen Plätze für die sog. Administrativ-Haft gemäss Ausländergesetz (Ausschaffungshaft) (ca. 50% zu wenig); • Nicht genügend gesicherte Haftplätze für den Strafvollzug.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
4. Organisation :
• Die heute im Kanton Wallis gültige Aufteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Bereich des Freiheitsentzuges entspricht nicht mehr dem in der Mehrheit der deutsch und französischsprachigen Kantone umgesetzten, erprobten und bewährten Organisationsmodell. • Die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind auf zu viele Dienststellen und Personen aufgeteilt.
Empfohlene zukünftige Nutzung der Anstalten:
Pramont: Centre éducatif pour mesures selon CPmin Brigue: Prison préventive Martigny: Détention administrative Sion: Prison préventive & exécution anticipée Les établissements pénitentiaires de Crêtelongue: Crêtelongue: La Bergerie
Détention administrative
Empfohlene zukünftige Nutzung der Anstalten
Anstatlen
Martigny Sion Brigue Crêtelongue Pramont Stab Sozialdienste Strafvollstreckung
Total: Haftregimes
ASH U-Haft & vorzeitiger Strafantritt Strafvollzug offen & geschlossen Massnahmen für junge Erwachsene und Judgendliche
Anzahl Haftplätze
40 115 60 0 – 70 34 0
249-259
*Neu zu schaffende Stellen: 6 VZS für ASH & 16 EPT für Strafvollzug
VZS
16 38 0 35 48 11
148*
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• Die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Bereich des Freiheitsentzuges im Kanton Wallis neu und klarer zu regeln und deshalb: •
eine neue Organisationseinheit zu schaffen
, welche die operative Gesamtleitung und -verantwortung in allen Aufgabenbereichen des Walliser Freiheitsentzuges auszuüben und zu tragen hat. Diese neue
Walliser Dienststelle für Justizvollzug / Service pénitentiaire
valaisan
sollte die heutige Dienststelle der Walliser Strafanstalten ersetzen • ein kantonales Straf- und Massnahmenvollzugsgesetz mit den dazugehörigen Verordnungen zu erarbeiten.
Organigramme der neuen Dienststelle:
Office d’application des sanctions pénales et de probation
Chef d’office
Etat-major
Secrétariat Communication / Médias Finances & Controlling Secteur juridique Admin. du personnel Sécurité & Entretien
Service pénitentiaire valaisan*
Chef de service
Division sanitaire carcérale Les établissements de détention + ev. LMC de Martigny
Directeur
Les établissements
pénitentiaires de Crêtelongue
Directeur
Centre éducatif de Pramont
Directeur * Variante: Walliser Dienststelle für Freiheitsentzug und Betreuung
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
Die neue
Walliser Dienststelle für Freiheitsentzug und Betreuung
sollte sich wie folgt gliedern: o o o o o
Vollstreckungs und Bewährungsdiente
(
Office d’application des sanctions pénales et de probation
);
Untersuchungsgefängnisse
(
Les établissements de détention
: prison des Iles und bis zur Schliessung des UG von Brig );
Justizvollzugsanstalten von Crêtelongue
(
Les établissements pénitentiaires de Crêtelongue
);
Centre éducatif de Pramont
;
Stab
(Administration und Support).
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• Die bestehenden Überkapazitäten im Bereich der Untersuchungshaft, der Halbgefangenschaft und des Arbeitsexternats durch eine Neuordnung und Neuzuweisung der Vollzugsregimes abzubauen. • Durch diese Reorganisation der zugeteilten Aufgaben der einzelnen Anstalten liessen sich zudem die rechtlichen Trennungsvorschriften bezüglich der verschiedenen Haftarten besser einzuhalten
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• Das
Gebäude des Centre LMC La Bergerie in
Crêtelongue
den Walliser Strafanstalten zuzuweisen und diese Infrastruktur neu für den Strafvollzug zu gebrauchen (entweder als geschlossene Abteilung oder für besondere Vollzugsformen, d.h. die Halbgefangenschaft und das Arbeitsexternat.
• Die
Anstalt in Martigny
, welche heute bereits eine Frauenabteilung aufweist, neu ausschliesslich für den Vollzug der sog. Administrativhaft zu gebrauchen. •
La Prison des Iles in Sion
im Grundsatz künftig der Untersuchungs und Sicherheitshaft für Männer und Frauen vorzubehalten sowie für den vorzeitigen Strafvollzug.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• Das
Untersuchungsgefängnis in Brig
zu schliessen. Dieses kleine Gefängnis entspricht aus betrieblicher und vollzugsrechtlicher Sicht nicht mehr den heutigen Standards. Der Kanton Wallis kann aus Kapazitätsgründen ohne weiteres auf diese Kleinstanstalt verzichten.
• Abzuklären, ob das
Centre éducatif de Pramont
sich künftig auf den Jugendmassnahmenvollzug gemäss Jugendstrafgesetzbuch konzentrieren sollte . • Den geplanten Neubau des Zellengebäudes in der
Strafanstalt
Crêtelongue
schnellstmöglich zu realisieren und die weiteren Gebäude der Anstalt gesamthaft zu sanieren oder zu renovieren.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
Der Personalkörper des Walliser Systems des Freiheitsentzuges ist in den nächsten 4 Jahren um 22 neu zu schaffende Einheiten zu erhöhen. Ohne zusätzliches Vollzugspersonal erscheint es als unrealistisch, die von bisher allen Inspektionsgremien verlangten Verbesserungen der aktiven Sicherheit, d.h. in der Betreuung der Insassen, umsetzen zu können. Zudem bestehen wegen des Personalmangel auch sicherheitsrelevante Gefährdungsmomente.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
Je nach politischem Entscheid betreffend • einer autonomen Weiterführung des gefängnismedizinischen Dienstes (
Service de médecin pénitentaire
), ist auch ein Gesundheitsdienst (
secteur des soins pénitentiaires
)
administrativ
der neuen Dienststelle anzugliedern; • der Zuweisung des Vollzuges der Administrativhaft an das Amt für Justizvollzug, ist die Anstalt von Martigny dem Direktor der Untersuchungsgefängnisse zu unterstellen, anderenfalls aus dem Kompetenzbereich des Strafvollzuges auszugliedern und der Dienststelle für Bevölkerung und Migration zu unterstellen.
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• Es wird empfohlen, einen grundlegenden Veränderungsprozess zu initiieren, welcher sich an den Grundsätzen der Unternehmensentwicklung orientiert. • Ein solcher Entwicklungsprozess stellt eine strategische und operative Neuausrichtung eines ganzen Amtes dar, verläuft in der Regel über zwei Legislaturen und beinhaltet 3 Haupt Veränderungsachsen, d.h. die Achse: o Change Management, o Organisationsentwicklung und o Kulturentwicklung.
Landkarte der Unternehmensentwicklung
Vision / Strategie
Ziele: wohin gehen wir?
Organisation
Organisationsentwicklung
Eine Organisation von innen heraus neu gestalten = Betroffene zu Beteiligten machen.
Aufbau- & Ablauforganisation
Wie sind wir organisiert? Sind unsere Prozesse definiert?
Unternehmenskultur
Werte / Prinzipien Wie führen wir und arbeiten wir?
Zusammenfassung der Hauptempfehlungen:
• U nabhängig vom politischen Entscheid betreffend die Organisationsform der
Gefängnismedizin im Kanton Wallis
, sollten die Grundlagen der intramuralen Gesundheitsgrundversorgung erneuert und wo nötig angepasst oder klarer definiert werden. • Dieser Prozess sollte unter Leitung des Kantonsarztes zwischen den Vertretern des Gefängnissystems und der Gefängnismedizin erfolgen. • Eine Aufstockung des medizinischen Personals in der Pflege und für die ärztlichen Behandlungen erscheint unumgänglich, um in allen Anstalten eine minimale Grundversorgung garantieren zu können.