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Familie und Sucht
Einkehrtag 2014,
Potsdam
Referentin: Nicola Alcaide
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Gliederung
- Ausgangslage und Fakten (ein paar Zahlen)
- Risiken elterlicher Suchtstörungen für die Kinder
- Fetales Alkoholsyndrom
- Ängste und Abwehrmechanismen bei Eltern und Kindern
- Rechtliche Aspekte
- Besonderheiten bei Kindern drogenabhängiger Eltern
- Resilienzen der Kindern
Pause
- Das Thema Elternschaft in der Suchtselbsthilfe
- Angebote der Selbsthilfe für Familien
- Was brauchen Familien?
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Bierstraße und Ginpfad 2 (Beer Street and
Gin Lane 2) von William Hogarth,1751
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Historische Darstellung: Alkohol und Gewalt
in der Familie, ca. 1880
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1908, Käthe Kollwitz in der Folge
"Bilder vom Elend"
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Ausgangslage und Fakten
In Deutschland lebten im Jahr 2012
9,5 Millionen Menschen, die Alkohol auf riskante/missbräuchliche Weise
konsumieren
1,3 Millionen waren abhängig
2,7 Millionen Kinder/Jugendliche leben mit mindestens einem alkoholkranken
Elternteil zusammen (vgl. KLEIN)
Somit ist jedes 7. Kind von der Alkoholerkrankung eines Elternteils betroffen
(LACHNER & WITTCHEN)
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Ausgangslage und Fakten
Jährlich werden 10.000 alkoholgeschädigte Kinder geboren.
Jedes 300. Neugeborene ist von einer Alkoholembryopathie betroffen.
(Uni Münster)
40.000 Kinder leben mit Eltern, die von illegalen Drogen abhängig sind.
(vgl. KLEIN)
Die Zahl der Kinder, deren Eltern unter anderen (nicht-stofflichen) Süchten
wie Spiel-, Arbeits- oder anderen Verhaltenssüchten leiden, lässt sich nicht
angeben.
Schätzungsweise leben in Dtl. 5 Millionen erwachsene Kinder aus
suchtbelasteten Familien. (vgl. ARENZ-GREIVING)
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Ausgangslage und Fakten
Jedes 7. Kind lebt zeitweise (jedes 12. dauerhaft) in einer Familie mit einem
Elternteil, der eine alkoholbezogene Störung (Abhängigkeit oder Missbrauch)
aufweist.
Jedes 3. Kind in einer alkoholbelasteten Familie erfährt regelmäßig physische
Gewalt (als Opfer und/ oder Zeuge)
Suchtkranke Familien weisen gehäuft eine „family density“
für Sucht- und andere psychische Störungen auf.
Maria (5 Jahre), Helsinki
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Ausgangslage und Fakten
• Etwa ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter von einem
Suchtstoff abhängig.
• Ein Drittel entwickelt psychische oder soziale Störungen.
• Ein Drittel kommt – scheinbar – ohne sichtbare Schädigungen davon, doch
viele von ihnen kämpfen mit Depressionen, Ängsten, psychosomatischen
Störungen und nichtstofflichen Abhängigkeiten.
• Kinder suchtkranker Eltern haben eine starke Neigung, sich wieder eine/n
süchtige/n Partner/in zu suchen.
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Größte Risikogruppe
Kinder suchtkranker Eltern sind die größte bekannte Risikogruppe zur
Entwicklung eigener Suchtstörungen, insbesondere Alkohol- und
Drogenabhängigkeit sowie Verhaltenssüchte.
Für alle anderen psychischen Störungen ( z.B. Ängste, Depressionen,
Schizophrenie, Schlafstörungen, Persönlichkeitsstörungen) weisen sie
ebenfalls erhöhte Risiken auf.
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Risiken elterlicher Alkoholstörungen für die
Entwicklung von Kindern
Die Auswirkungen problematischen elterlichen Trinkens auf die Kinder
hängen im Allgemeinen davon ab:
• wer trinkt (Mutter, Vater oder beide)
• wer im Umfeld noch trinkt (Großeltern, Onkels, usw.)
• wann die Abhängigkeit in ihrem Leben aufgetreten ist
• wie lange schon getrunken wird
• welchen Verlauf die Abhängigkeit hat
• welchen Typus die Abhängigkeit aufweist
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Risiken elterlicher Alkoholstörungen für die
Entwicklung von Kindern
• welchen Schweregrad die Abhängigkeit hat
• wie alt sie waren, als die Suchterkrankung des Vaters bzw. der Mutter
chronisch wurde
• wie lange die Kinder das Suchtgeschehen miterlebt haben
• ob es noch weitere Störungen bei den Eltern gab
• ob es noch weitere kritische Lebenslagen gab (Trennung, Scheidung,
Unfälle, finanzielle Probleme
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Typische Lebenserfahrungen von Kindern
alkoholkranker Eltern
• Nicht zu Freunden gehen, um nicht in die Zwangslage zu geraten, diese zu
sich nach Hause einladen zu müssen, wo die Eltern sich beschämend
verhalten könnten.
• In der Schule mit den Gedanken zu Hause sein, was dort gerade
Schlimmes passiert oder bald passieren wird.
• Andere Kinder beneiden oder eifersüchtig auf diese sein, wenn sie Spaß
und Leichtigkeit mit ihren Eltern erleben.
• Sich als Kind unter Gleichaltrigen isoliert, abgewertet und einsam fühlen.
• Sich von den Eltern vernachlässigt, bisweilen als ungewolltes Kind fühlen.
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Typische Lebenserfahrungen von Kindern
alkoholkranker Eltern
• Für die Eltern sorgen, sich um sie ängstigen, insbesondere wenn die
Mutter trinkt
• Sich um Trennungsabsichten oder vollzogene Trennungen der Eltern
unablässig Sorgen machen.
• Als Jugendlicher die Eltern nicht im Stich lassen wollen (z.B. nicht von zu
Hause ausziehen können).
• Die Eltern für ihr Fehlverhalten entschuldigen. Lieber andere Menschen
oder sich selbst beschuldigen.
• Vielfache Trennungen und Versöhnungen der Eltern erleben und sich nicht
auf einen stabilen, dauerhaften Zustand verlassen können.
• Wenn der trinkende Elternteil schließlich mit dem Alkoholmissbrauch
aufhört, weiterhin selbst Probleme haben oder solche suchen.
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Haupterfahrungen der Kinder aus Suchtfamilien
•
•
•
•
•
•
Instabilität
Unberechenbarkeit
Unkontrollierbarkeit
Gewalt (Zeuge u/o Opfer)
Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung
Verlusterlebnisse
Maria (5) aus Helsinki
Ein besonderes Charakteristikum in suchtbelasteten Familien ist die extreme
Varianzstärke (Spannweite) des Elternverhaltens, dem die Kinder ausgesetzt sind.
Diese Problematik scheint eines der schwerwiegendsten Belastungen für die
heranwachsenden Kinder zu sein. Es bedeutet: Wer gerade eben noch einfühlsam und
zugewandt mit seinem Kind spielt, kann innerhalb kurzer Zeit (Minuten oder Stunden)
abweisend, kalt und gewalttätig sein.
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Parentifizierung: Kinder werden zu Eltern
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Körperliche und psychische Auswirkungen
Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
Das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), auch Alkoholembryopathie (AE) genannt,
bezeichnet die vorgeburtlich entstandene Schädigung eines Kindes durch den
Alkoholkonsum der schwangeren Mutter.
Ist die Organbildung beim Kind zum Zeitpunkt des Alkoholkonsums bereits
abgeschlossen, entstehen meist keine oder nur geringe körperliche
Fehlbildungen und das Kind zeigt nur geringfügige äußere Merkmale.
Eine Schädigung des zentralen Nervensystems (ZNS), mitunter einhergehend
mit kognitiven und verhaltensbezogenen Störungen, kann dennoch vorliegen.
Für diese in der Symptomatik abgeschwächte, aber in den Auswirkungen für
das Kind dadurch nicht immer „leichtere“ Form des FAS wird der Ausdruck
Fetale Alkoholeffekte (FAE) genutzt.
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
Das Kind ist:
• vor und nach der Geburt zu klein (Wachstumsstörungen, Minderwuchs)
• hat Dysfunktionen des Zentralen Nervensystems (z.B. neurologische
Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerung, Intelligenzmangel
• hat charakteristische Veränderungen an Kopf bzw. Gesicht
- Kleinköpfigkeit
- Schmale Augenlider
- Schmales Lippenrot/flache Oberkieferregion,
flache oder fehlende Mittelrinne (Philtrum) zwischen Nase und Oberlippe
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
Während der gesamten Schwangerschaft bilden sich Nervenzellen und die so wichtigen
Verbindungen zwischen den einzelnen Zellen. Alkohol ist ein Nervengift und wirkt
folgendermaßen:
•
Er verhindert die Neubildung der Zellen (Zellteilungsstörung)
•
Neugebildete Zellen sind zu klein durch einen mangelhaften Eiweißaufbau
•
Bereits gebildete Zellen sterben durch Alkoholeinfluss wieder ab
•
Die Verbindungen zwischen den einzelnen Zellen werden im Aufbau behindert
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
Malformation der Ohrmuschel
Verkürzung
Fingerglied
Syndactylie
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Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
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Einfluss des mütterlichen
Alkoholkonsums auf Betrunkenheitserfahrungen der Töchter
Durchschnittsalter 14,2 Jahre
Quelle: Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung,
Kölner Jugendmonitoring 2006-2008
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Einfluss des elterlichen
Alkoholkonsums auf Betrunkenheitserfahrungen der Töchter
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Regelmäßiges Tabakrauchen in Abhängigkeit
von elterlichem Alkoholkonsum
Elterliche Probleme mit
Alkohol
Kinder regelmäßige Raucher
(Altersdurchschnitt 13,5
Jahre)
ja
21,7 %
nein
11,5 %
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aus: Lachner & Wittchen, 1997
Familiale Abwehrmechanismen
„Mein Kind hat nichts gemerkt.“
(Tausendfach geäußerter Satz suchtkranker Elternteile)
Abwehr, Verleugnung, Verdrängung oder Aggression als Schutz des
Selbstwertgefühls
Scham- und Schuldgefühle als Auslöser.
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Suchtkranke Eltern
… fühlen sich stärker isoliert.
… trauen sich vergleichsweise wenig zu.
… neigen häufiger zu Depressionen.
… haben häufiger Partnerkonflikte.
… fühlen sich gestresster.
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Kinder suchtkranker Eltern lernen automatisch, die Sucht der Eltern zu
vertuschen. Sie tun dies aus ähnlichen Gründen wie ihre Eltern:
•
Weil sie sich schämen,
•
weil sie sich mitschuldig an der Situation fühlen,
•
weil sie Angst haben, dass sie aus ihrem Elternhaus herausgeholt
werden,
•
weil sie Ärger von den Eltern befürchten.
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Rechtliche Aspekte
Erst wenn begründete Verdachtsmomente für eine Kindeswohlgefährdung
bestehen und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, Hilfeangebote
anzunehmen, kann das Jugendamt eine Inobhutnahme des Kindes
veranlassen.
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Rechtliche Aspekte
§ 1666a BGB - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang
öffentlicher Hilfen
(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von
der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig,
wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch
öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.
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Rechtliche Aspekte
Grundsätzlich sind Eltern in alle Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen.
Die Suchtberatungsstellen unterliegen einer Schweigepflicht.
Informationen an das Jugendamt dürfen erst bei einem begründeten Verdacht
auf Kindeswohlgefährdung erfolgen und müssen vorher dem Klienten/ der
Klientin mitgeteilt werden.
Das Bestehen einer Suchtproblematik ist kein hinreichender Grund, um ein
Kind aus der Familie zu nehmen!
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Besonderheiten bei Kindern
drogenabhängiger Eltern I
Die Schädigungen bei Kindern von nicht substituierten drogenabhängigen
Eltern sind in mehreren Bereichen gravierender als bei den Kindern
Alkoholabhängiger.
Dies resultiert aus folgenden Gründen:
•Die Kinder sind häufiger von der Abhängigkeit beider Elternteile betroffen, da
bei Drogenabhängigen ein entsprechendes Partnerwahlverhalten viel
üblicher ist als bei Alkoholabhängigen. Dadurch können die negativen Effekte
des drogenabhängigen Elternteils nicht in ausreichendem Maß kompensiert
werden.
•Die Kinder sind häufiger von Trennungen betroffen und wachsen
entsprechend häufiger bei nur einem Elternteil, in der Regel die Mutter, auf.
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Besonderheiten bei Kindern
drogenabhängiger Eltern II
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Besonderheiten bei Kindern
drogenabhängiger Eltern III
•Die Kinder leiden stärker unter sozialer Marginalisierung der Familie, z.B. in
Form von Armut, Arbeitslosigkeit, beengten Wohnverhältnissen.
•Durch die im Vergleich mit Alkoholabhängigen höhere Komorbidität laufen
die Kinder Gefahr, häufiger eine doppelte Schädigung aufgrund des
komplexeren Störungsbildes ihrer Eltern zu erleiden, z.B. durch mangelnde
mütterliche Sensibilität, Modelle für Persönlichkeitsstörungen.
•In Einzelfällen erleiden Kinder Vergiftungen durch psychotrope Substanzen,
die im Lebensumfeld der Eltern gewöhnlich den Status der Normalität
besitzen.
•Aufgrund einer größeren Zahl von Frühgeburten kann es zu verstärkten
Problemen beim Beziehungsaufbau („bonding“) zwischen Mutter und Kind
kommen. Die Kinder weisen häufiger ein schwieriges Temperament auf, was
bei den Eltern zu Überforderungs- und Insuffizienzgefühlen führen kann.
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Resilienz
Resilienz (dt. für Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit von lat. „resilere“
= abprallen) bezeichnet allgemein die psychische Widerstandsfähigkeit
gegenüber Stressoren und negativen Umwelten
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Resilienzen für Kinder von
Suchtkranken I
• Ahnung, Wissen, Einsicht, z.B. dass mit der drogenabhängigen Mutter etwas
nicht stimmt
• Klarheit, dass elterliche Sucht und andere Umweltbedingungen für die
Belastungen verantwortlich sind
• Unabhängigkeit, z.B. sich von den Stimmungen in der Familie nicht mehr
beeinflussen zu lassen
• Beziehungsfähigkeit, z.B. in eigener Initiative Bindungen zu psychisch
gesunden und stabilen Menschen aufzubauen
• Initiative, z.B. in Form von sportlichen und sozialen Aktivitäten
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Resilienzen für Kinder von
Suchtkranken II
• Kreativität, z.B. in Form von künstlerischem Ausdruck
• Herausforderungsfreude, schwierige Situationen als Aufgabe begreifen
• Humor, z.B. in Form von Ironie und selbstbezogenem Witz als Methode der
Distanzierung
• Moral, z.B. in Form eines von den Eltern unabhängigen stabilen
Wertesystems.
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Resilienzen für Kinder von
Suchtkranken III
• spezielles Hobby (zusammen mit Freunden)
• Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten (Schülerband u.Ä.)
• mindestens einen nahen Freund/ nahe Freundin
• informelles Netzwerk für Krisenzeiten
• Bereich, in dem sie sich wohl und akzeptiert fühlen
Neben der Individualresilienz der Kinder ist die Familienresilienz zu
fördern. Diese betrifft die Stressresistenz des ganzen Lebenssystems
(z.B. durch Förderung gesunder und heilsamer Rituale).
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Eine Familie ähnelt in vielerlei Hinsicht einem Mobile.
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Pause!
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