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Freie Universität Berlin
Arbeitsbereich “Historische Geographie des antiken Mittelmeerraumes”
Einführung in die Historische Geographie
(Wahlpflichtmodul 8a - Alte Geschichte)
08.04.2015
Prof. Dr. Klaus Geus /
[email protected]
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Aufbau der Vorlesung
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O. Einführung und Literaturhinweise
 1. Was ist Historische Geographie?
 2. Was bedeutete Geographie in der Antike?
 3. Literaturhinweise
I. Frühe Vorstellungen vom Kosmos und der Erde
 1. Vorgriechische Kosmologie
 2. Griechische Kosmologie in archaischer Zeit
II. Von Anaximander bis Hekataios: die Geburt der Geographie in Ionien
III. Ethnographie und Geographie: Herodots Weltbild
IV. Perihegese und Periplus
V. Die Oikumene von Demokrit bis Ephoros
VI. Geographische Vorstellungen bei Platon und Aristoteles
(mit einem Exkurs über Aristarch)
VII. Die Erweiterung der geographischen Kenntnisse in der Zeit
Alexanders d. Gr. und der Diadochen
VIII. Astronomie und Geographie bei Eratosthenes
IX. Geographische Vorstellungen des Hipparch
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Aufbau der Vorlesung (II)
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XI. Strabons Oikumenegeographie
XII. Die römischen Geographen Pomponius Mela und Plinius
XIII. Der Höhepunkt der antiken Geographie: Klaudios Ptolemaios
XIV. Geographische Werke der späten Kaiserzeit
XV. Geographische Lehrdichtung
XVI. „Heidnische“ und „christliche“ Geographie der Spätantike
XVII. Methoden und Messinstrumente in der antiken Geographie
XVIII. Moderne Methoden der Historischen Geographie
XIX. Literaturhinweise
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Kursmaterialien in „Blackboard“ (http://lms.fu-berlin.de )
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0. Literaturhinweise und Einführung
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Kish, George: A Source Book in Geography. Cambridge; London:
Harvard University Press, 1978 [nützliche Quellensammlung].
Olshausen, Eckard: Einführung in die Historische Geographie der
Alten Welt, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991
[einzige moderne Einführung in deutscher Sprache].
Berger, Hugo: Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der
Griechen. 2. Aufl. Leipzig: Veit, 1903 [immer noch maßgebendes
Handbuch].
(Weitere Literaturhinweise erhalten Sie jeweils zu Beginn eines
jeden Kapitels. Eine größere Bibliographie zur Antiken Geographie
finden Sie im „Blackboard“).
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1. Was ist Historische Geographie?
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Eine allgemein akzeptierte Definition der Historischen
Geographie gibt es nicht. Für diese Vorlesung wird die
„Historische Geographie der antiken Mittelmeerwelt“
verstanden als:
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08.04.2015
„eine Wissenschaft, die sowohl die naturräumlichen
Bedingungen in der Antike untersucht, unter denen die
Menschen damals lebten und agierten, als auch die
Vorstellungen und Beschreibungen dieser Bedingungen bei
den Griechen und Römern erforscht.“
Der Historische Geograph hat sich daher Kompetenzen in
einer ganzen Reihe von angrenzenden und verwandten
Wissenschaften zu erwerben. Er muss in erster Linie
Historiker sein, aber auch mit philologischen,
archäologischen und geographischen Methoden und
Techniken vertraut sind. Zu letzteren sind etwa die
Fernerkundung, GIS, Modellierungen zu zählen.
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2. Was bedeutete „Geographie“ bei Griechen und Römern?
Geographia und verwandte Wörter wie geographein und geographikos
begegnen fast ausschließlich in fachwissenschaftlichen Texten und
Kontexten.
Der Titel Geographika für das Werk des Eratosthenes von Kyrene
(276–194 v. Chr.) lässt vermuten, dass er das Wort Geographie
geprägt hat.
Geographie ersetzt den Begriff ges periodos („Erdumfahrt“) und meint
ebenfalls „Erdbeschreibung (nach einer Karte)“.
Im 1. Jh. n. Chr. bezeichnet Strabon (2, 4, 1 C 104) Eratosthenes als
„den letzen, der über Geographie handelte“.
Geographie ist für die Griechen im Wesentlichen Kartographie.
Die einzige antike Definition der Geographie bei Ptolemaios (geogr. 1,
1, 1) lautet daher:
„Geographie ist die Wiedergabe des gesamten bekannten Teils der
Erde mittels einer maßstäblichen Karte ( )
einschließlich dessen, was allgemein damit im Zusammenhang
steht.“
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3. Literaturhinweise
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Literaturhinweise auf Blackboard
(http://lms.fu-berlin.de)
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www.palamedes.eu
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I. Frühe Vorstellungen vom Kosmos und der Erde
0. Literaturhinweise
E. Robson, Mathematics in Ancient Iraq: A Social
History, Princeton / Oxford 2008.
O. Neugebauer, Geschichte der antiken
mathematischen Astronomie, 3 Bde., Berlin /
Heidelberg / New York 1975.
D. J. Furley, The Greek Cosmologists, Cambridge
1987.
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1. Vorgriechische Kosmologie
Frühe Kulturen stellten sich die Welt als Scheibe
bzw. flach vor
Die wichtigsten babylonischen Texte sind Omina,
Schöpfungsmythen und astronomische
Fachtexte
Aus diesen Texten entwickelte sich seit der Mitte
des 2. Jahrtausends vor Christus ein babylonisches Weltbild, das aber nicht kanonisch war.
Die Erdscheibe ist von einem Ozean umgeben.
Die babylonische Kultur befindet sich im
Mittelpunkt der Welt
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Babylonische Weltkarte
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Die ägyptische Göttin Nut als Himmelsgewölbe
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Nut = Himmelsgewölbe, das Erde von
der Urflut trennt, außerdem Mutter
der Sterne
Nut = "Sau, die ihre Ferkel frisst"
Echte „kartographische“ Darstellung?
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2. Griechische Kosmologie in archaischer Zeit
Die Grundlage zur Erforschung der antiken
Raumvorstellungen bilden nicht bildliche,
sondern narrative Quellen
Homer (8. v. Chr.) konnte in seinen Werken Ilias
und Odyssee vielleicht schon auf Ergebnisse der
Großen Griechischen Kolonisation zurückgreifen
Überlagert sind bei ihm echte geographische
Kenntnisse durch mythische Vorstellungen
„Die Wege des Odysseus werde man ebenso wenig
finden wie den Mann, der den Windschlauch des
Aiolos angefertigt habe“ (Eratosthenes)
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Homers Weltbild
Die „grenzenlose Erde“ ist eine kreisrunde (?)
Ebene, deren äußerste Ränder der Okeanos, der
sanft fließende und tiefe Weltstrom, ringsum
bespült. Auf Säulen, welche im Westen der Riese
Atlas stützt, ruht – einem ehernen Gewölbe
gleich – der ewige Himmel und umspannt mit
seiner sternenschimmernden Wölbung die
Länder und Meere der Erde, während sich
unterhalb davon der Tartaros wölbt. Im Zentrum
der Erde ragt der gewaltige, “schluchtenreiche”
Olymp empor, auf dessen höchstem Gipfel die
griechischen Götter leben.
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Hesiod (700 v. Chr.) übernimmt Homers
Vorstellungen mit geringen Modifikationen
Länder „jenseits des Okeanos“?
Erytheia = ampirrhytos („ringsumflossen“)
Erster präwissenschaftlicher Versuch, die Größe der
Welt zu begreifen (Hes. theog. 720-725):
„...so weit unter der Erd', als über der Erd' ist der Himmel:
Denn gleich fern von der Erd' ist des Tartaros finsterer
Abgrund.
Wenn neun Tag' und Nächte dereinst ein eherner Amboß
Fiele vom Himmel herab, am zehenten käm' er zur Erde;
Wenn neun Tag' und Nächte sodann ein eherner Amboß
Fiele hinab von der Erd', am zehenten käm' er zum
Abgrund. (Übers.: J.H. Voß)
Bei Pindar und den attischen Tragikern ist statt des
Olymps Delphi der „Nabel der Welt“
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II. Von Anaximander bis Hekataios:
die Geburt der Geographie in Ionien
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0. Literaturhinweise
H.-J. Gehrke, Die Geburt der Erdkunde aus dem
Geiste der Geometrie. Überlegungen zur Entstehung
und zur Frühgeschichte der wissenschaftlichen
Geographie bei den Griechen, in: W. Kullmann / J.
Althoff / M. Asper (Hrsg.), Gattungen
wissenschaftlicher Literatur in der Antike, Tübingen
1998, 163–192.
K. Zimmermann, Hdt. IV 36, 2 et le développement de
l’image du monde d’Hécatée à Hérodote, in: Ktema 22,
1997, 285–298.
K. Geus, Die Welt in antiken Karten und Globen, in:
AU 46, 4, 1999, 7–18. 23–8.
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1. Die Vorsokratiker
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Östliche („ionische“) und westliche („italische“) Vorsokratiker
unterschieden sich auch in ihren Vorstellungen zur Geographie
Milet war Zentrum der ionischen Vorsokratiker
Anwendung von geometrischen Mustern und Strukturen in
Kosmologie und Geographie
Anximander (Anaximandros) war der Überlieferung nach ein
Schüler des Thales und lebte ca. 610–547 v. Chr.
Anaximander stellte sich die Erde als einen Zylinder vor, der
wegen der gleichmäßigen Entfernung, die alle Punkte seines
Umfangs zum „Rand“ des Himmels einhalten, frei im Raum
schwebt. Die obere Kreisfläche des Zylinders hat entweder einen
erhöhten Rand, um das Wasser des Okeanos festzuhalten, oder
das Wasser fällt tatsächlich an den Rändern herab. Die Scheibe
dient als Wohnraum für die Menschen.
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Anaximander
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Raffaels Anaximander
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Anaximanders Kosmos
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„Anaximander von Milet, ein Schüler des
Thales, wagte es als erster, die Oikumene
auf einer Tafel darzustellen; nach ihm hat
Hekataios von Milet, ein weitgereister
Mann, sie so verbessert, dass das Werk
bewundert wurde.“ (Schol. in Dion. Perig.
[GGM 2, 428, 7f.])
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Anaximanders Erde
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Anaximenes (ca. 585 – ca. 525 v. Chr.)
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Anaximenes (ca. 585 – ca. 525 v. Chr.)
beschrieb die Erde als eine sehr
breite und flache Scheibe, die auf
der Luft „reitet“.
Das „ionische“ Scheibenmodell wird
auch Thales, Anaxagoras,
Demokrit, Hekataios, Herodot und
Ephoros zugeschrieben.
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Das “ionische” Scheibenmodell
(nach Hekataios, ca. 500 v. Chr.)
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Die Welt bei den westlichen
Vorsokratikern
Die westgriechischen Philosophen –
allen voran die Pythagoreer und die
Eleaten – vertraten in der Frage der
Erdgestalt seit etwa 500 v. Chr. die
Kugeltheorie
Bei der Formulierung spielten wohl
philosophische Überlegungen eine
Rolle
Parmenides und den Eleaten werden
eine Reihe von astronomischen
Entdeckungen zugeschrieben.
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Parmenides (Raffael)
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Das frühe Erdkugelmodell
(fünf Klimazonen)
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Hekataios von Milet (um 500 v. Chr.)
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Hekataios von Milet fasste um 500 v. Chr. die ihm
bekannten geographischen Informationen in
seinem Werk  (periodos) oder
   (perihegesis tes ges
(„Erdbeschreibung“) zusammen.
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Die Karte des Hekataios von Milet (ca. 500 v. Chr.)
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Hekataios von Milet (um 500 v. Chr.)
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Hekataios von Milet fasste um 500 v. Chr. die ihm
bekannten geographischen Informationen in seinem Werk
 (periodos) oder  
 (perihegesis tes ges („Erdbeschreibung“) zusammen.
Trotz des enormen Zuwachses an Informationen in der Zeit
um 500 v. Chr. änderte sich am grundsätzlichen Aufbau des
damaligen Weltbild nichts. Die Leistung des Hekataios liegt
in der Quantifizierung der Karte des Anaximander durch
empirische Daten.
Die ihm zugänglichen Informationen integrierte er in seine
schematische Karte, deren einzelne Regionen aufgrund von
numerischen Angaben in „Tagesreisen“ erstmals
approximativ erfass- und konstruierbar waren.
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“Ethnographisches Kreuz”
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III. Ethnographie und Geographie: Herodots Weltbild
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0. Literaturhinweise
Reinhold Bichler: Herodots Welt. Der Aufbau der
Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer
Zivilisation und ihrer Geschichte. Mit Beilagen von D.
Feil und W. Sieberer, 2. Aufl., Berlin 2001.
Reinhold Bichler, Herodots Historien unter dem Aspekt
der Raumerfassung, in: Michael Rathmann (Hrsg.),
Wahrnehmung und Erfassung geographischer Räume
in der Antike, Mainz 2007, 67–80.
Klaus Karttunen, Expedition to the End of the World:
An Ethnographic  in Herodotus, in: Studia
Orientalia 64, 1988, 177–181.
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Herodot von Halikarnassos
(484-424 v. Chr.?)
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Herodot, pater historiae (Cicero), wollte die Taten
der Griechen und Barbaren vor der Vergessenheit
bewahren.
Moderne Narratologie (Irwin, Dorati) hat
Komplexität des Erzählstils Herodots
herausgearbeitet.
Über das Leben des Herodot ist wenig bekannt
(Teilnahme an der Gründung von Thurioi, 444/3 v.
Chr.)
Verhältnis von Herodot und Thukydides unsicher
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Ethnographie und Geographie bei Herodot
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„Ich glaube gar nicht an die Hyperboreer; denn
wenn es ein solches Volk im höchsten Norden
gäbe, müsste es auch eines im äußersten Süden
geben. Ich muss lachen, wenn ich so manche
Leute Erdkarten zeichnen sehe, die doch die
Gestalt der Erde gar nicht richtig zu erklären
wissen. Sie zeichnen den Okeanos rund um die
Erde herum fließend und so regelmäßig wie einen
Kreis. Und Asien machen sie eben so groß wie
Europa.“ (Hdt. 4, 36)
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Das “ionische” Scheibenmodell
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Ethnographie und Geographie bei Herodot (II)
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Die Kritik des Herodots zielt darauf ab, dass seine Vorgänger
„die Gestalt der Erde gar nicht richtig zu erklären wissen“.
Gemeint ist offenbar zum einen, dass sie über die Gestalt
und Ausmaß der Kontinenten Europa, Asien und Afrika
nicht richtig informiert sind, zum anderen, dass sie,
veranlasst durch ihr kreisrundes Scheibenmodell zum
Kompromissen bei der Verortung von Völkern gezwungen
sind.
Trotz des Protestes des Herodot gegen das geometrische
Schema der runden Karten kommt auch Herodot nicht
umhin, sich die Prinzipien der Analogie und Symmetrie
zunutze zu machen (Nil/Donau).
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Herodots “Karte”
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Das Raumbild Herodots
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Kein zusammenhängender Okeanos
Nur Afrika sicher umschiffbar, daher kleiner als Europa und
Asien
Asien in Abfolge von vier Völkern (Perser, Meder, Saspiren,
Kolcher) bestimmt
Südliches und Nördliches Meer entsprechen Persischem Golf
und Schwarzem Meer
Westliches Mittelmeergebiet gut getroffen
Maritime (griechische) und kontinentale (persische)
Perspektive vermischen sich
Trotz Parallelen gibt es Unterschiede zur babylonischen
Weltkarte
Bild der herodoteischen Oikumene nähert sich der RechteckForm
Herodot hat keine Karte gezeichnet, weshalb er den
griechischen Doxographen nicht als Geograph galt
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IV. Perihegese und Periplus
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0. Literaturhinweise
R. Güngerich: Die Küstenbeschreibung in der
griechischen Literatur, Münster 1950.
N. Ehrhardt: Zur Geschichte der griechischen Handelsund Kolonisationsfahrten im östlichen Mittelmeer im
Spiegel von Epos- und Periplus-Literatur, in:
Orientalisch-Ägäische Einflüsse in der europäischen
Bronzezeit. Ergebnisse eines Kolloquiums (RömischGermanisches Zentralmuseum. Forschungsinstitut für
Vor- und Frühgeschichte. Monographien; Bd. 15),
Bonn 1990, 13–46.
G. Hartinger: Die Periplusliteratur: Untersuchungen zu Inhalt,
Sprache und Funktion der überlieferten Texte, Diss.
Salzburg 1992.
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1. Perihegese
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Perihegese, griechisch perihegesis, bedeutet
wörtlich „Herumfahrt“, also die Schilderung einer
durchgeführten Reise, die durch ihre Niederschrift
anderen als Reiseführer dienen konnte.
„Beschreibung Griechenlands“ durch Pausanias ist
der antike „Baedeker“
Dionysios, der Anonymus der Perihegesis von
Hawara und der so genannte Pseudo-Skymnos
sind relativ komplett erhalten. In Fragmenten z. B.
Nymphodoros und Polemon
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Pseudo-Skymnos (ca. 110 v. Chr.) (I)
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Die Öffnung des atlantischen Meeres soll 120 Stadien [ca. 25 km]
breit sein. Das sie angrenzend umgebende Land ist das äußerste
Ende sowohl von Libyen als auch von Europa. Die Inseln, die auf
jeder der beiden Seiten liegen, sind voneinander fast 30 Stadien [ca.
6 km] entfernt. Sie werden von manchen die Säulen des Herakles
genannt. In der Nähe der einen Säule liegt eine Stadt der
Massalioten, die Mainake heißt. Sie liegt von allen griechischen
Städten auf der europäischen Seite am weitesten entfernt. Für den,
der in Richtung Sonnenuntergang (Westen) zum gegenüberliegenden
Kap segelt, beträgt die Fahrtdauer einen Tag. Dann kommt eine Insel
mit Namen Erytheia, die zwar ganz klein ist, aber Herden von
Rindern und Schafen hat, die ganz ähnlich sind wie die Stiere in
Ägypten und auch im epirotischen Thesprotien. Westliche Aithiopen
sollen sie besiedelt haben, als eine Kolonie gründet wurde. Nahe bei
ihr ist eine (berühmte) Stadt, entstanden als Kolonie tyrischer
Kaufleute, Gadeira [Cadiz], wo es angeblich die größten Seetiere gibt.
Danach kommt in zwei Tagesfahrten Entfernung ein paradiesischer
Handelsplatz mit Namen Tartessos, eine berühmte Stadt, die Zinn,
das auf dem Fluss aus dem Keltenland kommt, Gold und Kupfer in
großer Menge liefert.
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Spanien
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Tartesssos
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Pseudo-Skymnos (ca. 110 v. Chr.) (II)
Dann folgt bis zum Meer, das bei Sardinien liegt, das so genannte
Keltenland. Dieses Volk ist im Westen das größte. Denn fast das gesamte
Land innerhalb des Sonnenaufgangs (Osten) bewohnen die Inder, das zum
Mittag (Süden) hin die Aithiopen, die dem Wehen des Notos benachbart
sind. Den Bereich vom Zephyros (Westen) bis zum Sommeruntergang
(Nordwesten) aber nehmen die Kelten ein, aber den beim Boreas (Norden)
die Skythen. Die Inder wohnen zwischen dem Sommeraufgang (Nordosten)
und dem Winteraufgang (Südosten), die Kelten jedoch umgekehrt unter
dem äquinoktalem (Westen) und dem sommerlichen Untergang
(Nordwesten), wie man berichtet. Diese vier Völker sind hinsichtlich der
zahlenmäßigen Größe ihrer Einwohner gleich. Die Aithiopen und Skythen
haben jedoch mehr Land, das aber zum größten Teil menschenleer ist, weil
das eine mehr verbrannt, das andere mehr überschwemmt als die übrigen
sind. Die Kelten haben griechische Sitten, da sie durch die Aufnahme von
Gastfreunden mit Griechenland sehr engen Umgang pflegen. Ihre
Versammlungen halten sie mit Musik ab, um die sie sich auch der
Fortbildung wegen eifrig bemühen. Am äußerten Rand ihres Landes steht
eine Säule, die die nördliche genannt wird. Überaus groß ist sie und reckt
ihre Spitze ins wogende Meer hinaus. Die Gegenden in der Nähe der Säule
bewohnen Kelten, die hier ihr Ende erreichen, die Eneter und die
Randstämme der Istrer, die nach innen bis zur Adria wohnen. Von hier aus
soll der Fluss Ister (Donau) seinen Ausgang nehmen.
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Tartesssos
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2. Periplus
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Unter Periplus versteht man die Umschiffung einer
Halbinsel oder eines Meeresbeckens in Form einer
Reisebeschreibung.
Der älteste Periplus, eine anonyme Beschreibung
der Atlantikküste von Tartessos (Cadiz), wohl aus
dem 6. Jh. v. Chr., hat sich in der ora maritima
des spätantiken Dichters Avienus erhalten.
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Avienus, ora maritima (I)
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„Weiterhin wirst du hier beschrieben erhalten alle Inseln, die sich
im Meer erheben, in jenem Meer nämlich, das in den Tiefen des
sich spaltenden Erdkreises von dem tartessischen Sunde und
den Fluten des Atlantischen Ozeans an bis zu dem in weiter
Ferne gelegenen Festland die von uns bewohnte See bildet, auch
die Meerbusen mit ihren Windungen und die Vorgebirge; wie sich
hier ein Ufer landeinwärts erstreckt, wie Höhen weithin ins Meer
ragen, wie stolze Städte von den Fluten bespült werden, welche
Quellen die Flüsse haben, in welcher Weise die Ströme zu Tal
fließend in das Meer treten, wie diese wiederum oftmals Inseln
umschließen, und wie Häfen ihre sicheren Arme mit ausbreiten,
wie Sümpfe sich ausdehnen und Seen daliegen, wie hohe Berge
schroffe Gipfel auftürmen und wie die Woge des weißlichen
Meeres Wälder bespült.“ (Avien. or. 51–67)
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Avienus, ora maritima (II)
„Aber wo das tiefe Meer vom Ozean her eindringt, befindet sich der Atlantische
Meerbusen. Hier liegt die Stadt Gadir [Cadiz], früher Tartessos genannt, hier sind
die Säulen des unermüdliche Herkules [Gibraltar], Abila und Kalpe – diese steht
auf der linken Seite des Landes; an Libyen grenzt Abila. – Sie sind umrauscht von
rauem Nordwind; aber über ihre Lage herrscht kein Zweifel. Und Oestrymnis – und
die hohe Masse dieses Felsabhanges neigt sich in ihrer ganzen Ausdehnung fast
völlig gegen den warmen Süden. Am Fuße dieses Vorgebirges aber öffnet sich den
Bewohnern der Oestrymnische Meerbusen, in dem sich die Oestrymnischen Inseln
erheben, weit zerstreut daliegend und reich an Metall, Bleisilber und Blei. Groß ist
hier die Kraft des Volkes, verwegen sein Sinn, ausgezeichnet seine
Geschicklichkeit; von dem Bestreben, Handel zu treiben, sind alle unaufhörlich
erfüllt, und auf genähten Kähnen durchfahren sie den weiten, stürmischen Sund
und die Wogen des tierreichen Ozeans. Denn sie verstehen nicht die Kiele aus
Fichtenholz und Ahorn herzustellen, sie bauen ihre bauchigen Schiffe nicht aus
Tannenholz, wie es sonst Brauch ist, sondern sie fügen sie erstaunlicherweise
dadurch zusammen, dass sie Felle miteinander verbinden, und auf solchem Leder
führen sie ihre vielen Fahrten über das gewaltige Meer durch. Aber von hier ist es
nach der Heiligen Insel [Irland] – so nannte man sie im Altertum – zu Schiff eine
Fahrt von zwei Tagen. Diese liegt in er hohen See in großer Ausdehnung da, und
weithin bewohnt sie das Volk der Hiernier. In der Nähe liegt umgekehrt die Insel
der Albionen [England]. Und die Tartessier hatten die Gewohnheit, bis zu den
Oestrymnischen Inseln, die ihr Endziel bildeten, Handel zu treiben …
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Der „Periplus außerhalb des Säulen des Herakles“ oder
„Periplus des Meeres der Oikumene“ des Skylax von
Karyanda (ca. 510 v. Chr.) hat die Fahrt vom Indus bis zum
heutigen Suez beschrieben
Der „Periplus des bewohnten Europa, Asien und Libyen“,
wohl vor 338 v. Chr. abgeschlossen, gilt als Kompilation aus
älteren Schriften, u.a. des Hekataios, des Herodot, des
Ephoros, des Theopomp. Er wird heute als Pseudo-Skylax
bezeichnet
Periploi der Karthager Hanno und Himilco (um 500 v. Chr.?)
Spätestens im 4. Jh. v. Chr. bilden sich zwei verschiedene
Arten von Periploi heraus, praxisorientierte
„Segelhandbücher“ und literarische Reisebeschreibungen
Pytheas, Nearchos (Arrians „Indike“), Patrokles
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Nearchos (bei Arrian)
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„Sie schifften am Lande der Oriten vorbei und gingen nach einer
Fahrt von 200 Stadien [ca. 40 km] bei Pagala an einem Felsufer vor
Anker ... Am nächsten Morgen lichteten sie Anker und langten nach
einer Fahrt von 430 Stadien [ca. 90 km] abends bei Kabana
(Kingala?) an. Die Brandung war hier stark, darum gingen die Schiffe
auf offener See vor Anker. Während dieser Fahrt überfiel die Schiffe
ein stürmischer Wind vom Meer her und zwei große Schiffe gingen
auf der Fahrt unter, und eine Schaluppe auch, die Leute aber
konnten sich durch Schwimmen retten, da der Kurs nicht weit vom
Strande entfernt war. Um Mitternacht lichteten sie die Anker und
segelten bis Kokala (Kotscherah?), 200 Stadien [ca. 40 km] entfernt
von ihrem Ausgangspunkt. Die Schiffe ankerten auf offener See. Die
Besatzungen aber ließ Nearchos ausschiffen und auf dem Lande
übernachten ... das Lager umgab er, zur Sicherheit gegen die
Barbaren, mit einem Wall.“
„Von da an fuhren sie nicht mehr gleichmäßig nach Westen, sondern
der Bug ihrer Schiffe zeigte zwischen Sonnenuntergang und den
Sternbild des Bären. Und so ist Karmanien im Vergleich zum Lande
der Fischfresser und der Oriten reicher an Bäumen und
Feldfrüchten, und mehr grasig und bewässert.“
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Der Periplus maris Erythraei
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Periplus maris Erythraei
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(25) Nachdem man von diesem Ort [Muza] etwa 300
Stadien gesegelt ist, verengen sich die Küsten von
Arabien und Berberia am Aualitischen Golf. Dort ist ein
Kanal, nicht sehr breit, der das Meer zu einem engen
Sund vereinigt. Die Passage, die 60 Stadien beträgt, wird
durch die Insel Diodoros geteilt. Deswegen ist die Fahrt
durch starke Strömungen behindert, und starke Winde
wehen von den an den Küsten gelegenen Berghöhen
herunter. Direkt beim Sund liegt am Ufer ein Dorf der
Araber, das dem gleichen König untertan ist, genannt
Okelis. Dieses ist weniger ein Handelsort als ein
Ankerplatz und eine Wasserstelle sowie die erste Station
für diejenigen, die in den Golf segeln.
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Die Ostküste Afrikas
(nach Ptolemaios)
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Der Ausgang des Roten Meeres
(nach Ptolemaios)
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Zu den praxisorientierten Periploi gehören Arrians
Periplus Ponti Euxini, ca. 130 n. Chr. geschrieben,
wohl die Erweiterung und Bearbeitung eines
amtlichen Fahrtberichts, und ein anonymes Werk
mit demselben Titel.
Um 400 n. Chr. verfasste der Fachgeograph
Markianos eine Küstenbeschreibung des Indischen
und Atlantischen Ozeans.
Technisch geprägt ist die aus byzantinischer Zeit
stammende Küstenvermessung des Mittelmeeres,
der Stadiasmus maris magni, der auf ein Werk des
3. oder 4. Jahrhunderts nach Christus zurückgeht.
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V. Die Oikumene von Demokrit bis Ephoros
0. Literaturhinweise
Franceso Prontera: Karte (Kartographie), in:
Reallexikon für Antike und Christentum XX,
2004, 187–229.
William Arthur Heidel: The Frame of the Ancient
Greek Maps: With a Discussion of the Discovery
of the Sphericity of the Earth. New York 1937.
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Das griechische Wort oikumene bedeutet „bewohnt“.
Zu diesem Partizip ist das Substantiv „ge“, Erde, zu
ergänzen. Oikumene heißt also wörtlich übersetzt:
„bewohnte Erde“.
Vielleicht ist die Begriffsprägung „Oikumene“ in den
Kontext der Entdeckung von der Kugelgestalt der
Erde zu verorten.
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Das frühe Erdkugelmodell
(fünf Klimazonen)
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Das Rechteck des Ephoros
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Die Geographen des 4. und 3. vorchristlichen
Jahrhunderts stellten sich die Oikumene als ein
mehr oder weniger lang gestrecktes Rechteck vor.
Für das Verhältnis von „Länge“ (von West nach Ost)
zu „Breite“ (von Nord nach Süd) der rechteckigen
Oikumene schlug Demokrit ein Verhältnis von 3 : 2
vor, Eudoxos 2 : 1, Aristoteles „mehr als 5 : 3“ und
Dikaiarch 3 : 2. Eratosthenes schließlich, der die
Form der Oikumene als „chlamys/mantelartig“
nannte, geht von einem Verhältnis von „mehr als
2 : 1“ aus.
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Demokrit (ca. 460–370 v. Chr.)
Eudoxos von Knidos (ca. 410/391–355/337
v. Chr.)
Geminos von Rhodos (1. Jh. v. Chr.)
Nach Strabon war Eudoxos ein „Experte für
Schemata und Klimata“, d. h. wohl für
Länderumrisse und für Breitengrade.
Kap Sunion und Keraunische Berge
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